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Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Dummer 203

Fernruf 179.

Miläduä, Donnerstag, öen 2. September 1920.

Fernruf 179.

34. 'Zabrgsn.ß

Das deutsche Eigentum in

Der Eintritt Amerikas in den Krieg Anfang April 1917 hatte sofort zu einer Beschlagnahme des deutschen Eigentums in Amerika geführt. Der Kongreß erließ ein Gesetz über den Handel mit dem Feinde, auf Grund deren einTreuhänder" bestellt wurde, der alles feind­liche Eigentum in Besitz zu nehmen und zu verwalten hatte. Wie diese Verwaltung zu treuen Händen betrieben wurde, ist ein Kapitel für sich, das hoffentlich noch nicht als abgeschlossen gilt. Auch in Amerika regt es sich jetzt nachträglich wegen dieser Behandlung des Feindes, und der Kongreß hat deshalb kürzlich eine Ergänzung zu seinem Gesetz erlassen, wonach gewissen Personen, deren Eigentum , beschlagnahmt und verkauft worden ist,' das Recht gegeben wird, die Rückerstattung zu ver­langen oder im Klageweg zu betreiben. Vorläufig wird ein Betrag von etwa 150 Millionen Dollar zur Rück­zahlung angewiesen. Die übrigen 500 bis 600 Millionen sollen erst nach Friedensschluß zurückgegeben werden. Die tapfere Newyorker ZeitschriftThe Nation" des früheren Wilsonanhängers Oswald Garrison Billard befaßt sich mit der Frage und führt dazu folgendes aus:

Tie Ankündigung.' daß fremdes beschlagnahmtes Eigentum im Wert von 180 Millionen Dollar seinen Besitzern zurückgege­ben werden soll, ist nur der erste Schritt, um ein schmerzliches !I n recht wieder gut zu machen und einen Schmutzfleck auf Amerikas. Wappenschild auszuwischen. Die willkürliche Beschlag­nahme des feindlichen Eigentums durch Herrn Palmer, des amtlichen Treuhänders.- in direktem Widerspruch zu allem in­ternationalen Gesetz war umso mehr bemerkenswert, als wir an dem Krieg unter dem Vorwand teilnahmen, deutsche Gesetzlosigkeiten einzudämmen. Gewisse genau abgegrenzte Grup­pen werdennach formellem Antrag" zur Rückgabe ihres Eigen­tums berechtigt sein; wann wird die Rückgabe an alle statt­finden? Und wie wird die angekündigte teilweise Erledigung ins Werk gesetzt werden? Werden die Besitzer ihr Eigentum zu dem Wert zurückerhaltcn, den es zur Zeit der Beschlag­nahme hatte, oder sollen sie nur zu seinem Auktionswert oder zu dem augenblicklichen stark verminderten Markwert berech­tigt sein? Diese Fragen sind wichtig.' denn sie hängen schließlich mit dem Glauben an »die amerikanischen Grundsätze zusammen.

Auch von der richtigen Seite her ist die Frage des beschlagnahmten deutschen Eigentums in Amerika schon angepackt worden. In derIllinois Law Review" be­handelt Mr. Lofserty eingehend die Wegnahme und Ver­äußerung des deutschen Besitzes, geht auf die Ausschußver-. Handlungen im Kvngreh ein, um die wahre Absicht bei dem Erlaß des Gesetzes festzustellen, und kommt zu zu dem Schluß^ vom Standpunkt der internationalen Moral wie der alten preußisch-amerikanischen Verträge aus den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts sowie aus der Haltung des Bundesobergerichts in früheren Fällen und aus dem Sinne des Völkerrechts sei das Vorgehen Amerikas unberechtigt, und die geschädigten deut­schen Interessen hätten einen Anspruch auf'Rückerstat­tung mindestens der Summen, die aus dem Verkauf ihres Eigentums erzielt worden sind, wenn nicht auf Rückerstattung des ursprünglichen Eigentums.

Gegen die Amtsführung des gegenwärtigen Treu­händers Mitchell Palmer, der kürzlich auf dem demo­kratischen Nationalkonvent in San Francisco als Präsi- demschaftsanwärter aufgetreten, aber kläglich durchgefal­len ist, sind übrigens seit längerer Zeit in Amerika die schwersten Anklagen vorgebracht worden, so daß schließlich ein Senatsausschuß sich der Sache anneh­men mußte. Vpr allem wird Palmer vorgeworsen, er habe. das deutsche Eigentum geradezu verschleudert, in­dem er den Kreis der Bieter auf deutsches Eigentum derart eingeschränkt habe, daß nur einige Günstlinge übrigblieben, die dann Millionenwerte für ein Ei und ein Butterbrot erstanden. Wie diese ungeheuerliche Schä­digung deutscher Interessen eines Tages wieder gut gemacht werden soll, wird zum guten Teil von dem Eifer abhängen, mit dem die Geschädigten gegen dep. Treuhänder Vorgehen. Da es sich um einige Milliarden Goldmark handelt, ist es begreiflich, daß sich ein reges Angebot von amerikanischen Rechtsanwälten zeigt, die sich den geschädigten Deutschen zur Verfügung stellen. Daß sich unter ihnen auch zweifelhafte Elemente be­finden, hat der deutsche-amerikanische Wirtschastsverband erst kürzlich in einer Warnung bekanntgegeben. Es dürfte sich deshalb empfehlen, wenn bei der Auswahl solcher Rechtsvertreter die größte Sorgfalt geübt wftd, damit nicht das Ende ärger werde, als der Anfang war.

Der WelLposLkongreß.

Am 1. Oktober wird der Weltpostkongreß, der mehrere Monate in Anspruch nehmen dürfte, in Madrid statt- sinden. Es liegen bis jetzt rund 1000 Abänderungsän- träge der verschiedenen dem Weltpostverein angeschlosse­nen Postverwaltungen vor. Ter letzte Weltpostkongreß war im Jahr 1906 in Rom; im Herbst 1914 sollte ein solcher in'Madrid tagen, sein Zusammentritt wurde je­doch durch den Weltkrieg verhindert. Innerhalb dieser Frist haben sich nun die zu klärenden Weltpostfragen derartig gehäuft, daß sich eine Tagung nicht mehr auf­schieben läßt. Tie Hauptaufgaben des Kongresses wer­den darin bestehen, die Rechtsverhältnisse zwi­schen den einzelnen Vereinsläudern zu klären, die Ber­kehrstechnik zu verbessern und die Wünsche der Vbr- kchrswelt zu berücksichtigen. Was den eigentlichen Welt- postvertrag, der sich in der Hauptsache mit dem Brief­postverkehr beschäftigt, betrifft, so war vor dem Krieg in Deutschland das Verlangen nach einer Verbilligung des Weltpostverkehrs vorherrschend. Es mar dafür das Schlagwort Weltgroschenpvrto geprägt. Es ist nun aber anzunehmen, daß im Weltpostverkehr eine Erhöhung von 60 bis 100 v. H/der'Auslandsbriefportosätze eintre- ten wird. Deutschland hat an sich kein Interesse an der Erhöhung wegen seiner schlechten Valuta, da der Satz in Frankenwährung festgesetzt wird. Für Postkarten wird von einer Anzahl von Ländern vorgcschlagen, den Porto­satz gleich der Hälfte des Briefportos festzusetzen. Deutsch­land wird diesem Vorschlag zustimmen, wenn sein An­trag, die Vergrößerung des Postkartenformats von 16:11 Zentimeter statt wie bisher 10:9 Zentimeter angenommen wird. Von einigen Ländern wurde angeregt, die Gegen­werte der in Franken-Währung festgelegten Sätze nach dem Goldkurs zu berechnen. , Deutschland würde dieser Anregung nur unter der Voraussetzung beistimmen, daß dieser Kurs die oberste Grenze für die Tarife bildet. Für eine Begrenzung des Höchstgewichts der Briefe auf ein bis zwei Kilo ist Deutschland nicht, da die Gebühren­steigerung von 20 zu 20 Gramm an sich schon eine umfangreiche Verwendung von schweren Briefen aus- schlreßt. Weitere Vorschläge der deutschen Regierung be­fassen sich mit den Drucksachen und Warenproben, der Frage derFensterbriefe" (mit durchsichtiger Vorder­seite des Briefumschlags), für die einheitliche Bestim­mungen gefordert werden. Mit der Art der Erhebung der NaH nahmen, wobei vorgeschlagen werden wird, daß die'Währung nach dem Aufgabeland anzugeben ist, mit der Vereinheitlichung der Postausweiskarten, für die das deutsche Vorbild empfohlen werden soll, mit den Sätzen der Postanweisungsgebühren, der Zeitungsbeförde­rung und anderem. Auf dem Gebiet der Paketbesörderung, wo jetzt das Fünfkilopaket die Grenze bildet, soll auf den Wunsch verschiedener Länder das Zehnkilopaket die obere Gtenze angeben, wobei unter Umständen noch Erhöhungen zugelassen werden können. Der deutsche Vor­schlag geht dahin, drei Gewichtsstufen einzuführen und Pakete mit einem Gewicht bis 1 Kilo mit halber Ge­bühr, bis 5 Kilo mit der gewöhnlichen Gebühr und bis 10 Kilo mit der doppelten Gebühr zu belasten. Außer­dem sollen dringende Pakete, die bisher im internationa­len Verkehr nicht vorgesehen waren, zugelassen werden. Der bargeldlose Zahlungsverkehr begegnet bei den Ver- cinsländern allgemeinem Interesse. Oesterreich war das erste Land, das ihn im Jahre 1883 einführte, dann folgte Ungarn, später die Schweiz, das Deutsche Reich (1909), schließlich Belgien, die Niederlande, Frankreich, Italien und Dänemark. Ein Jahr nach Durchführung des Post­scheckverkehrs im Deutschen Reich wurden Wkommen mit der Schweiz-'und mit Oesterreich-Ungarn getroffen, und die in diesem Abkommen festgesetzten Bestimmungen sol­len jetzt die Grundlagen für einen internationalen Post- schcckverkehr bilden.

> Der Generalstreik.

Stuttgart, l. Sept.

Nachdem in den gestrigen Vormittagsverhaudlungen ) der Streikleitung mit der Regierung und den, Arbeit- s gebern der Aktionsausschuß erklärt hatte, daß er nicht i ermächtigt sei, auf die Forderungen der Arbeitgeber be- ^ züglich der Wiedereinstellung einzngchen, fand nachmit- i tags 4 Uhr im Dinkclackcrsaal eine Versammlung der ' Berrftbsräte^Groß-Siultgarts statt. Tfe Wortführer be­

dauerten, daß der Generalstreik in Stuttgart sich nicht mit der Schärfe und Einmütigkeit habe durchführen las­sen, wie draußen im Land. Insbesondere wurde das Verhalten der Angestellten und Eisenbahner angegriffen, die sich dem Streik nicht anschlossen. Es wurde sodann ein Antrag des kommunistischen Führers Hörnle ange-, lammen:

Nachdem die Betriebsräteversammlung sich mit dem Steuerabzug (auch mit der von der Regierung gebilligten schriftlichen Einzelerklärung eines jeden Arbeiters. T. Schr.) unter dem Truck der Verhält­nisse einverstanden erklärt hat, ist die sofortige Zurück­ziehung der Polizei zu verlangen. Die Verhandlungen über die Wiedereinstellung sämtlich er entlasse­nen Arbeiter werden durch den Aktionsausschuß der Betriebsräte geführt; die Christlichen und Hirsch- Tunckerschen Gewerkschaften können daran teilneh­men/wenn sie sich am Streik beteiligen. Wenn Re­gierung und Unternehmer daraus, nicht eingehen, so wird der Streik verschärft fottgejührt. Der Ak­tionsausschuß in Stuttgart soll durch Beiziehung von Vertretern der ' örtlichen . Streikleitungen erweitert werden.

Auch die Arbeitgeber traten nachmittags zu einer Beratung zusammen. i

Die Regierung hat den Aktionsausschuß als verhand­lungsberechtigt anerkannt, hält aber eine Verständigung in Vieser Frage mit den Arbeitgebern für notwendig.

Ter Bund der württ. Berkehrsbeamten macht bekannt, daß er jeden Eingriff und Angriff in die Ver­kehrsbetriebe aller Art geschlossen und mit den schärfsten Mitteln znrückwAfen werde.

Die Technische Nothilfe, zu der sich vor allem die Studierenden der Technischen Hochschule gemeldet ha­ben, hält den Betrieb des Elektrizitätswerks voll auf­recht, auch das Gas kann für etwa 5 Stunden im Tag zugeleitet werden. Wegen des Totengräberstreiks werden auch die Bestattungen von der Nothilfe ansgesührt. Auch sonst muß sie vielfach helfend eingreisen. In Heil- bronn hat die Technische Nothilfe Montag nachts den Betrieb des Elektrizitätswerks unter dem Schutz der Einwohnerwehr übernommen und das Gaswerk wurde am Dienstag besetzt. Tie Zeitungen erscheinen noch nicht. Auch in Oehringen, Künzelsau und Jngelfingen mußte die Technische Nothilse in Anspruch genommen werden. Tie Großmühle Rommel in Bissinge n a. Enz (bei Bietigheim) wurde von den Radikalen still- gelegl. Ta diese Mühle für die Mehiversorgung Würt­tembergs von großer Bedeutung ist und die Reichsgetretzre- stelle Stuttgart d4e Verantwortung für die Aufrechtem.1- tung der Mchlveriorgung ablehnte, wenn die Mühle nicht arbeiten rönne, so wurde der Betrieo durch die Technische oibilfe, die von SicherNheitspolziei beschicht wird, weiter- geftihrt. Zunächst galt es dort 50 Eisenbahnwagen put Getreide zu entladen.

Der Verkehr der Bahn und Post von Stuttgart nach den Fildern ist seit dem A. August unter­brochen. Am Dienstag wurde eine außerordentliche staatliche Nutopostfahrt unter Polizeischntz über Deger­loch nach Plieningen ausgeführt, um die inzwischen an­gehäuften Poststückc für die Filderorte abzubesördern. Die Postautolinie Degerloch-Waldenbura^-Tübingen ar­beitet noch ungestört. Der Postvertehr nach Neuyausen- a. F. muß den Weg über Ehlingen nehmen.

Die Kaffeehäuser Stuttgarts sind, wie säst sämt­liche Läden, geöffnet. Am Mittwoch vormi'ch.g wurde gegen eines der bekanntesten Kaffeehäuser folgende Sa­botage ansgesührt. Eine Anzahl gut gekleideter Leute nahm in den von anderen Gästen -halb gefüllten Räu­men Platz, ohne etwas zu bestellen, ." 'bald einer der wirklichen Gäste sich vom Platze crho' nahin sogleich' einer der wilden Gäste den Platz ein u m schließlich wa- . ren die Räume von lauterGästen" ciäl, die ihre Zi­garetten rauchten, c' er uich.'s genoß -

Die Verhandlungen des Aktionsausschusses der Streikenden mit der Regiernu-g und den Arbeitgebern,, die i.euie vormittag 11 Uhr ausgenommen wurden, sind ab- ,,c b r ochen worden. Die Arbeitgeber halten den Aktions­ausschuß nicht anerkannt, sie wollen nur mit den Vertretern der gewerkschaftlichen Organisationen und den Vertretern ihrer Betriebe über die Frage der Wieder- einstcilung verhandeln. Darauf hat die Regierung eine