Einmarsch der Deutschen in Rußland.
* Berlin, 3. Mg. Das 1. Bataillon des Infanterieregiments 155 mit Maschinengewehrkompagnie und Ulanenregiment 1 sind heute Mlorgen in Kalisch eingerückt.
* Berlin, 3. Mg. Die deutschen Grenzschuhtruppen bei Lublinitz nahmen heute Bormittag nach kurzen! Gefecht Czenstochau. Bendin und Kalisch wurden von deutschen Truppen besetzt.
Völkerrechtliches Neberschreiten der Grenze durch Franzosen.
Obwohl noch kein deutscher Soldat auf französischem Boden sich befindet, haben nach amtlichen Meldungen Franzosen vor der Kriegserklärung kompagniewcise die deutsche Grenze überschritten und die Ortschaften Gottesthal, Metzeral und Markirch und den Schluchtenpaß besetzt. Ferner ist ein Neutralitätsbruch dadurch begangen worden, daß französische Flieger in großer Zahl über Belgien und Holland nach Deutschland geflogen sind. Ein französischer Brunnenvergifter erschossen.
* Meh, 3. Mgust. Ein fr anzösi scher Arzt versuchte gestern mit Hilfe von zwei verkleideten französischen Offizieren in Metz Brunnen mit Cholerabazillen zu infizieren. Ä: wurde standrechtlich erschossen.
Deutsche Freiwillige in Wien.
* Wien, 3. Mgust. Seit dem frühen Morgen meldeten sich gestern Heerespflichtige und Freiwillige auf der deutschen Botschaft und dem deutschen Konsulat. Ter Andrang steigerte sich im Laufe des Tages. Abends verließen bereits Hunderte von Reichsdeutschen mit Schnellzügen die Stadt, um sich auf der nächsten Grenzstation zu stellen.
* Wien, 3. Mgust. Gestern vormittag wurden auf den deutschen Konsulaten mehrere hundert deutsche Militärpflichtige untersucht und nach Deutschland abgesandt. Gegen 11 Uhr zogen etwa 200 Reichsdeutsche unter herzlichen Ovationen des Publikums mit schwarz-weißroter Fahne vor das Kriegsministerium. —Der Generalkonsul Kutschera teilt den Blättern mit, daß er seine Orden niedergelegt habe.
Einvernsnng der französischen Kammer.
* Paris, 3. August. Tie Kammern sind zum Menstag einberufen worden. Der Finanzminister hat ein Moralörnum für Kontokorrent-- und Lombarbdarlehen-bis zum 31. August verfügt. Depositengläubiger sollen,höchstens 250 Francs zuzüglich 5 o/o vonIdem Rest ihres Guthabens erheben dürfen. "" . A /
Belagerungszustand ru Frankreichmud Algerien!
" ^Maris, 3. Mg. Heute hat-Präsident Moincarä Linen Erlaß unterzeichnet, der den-Belagerungszustand über-Frankreich und Algerien verhängt,'der währe,ndMes ganzen,- Krieges aufvechti erhalten ^bleweu Patriotische 'Spende.D
Tie österreichische Kreditanstalt hat-100D00 Kronen für das Rote Kreuz und ebensoviel für-die Familien der Arbeiter der zu den Waffen - Berufenen § gespendet, 'p
^ Erhöhung des Diskonts und Lombards.
8^., * Rom, 3. Mgust. Ter-Wechseldiskontxund der Lombardsatz in Italien sind mit Wirkung' vom 3., August auf 6 o/o erhöht worden. Der Geschäftsverkehr z-an , der Börse ist bis auf weiteres eingestellt./ - AeA-t'- ^ Die Vereinigten Staaten jNeutral.'M/ l * Washington, 3. August. Die ; Erklärung der Neutralität der Vereinigten Staaten ist.>im Vorbereitung und wird morgen veröffentlicht werden.; ;
Die Wahrheit über die Kämpfe um-Belgrad, i
* Wien, 3. Mg. Bezüglich der Meldung über ein Eingreifen der österreichischen Artillerie/bei Belgrad ist neuerlich hervorzuheben, daß es sich nicht.um das Bombardement der offenen Stadt Belgrad gehandelt hat. Der Sachverhalt ist der, daß aus Belgrad tauf die österreichischen Truppen und die Donauschifsefgeschvssen wurde, woraus das serbische Feuer erwidert undl auch ach solcbe
Häuser in Belgrad gerichtet wurde, aus öenen'Schüsse fielen . Tie österreichisch-ungarische Armee wird dis allgemein anerkannten völkerrechtlichen Bestimmungen genau beobachten. - > -
Die Leiter der Geschicke ^ rrropas-
Tie Augen der ganzen Welt ruhen >etzt auf den Männern, deren Bilder wir unfern Lesern heute vor-
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führen. Neben dem deutschen Kaiser sehen wir das Porträt dos Zaren und des französischen Präsidenten und darunter die Bilder der verantwortlichen Diplomaten.
Das junge undankbare Serbien.
Von Franz Friedrich!
Noch nicht einmal 50 Jahre alt ist die Selbständigkeit des kleinen Balkanstaates, der jetzt mit nn- - glaublicher Zuversicht der alten österreichisch-ungarischen Monarchie mit den Waffen in der Hand entgegenzutreteri wagt. Das Ueberraschendste dabei ist, daß Serbien einst seine endgültige Freiheit aus den Händen Oesterreichs empfangen hat, eine Freiheit, die allerdings in dem
Ltande der Militärrevolten von vornherein ein su>- felhaftes Gut darstellte. Denn schon ein Jahr, nachd/ dre letzten türkischen Truppen die Festungen zu Belm,! Schabatz und Smederevo geräumt hatten, fiel der erst unabhängige Fürst Michael 1868 als Opfer einer Ne! schwörung. Er folgte damit dem 1814 von Much/ Mördern beseitigten Czerny, der als erster die Waise! für die Freiheit seines Vaterlandes erhoben hatte. Aach dieses allererste Mfflackern nationalen serbischen bewußtseins vor 100 Jahren wäre nicht möglich gewesen, hätten nicht die Unternehmungen Kaiser Foseich- in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts jenen 30 M serbischen Freiwilligen Gelegenheit gegeben, sich Oesterreichs Fahnen in Krieg und Schlacht zu üben und was noch wichtiger war, sich in den Besitz von Waste,! zu bringen, die zu führen der Türke in Serbien strengstens verboten hatte. "
Der Boden des damals noch türkischen Serbiens war mit österreichischem Blut gut gedüngt für die Saat der Freiheit, die 1804 von den Haiduckenbanden über bas ganze Land ausgestreut wurde. Nachdem Oesterreich seine eignen Truppen 1791 zurückgezogen hatte, führten sie den Krieg gegen die Ungläubigen im kleinen weiter geführt von Georg Petrovich, dem seine Stammesge! nosscn den Beinamen Karageorgievich gaben. Dieser Mann, der Stammvater des jetzt regierenden serbischen Königshauses, war in österreichischen Diensten — Korporal gewesen. Schon als Kind hatte er durch echt serbische Taten gezeigt, daß er zum Führer seines Volkes geradezu geboren war: als halbwüchsiger Bube hieb er einen türkrschen Aga nieder, erschlug seinen eigenen Vater, der vor den Türken mit seiner Familie nach Oesterreich flüchten wollte und ließ seinen leiblichen Bruder, dessen Ehre angeblich nicht ganz sauber war, am ersten Bmm aufknüpfen. Kein Wunder, wenn ihn, den geschulten Heerführer, eine Bande verzweifelter Räuber zum Oberbefehlshaber wählte. Erfolge im Kleinkriege stiegen ihm in den Kopf, er stellte an das benachbarte Oesterreich 1804 das Ansinnen, ihm gegen die Türken zu helfen. Vergebens. So schlug er denn allein los, vertrieb die Janitscharen aus der Gegend und erstürmte Belgrad, die „weiße Burg", in den letzten Tagen des Jahres 1806. Man suchte jetzt Anschluß an Rußland. Ter große Bruder war aber damals noch offen genug, für sich als Entschädigung die Oberherrschaft über Serbien zu fordern. Wohl wußte sich das erwachende Volk in den Jahren 1809 und 1810 selbständig der immer wieder vordrängenden Türken zu erwehren; aber schließlich wurden die gegen Rußland im Felde stehenden osmanischen Truppen 1812 frei, man warf sie an die mittlere Donan und erreichte die Flucht des ersten serbischen Fürsten und seiner Unterführer. Sie flohen nach — Oesterreich.
Was er mit Blut und Eisen angefangen hatte, daran baute sein Nachfolger mit List und Ränken weiter. Milosch Obrenovich galt schon lange als zuverlässiger, den Türken gewogener Mann. Tie türkische Regierung beauftragte ihn deshalb Frieden zu stiften. Nach einigem Hin und Her erkannte er den besten Weg dazu darin, daß er sich auf die Seite der unruhigen Bauern stellte, mit ihnen die türkische Besatzung unter Beihilfe seiner Gemahlin Ljubitza zusammenhieb und sich dann vom Sultan das Land als erbliches Lehen geben ließ. Tie türkischen Beamten wußte er sich auf Kosten seiner eigenen Landsleute dadurch gewogen zu halten, daß er sie in ganzen Bergen von Gold förmlich begrub. So stabilisierte er, der weder lesen noch schreiben konnte, seine Dynastie, wie einen roekmr 6« brones. Nur 3 Tinge fürchtete er: Kirche, Gesetz und Gattin.
Das war der erste Märzcnwind serbischer Freiheit. Große und kleine Revolutiönchen wechselten in der Folgezeit mit wiederholter Aenderung der Dynastie. Das nahe Oesterreich war jedesmal der sichere Zufluchtsort für de» Fürsten, dem gerade der Boden zu heiß unter den Füßen wurde. Ein Sommertheater könnte sich kein zugkräftigeres Stück wünschen als eben ein Paar Kapitel Wirklichkeit aus dem werden wollenden Serbien.
Und es wurde. Ms am 6. Mai 1867 die letzten.
SarMhele.
Eine Dorfgeschichte von BertholdAuerbaH.
32) /Fortsetzung.) (Nachdruck verboten)
„Laß mich in Frieden oder ich stecke dich," chm Hute Barfüßele am Boden, zitternd vor Freude und Trauer.
„Tie Schwägerin hat recht," nahm die junge Bäuerin, die bis jetzt zu allem geschwiegen hatte, Uun das Wort, „und ich gebe dir kein gutes Wort imehr, wenn du heute nicht mit zum Tanz gehst. Konwr, da setz dich hin, ich will dich auch einmal bedienen."
Und ein Mal über das andere Lbergoß Barfüßele eine Flammenröte, wie sie so dasaß und ihre Meisterin sie bediente, und als sie ihr die Haare (aus dem Gesichte tat und sie alle nach hinten wendete, wollte Barfüßele fast vom Stuhle sinken, da die Bäuerin sagte: „Ich zöpf' dich, wie die Algäuerinnen gehen. Das wird dich ganz gut herausputzen, und du siehst auch so aus wie eine Algäuerin: so untersetzt und so braun und so kugelig; du siehst aus wie die Tochter von der Landfriedbäuerin in Znsmarshofen "
„Wie die?" warum wie die?" fragte Barfüßele und zitterte am ganzen Leibe. Was war's, warum sie jetzt gerade an die Bäuerin erinnert wurde, die ihr von Kind auf in: Sinne lag und die ihr damals erschienen war wie eine wohltätige Fee aus dem Märchen? Wer sie hatte keinen Ring, den sie drehen konnte, damit sie erscheinen müsse; nur innerlich konnte sie sie herbannen, und das geschah oft fast unwillkürlich.
„Halt dich ruhig, sonst rupf' ich dich," befahl die Bäuerin, und Barfüßele hielt still und atmete kaum. Und wie ihr die Haare so mitten durch geteilt wurden, und wie sie so dasaß, die Hände zusammengepreßt, und alles mit sich machen lassen mußte, und die hochschwangere Frau sie bald warm anhauchte, bald cüt ihr jherumbosselte, da kam sie sich vor, als würde sie plötzlich verzaubert,
und sie redete kein Mort, als dürfe sie den Zauber nicht verscheuchen, und senkte demütig den Blick.
„Ich wollt', ich könnte dich zu deiner Hochzeit so einkleiden!" sagte die Bäuerin, die heute von lauter Güte überflvß. „Ich möchte dir einen rechtschaffenen Hof gönnen, und es wäre keiner mit dir angeführt; aber heutigentags geschieht das nicht mehr. Da springt das Geld nach dem Geld. Nun sei du nur zufrieden. Solang wir ein Auge offen steht, soll dir bei mir nichts fehlen, und wen» ich sterbe — ich weiß nicht, es ist mir diesmal so bang um die schwere Stunde — gelt, du verläßt weine Kinder nicht und vertrittst an ihnen Mutterstelle?"
„O Gott im Himmel, wie könnt Ihr nur so etwas denken!" rief Barfüßele, und Tränen rannen ihr aus den Augen. „Das ist eine Sünde, und man kann auch sündigen, daß man Gedanken über sich kommen läßt, die nicht recht sind."
„Ja, ja, du hast recht," sagte die Bäuerin, „aber wart noch, sitz noch still, ich will dir meinen Anhenker holen, und den will ich dir um den Hals tun."
„Nein, um Gottes willen nicht; ich trage nichts, was nicht mein ist. Ich tat mich in den Boden hinein schämen vor mir selber."
„Ja, aber so kannst du nichc gehen. Oder hast du vielleicht noch selber etwas?"
Barfüßele erzählte, daß sie allerdings einen Anhen- kec habe, den sie als Kind von der Landfriedbäuerin erhalten, der aber wegen Damis Auswanderung verpfändet fei bei der Witwe des Heiligenpflegers.
Barfüßele mußte nun stillsitzen und versprechen, sich nicht im Spiegel zu sehen, bis die Bäuerin wieder käme, die nun fvrteilte, um das Kleinod zu Holm 'Und selber für das Darlehen zu bürgm.
Welche Schauer flössen nun durch die Seele Bar- füßeles, wie sie nun so da saß, sie, die allzeit Dienende, nun bedient, und in der Tat fast wie verzaubert. Sie fürchtete sich fast vor dem Tanze, sie war jetzt so gut und so freundlich behandelt — wer weiß, wie sie herumgestoßen
wird, und keiner sieht nach ihr um, und all ihr äußerer Schmuck und ihre innere Lust ist vergebens! „Nein!" sagte sie vor sich hin, „und wenn ich weiter nichts habe, als daß ich mich gefreut habe: das ist nun genug; und wenn ich mich gleich wiederum cmsziehen und daheim bleiben müßte, ich wäre schon glückselig."
Die Bäuerin kam mit dem Schmucke, und das Lob des Schmuckes und Schimpfen auf die Heiligenpflegeri«, die einem armen Mädchen solche Blutzinsm abnehme, ging seltsam durcheinander. Sie versprach, noch heute das Darlehen zu bezahlen und es Barfüßele allmählich am Lohne abzuziehen.
Jetzt endlich durfte sich Barfüßele betrachten. 2ne Frau hielt ihr selber den Spiegel vor, und aus den Mienen beider glänzte es und sprach es wie ein jauchzender Wechselgesang der Freude.
„Ich kenn' mich gar nicht! ich kenn' mich/gar nicht! sagte Barfüßele immer und betastete sich auf und nieder mit beiden Händen im Gesicht. „Ach Gott, wenn uur mein' Mutter mich so sehen könnte! Aber sie wird Euch , gewiß vom Himmel herab segnen, daß Ihr so gut zu mir seid, und sie wird Euch beistehen in der schweren Stunde; brauchet nichts zu fürchten."
„Jetzt mach aber ein anderes Gesicht," sagte die Bäuerin, „nicht so ein Gotteserbarm; aber es wird schon kommen, wenn du die Musik hörst."
„Ich mein', ich höre sie schon," sagte Barsüw'/' „Ja, horchet, da ist sie." In der Tatsuhr eben ci" ' ' ßer Leiterwagen mit grünen Reisern bedeckt dm ' Dorf, und darauf saß die ganze Musik, und der d' zacher stand mitten zwischen den Musikanten um> - die Trompete, daß es schmetterte.
(Fortjetzung lolgi.)