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Nr. 270

Samstag, den 16. November 1929

Jahrgang 102.

Um die Rückgabe des Saargebiels

Die Saarsrage entscheidend für die Annahme des Youngplanes Entschlossene Haltung des Zentrums

TU. Saarbrücken, 16. Nov. In einer Zentrumsivähler- »ersammlung sprach hier der Vorsitzende der Deutschen Zen- trumspartci, Prälat Kaas, über die deutsche Innen- und Außenpolitik. In der Innenpolitik, so führte er aus, sei die große Parteizerrijsen*heit zu beklagen. Das werde nicht eher besser, als bis die deutsche Jugend das überlebte kleinliche deutsche Parteisystem über den Haufen gerannt habe und die ewig Gestrigen zu einer neuen Struktur zwinge.

Kaas bekannte sich dann grundsätzlich zur bisherigen beut, schen Außenpolitik, da er und bas Zentrum Freunde einer ehrlichen Verständigung mit Frankreich seien, doch habe er m.hr als einmal den Eindruck gehabt, als sei Deutschland in seiner Konzessionsbcreitschast, und zwar in der Pränumcrandobercitschaft, weiter gegangen, als dies notwendig gewesen wäre. Es gebe eine Grenze des deut­schen Entgegenkommens,- sie sei jetzt mindestens erreicht. Er halte es ferner für einen großen Fehler, von einer Liqui­dierung des Krieges zu sprechen. Dieses Wort habe man etwas voreilig gebraucht. Wenn die Haager Konferenz schon die Liquidierung des Krieges bedeute, dann habe man kein Recht, Weiteres zu verlangen. Der Rhein sei auch nach der Aufhebung der Besatzung nicht befreit, bestehe doch nach dem Versailler Vertrag für gewifle Verfehlungen immer noch das Riickbcfetzungsrccht. Deutschland habe kein Inter­esse daran, den Rhein eher als befreit zu erklären, als dies völkerrechtlich richtig sei. Man nehme mit dieser BesreiungS- proklamation dem Volk den Elan zum Wetterkämpfen und zerstöre die Grundlage für eine neue politische Offensive.

Er sehe zwar keine andere Möglichkeit zur Festigung des Friedens, als eine deutsch-französische Verständigung. Aber der Weg zu dieser Verständigung sei der des Vertrauens «nd nicht der der Zerstörung. Kaas kam dann auf die Rück­wirkungen zu sprechen, die hätten verwirklicht werden muffen.

Die Räumung der zweiten Zone sei kein Entgegenkom­men, sondern ganz selbstverständlich. Was die Saar anlange, so habe an dem Tag, an dem Deutschland in den Völkerbund eingezoge« sei, Genf aus dem Saargebict ausziehen müssen. Das wäre völkerrechtlich gradlinig, staatSnrännisch weise ge, handelt, europäisch schöpferisch gewesen. Durch die Verzöge­rung der Saarverhandlungcn sei ei« tragbares Abkommen

erschwert worden. Als Führer der Zentrumspartei erkläre er, daß die Lösung der Saarfrage «nd die Aussichten, die der Partner z« machen habe, entscheidend seien für ihr Ja oder Nein zum Noungplan. Ein verfrühtes Ja, das die Verhand­lungen zu Deutschlands Ungunsten beeinflussen könnte, komme nicht in Frage. Wenn man eine zustimnrende Erklä­rung verlange, dann wolle man sehen, nach welcher Richtung hin sich das Schicksal der deutschen Saar entwickle, und unter welchen Voraussetzungen die Gegenseite bereit sei, die Saar zum Vaterland zurückkehren zu lassen.

Botschafter v. Hoesch erneut bei Briand

TU Paris, 16. Nov. Von amtlicher deutscher Seite wird mitgeteilt: Der deutsche Botschafter v. Hoesch hatte am Freitag abend erneut eine Unterhaltung mit dem französi­schen Außenminister Briand.

Wie der Vertreter der Telegraphenunion von unterrichte­ter Seite erfährt, galt die Unterredung diesmal nicht der Behandlung einer großen außenpolitischen Frage, wie z. B der Nheinlandräumung, sondern der technischen Vor­bereitung der zweiten Haager Konferenz und den damit zusammenhängenden Fragen, u. a. dem Stand der verschiedenen Kommisstonsarbeiten und dem Da­tum des Zusammentritts der Haager Konferenz.

Verschiebung der zweite« Haager Konferenz?

Wie es scheint, hat sich der englische Standpunkt bezüg- lich des Zusammentritts der zweiten Haager Konferenz neuerdings geändert. Auch die Times betont jetzt, daß die Haager Konferenz erst im Januar zusammentrcten könne. Das Blatt weist in diesem Zusammenhang aus die Schwierigkeiten hin, die dadurch entstünden, daß am 20. Ja­nuar die Tagung des Völkerbundes und am 21. Januar die Tagung der Flottcnkonfcrenz beginnen solle. Ferner deutet das Blatt darauf hin, daß, da die Ratstagung auf englischen Wunsch auf den Januar verlegt sei, nur noch eine Verschie­bung des Beginns der Flottenkonferenz in Frage kommen könne. Die eine oder andere Konferenz müsse daher vom 20. bzw. vom 21. Januar auf den 27. Januar verlegt werden. Gegen den Zusammentritt der zweiten Haager Konferenz im Dezember spräche im übrigen auch die Tatsache, daß die Ar- beiten der Organisationsausschüsse noch nicht beendet seien.

Die Wirtschaftsverhandlungen mit Polen

Erneute Berichterstattung Rauschers in Berlin

TU. Berlin, 16. Nov. Wie derGermania" aus War. schau gemeldet wird, wird der deutsche Gesandte Rauscher voraussichtlich noch in dieser Woche nach Berlin reisen, um über den Stand der deutsch-polnischen Handelsvertragsver- Handlungen Bericht zu erstatten.

Weiter meldet dieGermania", daß eine neue polnische Novelle zur Umsatzsteuer paraphiert worden sei, die neben Umsatzsteuererleichterung für den polnischen Groß, und Kleinhandel eine sogenannte Jmportausgleichs- steuer eingeführt sehen wolle. Der wesentlichste Punkt die­ser Steuernovelle sicht die Einführung einer einmaligen Jmportausglcichsstcuer in einer Höhe bis zu 6 Prozent -es jeweiligen Wertes für alle Fertig, und Halbfabrikate vor, welche auf dem Boden -er polnischen Republik weiter verar­beitet od?r gebraucht werden sollen und von der staatlichen Umsatzsteuer nicht ersaßt worden sind. Wenn vorläufig auch noch nicht feststeht, wann die Steuernovell« in Kraft trete, so könne doch kein Zweifel darliber bestehen, daß im Falle eines Inkrafttretens ihre Auswirlungen eine starke Erschwe­rung sür die Einfuhr deutscher Jndnstrieerzcugnisse nach Po­len, sowie für die Tätigkeit deutsther Handelsvertreter auf polnischem Gebiet bedeuten würde.

Die Führer derGrünen Front" bei Dietrich.

Einer Aufforderung des Neichsernährungsministers fol­gend, begaben sich am Freitag die Führer der «Grünen Front" zum Minister Dietrich. Es wurden alle wichtigen schwebenden Fragen Ler sofort notwendigen Maßnahmen für die Landwirtschaft besprochen. Die Weiterbehandlung der Probleme wird in interfraktionellen Verhandlungen statt- finden, die In den nächsten Tagen beginnen sollen.

NcichSlanb-uudpräsideut Hepp gegen das deutsch-polnische Abkomme«.

In einer vom Neichslandbund Falkenberg sOberschlcsieni veranstalteten Versammlung bezeichnet der Präsident des Nrichslandbundcs, Hcpp den Abschluß des Vertrages mit Polen als den völligen Zusammenbruch der Locarno- und Verständigungspolitik, deren Sinn es ursprünglich gewesen

sei, durch Verzicht im Westen freie Hand im Osten zu gewin- nen. Um unsere Westpolitik zu retten, verzichtete» wir nun auf die letzte« Möglichkeiten einer wahrhaft nationale« Ost­politik.

Allem Anschein nach seien die Verhandlungen mit Polen mit äußerster Eile und mit größter Geheimtuerei geführt und abgeschlossen worden. Verantwortlich hierfür zeichne neben dem deutschen Gesandten in Warschau, Rauscher, der neue Retchsaußenminister Curtius. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, daß auch bei dieser Aktion der Außenminister sich von der Absicht habe leiten lassen, natio­nale Werte zugunsten einer internationalen Wirtschaftsver» ständigung zu opfern. Der Abschluß eines Meistbcgünstti» gnngSvcrtrages mit Polen sei vor Wiederherstellung der deutschen Agrarzollantonomie völlig untragbar.

Der Schwedenvertrag vor dem Abschluß.

Wie dieD. A. Z." berichtet, sind die Verhandlungen mit der schwedischen Delegation in Berlin über den neuen deutsch-schwedischen Handelsvertrag dicht vor dem Abschluß und es wird mit der Unterzeichnung tm Laufe des SamstagS gerechnet.

Abbruch slralegischer Eisenbahnlinien in der Pfalz

TU. Berlin, 16. Nov. DieBörsenzeitung" berichtet aus Kaiserslautern: Mit der Zerstörung von Eisenbahnlinien tm besetzten G-ebict, die von der Reichsregierung in dem mit Frankreich über dieEntmilitarisierung im Westen" abge- schlossenen Abkommen zugcstanben wurde, ist in der Pfalz bereits begonnen worden. Seit Dienstag wird von etwa 70 Bahnarbcitern das zweite Gleis der Bahnstrecke Münster am SteinOdernhcim abgerissen. Das Gleis Ist bereits ans eine Strecke von 400 Metern zerstört. Im ganzen sollen die Gleisanlagen auf eine Strecke von 15 Kilometer entfernt werden. Der Schotter und das sonstige Material werden Interessenten gegen die Verpflichtung der Abfuhr auf ihre Kosten überlassen. Auch mit der Beseitigung eines Teils der Verladerampe am Bahnhof Schaidt lSüd^'alzi ist be­reits der Anfang gemacht worden.

Tages-Spiegel

Der Zeutrnmssithrer Kaas fordert die Rückgabe des Saar, gcbicts als entscheidende Bedingung sür die Annahme des Noungplans.

Botschafter v. Hoesch hatte gestern erneute Besprechungen mit Briand, welche sich aus die 2. Haager Konferenz be» zogen.

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In Berlin beabsichtigt man einen Teil der deutsche» Nuß» lanbauswanderer im deutsch:« Oste» anznsicdcln.

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Die Wirtschaftsverhandlungen mit Pole» dürften nach Be» kanntwcrde« «euer gesetzlicher Maßnahmen d:r Mar» schauer Regierung, welche geeignet sind, die Einfuhr dent» scher Erzengnisse zn erschwere», eine Stockung erfahren.

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Der englische Schatzkanzler hat die Rückgabe des deutsche« noch nicht liquidierten Eigentums in England schroff ab» gelehnt. Die Reichsregierung will trotzdem neue Schritte unternehme«.

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In Berlin finden morgen die Wahlen zur Stadtverordneten» Versammlung statt. Der Wahlkampf wird mit aller Schärfe geführt werde»; bereits SO» Umzüge sind polizeilich an» gemeldet.

Ansiedlung von Rußland-Bauern im deutschen Osten

Berlin, 16. Nov. Die Hilfsaktion des Reiches für die vertriebenen deutsch-russischen Bauern soll sich nach drei Rich­tungen hin auswirken. Zunächst gilt es, die Mittel für die Auswanderung in andere Länder, in erster Linie Brasilien, Kanada und Peru, aufzubringen. Weiter muß für die vor- läufige Unterbringung der Auswanderer in Deutschland bis zum Zeitpunkt ihrer Abfahrt in die anderen Länder geborgt werden. Drittens wird zu prüfen sein. Inwieweit die Aus­wanderer in Las deutsche Siedlungsprogramm einbezogcn werden können. Gestern hat sich ein Ausschuß zur Werbung für die Siedlung der Flüchtlinge in Deutschland gebildet, der ein umfassendes Programm für seine Tätigkeit ausge­arbeitet hat. Der Ausschuß wird auf die Unterstützung des Neichsernährnngsministeriums rechnen müssen, das eine Verwendung der Auswanderer sür landwirtschaftliche Arbeit in Erwägung zieht. Später wäre dann die Möglichkeit zu Siedlungen gegeben. Die erste Entscheidung über die Ge­samthilfsaktion wird im Haushaltsausschuß fallen, der am 26. November zusammcntritt.

In einem Aufruf des vorgenannten WerbungsansschuffeS heißt es:

Siedlungssertigcs.Land ist in Ostpreußen, Grenzmark, Pommern und Schlesien ln den Händen der Siedlungsgesell­schaften und des Staates ausreichend vorhanden. Es handele sich um etwa 20002500 Familien, deren Unterhaltung bis zum Frühjahr bei der Bedürfnislosigkeit dieser Leute mit 2S Millionen Reichsmark zu bestreiten sei. Es müsse er. reicht werden. Len Bauern Arbeitsmöglichkeit für den Som. mer zu sichern und sie im Laufe der nächsten Jahre endgültig im Osten anzusiedeln.

Der Streit um das deutsche Eigentum in England

TU. Berlin, IS. Nov. DieB. Z." meldet aus London: Der Schatzkanzler Snowden hat dem deutschen Botschafter offiziell mitgetcilt, daß die Forderungen Deutschlands ans bedingungslose Rückgabe beS deutschen Eigentums, das noch nicht liquidiert sei, nicht in Erwägung gezogen werden könne.

Snowden erklärte ferner, daß der Entwurf eines Abkoin. mens über diese Frage bereits in Zusammenhang mit den Besprechungen zwischen englischen und deutschen Sachvcrstän. Ligen fertiggestellt sei. Er deutete an, daß es im Interesse Deutschlands liege, das vorgeschlagene Verfahren schnellstens anzunchmcn, um die Durchführung der Empfehlungen der Aoiingsachverstänbigcn zu ermöglichen. Andererseits dürste die Liquidation, die jetzt aufgehoben sei, wieder ausgenommen werden l!j.

Nach einer Mitteilung der Times wies Snowden ferner die deutsche Forderung zurück, daß der Überschuß der Liquidation dem Deutschen Reich auSgchändigt werden soll, da diese Frage bereits vom Haager Jnterpretations- gericht für den Dawesplan entschieden sei.

Damit Ist jede Hoffnung geschwunden, daß das Schatzamt sich ohne stärksten Druck zur Einsicht bekehren könnte. Der amtliche deutsch-englische Meinungsaustausch in der Form von zwei sehr bestimmten deutschen Schritten und zwei ebenso bestimmten englischen Ablehnungen, der sich auf die Zeit vom 17. Oktober bis 11. November erstreckt, ist damit zwar vor­läufig negativ verlaufen; es blribt aber abzuwartcn, ob die private Initiative, namentlich von englischer Seite, das gleiche Ergebnis habe« wird.