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Nr. 174

Mittwoch den 2S. Juli LSI4

»L. Jahrg.

Diplomatische Friedensarbeif.

Der allgemeine Kriegsgedanke, der am Sonntag seinen Höhenpunkt erreichte, ist unbestreitbar im Rück- gang begriffen Kr den Augenblick. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, die Kriegsgefahr ist beseitigt, nein, sie ist nur momentan nicht mehr so akut, die Diplomaten sind an der Arbeit für Erhaltung des europäischen Frie­dens, von ihrer Geschicklichkeit wird die Beseitigung der Kriegsgefahr abhängen. Das neue seit unserer letzten Uebersicht ist >

der englische VermiLLlungsvorschlaa,

der eine handgreifliche Form angenommen hat. Die Worte Sir Edward Greys im englischen Unterhause sind keine Garantie für den Frieden, sie beweisen nur, daß England nicht den unbedingten Willen zum Krieg hat, um uns ganz vorsichtig auszudrücken. Auch Frankreich ist ganz und garnicht auf den Krieg erpicht, es hat dem Vorschlag Greys zugestimmt. England ist damit aus der unangenehmen Lage seinen Verbündeten gegen­über herausgekommen und hat eine führende Rolle über­nommen. Tie Richtlinien, die Grey seinem Vorschlag ge­geben, bedeuten zweifellos ein Entgegenkommen gegen Rußland. Ebenso sicher ist aber auch jetzt schon, daß einzelne Punkte für Oesterreich und damit für Deutschland unannehmbar sind. Recht hat Grey ohne Zweifel, wenn er sagte:

Deutschland ist im Prinzip der Vermittlungs­idee günstig.

Ob sie gerade die Form einer Konferenz in London an­nehmen muß oder auf andere Weise sich ausdrücken wird, ist unsicher. Wenn sie aber ein brauchbares Ergebnis haben soll, so wird Grey feine Vorschläge in wesentlichen Punkten ändern müssen. Einverstanden sind wir mit der Ansicht, daß, solange der Streit auf Oesterreich und Serbien beschränkt bleibe, wir kein Recht hätten, uns einzumischen. Auf dem richtigen Wege wird er, nachdem die Tinge sich Mn einmal so gestaltet, wohl sein, wenn er die vier nicht unmittelbar interessierten Mächte, Deutschland, Frankreich, Italien und England, veranlassen will, die Schwierigkeiten, die der Erhaltung des europäischen Frie­dens im Wege stehen, zu beseitigen.

-Wt-Mderen^Worten bedeutet dies zunächst nichts

anderes als eine Lokalisierung des Kriegs, keine ' weitere Einmischung Rußlands. Auf den ' ,ersten Blick scheint es sich um eine Beugung Rußlands --zu handeln. Der Weg aber, auf dem Grey die Erhaltung des Friedens erhofft, ist wohl für Rußland annehm- bar, nicht aber für Oesterreich. Oesterreich und Deutschland vertreten mit aller Energie den Standpunkt, der österreichisch-serbische Handel geht nur diese beiden Kontrahenten an. Eine Unterbrechung der Kriegsoperativnen während eventueller Verhand­lungen muß Oesterreich ablehnen. Das will ' aber Grey mit seinem Vorschlag verbinden, und wenn er es selbst nicht tut, so wird es Rußland verlangen. Ein Kompromiß ist hier ausgeschlossen. Die erste Bedingung für das Zustandekommen der Konferenz ist die Strei­chung des Punktes: Einstellung der militäri­schen Operationen während der Vermitt­lung. Oesterreich hat noch weitere zwei Tage den Serben Zeit gelassen zur Besinnung, am 28. war der 1. Mo­bilmachungstag, wie aus den Anschlägen an den Kiosken «uch bei uns, die am Dienstag erfolgten, ersichtlich ist. Die österreichischen Truppen haben die Grenze über­schritten und im Vormarsch auf Mitrvwitsch den pro­grammäßigen Punkte erreicht. Die Serben wurden überall zurückbeworfen. Auf der Dvncm wurden die ersten serbischen Gefangenen gemacht. Bei diesem Stand die Oesterreicher zur Einstellung der Feindselig- , leiten zu zwingen, ist ein Tina der Unmöglichkeit. Das > hieße den Serben Zeit lassen, sich zu sammeln.

Oesterreich hat, vielleicht ans eigener Schuld, infolge ! zu großer Geduld, zu lange gelitten unter der serbischen Wühlarbeit; jetzt hat es den energischen Schritt getan und es wird nicht eher loslassen, als bis genügende Garantien hat, daß diesem ganzEuropa in Atem haltenden Treiben für die Zukunft der Gar ansgemacht ist. Das ist für Oesterreich eine natürliche Pflicht der Selbsterhaltung. - Daran es zu hindern, hieße es beleidigen. Was eine Kon­ferenz erwarten kann, ist nur die Bürgschaft, daß Oesterreich keine Gebietsveränderungen be­zweckt. Das ist auch kaum die Absicht Oesterreichs, sonst würde es die übrigen Balkanvölker auf den Plan rufen und wahrscheinlich auch Europa. Serbien muß seine Frevel büßen, das muß Rußland zulassen.

Der Wille zur Erhaltung des Friedens ist da Und tz-jrnil cnrch zin- Hoffnung auf den Frieden. Rußland hat

VW"^Nrpyeamng"mrnker"Mch"in ber'Hiand." Eine gär rmchigere Stimmung hat auch in Rußland Pla^ gegriffen, nachdem es sich davon hat überzeugen können, «Hi es sich in dem österreichisch-serbischen Konflikt nicht «m einen wohldurchdachten Angriff des Dreibundes han­delt. Solange die Panslawisten auf die verantwortlichen Stellen in Rußland nicht einen bestmimten Einfluß er- hcüten, bleibt die Hoffnung auf Lokalisierung »nd Erhaltung des europäischen Friedens bOehen.

Kaum haben wir das geschrieben, da erhalten wir Don ein« Bestätigung unserer Ansicht über die Stellung- «chhu« Deutschlands durch folgende zwei Meldungen:

De«tfchland lehnt eine Vermittlung -wischen Oesterreich und Serbien ab.

Die deutsche Reichsregierung erkennt die freundlichen Absichten der Vermitt­lungsvorschläge Sir Edward Greys durch- ^ ^ .. .. .. c* ^^ c ^e ^ ne ^ u ^ e je e r r e e ch -

Ungarn und Rußland sich erstreckende Ver­mittelung für durchaus gerechtfertigt hal­te n. Sie könne aber an einer Vermittelung zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien gegen den Wunsch des elfteren nicht teil­nehmen und, da die Vorschläge Greys beide Vermittelungen verknüpfe, so erscheinen sie der deutschen Regierung praktischen Er­folg nicht zu versprechen.

Deutscher Vorschlag.

Tie Köln. Leitung meldet aus Berlin: Mau begrüßt hier die Initiative Greys, es machen sich aber Zweifel geltend, ob als Organ für die Vermittelung eine Kon­ferenz von vier Großmächten das geeignete Auskunfts­mittel darstellt. Es scheint für das Gelingen zweckmäßiger, sich im unmittelbaren Verkehr mit den Hauptstädten der beteiligten Kreise der fortlaufenden diplomatischen Erörternn- genund Einwir kungen znbedienen. Bei Be­nutzung dieses Weges würde Deutschland cs an Ätitwirkung auch weiterhin nicht feh- lenlassen. _

Varküßele.

r?)

Eine Dorfgeschichte von Berthold Auerbach

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)

Dann schämte sich seines Unglücks und ließ sich fast ^ Menschen sehen, denn es ist die Eigenheit Naturen, daß sie ihre Kraft nicht im Selbst- jjfluhle empfinden, sondern gern durch äußerlich Erobertes Mgen, was sie eigentlich vermögen; Mißgeschick sehen ihrer Schwäche an, und wenn sie solches nicht verbergen können, verstecken sie sich selber.

Nur an den ersten Häusern des Dorfes hielt sich mEt 6uf. Die schwarze Marann' schenkte ihm einen ssiOEchres erschossenen Mannes. Dann hatte einen un- .-.^^"chichm Abscheu davor, ihn anzuziehen, aberBar- L E ehedem den Rock des Vaters als ein Heilig- betrachtet und gepriesen hatte, fand jetzt eben so liü . zu beweisen, daß ein Rock doch eigent- , sei, daß gar nichts darauf ankäme, wer ihn Mstmals auf dem Leibe gehabt.

Der Kohlenmates, der nicht weit von der schwarzen ce.,,55? wohnte, nahm Dann mit als Gehilfen beim sA> öMMn und Kohlenbrennen. Dann war das abge- o-?Eue Leben am willkommensten, er wollte nur Hoch harren, bis er Soldat werden mußte, und dann du Eansteher eintreten und auf Lebenszeit Sol-

beim Soldatenleben ist doch Gerechtigkeit - "6'. und da hat niemand Geschwister und Svns» ^ Wen Haus und man ist in Kleidung und ei» k 4 r^"^Trank versorgt, und wenn's Krieg gibt:

Soldatentod ist doch das beste.

es, was Dann am Sonntag im Mvos- Mk 4 s->I"^ ^aussprach, wenn Barfüßele hmabkam zum brackv^ Bruder Schmalz und Mehl und Rauchtabak rhn oft belehren wollte, wie er außer der Machen Speise der Wald kühler, die in schmalzge­

bähtem Brot besteht, auch die Knödel, die er sich selbst be­reitete, schmackhafter machen könne; aber Dann wollte das nicht, gerade so wie sie auskamen, war es ihm recht: er würgte gern Schlechtes hinab, obgleich er hätte Bes­seres essen können, und überhaupt gefiel er sich in Selbst­verwahrlosung, bis er einst zum Soldaten herausgeputzt würde.

Barfüßele kämpfte gegen dieses ewige Hinausschauen auf eine kommende Zeit und das Verloren gehenlassen der Gegenwart, sie wollte den Dann, der sich in Schlaffheit wohlgefiel und sich dabei selbst bemitleidete, immer auf­richten; aber diesem schien in dem innern Zerfallen fast Wohl zu sein. Er konnte sich eben dabei recht bemitlei­den und bedurfte keiner Kraftanstrengung. Nur mit Mühe brachte es Barfüßele dahin, daß sich Dann aus seinem Verdienste wenigstens eine eigene Axt erwarb und zwar die des Vaters,' die der Kohlenmates bei der Versteige­rung gekauft hatte.

Mit tiefer Verzweiflung kehrte Barfüßele oft aus dem Walde zurück, aber sie hielt nicht lange an; die innere Zuversicht und der frohe Mut, der in ihr lebte, drängte sich unwillkürlich als Heller Gesang ans ihre Lippen, und wer es nicht wußte, hätte nie gemerkt, daß Barfüßele je einen Kummer gehabt oder je einen habe.

Die Freudigkeit, die aus der unbewußten Empfin­dung floß, daß sie straff und unverdrossen ihre Pflicht tat und Wohltätigkeit übte an der schwarzen Marann' und an Dami, prägte ihrem Antlitz eine unvertilgbare Heiter­keit auf. Im ganzen Hause konnte niemand so gut la­chen als das Barfüßele, und der alte Rodelbauer sagte: ihr Lachen töne just wie Wachtelschlag, und weil sic ihm allzeit dienstfertig und ehrerbietig war, gab er ihr zu verstehen, daß er sie einstmals in sein Testament setze. Barfüßele kümmerte sich nicht darum und baute nicht viel darauf, sie erwartete nur den Lohn, den sie mit Recht und Sicherheit ansprechen konnte, und was sie tat, tat sie aus einem innerm Wohlwollen, ohne auf Ent­gelt zu warten.

VIII.

Das Haus des Scheckennarren war wieder anfgebaut, stattlicher als je; der Winter kam herbei und die Losung der Rekruten. Noch nie war mehr Betrübnis über ein glückliches Los entstanden, als da Dami sich freispielte. Er war verzweifelt und Barfüßele fast mit ihm, denn auch ihr war das Soldatenwesen als treffliches Mittel er­schienen, um das lässige Wesen Damis aufzurichten; den­noch sagte sie ihm jetzt:

Nimm das als Fingerzeig, du sollst jetzt für dich selber als Mann einstehen. Aber du tust noch immer wie ein kleines Kind, das nicht allein essen kann und dem man zu essen geben muß."

Du wirfst mir vor, daß ich dich auffresse?"

Nein, das mein' ich nicht. Sei nicht immer so leid- mutig, steh nicht immer da: wer will mir was!tun? Gutes oder Böses? Schlag selber um dich!"

Und das will ich auch, und ich hole weit aus!" schloß Dami. Er gab lange nicht kund, was er eigentlich vorhatte, aber er ging seltsam aufrecht durch das Dorf und sprach mit jedem frei, er arbeitete fleißig im Walde bei den Holzschlägern, er hatte die Axt des Vaters und mit ihr fast die Kraft dessen, der sie ehedem so rüstig gehandhabt.

Als ihm Barfüßele einmal im ersten Frühling bei 'der Heimkehr vom Moosbrunnenwalde begegnete, sagte er, die Axt von der Schulter nehmend:Was meinst, wo die hingeht?"

Ins Holz!" antwortete Baxfüßele.Mer sie geht nicht allein, man muß sie hacken."

Hast recht, aber sie geht zu ihrem Bruder, und der eine hackt drüben, und da krachen die Bäume wie geladene Kanonen, und du hörst nichts davon, oder wenn du willst, ja, aber keiner im Ort."

Ich verstehe dich vom Siniri kein Mäßle," antwor­tete Barfüßele.Ich bin zu alt zum Rätselaufgeben. Red' deutlich."

(Fortsetzung folgt.)