Finanzieller WochenrüSbUck.

Tie außerordentliche Leichtigkeit, mit der die Börse über die Qnartalswechsel hinweg gekommen ist und die ungewöhnlich flüssigen Geldsätze, die freilich zugleich einen Beweis für die unzureichende Konjunktur oblegen, haben die Unternehmungslust wieder einigermaßen gehoben. Was aus verschiedenen Generalversammlungen großer Bank- und Jndustriegesellschaften verlautete, hat die Spekulation insofern 'befriedigt, als es fast durchweg die in letzter Zeit etwas pessimistisch gestimmten Erwar­tungen übertraf. Dagegen wird die Beteiligung des Privatpublikums immer noch vermißt, obgleich es an Anregungen auch von den ausländischen Märkten nicht fehlt. Dias Interesse für die Anlagcwerte beginnt wie­der zu steigen, doch konnte es in der letzten Berichtswochc eine weitere Verschlechterung in dem Kursstände unserer tv'ürttembergischen Staatspapiere nicht verhindern.

Tie Getreide Märkte haben sich von der mat­ten Haltung der letzten Woche immer noch nicht ganz erholt, obgleich das Angebot nachgelassen hat. Tie .Hauptursache bildet das gute Wetter mit den günstigen Saatenftandsberichten. MIaiweizen gab in Berlin 2 Mk., und in Chicago 2 Cents nach. !T>er Rückgang der spä­teren Termine beträgt etwa die Hälfte. Mairoggen zog in Berlin s/t Mk. an. Die Juli- und Septembertermine bröckelten S bis Vs Mk. ab. Für Haber war etwas mehr Interesse vorhanden zu leicht anziehenden Preisen.

Der Kaffeemarkt konnte sich weiterhin etwas befestigen. Anregend wirkte das Zustandekommen einer brasilianischen Anleihe. Auch der Konsum beginnt wieder sich mehr zu regen. Tie Hamburger Termine schlossen 1 Pfg., die Newyorker 2834 Punkte höher.

Tier Zuckermarkt dagegen war abgeschwächt. Die starke kubanische Ausfuhr verstimmte, desgleichen die Ankündigung, daß der Anbau mindestens in Deutschland gegen das Vorjahr noch zunehmen werde. Tie Magde­burger Terminpreise schlossen daraufhin 5 bis 10 Pf. niedriger. , lD i. ,_ .

Politische Rundschau.

Deutsches Reich.

* Die Südamerikafuhrt des Prinzen Hein­rich. Prinz und Prinzessin Heinrich von Preußen find am Donnerstag im Sonderzug, begleitet von den Herren, welche sich zu ihrem Empfang an die Grenze begeben hatten, in Santiago de Chile eingetroffen. Auf dem Bahnhof wurden sie vom Minister des Aeußern, Villegas und seiner Gemahlin, dem Bürgermeister von Santiago, mehreren Generälen und den deutschen Gesell­schaften empfangen. Villegas hieß die Fürstlichkeiten will­kommen. Ein kleines Mädchen der deutschen Schule über­reichte der Prinzessin einen Blumenstrauß. In der Stadt herrscht große Begeisterung. Prinz Heinrich hat darum gebeten, ihm keine militärischen Ehrenbezeugungen zu erweisen. Das deutsche Geschwader wird am Freitag früh in Valparaiso eintreffen.

* Zur Verhaftung deutscher Luftschiffer in Rußland. Die Mutter des Berliner Ingenieurs W. Nicolai, der zusammen mit dem Luftfahrer Ingenieur Berliner und dem Architekten Haase in Rußland gefangen gehalten wird, hat jetzt an den deutschen Kaiser ein Telegramm gerichtet, in dem sie um Hilfe für ihren Sohn bittet. Das Telegramm hat folgenden Wortlaut: Als Mitglied des Berliner Vereins für Luftschiffahrt hat mein Sohn Walter Nicolai zusammen mit dem Bal­lonführer Hans Rudolf Berliner und dem Architekten Alexander Haase am 10. Februar 1914 eine Weltrekord­fahrt im Freiballon von Bitterfeld nach Perm (Rußland) unternommen und wird seitdem dort festgehalten. Ich bitte Ew. Majestät alleruntertänigst um Hilfe. Eine unglückliche Mutter." Die russischen Behörden haben jetzt übrigens die Anklage wegen Spionage gegen die drei Berliner Luftschiffer fallen lassen und halten nur die Anklage wegen Ueberfliegens von Festungsge- länden aufrecht. Tie Gerichtsverhandlung in Perm soll Ende Mai (!) stattsinden.

* Ein Lohnkampf von Landarbeitern. Aus Neustadt a. H. wird gemeldet: Tie Lohnkommisfion des Deutschen Landarbeiterverbandes (Freie Gewerkschaf­ten) gibt bekannt, daß die Winzer in einer am Mittwoch abgehaltenen Versammlung mit Entrüstung die Vor­schläge der Weingntsbesitzer einstimmig ablehn­ten und beschlossen haben, den Kampf weiterzuführen auf der Grundlage eines neuen Tarifs. Die Drohung der Weingutsbesitzer mit der Polizei erwidern die Freien Organisierten mit dem Hinweis, daß ihnen als Kampf­mittel auch noch der Boykott zur Verfügung stehe.

Ausland.

Der französische Staatshaushalt.

Im Verlaufe der Beratung der letzten Artikel des Budgets erklärte der Berichterstatter der Budgetkommis­sion, daß das verbleibende Defizit von 210 Millionen durch kurzfristige Obligationen in Höhe von 190 Millionen gedeckt werden würde, der Rest durch eine Steuer auf bewegliche Werte.

Am Donnerstag verhandelte die französische Kam­mer Wer die Gesetzesvorlage betreffend die Besteue­rung der französischen Rente. Als ein Redner der Rechten die Zahl der anwesenden Abgeordneten als gering bezeichnet^, erhob sich wie am Mittwoch auf den Bänken der Linken Lärm. Jules Roche bekämpfte die Vorlage. Sie stelle ein unheilvolles politisches Werk dar, das den Kredit Frankreichs ruiniere. (Beifall auf der Rechten und im Zentrum.)

Spanien und England.

Tie Blätter melden aus Las Palmas, daß die Könige von Spanien und England auf den Kanarischen Inseln eine Zusammenkunft haben würden, bei der die i nternationale Politik Ge­genstand der Besprechung fein werde.

Eine Niederlage der mexikanischen Rebellen?

^ TerFrks. Ztq." wird aus Mexiko gemeldet: Tie

Rebellen sind bei Torreon an vier Punkten völlig geschlagen worden und fliehen aufgelöst in der Rich­tung auf Chihuahua. Sie verloren 5000 Mann. Eine Bestätigung dieser Meldung wird abgewartet werden müssen. Die bisherigen Nachrichten von dem Kriegs­schauplatz sprachen immer nur von Erfolgen des Generals Villa. Der amerikanische Konsul, Caroths, der sich in Mexiko in der Front befindet, meldet, daß alle Aus­länder im Bezirk von Torreon einschließlich des britischen Konsuls von Gomez Palacio sich in Sicher­heit befinden.

Im mexikanischen Kongreß, der am Donnerstag zusammentrat, verlas Huerta persönlich eine Bot­schaft, in der er erklärte, er habe die Absicht, dem Lande den Frieden zu bringen. (Lebhafter Beifall.) Tie Botschaft erwähnte daraus in bitterer Weise die Schwie­rigkeiten Mexikos, sich Geld zu verschaffen, die auf den Einfluß zurückzuführen seien, den die befremdliche Haltung einer gewissen Macht ausgeübt habe. Carranza hat von Villa die Meldung erhalten, daß die heftigen Kämpfe in Dorreon fortdauern.

Minister Asquith.

Tie. inner-politische Krise Englands hat durch das energische und zweifellos außerordentlich kluge Vorgehen des Premierministers Asquith, welcher zu seinem Amt noch das in diesem Augenblick doppelte wichtige Porte­feuille des Krieges übernahm, eine neue Wendung genom­men. Wir bringen aus diesem Grunde heute das Bild Asquiths. Herbert Henry Asquith wurde am 12. Sep­tember 1852 zu Marley geboren und war nach vollendetem Studium 1876 Rechtsanwalt in London. 1886 wurde er ins Unterhaus gewählt, wo er sich der liberalen Partei an- schlvß und durch hervorragende Rednergabe auszeich­nete. In dem 1888 eröffneten Prozeß gegen die Führer

der irischen Homerulepartei fungierte Asquith als Ver­teidiger Parnells und tat sich dabei sowie in der Wahl­bewegung von 1892 so sehr hervor, daß Gladstone ihm, der bisher nie ein Staatsamt bekleidet hatte, im August 1892 das Ministerium des Innern anvertraute, nach­dem auf seinen Antrag am 12. August das Mißtrauens­votum gegen die konservative Regierung vom Unterhaus angenommen worden war. Nach dem Sturz des Mini­steriums Rosebery im Juni 1895 nahm Asquith seine Praxis als Rechtsanwalt wieder auf, blieb Wer im Parla­ment einer der namhaftesten Führer der liberalen Oppo­sition. 1905 wurde er Schatzkanzler und nachdem die liberale Partei wieder ans Ruder gekommen war, 1908 Premierminister und nunmehr auch Kriegsminister.

Neues aus aller Welt.

* Ein deutscher Sturzflieger. Vom Flugplatz Bork in der Mark meldet der Flugprüfer Vogler: Der Osnabrücker Flugzeugführer Gustav Tweer machte am Mittwoch nachmittag 5 Uhr auf einem 50 PS. Gradeeindecker einen

Sturz-und Rückflug.

Nach seinem Aufstieg erreichte er in kurzer Zeit eine Höhe von 800 Metern, kam dann in einem senkrechten Sturzflug nieder und über schlug sich hier­bei zweimal, ein doppeltes S beschreibend. Er näherte sich der Erde bis auf 20 Meter und richtete den Apparat erst dann wieder in die normale Lage. Der Flieger beabsichtigt, diesen Flug in verschiedenen Städten vorzuführen und geht zunächst nach Leipzig. Ter Apparat ist für Sturzflüge besonders konstruiert und weist z. B. ein doppeltes Fahrgestell, oben und unten, auf.

* Abgestürzte Flieger. Am Donnerstag vor­mittag stürzten auf dem Flugplatz Schleißheim bei Mün­chen zwei Fliegeroffiziere mit ihrem Flugzeug ab. Oberleutnant Ruchtl vom 16. bayerischen Infanterie­regiment wurde schwer verletzt, Leutnant Lank­meyer vom 2. bayerischen Feldartillerieregiment wurde getötet. Der Unfall ist vermutlich darauf zurückzufüh­ren, daß irgend ein Gegenstand in den Propeller geriet, wodurch dieser zertrümmert wurde. Durch die Trümmer wurden die Drähte zerrissen und der Absturz herbeigeführt.

* Folgenschwere Zugentgleisung. In Ba­tavia (Holl. Indien) ist am Donnerstag ein Eisen­bahnzug auf einer Brücke nahe bei Tanjongpriek entgleist. Tie Lokomotive und fünf Wagen stürzten in den Fluß. 20 Eingeborene wurden getötet und 50 ver­letzt. Tie europäischen Passagiere, die sich im Hinteren Teil des Zuges befanden, blieben unverletzt.

* Spionageverdächtig. Nach einer Blättermel­dung aus Briey wurde ein elegant gekleideter Tourist in der Gegend von Mars la Tour unter dem Ver­dacht der Spionage festgenommen. Tier Ver­haftete, der den jüngsten Artillerieschießübungen beige­wohnt hatte, hat verschiedene Namen angegeben, die sämt­lich unrichtig zu sein scheinen.

* Das PetersburgerBergistungskomitee".

Dias Geheimnis der zahlreichen ausfallenden Erkrankun­

gen von Arbeiterinnen in Petersburger Gummi- und Tabakfabrikcn scheint jetzt nach der Versicherung der Po­lizei eine einfache Lösung zu finden. Tier Staatsanwalt und die Geheimpolizei wollen, einer Meldung des B T." zufolge, bei ihren Nachforschungen ein sogenanntes Vergiftungskomitee" entdeckt haben, dessen Mit­glieder in den Arbeitsräuinen verschiedener Fabriken Chloroform ansgossen. Dadurch wurden die Mas- sencrkrankungen unter den Arbeiterinnen hervorgerufen Tie Arbeiterinnen wurden stets ohnmächtig, nachdem sich einsüßlicher" Geruch im Arbeitsraum verbreitet hatte. Tie Polizei hat in der letzten Nacht zahlreiche Ver­haftungen vorgenommen, um den Mitgliedern des seltsamenVergiftungskomitccs" auf die Spur zu kom­men. Die Arbeiterinnen hatten sich bisher allen Auf­forderungen gegenüber, sich dem Streik ihrer männlichen Kollegen anzuschließen, ablehnend verhalten. DiasVer. giftungskomitee" soll nach Ansicht der Behörden die Ab­sicht haben, die Arbeiterinnen dadurch zum Streik zu veranlassen, daß sie in den Glauben versetzt werden, die Mussenerkrankungen seien auf gesundheitsgefährliche Fa­brikationsmaterialien zurückzuführen.

* Seeräuber hielten, wie aus Hongkong gemeldet wird, bei der Lintin-Jnsel den chinesischen Dampfer Shingtai, der auf der Fahrt nach Wutschon begriffe» war, an. Sie töteten den Mag azin v erw alter und einen Chinesen der von der Regierung gestellten Be­deckungsmannschaft und verwundeten einen zweiten. So­dann nahmen sie 3 0 0 0 0 Dollarals Beute mit sich.

Württemberg.

(-) Stuttgart, 2. April. (Verlegung der Kreis- turnsahrt in das Stadion auf dem Wasen.) Die Kreis­leitung der schwäbischen Turnerschaft erläßt folgende Be­kanntmachung: Diie Stadt Stuttgart erstellt aus Anlaß der Hygiene-Ausstellung auf dem Cannstatter Wasen ein Stadion, das sämtlichen Vereinigungen, die Leibesübun­gen treiben, Gelegenheit zur Vorführung der Hebungen vor den weitesten Kreisen der Öffentlichkeit bieten wirb. Tier Turnkreis Schwaben will hierbei nicht zurückstehen. Tier geschäftsführende Ausschuß hat es deshalb für seine Pflicht gehalten, in Unterhandlung mit den Heubacher Turugenossen zu treten und in gemeinsamer Beratung mit der Kereinsleitung die Frage der Verlegung der diesjährigen Kreistnrnfahrt auf den Cannstatter Wasen za: erwägen. Vorläufig ist der 12. Juli für die schwäbische Turnerschaft Vorbehalten. Für den Sechskampf iverden dieselben Hebungen wie für den Rosenstein in Betracht kommen. Ob das in Aussicht genommene Gerätewett- turnen am gleichen Tag, also am 12. Juli, stattfindet, wird der Turnausschuß entscheiden. Für den Sechskampj sind vorgesehen: Steinstoßen, Stabhochsprung, Weitsprin­ger:, Schnellaufen über 100 Meter, Schnellhangeln und eine Pflichtfreiübung.

(-) Eßlingen, 2. April. (Das List'sche Mandat.) In Sachen der vom Reichstag beschlossenen Beweis­erhebung über die bei der Wahl des Abg. List von sozial­demokratischer Seite geltend gemachten Änfechtungsgründe fand heute vormittag im hiesigen Rathaussaal im Beisein des Oberregierungsrats Schwaderer von' Ludwigsburg die Vernehmung der namhaft gemachten Zeugen statt. Es handelt sich um die Vorgänge im Wahllokal der Pliensauvorstadt. Das Ergebnis ist nicht bekannt.

(-) Besigheim, 2. April. (Ein gewagter April­scherz.) Der Postagent Geißel in Freudental ist von der Staatsanwaltschaft Heilbronn verhaftet und zunächst ins hiesige Untersuchungsgefängnis cingeliefert worden. Er hatte anscheinend versucht, mit dem gemeldeten Raubüber­fall die Behörden und das Publikum in den April P schicken, um das Fehlen eines Betrages von annähernd 5000 Mark in seiner Kasse zu verdecken. Tie Schußver- letzung an der Hand soll er sich selbst beigebracht haben.

(-) Schorndorf, 2. April. (Wahl.) Oberamtssckre- tär Haher-Cannstatt ist mit 155 Stimmen zum Ortsvor­steher gewählt worden. Ratschreiber Jehle-Tübingen er­hielt 139 Stimmen. Bon 307 Wahlberechtigten haben 294 Wgestimmt.

(-) Söflingen, 2. April. (Lebensrettung.) Gestern fiel ein etwa fünfjähriges Kind vom Garten der Kinder­schule aus in die Blau. Es wurde über die Fallen der Klostermühle hinausgeschwemmt. Erst beim Lamm wurde es dem nassen Element entrissen. Tie dortigen An­wohner hatten das Kind schon ins Leben zurückgerufen, als der Arzt erschienen ist.

(-) Tübingen, 2. April. (Ein leichtsinniger Streich.) Ein junger Buchhalter von Reutlingen erhielt von seiner Firma den Auftrag, irr Horb 500 Mark abzuliefern, H es aber vor, hier in Tübingen zu bleiben und fast die ganze Summe zu- verputzen. Er machte Chaisenfahrten, bei denen der Sekt nur so floß, erwies einer gefälligen Hebe Aufmerksamkeiten, die etwa 80 Mk. kosteten, und verjubelte in einer Nacht 170 Mk., bis ihr: die Polizei ins Gebet nahm. Von einer Verhaftung wurde abge­sehen, da seine Angehörigen sich verpflichten, das unter­schlagene Geld zu ersetzen. Im Besitze des Leichtsinnigen fand man auch noch einen auf 170 Mk. lautenden Scheck, der wohl auch noch flöten gegangen wäre, wenn die Polizei nicht rechtzeitig eingegriffen hätte.

(-) Eningen n. Ä., 2. April. (Ein Großindustriel­ler als Landwirt.) Fabrikant Robert Bosch in Stuttgart hat durch Gutsbesitzer Jäger auf dem Liudenhof in Eningen ein der Gemeinde Eningen gehöriges Areal von 300 Hektar ans der Alb, die sogenannte Eninger Weide, znm Preise von 240 000 Mark käuflich erworben. Es soll darauf ein moderner, mustergültig geführter landwirtschaftlicher Betrieb eingerichtet werden. Der Kau! wurde heute von den bürgerlichen Kollegien genehmigt

Württembergischer Landtag-

Stuttgart, 2. April.

Tie Zweite Kammer beendigte heute die Beratung der Anfrage des Abg. Hanser (Z.) betreffend die Neckar- kanalisativn. Der Abg. Frhr. Pergler v. Verglas,