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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Lalw

96. Jahrgang.

Nr. 63.

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Srich.innng« v.ise' «m«l wöchentlich. «nzeig.nprei«: Tie klelnspnliige Zeile SVPjg. Slekl-ine» 2. .Mk Laimnelanzelgen komn» ein Zuschlag vo.l lOV"> gernsvr. ».

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Samstag, S. März 1S21.

Bezugspreis' In der Grad» mir Lrä^ertohn Mk. 1L.S0 vie»terjLyrlich. Posrde»ugSpreiS Mt. 12.9^ mir Bestellgeiv. Schlug dec Anzeigenannahme S Uhr vormittags.

Die Welt horcht nach London.

ktt. Dr. Snnons, dem tn den letzten Tagen eine übereifrige Presse allzugröße Geschästsmäßigkeit vorgeworsen hatte, hat tn Lon­don gesprochen. Er hat gut gesrochen. Alle Welt haben diese völlig neuen Gcdankengängc in ihrer Klarheit und Zielbewußtheit überrascht. Mit dem schon oft gesprochenen, scharfen deutschen Nein beginnen unsere Vorschläge:Die Pariser Beschlüsse der Al liierten vom 29. Januar 1921 sind, wie in der überreichten Denk schrift aueigesührt, wirtschaftlich und finanziell unausführbar/ Die deutsche Regierung hat es aber nicht bei einem kurzenNein" bewenden lassen, sie will den Völkerfrieden und hat deshalb Wege aufgczelgt, auf denen die Schäden des Krieges geheilt werden kön­nen, ohne daß das deutsche Volk dabei zu gründe geht. Mit diesen Gegenvorschlägen hat Deutschland cnrcut bewiese», daß ihm sein gegebenes Wort nicht eine leere Phrase ist. Der Kern hes deutschen Angebots ist wahrhaftig eine ungeheure weitgehende Bereitschaft zur Zahlung. Die von unö vorgeschlagenen 5 0 Milliarden Gold­mark ergeben, zu 8 Prozent kapitalisiert, ungefähr die gleiche Summe, die die Entente von uns in 42 Annuitäten verlangt hat. Wir wollen sofort bezahlen, nicht 42 Jahre lang Schuldlncchtc sein. Die Franzosen haben uns neulich daran erinnert, daß ihr Thiers nach dem siebziger Krieg an die Franzosen einen Aufruf erlassen hat, alle Kräfte anzuspmkiien, um die Kriegsentschädigung a,. die Deutschen sobald als möglich abzutragcn. Auch wir sind bereit zu zahlen und wollen uns keinem 42jährigen Sklavenj"ch unterwerfen. Wir wollen aber nicht einerseits selbständige Vertragspartner, an­dererseits unsrcie Heloten sein und deshalb ist cs nicht nur billig, daß in unseren Gegenvorschlägen kategorisch die Anrechnung unserer bisherigen Leistungen auf die Wiedergutma­chung verlangt wird. Wenn uns die Ententeheere und Kommission neu in unerhörter Weise auslaugen, wenn unserer Wirtschaft alle möglichen Fesseln angelegt werden, wenn uns Obcrschlcsien genommen wird, dann können wir nicht zahlen.

Trotz des gewaltigen Eindrucks, den unsere Vorschläge in Le-don gemacht haben, hat Lloyd George das Gleichgewicht verloren und ging einig mit der völligen Verneinung der deutschen Vor­schläge. Die Lage ist ernst. Wahnsinn scheint der Vernunft das Feld zu rauben. Am kommenden Montag wird unser Schicksal ent­schieden: Sein oder Nichtsein. Durch Androhung vonStrafen" lassen sich unsere Vertreter nicht mehr ins Bockshorn jagen. Die Polen, die schon beutegierig auf den Einmarsch im Osten lauern, mögen aber wissen, daß wie sie nie als Exekutoren aner­kennen. Gegen sie werden wir uns zu verteidige» wissen. Es bleibt uns nur das Ziel: Komm was will, wir Deutscbe halte» durch. Wehrlos aber nicht ehrlos.

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Besprechungen in Berlin.

Berlin. 4. März. Unter der Leitung des Reichskanzlers sand heute nachmittag eine Aussprache des Sachverständigen- Ausschusses über die wirtschaftlichen Wirkungen der von der Londoner Konferenz angedrohten Zwangsmaßnahmen statt. Alle Anwesenden waren einer Meinung darüber, daß die Maß­nahmen auf das deutsche Wirtschaftsleben zwar schwerste Wir­kungen ausüien würden, daß diese Wirkungen aber die Regie umg von dem Standpunkt, die Unterschrift von Verpflichtun­gen abzulehnen, die Deutschland zu erfüllen außerstande sei, nicht abbringen könnten.

^ Bei einer Besprechung, die gleichzeitig der Reichsminister des Innern mit den parlamentarischen Vertretern des besetzten Ge­biets ahhiclt, wurde fcstgcstellt, daß die angekündigten Zwangs­maßnahmen schwer, aber nicht unverwartet seien und daß die Regierung wegen der zu befürchtenden Schädigungen so weit als möglich Vorsorge getroffen habe. Die angedrohten Maß­nahmen könnten keine Veranlassung geben, die von der Neichs- regierung bisher angenommene Haltung zu ändern.

Fm Reichstage hat heute eine interfraktionelle Sitzung der Vorstände der Koa.ctionsparteien stattgefunden, tn der auch die Rückwirkung der Londoner Vorgänge auf die innere Politik be­sprochen wurde. Mittags hatten sich die Führer der Koalitions­parteien zum Reichskanzler begeben. Später sollte auch, dem ..Lokalanzciger" zufolge, eine Zusammenkunft der Parteiführer beim Reichspräsidenten Ebert stattfinden.

Berlin, 5, März. Den Morgenblättern trat gestern nach­mittag das Reichslabinett zu einer Besprechung über die Lon­doner Verhandlungen zusammen Den Beratungen lag ein aus­führlicher Sitüarionsbcricht des Außenministers Dr. Simons zu­grunde. Zni Anschluß an die Sitzung fand eine Besprechung mit «.en Parteiführern statt. Der Reichskanzler wird heute im ^eichstag im Namen der Regierung eine Erklärung zu den ^Handlungen in London abgeben. Alsdann wird sich der

Reichstag um einige Stunden vertagen, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, zu der Regierungserklärung Stellung zu . nehmen. Nach Wiederbeginn der Sitzung wird dann eine große politische Aussprache statt.inden.

Die Antwort von London.

London, 4. März. Die deutsche Delegation ist um 147 Uhr zu einer Beratung zusammengetretcn, die mehrere Stunden dauern dürfte. Im Augenblick, um 149 Uhr, dauert die Sitzung noch an. Die nächste Sitzung der Londoner Konferenz mit der deutschen Dele­gation wird am Montag 12 Uhr mittags stattfinden.

3m Zeichen dsr Besprechungen. Unveriindrrte Härtung.

Bet einer Besprechung, die gleichzeitig der Reichsminister des Innern mit den parlamentarischen Vertretern des besetzten GebiciS aohiclt, wurde fcstgestcltt, daß die augekiindiztcn Zwangsmaßnahmen schivrp, aber nicht unerwartet seien und daß die Regierung wegen der zu befürchtenden Schädigungen so weit als möglich Vorsorge getroffen habe. Die angcdrohten Maßnahmen könnten keine Ver­anlassung geben, die von der Rcichsregierung bisher angenommene Haltung zu ändern.

Eine Stimme zur Besetzung der Nhsrnhäsen.

Berti!:, 5. März. ImBerliner Tageblatt" erhärt der Reichs tagSabgeordnete von Düsseldorf Ost, Erkelenz, zu der von der En­tente angedrohten Besetzung rechtsrheinischer Häfen: Wir sind uns am Rhein seit langem darüber klar, daß dieser wahnsinnige Versuch einmal gemacht werden , wird und wissen, daß wir dabei die zuerst Betroffenen sein werden. Uns kann die Rede Lloyd Geor ges nicht erschüttern. Wir hoffen und wünschen dringend, daß die Besetzung niemand in Deutschland schwerer fällt als uns. Die Welt braucht einen solchen Versuch, Armeen zum Gerichtsvollzieher z» machen, mn endlich zu erkennen, daß Machtpolitik keine Reich- tümcr sammeln kann. Wir wollen und weroen die augenblicklichen Lasten ertragen, da wir die ungeheuren Dauerlasten nicht tragen können. Eine augenblickliche Erleichterung wolle» wir nicht er­kaufen durch eine unmögliche Dauerbelastung.

Die Herren sind vollständig befriedigt. . .

Paris, 4. März. Wie derMatin" meldet, har xriegsmini- ster Barthou, der gestern von London zurückgekehrt ist, erklärt, er sei vollständig befriedigt. Bei seiner Ankunft in London sei die Lage etwas schwierig gewesen. Er sei nicht als Kriegs­minister» sondern als Kabinettsmitglied in London gewesen und auch als ehemaliger Präsident des Kammerausschusses für aus­wärtige Angelegenheiten.

Ein Herz ein Sinn . . .

London» 4. März. Die Rede Lloyd Georges in der gestrigen Konferenz findet in der Presse volle Zustimmung. Die Times" schreiben, die gestrige Rede Lloyd Georges habe aus die Entente eine kräftige Wirkung ausgeübt. Das Blatt ver­weist auf die von Vriand und Curzon auf dem gestern veran­stalteten Essen des Verbandes der ausländischen Presse ge­haltenen Rede, in der Curzor erklärte, die Allianz zwischen beiden Ländern sei niemals enger als augenblicklich. Die Tieres" schließen aus den Worten des deutschen Ministers des Auswärtigen auf der gestrigen Sitzung der Konferenz darauf, daß er weitere alternative Vorschläge machen werde. Das Blatt hebt hervor, daß die ans Berlin geäußerte Ansicht, das Ultimatum der Entente sei keineswegs ein wirkliches Ultima­tum, denn die Alliierten Hanen nicht die Absicht, die Verhand­lung plötzlich abznbrechen, ein großer Irrtum sei. Die Alliier­ten würden wirkliche Angebote in Betracht ziehen, jedoch nicht mehr. '

Italiens Vermiltlunqsversuch.

London. 4. März. Mit Bezug auf die Haltung der Italiener aus der Londoner Konferenz schreibt dieMorning Post": Da Graf Sforza seine Unterschrift unter das Pariser Abkommen gesetzt hat, kann von einem Zurücktreten Italiens von seinen Verpflichtungen oder von einer Aenderung seines Programms keine Rede sein. Da jedoch Italien durch alle wirtschaftlichen Erschütterungen Europas ernstlich in Mitleidenschaft gezogen werden würde, z. B. in der Versorgung mit Kohle, aus dem Ruhrrevier und dem Saartal. seien verantwortliche italienische Kreise der Ansicht, daß Deutschland jede Gelegenheit geboten werden müßte, sich zum Standpunkt der Alitierten bekehren zu lassen^ _

Ausland.

Der neue Präsident Amerikas.

Weobrow Wilson, der Mann mit den 14 Punkten, trat gestern von seinem Amt zurück, um seinem Nachfolger Harding Platz zu machen.

I» seiner Anirittsboischast bei der Ucbernahme der Präsident­schaft erklärte Harding u. a, die neue amerikanische Regierung be­absichtige, eine Politik der Nichteinmischung in die Angelegenheiten Europas zu befolgen. Sie lehnt es ab, an irgend euier dauernden militärischen Allianz teilzunehmen oder irgendwelche ausländischen wirtschaftlichen Verpflichtungen zu übernehmen. Sie ist jedoch bereit, an einer Konferenz über die Abrüstungsfrage teilzunehmen. Harding tritt sür die Schaffung eines Weltgerichtshofes zur Regelung gerichtlicher Fra­gen ein und erklärt: Wir werden keiner Nation einen gerechten Grund geben, mit uns Krieg zu führen. Ich hoffe jedoch daß, wenn uns von neuem der Krieg aufgczwungen wird, er dann Amerika :n nati naler Verteidigung vereinen wird. In Anbetracht des Wett­bewerbs des Auslands erklärt sich die Botschaft sür den Schutz der amerikanischen Industrie und sagt weiter: Wir können nicht mit Er­folg verkaufen, wenn wir die amerikanischen Waren nicht in ameri­kanischen Fahrzeuge» auf die Weltmärkte bringen. Außerdem trttt der Präsident ein für eine Verminderung der Steuerlasten, angemes­sene Krediterleichterung und sür den Frieden in der Industrie. Für die Schuldverpflichtungen, die aus dem Kriege entstanden find, müsse gesorgt werden, da keine Nation ihre Nichtanerkennung überleben könnte.

Zu der Botschaft

des amerikanischen Präsioenten Harding

schreibt derBerliner Lokalanzeiger", daß sich der Präsident für die europäische Frage vollkommen freie Hand Vorbehal­ten habe. Anstatt, worauf man in London gehofft Hobe, sich in den europäischen Fragen irgendwie feftzulegcn, habe er sich alle Mög­lichkeiten offen gehalten. In der Tatsache, daß der Präsident von der Möglichkeit eines neuen Kriegs sprach, glaubt das Blatt ei» Symptom für den gegenwärtigen Reizzustand der internattonalen Beziehungen zwischen allen Großmächten zu sehen.

Amerikas Absage an den Völkerbund.

Dasberliner Tageblatt" hebt hervor, daß durch die Botschaft des Präsidenten die Absage Amerikas an den Völkerbund endgültig überreicht ist. Aber Harding wolle den Völkerbund nicht zu Grabe tragen, ohne der Welt etwas Neues und Besseres dafür zu bieten. Sein Programm fordere das obligatorische Weltschicdsgerecht.

Deutscher Reichstag.

Tumuttfzenen. Aussprache über die Landauer Verhandlungen.

Berlin» 4. März. Der Reichstag hielt heute unter dem Eindruck der Londoner Vorgänge keine eigentliche Sitzung ab, aber statt der von den Parteien der Rechten bis zu den Mehr­heitssozialisten für notwendig erklärten Einheitsfront kam es durch das bedauerliche Verhalten der bcjhen äußersten Links­parteien zu beschämenden Tumultszenen. Bei Eitzungsbeginn teilte der Präsident mit, daß die Regierung dem Hause noch keine Mitteilung über die Londoner Verhandlungen machen könne, da die ihr zugegangenen Informationen der deutschen Delegation noch unvollständig seien. Ein von unabhängiger Seite gestellter Antrag, der von den Kommunisten unterstützt wurde, sofort in die Besprechung der Londoner Forderungen, die genügend bekannt seien, einzutragen, wurde gegen die Stim­men dieser beiden Parteien abgelehnt. Als dann Lei dem RcTderei-Absindungsvertrag die Demokraten zur Vermeidung größerer Debatten Absetzung von der Tagesordnung beantrag­ten, widersprachen die Unabhängigen und d»e Kommunisten un­ter Hinweis auf den in Stettin ausgebrochenen Generalstreik. Auch die Mehrheitssozialisten unterstützten den demokratischen Antrag, da in Stettin morgen Einigungsverhandlungen be­ginnen sollten. Als der Abg. Vogtherr (U. S. P.) mitteilte, daß im Haus eine Abordnung der Stettiner Vulkanardeiter er­schienen sei, entstand großer Lärm. Nach Annahme des demo­kratischen. Antrags teilte der Präsident die entscheidenden Sätze der Londoner Erklärung mit. Seine Feststellung, daß diese Er­klärung mit dem Versailler Vertrag nicht in Einklang stehe, würde mit brausendem Beifall ausgenommen. Als der Abg. Hoffmann (U. S. P.) das Wort zur Geschäftsordnung ver­langte. der Präsident das Verlangen aber als geschäftsordnungs- . widrig ablehnte, entstand ein gewaltiger Tumult. Um 3 Uhr wurde die Sitzung auf eine halbe Stunde vertagt. Auch wäh­rend der Pause dauerten die heftigen Auseinanderfetzungen zwi­schen den. Unabhängigen und der Neckten fort. Um Uhr war die Sitzung noch nicht wieder ausgenommen und der Direk­tor des Rcichstagsburean erklärte den Pressevertretern, daß die heutige Sitzung beendet sei und die nächste morgen zu einer noch zu bestimmenden Zeit abgehalten werden solle.