sonst vor ihm gefürchtet? Er war eine politische Kraft ersten Grades, obwhhl er vielmehr weil er über allen Parteinnterschieden stand. Tie Minister mochten wechseln, die große Politik ging über sie hinweg ihren Gang. Das Parlament hatte seine Selbstachtung, und der König war eben kein Minister, sondern ein König. Wenn der englische König heute die Möglichkeit hätte, sich vom Wechsel der parlamentarischen Mehrheiten freizumachen, so würde er das ebensowenig tun, wie etwa König Wilhelm II. wieder Friedrich Wilhelm IV. sein möchte.
Ta die Bolksvertretung bei der Ausdehnung staatlicher Aufgaben eine unbedingte Notwendigkeit geworden ist, die kern König mehr aufgeben mag, so muß ihm ebenso wie allen anderen Volksteilen daran liegen, daß diese notwendige Körperschaft gesund und richtig konstruiert ist. Das aber ist nicht der Fall, solange die Volksvertretung immer nur redet und nie an der ausübenden Tätigkeit irgendwie beteiligt wird. Eine Kammer, die durch Jahrzehnte hin nur zum Ja- und Ncinsagen da ist, aber nie ihre besten Mehrheits- kräste selber rn den Staatsdienst stellen kann, bleibt ein Gebäude voll Mangel an Verantwortlichkeitsgefühl. Auch der König arbeitet besser mit der Bolksvertretung, wenn sie bessere und stärkere Elemente enthält. Das aber gelingt nur durch NLöglich- keit der Mitwirkung. Deutschland hat auch außer den Beamten starke organisatorische und praktische Talente, aber wo sind sie heute in der Politik? Es fehlt für sie der Weg, denn das Parlament, wie es jetzt ist, kann organisatorische Kräfte nicht heranziehen, weil sie in ihm nichts zu tun bekommen. Hier lregt die innere Notwendigkeit der Weiterentwicklung. Um selber besser zu werden, muß das Parlament das parlamentarische System verlangen.
Deutscher Reichstag.
Sitzung vom 19. Februar 1914.
Am Bundesratstische: Dr. Lisco.
Vizepräsident Dr. Paaschc eröffnete die Sitzung um 1 Uhr 5 Minuten.
Die zweite Beratung des Etats des Reichsjustizamts wurde fortgesetzt. Zur Besprechung stand beim Titel „Staatssekretär" nur noch der Fall der Witwe Hamm.
Abg. Dittmann (Soz.): Von der Unschuld der unter dem Verdachte der Beihilfe zur Ermordung ihres Mannes verurteilten Bauersfrau Hamm sind weite Volkskreise überzeugt. Die Ansicht der Berliner Polizei, die von der Elber- felder Polizei hinzugezogen wurde, die Frau habe Meuchelmörder gedungen, beruht lediglich auf der subseUiven Meinung des Kriminalkommissars v. Treskow. Hütwn die Geschworenen gewußt, welche zweifelhafte Persönlichkeit v. Treskow schon damals war, so hätten sie ihm kein Wort geglaubt. Das Urteil ist schon vom rein juristischen Standpunkte aus eine Ungeheuerlichkeit. Wegen Beihilfe kann doch nur jemand verurteilt werden, wenn die Natur des Verbrechens selbst einwandsfrei festgestellt ist. Hier weiß man doch nicht einmal, ob wirklich ein Mord vorliegt und nicht etwa ein Totschlag oder Körperverletzung mit tötlichem Ausgange. Man weiß nicht einmal, wer der Täter war. Es sind Zeugen aus der damaligen Schwurgerichtsverhandlung vorhanden, die eidlich bekunden wollen, daß Treskow sie zu bewegen versuchte, falsche eidliche Aussagen zu machen. (Hört! hört!) Polizeirat Braun ist in einem 20 Seiten langen Bericht zu dem Ergebnis gekommen, daß die Witwe Hamm unschuldig ist, daß die Strafhaft unterbrochen und das Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet werden muß. Es ist anzunehmen, daß ein Knecht Jmkampf die Tat vollbracht hat, der dem Zuchthaus entsprungen war und sich nach der Tat wieder gestellt hat. Verschiedene Personen haben gravierendes Material gegen diesen Knecht beigebracht. Ein Mithelfer ist offenbar ein Schmiedegeselle Kielhorn. Jedenfalls liegt hier für die Täterschaft ganz anderes Belastungsmaterial vor als seinerzeit gegen die Witwe^Hamm. Das Verhalten der Elberfelder Gerichtsbehörde ist der eigentliche Grund, daß wir uns mit diesem Fall» überhaupt beschäftigen. Es besteht zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Gericht eine Solidarität. Im Handumdrehen ist aus einer Frage der Gerechtigkeit eine Frage des Ansehens und der Autorität der Justiz geworden. Wir sehen davon ab, einen Antrag zu stellen, hoffen aber, daß der Staatssekretär alles tun wird, um das der Frau geschehene Unrecht wieder gut zu machen. (Beifall.)
Abg. Dr. Pfeiffer (Zentr.): Ich habe vor längerer Zeit selber eine Schrift an den Justizminister gerichtet. Auf mein Referat wurde geantwortet, daß keine Veranlassung vorläge, im Dienstaufsichtswege etwas zu veranlassen. Die Rolle des Kriminalkommissars v. Treskow ist äußerst verhängnisvoll gewesen. Das jetzt vorliegende Material ist wichtig genug, um ein Wiederaufnahmeverfahren zu veranlassen. Möge im Falle Hamm das Wiederaufnahmeverfahren bald eröffnet werden, damit die Gerechtigkeit zum Siege kommt. (Beifall im Zentrum.)
Abg. Dr. Heckscher (Fortschr. Vpt.): Ich bin mit dein Staatssekretär der Ansicht, daß es nicht Aufgabe des Reichstages sein kann, sich als Gerichtshof aufzutun, aber ich bin nicht seiner Ansicht, daß er keine Veranlassung hat, sich an der Diskussion zu beteiligen. Ein Jurist dieses Hauses, der Abg. Spahn, hat vor Jahren gesagt, wir dürfen uns das Recht nicht nehmen lassen, auch Richtersprüche hier zu erörtern, wenn sie Anlaß geben, das Gesetz zu ändern. Dieser Fall ist eine ernste Anklage gegen das polizeiliche Anklageverfahren, nicht gegen die Rechtspflege. Man fragt sich verwundert, wie auf das Gutachten eines Mannes wie Treskow eine Verurteilung erfolgen konnte. Das Wiederaufnahmeverfahren ist in diesem Falle natürlich und selbstverständlich. Beschlüsse können wir nicht fassen, haben aber das Recht und die Pflicht, auf solche Dinge scharf hinzuweisen und zu zeigen, daß unsere Strafprozeßordnung auf dem Gebiete der Wiederaufnahme der Reform bedarf. (Beifall.)
Abg. Schnltz-Bromberg (Rpt.): Ich muß unser schweres Bedenken dagegen aussprechen, daß man in ein schwehendes Verfahren eingreift, wie es von dem ersten Redner geschehen ist.
Damit schloß die Diskussion.
Das Gehalt des Staatssekretärs wurde bewilligt.
Es folgte die Abstimmung über die zu diesem Titel gestellten Resolutionen.
Von der Resolution Basser mann-Schiffer über die Verbesserung einzelner Teile und Bestimmungen des Reichsrechts wird zunächst der erste Vorschlag über die Behandlung der Geisteskrankheit angenommen, die über den Schutz der Ehre, den Schutz der Gläubiger, die über Einrichtung einer Mobiliarhypothek, Einschränkung der Eidesleistung und die Beschleunigung des Verfahrens abgelehnt.
Die Abstimmung über die Forderung der Ausdehnung der schöffengerichtlichen Zuständigkeit blieb zweifelhaft. Bei der Auszählung wird die Forderung mit 126 gegen 92 Stimmen angenommen. Ebenso wurde angenommen die Zulassung der Volksschullehrer als Schöffen und Geschworene und die Forderung der religiösen Erziehung der
Kinder aus Mischehen, abgelehnt dagegen die Einschränkung des Legalitätsprinzips im Strafprozeß.
Ferner wurde abgelehnt die Resolution Basse r in a n n- Schiffer auf Vorlage eines Gesetzentwurfes betreffend Beschleunigung und Vereinheitlichung der Rechtspflege.
Angenommen wurde die Resolution Warmuth aus Vorlage eines Gesetzentwurfes betreffend Beschleunigung der Verfügung über den Miets- oder Pachtzins dem Hypothekengläubiger gegenüber auf das zur Zeit der Beschlagnahme laufende Garantievierteljahr.
Bei den Ausgaben für das Reichsgericht wurden 94 500 Mark für sechs Reichsanwälte gefordert. Die Kommission beantragte, die eine Reichsanwaltsstelle zu streichen. Es lagen dazu je ein Antrag der Konservativen und der Nationalliberalen vor, die Regierungsvorlage wieder herzustellen. Es ergriff das Wort
Abg. Dr. Junck (Natl.): So lange wir diese Behörde haben, müssen wir doch dafür sorgen, daß sie vorschriftsmäßig besetzt ist. (Beifall.)
Die Regierungsvorlage wurde gegen die Stimmen des Zentrums, der Sozialdemokraten und der Polen wieder herge st eilt.
Der Rest der Ausgaben des Justizetats und die Einnahmen wurden ohne Debatte bewilligt.
Damit ist die Beratung des Justizetats beendet.
Das Haus wandte sich darauf der
Beratung des Marmectnts
fu. Am Bundesratstische war inzwischen Staatssekretär h. Tirpitz erschienen. Die Diskussion knüpfte an an den Ausgabetitel: Gehalt des Staatssekretärs.
Abg. Dr. Pfleger (Zentr.) berichtete Uber die Verhandlungen der Konimission, insbesondere über die Verhältnisse der Deckoffiziere und über die Unfälle der Luftschiffe, über die der Staatssekretär in der Konimission befriedigende Aufschlüsse gegeben hatte. Sollte von englischer Seite ein Angebot über Abrüstung kommen, so dürfe dies nach Ansicht der Kommission nicht ohne weiteres zurückgewiesen, sondern es müsse ernstlich geprüft werden. Solange ein festes Angebot nicht gemacht werde, müsse Deutschland an dem Flottengesetz festhalten. Der Anregung, daß Süddentsch- land bei den Marinelieferungen erheblicher beteiligt werde, habe der Staatssekretär erfreulicherweise wohlwollende Erwägung zugesagt.
Abg. Noske (Soz.): Über mehr als schöne Worte ist die Diskussion über die Verständigung mit England, über die Abrüstung, nicht hinausgekommen. Neu ist im Etat die Forderung für einen Marineattachä in Buenos Aires. Zur Förderung wirtschaftlicher Interessen braucht man keinen Attache, sondern eine andere Handelspolitik gegenüber Argentinien durch Beseitigung der schikanösen Bestimmungen über die Fleischeinfuhr. Statt eines Attaches würde ich mit Vergnügen ein halbes Dutzend Konsuln oder Sachverständige bewilligen. Es muß darauf gesehen werden, daß die Leute, die ini Marinedienst stehen, vor materiellen Sorgen geschützt werden. Welcher Art waren die Beziehungen Brands zum Reichsmarineamt? Daß in der Organisation der Werften etwas faul ist, zeigt der Magdeburger Schmiergelderprozeß.
Staatssekretär des Reichsmarineamts von Tirpitz: Zunächst möchte ich auf die Anregung des Referenten, daß wir die süddeutschen Firmen nach Möglichkeit berücksichtigen möchten, erwidern, daß wir zwischen deutschen Stämmen durchaus keinen Unterschied machen. Natürlich hat das eine Grenze insofern, als z. B. die schwere Eisenindustrie im Westen konzentriert ist. Aber Süddeutschland Wird in der Weise berücksichtigt, daß Experten nach Süddeutschland geschickt werden, um in Verbindung mit den Handelskammern und Gewerbekammern zu treten über eine stärkere Beteiligung Niddeutschlands. Vielleicht läßt sich die Sache ir^der Weise arrangieren, daß Norddeutschland zwei Drittel, Süd- deutschland ein Drittel der Lieferungen erhält. Die Mißhandlungen haben ständig abgenommen. Im Jahre 1909 kamen auf 10 000 Mann 3,9 Fälle und 1912 nur 3,4 Fülle. Es ist gesagt worden, wir hätten den L. 1 zu frühzeitig nach Helgoland geschickt, und die Leute wären nicht genügend ausgebildet gewesen. Das hat sich nach genauer Prüfung als durchaus irrig herausgestellt. Eß ist in jeder Beziehung vorsichtig und gewissenhaft Verfahren worden, und besonders der Führer galt als ein hervorragender Fachmann. Er ist aber in eine Wetterkatastrophe hereingezogen worden, wie sie zu den großen Ausnahmen gehört. Was den Unfall des L. 2 anberifft, so ist gesagt worden, wir wären mit dem Bau des L. 2 zu rasch vorgegangen und hätten ihn zu sehr vergrößert. Es ist aber immer auf das strikste darauf geachtet worden, daß nie etwas angeordnet worden ist, was die Zeppelingesellschaft nicht gebilligt hat. Die Witwen und Waisen der Verunglückten haben aber die h ö ch st e Kriegspension bezogen, die es gibt. Es ist festgestellt worden, daß in der Marine weder ein Fall des Perrates militärischer Geheimnisse, noch irgend ein Fall von Bestechung oder Ungehorsam gegen einen dienstlichen Befehl gelegentlich der Tätigkeit des Herrn Brand in der Marine vorgekommen ist. Das einzige ist, daß einige Kanzleidiener Trinkgelder bekommen haben, aber höchstens je 3 Mark. (Hört! hört!- Wir haben die alte Gewohnheit, unsere Schiffe dem Volke in weitestem Maße zugänglich zu machen, das hat sich als sehr nützlich erwiesen, und wir werden daran festhalten. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Erzberger (Ztr.): Hoffentlich hat die Marine stets so stilles Fahrwasser, wie dieses parlamentarische Fahrwasser. (Sehr gut!) Für das Verhältnis zu England wäre eine Verständigung über die Rüstungen nicht der Anfang, sondern das Ende. Unsere Diplomatie muß dafür rechtzeitig sorgen, daß die russische Flotte in der Ostsee uns nicht gefährlich wird. Bei uns ist vielmehr geschaffen Worden mit denc gleichen Gelds als im Auslande. Bei der Lieferung der Torpedoboote für Argentinien hat Deutschland am besten abgeschlossen. Die in England gebauten Schiffe sind heute noch nicht abgenommen worden. Hoffentlich wird auch die Südamerika-Fahrt unserer Schiffe den besten Eindruck hinterlassen trotz der diskreditierenden Äußerung des amerikanischen Oberbefehlshabers vor Manila. Die Marineoerwaltung muß dafür sorgen, daß bei ihren Lieferanten kein Wahlterrorismus geübt wird. Wir sehen in der Flotte ein Instrument für die Aufrechterhaltung der Meltmachtstellung Deutschlands und damit die beste Bürgschaft für den Weltfrieden (Beifall.)
Staatsiekcetär v. Tirpitz: Hinsichtlich der Einwirkung auf die Wahlen überschätzt der Vorredner meine Kraft. Die Biographie des Admirals Dewey wird demnächst vollständig erscheinen. Soweit ich unterrichtet bin, wird darin dem Admiral Dietrich und den übrigen deutschen Offizieren hinsichtlich ihrer Haltung vor Manila volle Gerechtigkeit werden.
Darauf wurde die Weiterberatung auf Freitag 1 Uhr vertagt; vorher kurze Anfragen.
Schluß 6^ Uhr.
Die Deutsche Gesellschaft für Welthandel.
Unter der Beteiligung des „Zentralverbandes deutscher Industrieller" und des „Bundes der Industriellen" soll eine „Deutsche Gesellschaft für Welthandel" gegründet werden, an deren Spitze Generaldirektor Ballin von der Hamburg-
Amerika-Lime treten soll. Diese Nachricht hat die Aüfmerk- samkeit weiter Kreise erregt, da die beiden Jndustriellen- verbände cki starkein politischen und wirtschaftlichen Gegensatz stehen, und da nicht gleichzeitig mit der Meldung von dieser Neugründung auch deren Zwecke und Ziele angegeben wurden. Vielleicht mit die Veranlassung, einen solchen Verband ins Leben zu rufen, hat für Generaldirektor Ballin das Verhalten des Deutschen Reiches gegenüber der Weltausstellung von San Franziska gegeben. An dieser beteiligt sich das Deutsche Reich bekanntlich nicht offiziell, weil die im Verband deutscher Industrieller maßgebende Schwerindustrie von virnherein ihre Teilnahme abgelehnt hat. Der Bund der Industriellen dagegen, der hauptsächlich die Ferrigindustrie umfaßt und der zunächst um seine Meinung gar nicht gefragt wurde, war ebenso für die Teilnahme des Deutschen Reiches an der Weltausstellung wie Generaldirektor Ballin, der Leiter der größten deutsch-amerikanischen Schifffahrtsgesellschaft, die natürlich ein großes Interesse daran hat, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten von Nordamerika so eng als möglich zu gestalten und ihre eigenen Schifsahrtslrnien durch den neuer; Panamakanal auch nach der Westküste des amerikanischen Kontinents auszudehnen. Man kann also annehmen, daß für Generaldirektor Ballin bei der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Welthandel in erster Lome maßgebend war, eine bessere Verständigung der beiden großen Organisationen der deutschen Industrie für zukünftige Fälle herbeizuführen.
Der Zweck der neuen Gründung soll die Erleichterung des gegenseitigen Warenaustausches sein, ein Ziel, das aber natürlich nur erreicht werden kann, wenn ihm nicht unübersteigbare Zollgrenzen gegenüberstehen. Für seinen Teil erklärt der Bund der Industriellen, daß er seine handelspolitische Unabhängigkeit in jeder Beziehung tvahren und der neuen Gesellschaft nur dann seine Unterstützung leihen könne, wenn sie sich von der Behandlung zoll politischer Fragen völlig fernhalte. Es werde auch eine darM* hinzielende Bestimmung ausdrücklich in die Satzungen der Gesellschaft auf- aufgenommen werden. Die Aufgabe der Gesellschaft werde lediglich sein: wirtschaftliche und wissenschaftliche Betätigung durch das Studium der ausländischeil Wirtschafts- Verhältnisse und durch die Bekämpfung deutschfeindlicher Strömungen in der ausländischen Presse, sowie Unterstützung kultureller Bestrebungen, die letzten Endes der wirtschaftlichen Stellung Deutschlands zugutekommen. Auf keinen Fall aber werde die Deutsche Gesellschaft für Welthandel für den Bund der Industriellen eine Annäherung an das „Kartell der schaffenden Stände" und eine Abschwächung seines wirtschaftspolitischen Programms bedeuten. Da am 26. Februar die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Welthandel erfolgen soll, wird man bald sehen, welche Tendenzen sie verfolgen wird.
Die Sonntagsruhe.
In der Sonntagsruhekommission des Reichstages begründete ein Sozialdemokrat einen Antrag, das Verbot der Sonntagsarbeit bis auf Städte mit 10000 Einwohnern herunter einzuführen. Es sei unbegreiflich, warum sich das Zentrum auf die hohe Grenze von 75 000 Einwohnern einlasse. Ein anderer Sozialdemokrat wies aus Unter türk- heim hin, das bei 32 000 Einwohnern aus eigenem Antrieb vollkommene Sonntagsruhe eingeführt habe. Ein keiner Fraktion angehörendes Mitglied ist ebenfalls für die Grenze von 10000 Einwohnern. Fortschrittlicher und Zentrusmmit- gliedec widersprechen dem sozialdemokratischen Antrag. Ein Nationalliberaler bedauert, daß sich keine Einigung aus dem Boden der Regierungsvorlage habe erzielen lassen. Seine Freunde hätten sich für die Grenze von 75 000 Einwohnern entschieden, um endlich einmal weiterzukommen, sie seien sich aber der Schwierigkeiten jeder Differenzierung wohl bewußt. Vor der zwecken Lesung solle man daher noch die Interessenten zu Worte kommen lassen. Der Antrag der Sozialdemokraten wurde mit 11 gegen 17 Stimmen abgelehnt, ebenso zwei Eventualanträge dieser Partei. Der Antrag, die Grenze aus 76 000 Einwohner sestzusetzen, wurde mit 18 gegen 11 Stimmen angenommen.
Weiter wurde besprochen ein Antrag des Zentrums und der Konservativen, der für Städte über 75 000 Einwohner unter gewissen Bedingungen eine Verkaufszeit von zwei Stunden zulassen will. Der Antrag wurde mit Rücksicht auf die kleinen Gewerbetreibenden begründet. Als Kautele sei vorgesehen, daß den betreffenden Handlungsgehilfen an einem Wochentage ein freier Nachmittag zu gewähren sei. Außerdem müsse der Antrag auf Zulassung der zweistündigen Sonntagsarbeit von einem Drittel der beteiligten Geschäftsinhaber gestellt werden. Ern Zentrums-Mitglied fordert die Zustimmung von Zweidritteln der Geschäftsinhaber. Fortschrittler, Sozialdemokraten und Nationalliberale erklären sich gegen diese Anträge. Sie wurden abgelehnt.
Berlin. 19. Febr. Der Landrat des Kreises Prenzlau, Freiherr von Maltzahn, ist zum Oberpräsidenten in Potsdam als Nachfolger des Grafen von Rödern ernannt worden.
München, 19. Febr. Die sozialdemokratische Parteileitung hat auf die Vorstellung der Berliner Zentralleitung hin abgelehnt, die für das Parteiorgan „Münchener Post" ab 1. Aprrl eingeführte Abonnentenversicherung zurückzunehmen.
Breslau, 19. Febr. Die Stadtverordneten haben in ihrer heutigen Sitzung einstimmig die Aufnahme einer städtischen Anleihe von über 70 Millionen Mark zum Bau eines zweiten Hafenbeckens und ferner zur Vergrößerung der Gas- und Elektrizitätswerke und der Friedhofanlagen nebst dem Bau eines Krematoriums genehmigt.
Straßburg, 19. Febr. Die Zweite Kammer beschäftigte sich heute Nachmittag mit derSaar-und Moselkanal i- satron. Tie Lothringer wünschen in einer Resolution die Kanalisierung der Mosel von Metz bis Diedenhofen, das Zentrum, die Saar- und Moselkanalisation von Conz bis Saargemünd bezw. von Metz bis Koblenz. Alle Redner bekämpften den ablehnenden Standpunkt des preußischen Ministers per öffentlichen Arbeiten, von Breitenbach. Staatssekretär Gras Rödern erwiderte, indem er die Bedeutung der Mosel«,nalifation für Elsaß-Lothringen anerkannte. Er vertrete dieselbe Forderung wie die frühere Regierung, deren Arbeiten fortgesetzt würden. Von der Tarifermäßigung auf Koks und Erze entfielen auf Lothringen und Luxemburg insgesamt LO Proz. Bei erfolgter Kanalisation würde die Ermäßigung 60 Proz. für Koks und 80 Proz. für Erde betragen.
Ansland.
Paris, 18. Febr. Am Eiffelturm wurden gestern Versuche mit Brandpfeilen vorgenommen, die den Flugzeugen als Zerstörungswaffe gegen feindliche Lenkballons dienen sollen. Die Pfeile sind 40 Zentimeter lang und 8 Zentimeter breit. Sie bestehen aus Stahl und sind mit einer Art von Schraubenflügel ausgerüstet. Im Innern be-