WM ad er Tagblotl

(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Nummer 130 Fernruf 17S.

D effestirnrnen zur Neichstags- wahl.

Berlin, 8. Juni. In der (halbamtlichen)Deutschen Allgemeinen Zeitung" wird geschrieben: Tie Tatsache »'stehe, daß die Mittelparteien (Sozialdemokratie und ^:«morcutie) geschwächt seien. Die Stärkung der Rechten «nd der Linken kennzeichne die Lage. Der politische Wille Ses Volks dränge von der Mittellinie ab, aber die Politik Werde versuchen müssen, den Wagen wieder auf den Mittel­weg zu bringen. Tie beiden Rechtsparteien werden selbst mit dem Zentrum voraussichtlich keine Mehrheit finden. Ler Anschluß der Demokraten an eine Rechtsgruppierung «scheine ausgeschlossen. Aber ebensowenig werden die kleiden Linksparteien (Sozialdemokratie und Unabhängige) «ine Mehrheit bilden können. Au sich wäre eine solche vielleicht unter Mitwirkung des Zentrums möglich, aber diese Verbindung sei bei der jetzt im Zentrum Kerrschenden Strömung durchaus unwahrscheinlich. Tie Deutsche Volkspartei (Nationalliberale) sei offenbar ge­neigt, mit den Sozialdemokraten zusammen zu regieren, es sei aber zu verneinen, daß bei den Sozialdemokraten eine gleiche Neigung bestehe. So deute manches darauf hin, daß die bisherige Verbindung (Sozialdemokratie, De­mokratie, Zentrum) auch mit schwächerer Mehrheit sich werde entschließen müssen, die Regierungsgeschäfte vor­läufig .zu übernehmen.

DerVorwärts" sagt, es sei klar, daß unter den 11,6 Millionen Stimmen, die der Sozialdemokratie am 19. Ja­nuar 1919 zufielen, ein großer Teil von solchen ge­wesen sei, die aus dem Gefühl der Enttäuschung über den Zusammenbruch in der Sozialdemokratie den Hoff­nungsstern einer glücklicheren Zukunft erblickten. Es sei deshalb nichts Unerhörtes, wenn ein Teil dieser Wäh­ler, von einer Enttäuschung in die andere gefallen, nun wieder einen neuen Stern nach Bethlehem sucht. Tie Sozialdemokratie müsse sich über Ursache und Wirkung des Wahlausfalls rückhaltlos klar werden. Das Bedenk- denkliche sei, daß nun der sozialistische Vor­marsch zum Stehen gekommen zu sein scheine. Las Blatt wünscht eine Verständigung zwischen den bei­den sozialistischen Parteien.

DieFreiheit" (Unabh.) stellt fest, daß die Kommu­nisten eine völlige Niederlage erlitten haben. Dem Zu­sammenschluß des Bürgertums stehe die zunehmende Ge­schlossenheit der Arbeiterschaft im Lager der Unabhängigen -Sozialdemokratie gegenüber.

DieDeutsche Tageszeitung" sagt, die Zunahme der Stimmen und der Mandate zu Gunsten der rechtsstehen­den Parteien übertreffe alle Erwartungen.

DieGermania" stellt mit Genugtuung fest, daß da? Keutrum an den Rückgängen der Mittelvartei kaum ernst­lich beteiligt erscheine. In der Hauptsache seien die Par­teifreunde im Land fest zusammengeschlossen geblieben. So habe die Partei alle Ursache, der politischen Ein­sicht ihrer Anhänger sich zu freuen, denn sie gebe dem Dirken der Partei im Parlament gerade im Zeitalter xer Demokratie erst den wirklich tragfähigen Boden, den «ndere Parteien nach dem Ausfall dieser Wahlen nicht «echt zu empfinden vermöchten. Diese Tragfähigkeit könne »ber nicht dauernd überspannt werden.

Das linksdemokratischeBerliner Tageblatt" spricht Kon Unklarheit und Verwirrung der Wähler, die Ge- ftihlspolitik habe sich breit gemacht. Tie Demokratie habe nur eineBataille" verloren; jetzt sei Rührigkeit die erste Demokratenpflicht. Es sei nicht ausgeschlossen, daß die bisherige Koalition noch eine kleine Mehrheit behalte. Eine aus Deutschnationalen, der Deutschen Volkspartei und dem Zentrum zusammengesetzte Regie­rung würde eine Vereinigung der Sozialisten und der Unabhängigen, der ganzen Arbeitermasse, gegenüber einer solchen Regierung Hervorrufen. Dann würden schwerlich neue Erschütterungen ausbleiben.

DieVossische Zeitung" jst der Ansicht, es lasse sich nicht sagen, ob die bisherige Koalition noch über eine schwache Mehrheit verfüge.

TieMünch. N. Nachr." schreiben: Das Verhäng­nis der Wahlen ist nicht die Niederlage der einen und «nderu Partei, sondern das, daß die Wähler nur ge­zeigt haben, was sie nicht wollen, ohne zu erkennen tzu gebeir, wohin sie das Steuer gedreht haben wollen. Der Gedanke, die Deutsche Volkspartei in die Koalition aufzunehmen, perdiene ernsthafte Erwägung, aber das

Niläbsä, Mittwockl, 6en 9. ?uni 1920.

würde der Sozialdemokratie wahrscheinlich verderblich wer­den. Das Blatt hält eine rein sozialistische oder rein bürgerliche Regierung für verfehlt.

TieMünch. Zeitung" glaubt, daß die demokratische Partei ihren Kurs andern und sich in einenational- demokratische Partei" umwandeln wolle. Das sei sehr .bezeichnend, für die Umstände, denen mau in der Partei selbst die Schuld an dem Mißgeschick gebe.

*

Unter den gewählten Führern befinden sich u. a.: Scheidemann, Ulrich (Hessen), David, Wissel, Bauer, Schlicke (Soz.), Kunert, Tüumig, Dittmann, Henke, Braß (Unabh.), Gertrud Bäumer, Deruburg, Schiffer, Geßler (Dem.), Brentano, Trimboru, Giesberts, Bell, Dr. Spahn, Tr. Hitze (Ztr.), v. Gräfe, Bruhn, Dr. Schiele, Hergt, v. Delbrück, Dr. Rösike, Dietrich, Tr. Düringer (T.Nat.), Rießer, Dr. Becker, Stresemann, v. Kardorff, Hugo Stiu- nes, Rippler (Di Volksp.).

Karlsruhe, 8. Juni. Das Ergebnis der Reichs­tagsmahl unter Berücksichtigung der württembergischen Reststimmen ist voraussichtlich folgendes: Gewählt sind: 6 Zentrum (mit den württ. St.), 3 Sozialdemokraten, 2 Teutschnanonale, 2 Demokraten . (mit den w. St.), 2 Unabh. Soz. (mit den w. St.), l D. Volksvartei, 1 Kommunist.

Neues vom Tage.

Berlin, 8. Juni. Bis heute mittag wurden aus dem Reich 22 686 961 Stimmen gezählt. Davon entfallen auf die Deutschnationalen 2 651087, Deutsche Volkspar­tei 3 373 321, Zentrum 3 487 496, Christliche Volkspar­tei (Rheinl. Zentrum) 73 359, Baßer Volkspartei 312 817, Demokratie 2131688, Sozialdemokratie 4916 033, Un­abhängige 4 498 709, Kommunisten 404 149; ferner Wel­fen 150118, Thüring. Landbund 189 085, Württ. Bür- aerpartei 100483, Württ. Bauernbund 195825, Wirt­schaftliche Vereinigung 42 362. Der Rest ist zersplittert.

Auf Grund dieser Stimmenzahlen werden nach bisheriger Ermittelung Mandate erhalten: Deutsch­nationale 44, wozu noch kommen 1 württ. Bürgerpartei und 3 württ. Bauernbund, zusammen 48, Deutsche Volks- Partei 56, Zentrum 58, Christi. V.P. 1, Bayer. V. P. 5, Dem. 33, Soz. 82, Unabh. 74, Komm. 6. Aus den Abstimmungsgebieten kommen vorläufig hinzu 3 T. Nat., 3 D. Volksp., 9 Zentr., 8 Dem., 17 Soz. Im ganzen somit D. Nat. einschl. Bürgerp. und Bauernbund 51 (bisher 42), D. Volksp. 59 (21), Zentrum 67 (88

einschl. 18 Bayer. Volksp.), Christi. VP. 1, Bayer. VP. 5, Dem. 41 bis 42 (75), Soz. 99 (163), Unabh. 74 (22), Komm. 6 (0), außerdem Bayer. Mittelpartei (die den D. Nat. beizuzählen sein dürfte) 1 (0), Thür. Landb. 3 (0) und möglicherweise Wirtsch. Vereinigung 1 (0). Zusammen 406 Abgeordnete.

Tie bisherige Regierungsmehrheit hätte demnach bis jetzt 208 Sitze, denen 201 der bisherigen Opposition einschl. der Bayer. Volkspartei gegenüberstehen.

München, 8. Juni. Bei den bayerischen Land­tagswahlen wurden au bürgerlichen Stimmen (Bayer. Volkspartei, Nationale Mittelpartei, Deutsche Volkspartei, Bauernbund und Demokraten) l 356184 abgegeben gegen 587 641 sozialistische (Soz., Unabh. und Kommunisten). Tie Bayer. Volkspartei hat allein 839 962 Stimmen.

Dresden, 8. Juni. In den Reichstag sind in Sach­sen gewählt: 9 Unabhängige (bisher 3), 9 Sozialdemo­kraten (17), 6 Teutschnanonale (4), 7 Deutsche Volks- Partei (1), 3 Demokraten (7), l Kommunist (0).

In Leipzig ist Frhr. v. Lersner, der frühere deutsche Vertreter bei denFriedensverhandlungen" in Versailles, von der Deutschen Volkspartei gewählt. Das Wahlergebnis in Leipzig ist für die sächsischen Wahlen kennzeichnend. Es haben Stimmen erhalten: Sozialdemo­kraten 57 613 (1919: l 28 029), Unabhängige 267 609 (238 994), Kommunisten 12880 (0), Demokraten 53 703 (177 612), Teutschnationale 107 060 (72 089), Deutsche Volkspartei 132 749 (0), Deutsch-Soziale 2074 (0), Zen­trum 2554 (3199). Demokraten und Sozialdemokraten, die je ihre zwei Mandate in Leipzig verloren haben, erhielten auf Grund der Reststimmen aus den übrigen Kreisen je I^Sitz.

Fernruf 179. 54. sjöttlMNg

Rücktritt des Reichskabinetts.

Berlin, 8. Juni. Das Reichskabinett hat sich ' heute vormittag versammelt und dem Reichspräsidenten seinen Rücktritt angeboren. Ter Reichspräsident hat ihn angenommen und die Minister gebeten, bis auf wei­teres ihre Geschäfte fortzuführeu. Außerdem hat er den Reichskanzler ersucht, darauf hinzuwirken, daß eure tun­lichst beschleunigte Feststellung des Wahlergebn.ssech und die Einberufung des Reichstags möglichst bald erfolge.

Neuer Dreibund?

Washington, 8. Juni. Nach hier vorliegenden Be­richten ist England bemüht, ein Bündnis zwischen Eng­land, Japan und den Vereinigten Staaten zustande zu bringen, da es befürchte, in einen etwaigen Streit zwi­schen Japan und Amerika auf Grund seines Bünd­nisses mit Japan, das neu abgeschlossen werden soll, hineingezogen zu werden, wogegen es im Dreibund die nötige Autorität besitzen würde, einem solchen Streit­fall vorzubeugen.

Paris, 8. Juni. Die Presse hält in ihrer Beur­teilung der deutschen. Reichstagswahlen zurück.Homme libre", das Blatt Clemenceaus, meint, die neue Regie­rung, wie sie auch fein möge, werde noch weniger als tue alte in der Lage fein, sich den Forderungen des Frie­densvertrags zu fügen.

London, 8. Juni. LautDaily Chronicle" werden die Ministerpräsidenten von England, Frankreich, Bel­gien und Italien an einer Besprechung in Brüssel teilneh­men, die der Konferenz von Spa vorausgehen soll.

Rücktritt des Reichskabinctts? '

Berlin, 8. Juni. Das Reichskabinett dürfte heute zurücktreteu. Der Reichspräsident wird das Kabinett er­suchen, die Geschäfte solange weiterzuführen, bis eine neue Regierung auf der Grundlage der Parteiverhältnisse des neuen Reichstags gebildet ist. Der Reichstag soll so­bald als möglrch eiuberufen werden.

Es wird bestritten, daß Reichspräsident Ebert mit dem Führer der Deutschen Volkspartei, Dr. Stre se­in ann, eine Aussprache gehabt habe.

Dresden, 8. Juni. In Sachsen dürfte der Ausfall der Reichstagswahlen den Zusammenbruch der jetzigen Regierung zur Folge haben, da die sozialdemokratische und die demokratische Partei so stark vermindert sind, daß sie, wie die Unabhängigen soz. Blätter fordern, die Folgerungen daraus ziehen müssen. Die Sozialdemokra­ten sind für ein Zusammengehen mit den Unabhängigen.

Die Universitäten gegen das Studium der Volksfchullehrer.

Berlin, 8. Juni. Die Mendblätter veröffentlichen andere Hochschulen augeschlofsen haben, über die geforderte eine Erklärung der Uerlincr Universität, der sich zahlreiche Zulassung der Volksschullehrer zum Universitätsstudium,' worin eS heißt, die Universität erkenne die Berechtigung der Bestrebungen der Volksschullehrer nach einer Bes­serung ihrer allgemeinen Berufsausbildung vollkommen an und sei gerne bereit, bei der Neuordnung mitzuhel-4 fen. Tie Universitäten und technischen Hochschulen seien aber nicht geeignet, den Lehrerrn diejenige Ausbildung zu bieten, die im Interesse des Gedeihens der Volkse schule erforderlich sei. Pflicht der Universität sei es, mit allen Kräften auf die Erhaltung des wissenschaftlichen Lebens in Deutschland bedacht zu sein. Werde dieser wis­senschaftliche Geist nicht schon in den auf das Studium vorbereitenden Schulen eingcimpft, so erlahme das ge­samte geistige Leben unserer Nation. Aus diesen Er­wägungen müsse die Universität Berlin nachdrücklichst der Volksschullehrer ausnahmslos auf die Universitäten Einspruch dagegen erheben, daß die Berufsausbildung übertragen werde.

Ein weiblicher Ministerialrat.

Berlin, 8. Juni. Die Sozialpolitikerin Tr. Gertrud Bäumer, jetzt demokratisches Rcichstagsmitglied, Leite­rin des Sozial-Pädagogischen Instituts in Hamburg, ist zum Ministerialrat im Neichsmiuisterinm des Innern ernannt worden.

Kopenhagen, 8. Juni. Die für Ende Juni nach HeliingsorS einbernfene nordische Pressekonferenz wurde abgesagt, da die schwedischen Journalisten es ablehnten, unter den jetzigen gespannten Verhältnissen nach Hel- stngfors zu reisen. - - - - -