Werre ausreicyte, um den gesamten Kalibedarf zu decken. Ähnliches wurde auch in der Generalversammlung des Kali- syndikats erklärt. Es findet also direkt eine Kräftever­schwendung statt. Jetzt sind in einzelnen deutschen Klein­staaten weitere Kalifunde gemacht worden. Aber auch im Auslande soll jetzt Kali gefunden worden sein. Es kann also womöglich noch ausländische Konkurrenz in Frage kommen, wodurch die Überproduktion noch größer wird. Wir sind für die Beibehaltung der sogenannten Kaliabgaben. Wir wer­den. wenn eine Kaligesetznovelle kommt, den Antrag stellen, daß arbeitslos gewordene Arbeiter .und Beamte nicht nur für den entgangenen Lohn entschädigt werden, sondern auch die Umzugskosten ersetzt bekommen. Es sind auch Umgehun­gen des Gesetzes vorgekommen. Es sind Scheinverträge ab­geschlossen. in Anhalt, um die Wartezeit zu umgehen. Der Herzog von Gotha hat diese Abmachungen mitgemacht. Auch andere Bundesstaaten sollen an solchen Machinationen, die­sen Umgehungen beteiligt sein. Ich habe schon in der Kom­mission diese Machenschaften der Bundesstaaten für Betrug erklärt. (Präsident Dr. Kaempf ruft den Redner wegen die­ser Äußerung zur Ordnung.) Der Staatssekretär sagte ini vorigen Jahre, die Verreichlichung des Kalis würde eine Viertelmilliarde kosten. Seitdem sind aber die Kurse , des Kalipapiers ganz gewaltig gefallen. Das Reich hat^ilso alle Veranlassung, rasch zuzugreifen. Die deutschen salinen- werke bitten in einer Petition um Lchutz vor der ruinösen Konkurrenz der Kaliwerke und um Besteuerung des Über- kontingents der Kaliwerke. Die Saliuenwerke müssen Ar­beiter entlassen. Auch zum Schutze dieser alten Saliuen­werke wäre eine Verreichlichung am Platze. Freilich müßte dann auch ein Reichsberggesetz geschaffen werden, das auch einen genügenden Arbeiterichutz vorsieht. Die erhöhten Kali­abgaben müßten auch zum Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeiter verwendet werden.' lliu an der Quote nicht geschädigt zu werden, haben manche Werksverwaltungen die Arbeiter gezwungen, ihnen ungünstige Tarifverträge zu un­terschreiben. Auch die 8t<>stündige Arbeitszeit wird wider­gesetzlich auf 9 und 9U Stunden ausgedehnt.

Unterstaatssekretär Richter: Der Vorredner hat geglaubt, einer Bundesregierung den Vorwurf einer betrügerischen Handlungsweise machen zu dürfen. Formell ist diese Sache durch den Ordnungsruf des Präsidenten erledigt: sachlich habe ich aber auch den llugrund dieser schweren Beschul­digung darzutun. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die anhaltische Regierung, als sie diesen Vertrag mit der Schatullverwaltung des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha abschloß, sich dabei in gutem Glauben befand. Wir können übrigens den Herrn Herzog aus dem Spiele lassen: es ver­steht sich von selbst, daß er von diesen Geschäften der Scha- tullverwaltuug keine Ahnung hat. Ich möchte hierbei kon­statieren, daß auch andere Regierungen geglaubt haben, auf Grund des 8 12 des Kaligesetzes derartige Verträge ab­schließen zu können. Ich hoffe, daß di'e Novelle in der nächsten Zeit wird vorgelegt werden können. Es ist dann auch die Verstaatlichung gefordert worden.' Ich kann nicht zugeben, daß gerade jetzt der geeignete Moment der Ver­staatlichung wäre. Gerade die Verstaatlichung dürfte jetzt viel schwieriger sein, als es vor einiger Zeit war. Die Haupt- schwierigkeit liegt ja in der Auslandsproduktion. Hier könnte das Reich dann große Gefahr laufen. Herr Sachse möchte auch, daß die Schichtzeiten geregelt werden. Ich möchte darauf erwidern, daß die Schichtzeit im Bergbau in Preußen nicht einheitlich geregelt ist. Wegen der vollstän­dig verschiedenen Verhältnisse in den verschiedenen Bergbau­bezirken Preußens hat nian mit gutem Rechte davon abge­sehen. Man hat nur die Einfuhr- und Ausfuhrzeit geregelt. In Ostpreußen sollen die Propagandagelder nicht richtig ver­wendet worden sein. Ich habe mich infolgedessen veranlaßt gesehen, eine Reise nach Ostpreußen zu unternehmen. Ich kann versichern, daß ich geradezu überrascht war, von der ausgezeichneten Art. wie die Gelder verwandt sind, und von den glänzenden Erfolgen, die dort erzielt sind. Wir haben uns seinerzeit entschieden geweigert, dem Fischereiverein Mittel aus dem Kalifonds zur Verfügung zu stellen, ehe nicht in gehöriger Weise aus Versuchen erwiesen ist. wie das Kali hier nützen kann. Wir haben selbst Versuche bei Oranien­burg und bei München angestellt. Ich glaube, daß dieses Geld nützlich angelegt war. Man muß Geduld haben uno noch einige Jayre abwarten. Es ist dann bemängelt wor­den, daß bei verschiedenen Übertragungen Arbeiter nicht ent­schädigt worden sind. Die betreffende Klage müßte beim Ge­werbegericht erhoben werden. Es ist dann behauptet wor­den. daß Arbeiter gezwungen worden sind. Tarifverträge zu ihren Ungunsten abzuschließen. Demgegenüber möchte ich darauf Hinweisen, daß die Verteilungssteüe die betreffenden Verträge den Arbeiterausschüssen vorher vorgelegt hat. und dagegen Einwendungen nicht erhoben worden sind.

Abg. Krix (Ztr.): In der Hauptsache hat sich das Kali­gesetz Wohl bewährt. Leider hat es eine ungesunde Werks­vermehrung nicht verhindern können. Eine Novelle zürn Kaligesetz ist eben für die nächste Zeit angekündigt worden: es erübrigt sich, darauf einzugehen. Es ist anzunehmen, daß der Kaliverbrauch im Inlands sich verdoppeln, ja ver­dreifachen wird. Der intensive Betrieb der deutschen Land­wirtschaft wird sich mit den Jahren immer mehr steigern. Es ist möglich, daß wir zu einem Verbrauch von 5000 Kilo­gramm auf 1 Quadratkilometer der Anbaufläche kommen.

Abg. Bärwinkel (Natl.): Dem neuen Titel, den die Kommission geschaffen hat, um 500 000 Mark für San Fran­cisco zur Verfügung zu stellen, beantragen wir wieder zu streichen und diese Summe dahin zu dirigieren, wohin sie eigentlich gehört, in die Auslandspropaganda. Die Be­träge für diese haben wir in der Kommission ebenfalls ganz beträchtlich erhöht, weil wir nieinen, daß jetzt eine stärkere Propaganda einsetzen muß, daß der Absatz im Auslande ganz bedeutend gesteigert werden muß. Tie neue Novelle will das unnütze Entstehen von Schächten einschränken. Das bedeutet für die jetzigen eine Art Monopol. Es ist fraglich, ob man darauf ein neues Gesetz aufbauen kann. (Beifall bei den Nationalliberalen.)

Abg. Gothein (Fortschr. Vpt.): Die Verteidigung der anhaltischen Regierung ist dem Unterstaatssekretär Wohl nicht so ganz von Herzen gekommen. Ein Bundesstaat darf doch nicht etwaige Unklarheiten des Gesetzes benutzen, um daraus Umgehungen herzuleiten. Ich halte es für zu weit­gehend, wenn für das Studium der Flußreinigung allein der Kalifonds in Betracht kommen sollte. Die Frage ist aber so dringend, daß man. falls wirklich keine anderen Mittel zur Verfügung stehen, die Sache durchgehen lassen kann.

Abg. v. Brockhausen (Deutschkons.): Wir sind damit ein­verstanden, daß die 500 000 Mark für San Francisco ge­strichen und der Summe für die Auslandspropaganda zuge­setzt werden. Wir sind auch einverstanden mit der Erhöhung des Auslandspropagandafonds.

Abg. Stövc (Natl.): Das Kaligesetz benachteiligt den Handel. Das Kalisyndikat führt das geringe Anwachsen des Auslandumsatzes darauf zurück, daß nicht rechtzeitig ge­nügende Mittel hierfür bereit gestellt worden sind. Welche Absatzmöglichkeiten hier noch vorhanden find, zeigt der Um­stand, daß das kleine Holland im Jahre 1912 400 000 Dop­pelzentner. das Riesenreich Rußland dagegen nur 260 000 Doppelzentner gebraucht hat. Das Kalisyndikat hat jetzt an­scheinend große Summen für diese Propaganda zur Ver­

fügung. Man wllte es deshalb nicht hindern, diese dazu zu benutzen.

Abg. Erzberger (Ztr.): Ich habe mich zum Worte gemel­det, um der Auffassung zu widersprechen, daß Paragraph 27 des Gesetzes es unmöglich mache, einen Reservefonds zu bil- ! den und Gelder zur Lösung der Frage der Endlaugungsfrage zu entnehmen. Ter Reichstag hat das Recht, über die Art der Verwendung der Kaligelder ein entscheidendes Wort mit­zusprechen. Ein Ausgleichs- und Reservefonds war absolut notwendig. Die Lösung der Eudlaugungsfrage kann sehr wesentlich im Interesse der Kaliindustrie liegen. Vielleicht könnte die Endlauge für Düngerzwecke benutzt werden. Das muß jedenfalls geprüft werden, schon im Interesse der Hebiing des Kaliabsatzes, namentlich der minder leistungs­fähigen Werke.

Abg. Haegy (Elf.): Ich bitte, bei der in Aussicht stehenden Novelle den Weinbau zu berücksichtigen. Für die Zurück­drän g u n g des Elsaß ist in erster Linie das Gesetz ver­antwortlich, das den Zweck verfolgt, die elsässische Produktion nicht allzu stark sich entwickeln zu lassen.

Abg. v. Brockhausen (Kons.): Ich muß der Airsicht ganz entschieden widersprechen, daß die Händler bei dein Kali- syudikat irgend eine Benachteiligung erfahren.

Unterstaatssekretär Richter: Wir haben die Absicht, bei der Vorlegung dre Novelle auch gleichzeitig all das Material vorzulegen, aus dem heraus wir'zu der Ausarbeitung dieser Novelle gekommen sind. Die Ansichten über die Propaganda haben hier im Reichstage geschwankt. Ich erkläre aber, daß die Ansicht des Reichsamtes nicht geschwankt hat. Wir haben von vornherein den Vorschlag gemacht, die Gelder dem Syn­dikat zuzuwenden. Ich würde deshalb nichts dagegen haben, wenn wir dem Syndikate wieder die Gelder überweisen. Wir müssen uns dann aber gleichzeitig ein Kontrollrecht Vor­behalten und vorschreiben können .wieviel für das Aus- und für das Inland verwandt werden soll. Die Fragen über die Probeentnahme werden noch einmal genau geprüft werden. Ich kann aber schon jetzt erklären, daß bei der Entnahme von Proben vereidigte Beamte immer zugelassen werden müssen. Überall, wo eine Rückzahlung der Überkontingents­gelder verlangt ist, wird die Sache genau nachgeprüft werden. Das geschieht auch den amerikanischen Gesellschaften gegen­über. Wir prüfen die Angelegenheit ex officio,und daS ist völlig ausreichend und genügend. (Beifall.)

Damit schloß die Diskussion. 1

Die Abstimmung wurde auf Montag verschoben.

Nächste Sitzung Montag 2 Uhr: Fortsetzung der Etats­beratung. . , . j

" Schluß SU Uhr. - LM M

Ausland.

Tie sozialdemokratische Gegenaktion

cl.'S t o ck h o l m, 8. Febr.

Als Gegengewicht gegen die Bauerndemonstration veran­staltete die sozialdemokratische Partei heute eine S t r a ß e n k u n d g e b u n g. um der Regierung ihre Wünsche zu überbringen. An dem Zuge nahmen etwa 30 000 Per­sonen teil. Abg. Branting verlas eine an die Regier­ung gerichtete Adresse, die sich gegen Mehrforderungen für Militär- und Marinezwecke und die Verlängerung der Dienst­zeit richtet und sich für eine Verminderung der militärischen Lasten ausspricht. Schließlich wird darin zur Arbeit im Frieden und zur Brüderlichkeit aufgefordert. Der Mi­nisterpräsident erwiderte, er schließe sich der Auf­forderung zum Frieden und zur Brüderlichkeit aller Völker warm an, müsse aber nachdrücklich hervorheben, daß das schwedische Volk noch fSrtdauernd sehr bedeutende Lasten für die Landesverteidigung auf sich nehmen müsse. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß, wenn die Regierung ihre Vor­schläge zur Verbesserung des Landesverteidigungswesens durchgebracht habe, man auch an soziale Reformen Heran­gehen könne. Die persönlichen Opfer seien nicht zu ver­meiden. Die Frage betreffend die Verlängerung der Dienst­zeit der Infanterie müsse dem Volk gelegentlich der Wahlen vorgelegt werden. Die Regierung werde von dieser Forder­ung niemals abweichen.

Paris, 8. Febr. Heute Nacht starb hier der ehemalige Unterstaatssekretär der schönen Künste Tu rauet im Alter von 78 Jahren. Turauet hat in der boulangistischenBrwegung eine hervorragende Rolle gespielt, und war mit dem jüngst verstorbenen Deroulede einer der Gründer der Patriotenliga.

Mexiko, 7. Dez. Die geheime Polizei hat eine Anzahl von Geschäftsleuten und Angestellten verhaftet, die in eine Verschwörung gegen die Regierung verwickelt gewesen fern sollen. Die Polizei erklärt, in den Taschen der Ver­hafteten belastende Schriftstücke gefunden zu haben. Der frühere Unterrichtsminister Estanel, der am 3. ds. Mts. verhaftet worden war, ist wieder freigelassrn worden.

Peking, 8. Febr. Durch einen Erlaß des Präsidenten wird angekündigi, daß die Himmelsopfer zu Ehren des Confucru's bcibchalteu werden, wober der Präsident als Ver­treter des Volkes dre üblichen Zeremonien in der Hauptstadt vollziehen wirb. In dem Erlaß wird ausdrücklich erklärt, daß damit keineswegs eine Staatsreligion eingeführt werde. Die vocie religiöse Freiheit wird bestätigt.

Württemberg.

Wrrrttembergrscher Landtag.

Zweite Kammer.

Stuttgart, 7. "ebr.

Präsident v. Kraut eröffnet die Sitzung um T/tz Uhr. Am Regierungstisch: Minister des Innern v. Fleischhauer. Im Einlauf b-sindet sich die bereits bekannte Anfrage des Abg. Eisele (V.) betreffend die Regelung des unbefugten Waffentragens und des Handels mit Waffen. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Besprechung betref­fend die

Arbeitstosenfürsorge.

Abg. Mattutat (S.) begründet seinen Antrag. Nach den gestrigen Erklärungen des Ministers ist auf dem Ar­beitsmarkt alles in bester Ordnung, ein besonderer Not­stand nicht vorhanden. Diese Weisheit des Ministers stellt für die notleidende Arbeiterschaft einen schlechten Trost dar. Ein allgemeiner Notstand ist von uns nicht behauptet wor­den, sondern lediglich festgestellt worden, daß auf dem wirt­schaftlichen Arbeitsmarkt die Verhältnisse gegenwärtig äußerst ungünstig sind. Was für den Weingärtner notwendig ist, ist für den Arbeitslosen doppelt notwendig. Beweiskraft haben die Ausführungen des Ministers nicht, es sei denn die, daß man mit Zahlen alles beweisen kann. Die Ant­worten der Handelskammern sind für uns nicht maßgebend; der Minister hätte sich auch an die Arbeiterkammern wen­den sollen, wvM^andere Antworten erhälten hätte. Die Regierung unter der Arbeitslosigkeit selbst

leiden müssen, dann würde sie ihre Ansicht ^sehr bald än­dern. Die Zahlen lassen erkennen, daß die Steigerung der Arbeitslosigkeit ganz erheblich über den Reichsdurchschnitt hinausgeht. Aus der guten Frequenz der Ortskrankenkasse hat der Minister den Schluß ziehen wollen, daß die Ar­beitslosigkeit nicht so groß ist, hat aber übersehen, daß diese Zahlen der Krankenkassen sich für diesen Zweck gar nicht verwenden lassen. Ich frage den Minister: wie groß muß denn die Zahl der Arbeitslosen sein, um die Regierung zu veranlassen, eine Arbeitslosigkeit anzuerkennen? So se ! gensreich, wie der Minister die Wanderarbeitsstüiten, die

> ja nur ein Notbehelf sind, hinstellt, sind diese Einricht­ungen nicht. Die Regierung steht all diesen Fragen ver­ständnislos gegenüber. Von einer besonderen sozialen Ein­sicht ist bei den Unternehmern nicht gerade die Rede. Sie wollen eben, als praktische Leute, ihre Arbeiter nicht ver­lieren. Den Tausenden von Arbeitswilligen .muß gehol­fen werden. Auch weite Kreise der Handwerker und des Kleingewerbes werden von der Not der Arbeiter getroffen, das halte ich trotz der gegenteiligen Ausführungen des Mi­nisters aufrecht. Wir gehen davon aus, daß die Arbeits­losigkeit keine vorübergehende Erscheinung ist. Wir brau­chen daher eine Arbeitslosenversicherung auf reichsgesetz­licher Grundlage. Die Mechanisierung des Arbeitsprozesses, die fortschreitende Frauenarbeit, die Tendenz der Ausscheid­ung von Arbeitskräften sind Folgen des deutschen Wirt­schaftssystems. Die obligatorische reichsgesetzliche Durch führung der Versicherung ist bewiesen. Ich glaube, daß die entgegenstehenden Schwierigkeiten die Regierung vor Einführung der Versicherung nicht abschrecken können, daß vielmehr der scharfmacherische Einfluß der Großindustriel­len, die ja eine Arbeitslosenversicherung nicht wollen, die Regierung veranlaßt, nichts von der Einführung dieser Ver­sicherung wissen zu wollen. Die Regierung hat aber allen Anlaß, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Von den

, 800 000 in Deutschland beschäftigten ausländischen Arbeitern , ist ein großer Teil auch in Württemberg beschäftigt Vom ^ volkswirtschaftlichen Standpunkt aus darf eiu Bedürfnis ; nach ausländischen Arbeitern nicht bejaht werden. Was - der Landwirtschaft, bei deren Unterstützung wir mitgeholfen . haben, recht ist, das ist dem Arbeiter billig. Die Existenz . des Arbeiters muß nach jeder Richtung.hin als die un­sicherste bezeichnet werden. Dazu kommt, daß die For­derungen des Arbeiters sich in bescheidenen Grenzen be- . wegen. Die bayerische Regierung steht der Arbeitslosensür-

> sorge viel sympathischer gegenüber; das beweist, daß sie ^ 175 000 M in den Etat eingestellt hat. Den Antrag Andre

unterstützen wir; es ist zweckmäßig, nicht erst in eine Aus- , schnßberatung einzutreten. In Deutschland haben wir 18 ^ Gemeinden, die die Arbeitslosenversicherung eingeführt ha­ben, davon entfallen 4 auf Württemberg, die eine Unter­stützung erhalten müssen. Die Freien Gewerkschaften haben für die Arbeitslosigkeit vom Jahre 18981912 68 Mil­lionen Mark, im Jahre 1912 allein über 8 Millionen M ausgegeben. Das zeugt von sozialem Verständnis der Ge­werkschaften. Hinfällig ist der Einwand, die Einführung der Arbeitslosenversicherung führe zu einem Organisations­zwang; wir verlangen im Gegenteil die Versicherung auch für die Nichtorganisierten. Die Regierung hat Angst vor dem Genter System. Darauf sind wir nicht versessen. Wir « wollen vor allem eine Lösung dieser Frage, auf welche Weise dies auch sei. Staat und Gesellschaft sind es dem Ar­beiter schuldig, hier vorzugehen im Interesse der Bolksge- sundheit, des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Fort­entwicklung unseres Landes.

Abg. Andre (Ztr.): Ich bedaure, daß die Regierung so wenig Ausklärung verbreitet hat, daß sie sich mit der Frage der Schaffung von Arbeitsgelegenheit befaßt. Die jetzige Arbeitslosigkeit steht der von 1908 in nichts nach. Wir haben es zurzeit mit anormalen Zuständen zu tun. Gerade die Hauptindnstrien sind durch die wirtschaftliche Krise in außerordentliche Mitleidenschaft gezogen. Die vom Minister eingezogenen Erkundigungen bei den Hand­werks- und den Handelskammern, deren Berichte so merk­würdig übereinstimmen, sind zu einer Zeit eingejanvt wor­den, wo eben die Krise noch nicht so schlimm war. Es ist bezeichnend, daß gerade die Handwerkskammern, die Ver­treter des Handwerks, den Beschäftigungsgrad des Klein­gewerbes als normal bezeichnet haben. Wir erblicken in diesen Erkundigungen eine große Einseitigkeit der Regier­ung. Welches System in der Arbeitslosenversicherung das richtigere ist, vermögen wir nicht zu sagen, aber das können wir von der Regierung verlangen, daß sie sie Systeme prüft und Stellung dazu nimmt. Eine landesgesetzliche Re­gelung der Arbeitslosenversicherung ist nicht zweckmäßig. Es darf nicht die Frage geprüft werden, zu welcher Or­ganisation der Arbeiter gehört, sondern die, ob er unter­stützungsbedürftig ist. Die Einschränkung der Arbeitszeit und die Verkürzung der Löhne wirken auch auf oen gewerb­lichen Mittelstand ein. Beide Stände gehen Hans in Hand. Das Handwerk wünscht bessere Berücksichtigung bei staat­lichen Arbeitslieferungen. Die Neuanschaffungen zu Zwecken der Heeresvermehrung sollten auch durch das württem- bergische Handwerk erfolgen. Hat die Regierung den nö­tigen Anteil an den Tuchlieferungen vorgesehen?. Der Mi­nister möge sich zu diesem Zweck mit dem Kriegsniinisier ins Benehmen setzen. Wir werden einen Antrag embcingen, wonach in einem Nachtragsetat die nötigen staat­lichen Mittel zur Unterstützung des Handwerks verlangt werden. Es entwickelte sich nunmehr eine längere Geschäftsordnnngsdebatte über die Zulassung dieses An­trags, der auch die Frage des Submissionswesens in die Debatte hereinzieht, die zurzeit im volkswirtschaftlichen Aus­schuß behandelt wird. Es wird sodann der Zentrums- antrag zur Beratung zngelassen, wonach die Regierung ersucht wird, zur Besserung der gegenwärtigen ungünstigen Lage des Mittelstandes in Handwerk, Gewerbe und Han­del dafür zu sorgen, daß 1. die von Staat und Körper­schaften zu vergebenden Lieferungen und Arbeiten a) soweit die für deren Ausführung notwendigen Mittel schon be­willigt sind, tunlichst bald in Angriff genommen, b) so­weit möglich an einheimische Bewerber unter der Beding­ung vergeben werden, daß sie in erster Linie die Arbeiten durch einheimische Arbeiter ausführen lassen; 2. die be­stehenden Verfügungen über das Submissionswescn seitens der zuständigen Beamten streng beachtet werden, und im Bundesrat dafür einzutreten, daß bei Vergebung von Lie­ferungen und Arbeiten für das Reich, insbesondere auch für Heer und Marine, das württembergische Handwerk und Gewerbe tunlichst berücksichtigt wird. Die Frage des Sub­missionswesens wird ausgeschaltet.

Fischer (Vp.): Mit der jetzigen Diskontpolitik sci ec einverstanden. Es wäre aber zu wünschen gewesen, daß sie weniger post lsstum gekommen wäre. Bedauerlich sei, daß die Regierung bei ihren Erhebungen sich nur an sie Arbeitgeber gewendet habe. Es sei anzuerkennen, daß die Arbeitgeber sich zum Teil während der Krise human be­nommen haben. Andererseits sei die Einrichtung des Ar­beitsnachweises der Metallrndnstriellen zu bedauern, der ein Mahl in das Fleisch der gut organisierten württem- bergischen Arbeitsvermittlung sei. Es sei kein Zweifel, daß