An die Spitze stellte sia, 2 )r. ;ur. v. Jagow. Er ist der ge- borene Diktator für Elsaß-Lothringen. Auf ihn trifft das Wort zu das ein beriihinter österreichischer Jurist ge- sprachen hat: Herr v. Jagow ist zu nichts und zu allem fähig. (Lachen, andauernde Zurufe und Unruhe.) Nun hat der

Kronprinz

zwer Telegramme geschickt. Sie sind staatsrechtlich ohne Bedeutung, aber politisch unheilvoll und unerträglich. Wir sind dem Kronprinzen Dank schuldig, denn Hunderttausende von Deutschen sind durch diese Kundgebung aufgerüttelt. Sie sagen sich, wen der künftige deutsche Kaiser m intimer Freundschaft mit den Verächterrr der Ver - s a s s u ng und mit Staatshetzern steht, ist es not- wendig, daß das Volk selber seine Geschicke in die Hand mmmt. (Sehr richtig! bei den Soz. Lebhafte Zurufe. Lärm rechts. Glocke des Präsidenten.)

Präsident Tr. Kaempf: Herr Dr. Frank, wenn Sie in dieser Weise vom Kronprinzen sprechen, würde ich in die Lage kommen. Sie zur Ordnung zu rufen,

Abg. Dr. Frank (sortfahrend): Unheilvoll war das Te­legramm des Kronprinzen während des türkischen Krieges und endlich der Regimentsbefehl, in dem die Geschichte mit dem gebrochenen Herzen vorkommt, wo er erklärt, daß es sein höchstes Soldatenglück wäre, an der Spitze seiner Hu­saren eine Attacke gegen den Feind zu reiten. (Große Un­ruhe. Lebhafte Zurufe bei den Soz.: Ruhig, Spirituszen­trale! Glocke des Präsidenten )

Präsident Tr. Kaempf: Das sind Beleidigungen gegen den Kronprinzen, die Sie nicht Vorbringen dürfen. (Rufe bei den Soz.: Nein!)

Abg. Dr. Frank (fortfahrend): Ich kann mir nicht den­ken, daß es eine Beleidigung ist, wenn ich den Kronprin­zen zitiere. «Sehr richtig! bei den Soz.) Ich will nur sest- stellen, daß der Kronvrinz cs für sein höchstes Glück hält, an der Spitze des Regiments in die Schlacht zu reiten, was für den großen Teil des deutschen Volkes das größte Unglück ist. Die Thronrede im Preußen vom 8. Januar stellt fest, daß glücklicherweise der Weltfriede gewahrt sei, und fast gleichzeitig kommt der künftige deutsche Kaiser und schwärmt 'vom Soldatenglück, in die Schlacht zu reiten. Gleichzeitig .mit den Vorstößen des Herrn v. Jagow und des deutschen Kronprinzen wurde im Herrenhaus? und im Abgeordneten­hause vorgegangen. Was die Herren im Landtage nicht sagen wollten, das wurde dann gesagt bei den Verhand­lungen des Preußentages. Was wird der Reichskanzler nun tun, um die staatsbürgerlichen Rechte zu schützen? Die Vorfälle von Zabern können sich seden Tag wiederholen. Wir bedauern des Reichskanzlers schlaflose Nächte, aber wir fürchten, daß er, was er in der Nacht versäumt, am Tage nachholt. (Stürmische andauernde Heiterkeit.) Die Konserva­tiven wollen, daß er den Reichstag zum Teufel jagt. Wir sind mitten im Konflikt drin, hier heißt es kämpfen oder sich unterwerfen. Die konservative Partei wird immer über­schätzt. Der parlamentarische Kampf allein genügt nicht. Er muß getragen sein von dem Willen einer großen Volksmehr­heit. Das ist aber heute nicht mehr der Fall. Viele, viele Millionen Deutsche, Arbeiter, Techniker .Beamte und Indu­strielle müssen es als eine Scham empfinden, daß sie zwar hervorragende industrielle und kaufmännische Leistungen hervorgebracht haben, daß sie aber rechtlich unmündig bleiben sollen. Wir erwarten twn Ihnen keine Revolution. Wir wünschen aber, daß Sie den Mut haben, die Reckte, dis Sie vesttzen, anzuwenden. Wenn Sie den Willen zum Stegen zeigen, dann werden Sie auch Sieger sein. Wir sind die wirklichen Schmiede der Zukunft. (Beifall b. d. Soz.)

Reichskanzler Dr. von Bethmann HollrveI:

Ich sehe mich gezwungen, sofort das Wort zu ergreifen, 'um gegen die Worte, die der Herr Vorredner mit bezug auf den deutschen Kronprinzen gebraucht hat, Protest einzulegen. (Große Bewegung im ganzen Hause, lebhafter Beifall rechts, fortgesetzte Unruhe und Zwischenrufe bei den Soz.) Diese Worte atmen den Haß, mit dem die Sozialdemokratie er­füllt ist. (Lärm bei den Soz.) Den Haß, der sie gegen jeden soldatischen Geist erfüllt. Der Herr Vorredner hat behauptet, daß der deutsche Kronprinz in intimer Freundschaft mit den Verächtern der Verfassung, mit Staats st reich Hetzern stehe. Das ist ein unerhörter Vorwurf. (Lebhafter Beifall rechts, große Unruhe bei den Soz.) den ich mit aller Entschieden­heit hiermit zurnckweise. (Lärm bei den Soz., lebhafter Beifall rechts.)

Abg. Dr. v. Liszt (Vp.): Wir bezwecken mit unserem Vorgehen nicht neuen Kampf, sondern wir wollen nur den

Frieden wieder Herstellen.

Wir wollen nicht die Debatten vom 3. und 4. Dezember wieder beginnen. Unsere Meinung ist genau heute noch so. wie damals. Wir würden heute wohl dasselbe Mißtrauens­votum wieder erteilen. Beifall links.) Allmählich ist die Angelegenheit zu einer solchen des ganzen Volles geworden. Auf dem Preußentage wurde bedauerlicherweise ein Gegen­satz zwischen Süd und Nord hervorgehoben und versucht, das Andenken an die großen Kriegsjahre den Süddeutschen zu vergällen. Die ganze Angelegenheit hat längst über die Grenzen des Reiches hinausgegriffen. Das Ausland weist mit unverhohlener Schadenfreude auf die Ereignisse in Zabern und aus die Spaltungen hin, die durch die deutschen Stämme hindurchgehen. Wir beabsichtigen nicht, auf die Vorgänge in Zabern und das kriegsgerichtliche Verfahren näher einzugehen. Die Kriegsgerichtsurteile haben den Gegnern der Militärgerichtsbarkeit neue Waffen in die Hand gegeben. Der schwerste Fehler ist, daß der oberste Gerichtsherr auf die Einlegung der ihm zustehenden Rechtsmittel verzichtet hat. (Sehr richtig!) Es ist noch eine Menge von Rechtsfragen strittig. Das Kriegs- gerächt in Straßburg hat den Satz ausgesprochen, daß für die preußischen Truppen im Ndichslande die Preußischen Vorschriften bindend leien, wie die sächsischen Vorschriften für die sächsischen Truppen im Reichslande. Jeder Soldat trage seine Dienstvorschriften im Tornister mit sich. Wenn der Satz an sich richtig ist, in seiner Anwendung in Zabern ist er zweifellos falsch. Aber der Satz ist auch falsch in seiner Anwendung für den Fall der Berührung mit der Zivilbevölkerung. Da gelten keine Dienstvorschriften, son­dern da gilt das Reichs-unddasLandesrecht. Das Reichsrecht gilt selbstverständlich einschließlich des Reichsstraf­rechts. Bedauerlicherweise werden unsere Offiziere in der Überzeugung erzogen, daß ihnen gegenüber ein anderer Not­wehrparagraph gilt als der des Strafgesetzbuchs. Das wird in einem Kommentar ausdrücklich hervorgehoben: es wird dort auch erklärt, daß ein gelegentlichesMehr" dem Ansehen des Standes besser entsprechen dürfte als einzu wenig". (Hört! Hört! links.) Es war ziemlich schwierig, die nun­mehr angezogene

Kabinettsorder von 1820

auszugraben. Der entscheidende Teil dieser Order macht aber auch das Einschreiten des Militärs davon abhängig, daß nach Pflicht und Gewissen festgestellt ist, daß die Zivil­behörde mit dem Eingreifen zögert, indem ihre Kräfte be­reits nicht mehr zur Bewältigung der Unruhen hinreichen. .Es_Ä>H1tz,2rgse. <ck. diele Order, ihre NeMssültigkeit

einmal angenommen, im Zaberner Fall anwendbar war oder nicht. Die Voraussetzungen dieses entscheidenden Teiles treffenindemFalleZabernnichtzu. Die Zivil- behörde hat erklärt, es lag am 28. November kein Anlaß, zum Einschreiten vor: da handelt es sich also um Meinungs­verschiedenheiten, nicht aber um Urwermögen der Zivilbe­hörde: und da hat sich also der Oberst von Reuter einer schweren Rechtsverletzung schuldig gemacht. Aber ist diese Order nun überhaupt gültig oder nicht? Die Kabinettsorder ist kein Gesetz, sonst würde sie ordnungs­gemäß in der Preußischen Gesetzsammlung veröffentlicht sein. (Zuruf rechts.) Bei der Angliederung Elsaß-Lothringens an Deutschland hat man den Fehler geinacht, daß man es nicht einem anderen Bundesstaate einverleibte oder einen selbst­ständigen Bundesstaat daraus machte. Wir haben nun einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Grenzen zwischen den Befugnissen der Militär- und Zivilverwaltung festlegen soll. Wir wollen, daß unser Heer ein Volksheer werde im wahrsten Sinne des Wortes. Dein Prenßentage sprechen wir das Recht ab, Vertreter des preußischen Geistes zu ieiu. Die Einigkeit zwischen N ord und Süd, zwischen M i I i r und Z i v i l wieder herzustellen, das ist der Zweck unserer Interpellation Und unseres An­trages. (Lebhafter Beifall bei den Fortschrittlern.)

Sodann ergriff zur Beantwortung der Interpellationen der Reichkanzler das Wort:

Reichskanzler Dr. v. Bethmann Hollweg:

Heine Herren! Ich knüpfe zunächst an die Ausführungen des letzten Herrn Vorredners an: daß Klarheit darüber be­stehen muß, in welchen Fällen das Militär bei Unruhen ein­zugreifen hat, ist selbstverständlich. Das Militär hat daran ein eigenes dringendes Interesse. Ter Grundsatz, daß das Militär regelmäßig erst auf Requisition der Zivilbehörde einzugreifen hat, ist verfassungsmäßiges Recht, IS viel ich sehe, in allen Bundesstaaten, jedenfalls in P reust e n. Daß es ausnahmsweise etner Requi­sition nicht bedarf, das ist von der preußischen Ver­fassungsurkunde ausdrücklich und prinzipiell anerkannt wor­den .denn sonst Hütte sie nicht ein besonderes Gesetz darüber Vorbehalten können. Dieses Gesetz ist tatsächlich nicht er­lassen. Es entsteht die Frage, ob aus dem Fehlen dieses Gesetzes geschlossen werden muß, daß das Militär niemals und unter keinen Umständen eingreifen darf, wenn cs an einer Requisition der Zivilbehörden fehlt. Nun, meine Her­ren, von den reichsgesetzlich vorgesehenen Fällen der Selbst­hilfe, der Selbstverteidigung, brauche ich nicht zu sprechen. Überall -,wo die Voraussetzungen der Notwehr, des Not­standes im Sinne des Strafgesetzbuches und des bürgerlichen Gesetzbuches vorlisgen, ist es unbestritten, daß das Militär ebenso gut wie jeder andere berechtigt ist, alle zur Abwehr eines Angriffs, zur Abwendung einer Gefahr erforderlichen Handlungen innerhalb der durch die Gesetze gezogenen Grenzen vorzunehmen. Ferner kann ich natürlich ausschei- den die gesetzlich geregelten Fülle des Krieg- und des Be­lagerungszustandes. Weiterhin muß, das ist ja ein Punkt, den der Herr Abg. v. Liszt eben selbst berührt hat, dem Militär auch ohne besondere gesetzliche Er­mächtigung das Recht zugestanden werden, selb­ständig einzugreifcn, wenn es sich um die Be­seitigung von Hindernissen handelt, die sich ihm bei' Aus­übung staatshoheitlicher Funktionen, bei militärischen Übun­gen, auf Wachen und bei Posten usw. cntgegenstellen. Die Berechtigung dazu folgt aus allgemeinen Nechtsgrundsätzen. Und endlich, meine Herren, wird dem Militär das Recht zu­gestanden werden müssen, auch ohne Requisition der Zivil­behörde selbständig einzugreifen, wenn die prinzipielle Re­quisition der Zivilbehörde nicht erfolgen kann, weil die Zivilbehörde überwältigt oder aus anderen Gründen außer­stande ist, die Requisition zu erlassen. Dieses Recht, das in der Staatsrechtlehre anerkannt ist beruht auf demGedanken, daß der Staat seine Existenz selbst in Frage stellen würde, der auf das Recht verzichten wollte, zur Überwindung einer dem Bestände des Staates, den Grundlagen des staatlichen Lebens drohenden, auf andere Weise nicht abwendbaren Ge­fahr mit allen Mitteln entgegenzutreten und zu seinem eigenen Schutze die ihm zur Verfügung stehende Kraft der bewaffneten Macht anzuwenden. Meine Herren, ich glaube, daß ich hiermit ganz klar die Lage umschrieben habe, wie sie sich aus Verfassung, aus Gesetz und allge­meinen Rechtsgrundsähen ergibt. Die Vor- fchrift über den Waffengebrauch des Militärs und seine Mitwirkung bei der Unterdrückung gegen Unruhen vom 23. März 1899, die jetzt durch die Zaberner Vorgänge in den Vordergrund gerückt worden ist, diese Vorschrift ist eine für den'Dienstgebrauch des preußischen Militärs und der ihm angeschlossenen Kontingente bestimmte Zusammen­stellung der Fälle, in welchen das Militär be­fugt sein soll, einzuschreiten. Daß der Oberst bon Reuter diese Instruktion auf ihre Rechtsgiltigkeit nicht nachzuprüfen hatte, darüber besteht wohl heute kein ernst­hafter Streit mehr. Die Angriffe richten sich dagegen, daß die Instruktion von 1899 in einzelnen ihrer Bestimmungen der notwendigen gesetzlichen Grundlage entbehrt, und zwar dort, wo sie die Ka b i n e tts o rd e r v o m 17. Oktober 1820 anzieht. Dian streitet über die Gesetzeskraft dieser Order. Meine Herren, nach meinem Dafürhalten geht dieser Streit an dem Kern der Sache doch einigermaßen vorbei. DieKabinettsordervon 1820, soweit sie in die Instruktion von 1899 übernommen waren ist, regelt zu­nächst das Verhalten des Militärs für den Fall, daß es von j der Zivilbehörde requiriert worden ich also für dxn später von der Verfassung ausgestellten gesetzlichen Normal­fall. Weiterhin bestimmt die Kabinettsorder von 1820, wie sich das Militär verhalten soll, wenn die Zivilbehörde nicht' requirieren konnte, weil sie überwältigt war, oder aus ande­ren Gründen außer stände war, die prinzipiell erforderliche Requisition zu veranlassen. Insoweit kann die Rechts­gültigkeit der Instruktion von 1899 in keiner Weise recht- lick ungekochten werden, und darin werden mir auch dis Herren, die die Interpellation von Payer unterschrieben haben, wie ich aus dem Wortlaut der Jnterpellatiün schließen möchte, nicht widersprechen. Die Kabinettsorder von 1820 bestimmt dann weiter, daß das Militär auch ohne Nequsition der Zivilbehörden einschreiten dürfe, wenn die Zivilbehörden mit der Requisition zu lange zögerten, indem ihre Kräfte nicht mehr ausreichten. Ob diese Vorschrrftenin Verfassung und Gesetz die notwendige Grundlage finden, ist neuerdings in Zweifel gezogen worden. Bisher, seit dem Bestehen, seit 1820, ist diese Vor­schrift, soweit ich sehe, niemals öffent­lich angefochten worden, und vor allem, meine Herren, diele Vorschrift ist in der ! ganzen Zeit bis aus den einen Fall

Zabern niemals angewandt worden. Das Kriegs- 1 geeicht von Straßburg hat die Dienstvorschrift von 1899 als rechtsgültig anerkannt. Zu einer Prüfung der Frage, ob die Kabincttsordre von 1820 rechtsgiltig ist, rst das Gericht / nicht gekommen. Nachdem infolge der Zaberner Vorgänge der i Streit entstanden ist, ob die Vorschrift von 1899 Gültigkeit l hat, sollen jetzt diese Dienstvorschriften einer Prüfung , unterzogen werden, ob sie den > allgemeinen Rechtsgrundsätzen I entsprechen. Diese Prüfung ist im Gange uw> sie wird mit größter Beschlennigirng durchgesührt werden.

Damit ist alles geschehen, was geschehen kann (Hört, hört! links) und ich hoffe, daß es möglich sein wird, auch bei den Trupveuteilen in den Reichslanden eine Uebereinstimmung hcrbeizuführen. Was den uns vorgelegten Gesetzesvorschlag angeht, so erinnere ich daran, daß die einzelnen Fälle in den Dienstvorschriften von 1851, 1861 und zuletzt 1899 vor­gesehen sind. Ein Gesetz wird nur allgemeine Bestimmungen treffen können. Wo Zweifel bestehen, muß Klarheit ge schaffen werden. Es ist im Lande versucht worden/die In­struktion als ungeheuerlich hinzustellen. Zabern ist aber der einzige Platz, wo die Instruktion in Anwendung kam. Von den Verhältnissen in den Reich standen will ich nicht svrecheu. Es muß noch viel geschehen, um zu normalen Verhältnissen dort und dein Reich gegenüber zu kommen. Der Zaberner Fall war keineswegs typisch. Es lagen zu viele persönliche Momente vor. Die Reichslause können nur gedeihen unter einer gerechten, festen und ein­heitlichen Regierung. (Lebhafte Zustimmung). Ein

Gegensatz zwischen Nord und Süd besteht nicht. Der Versuch, ihn zu schaffen, muß im Keime erstickt werden. (Lebh. Zu­stimmung). Tie Bayern und die Schwaben sehen manche Dinge mit anderen Augen an als der Norddeutsche. Jeder deutsche Stamm hat seine Vorzüge und seine Schwächen. Wohin aber sollte es führen, wenn jeder Stamm seine eigenen Vorzüge dem anderen Vorhalten und Schwächen des letzteren unterstreichen wollte? (Lebh. Beifall.) Erst kürzlich sind

durch solche Dinge über Nacht schwere Aer gern isse hervorgerufen worden wider den Willen d er Betei­ligten. (Beifall und Widerspruch). Was jeder einzelne deutsche Stamm an Vorzügen und Kraft in sich hat, ist ge­rade genug für das Reich. Die bayerische Armee hat auf den Schlachtfeldern von Wörth und Weißenburg, wie in dem blutigen Ringen um Orleans heldenmütig gekämpft, und was errungen worden ist, ist ein glänzendes Zeugnis für die vereinigte Tapferkeit aller deutschen Stämme. (Lebh. Beifall). Auf dieselbe Einmütigkeit rechne ich auch, wenn ich sage: Es gilt jetzt nicht mehr in der Wunde herum- züwühlen, sondern die Wunde zu heilen. Eine einzige Partei wird dem nicht zustimmen, sondern die Zaberner Vorgänge weiter auszunutzen versuchen. Das beweist die Rede des Abg. Frank und in noch höherem Maße die so- zialdemokr. Presse, die gerade in der letzten Zeit ihr Pro­gramm, das auf die Schaffung eines demokratischen Miliz­heeres und die Beschränkung der königlichen Kommanso- gewall abzielt, mit besonderer Deutlichkeit geöffenbart hat. (Lebh. Beifall rechts. Widerspruch bei den Soz.) Die Vor­fälle in Zabern haben nach der soziald. Presse auch ein Pa radigma sein sollen für den Gebrauch des Heeres gegen die Arbeiterklasse. Was haben die Zaberner Vorgänge mit der Arbeiterklasse zu tun? Unser Heer ist kein Instrument für Parteikämpfe. Es ist viel zu schade dazu. Und allen von der Regierung und besonders auch dem Kriegsmi­nister widerstrebt das Gefühl, das Heer zum Polizeibüttel zu machen. Wenn es noch einen stärkeren Superlativ gebe,

! als ultimu i'Ltio, so würde ich ihn anwenden, wenn die j Verwendung des Militärs zur Unterdrückung innerer Unruhen irr Frage kommt. Zu wessen Nutzen aber' dienen diese so- i zialdemokratischen Entstellungen? Das lehrt ein Blick in ! die auswärtige Presse, die alles für bare Münze nimmt, s was unsere soziald. Presse und leider auch ein Teil der j bürgerlichen radikalen Presse schreibt, die dann ihrerseits ) wieder die Stimmen des Auslandes als Eideshelser benutzt.

! Tie Sozialdemokratie, die sich vielleicht noch weniger gegen ! die reale Macht des Heeres als gegen den Geist der Zu- j sammengehörigkeit von Heer und Volk wendet, spricht von einerkonflikjslüsternen Soldateska". Unter der Herrschaft dieserkonfliktslüsternen Soldateska" ist das Deutsche Reich mehr als ein Menschenalter hindurch ein Hort des europäi­schen Friedens gewesen. Unter derselben Herrschaft hat die Betätigung aller Volkskräfte zu Erfolgen geführt, die ihres­gleichen in der Welt suchen, (Lebh. Beifall). Die Ueberzeug- ung, daß das Volksheer die Nation jung erhalte und daß es uns entbehrlich ist zur Erhaltung unserer Stellung in der Welt, werden wir uns nicht dadurch trüben lassen, daß an einem einzigen Orte Dinge vorgekommen sind, deren Wie­derkehr niemand wünscht. (Lebh. Beifall).

Auf Antrag des Abg. Müller-Meiningen (Vp.) findet Besprechung der Interpellation statt. Fehrenbach (Ztr.): Heute kann ich dem Reichskanzler eine andere Resonanz ent­gegenbringen, als^bei der ersten Interpellation. (Aha! bei den Soz.) Wir wollen die Wunde nicht von neuem auf­reißen. Wir baben die neue Beschimpfung des Reichstags gehört. Was sich Geheimrat Röthe auf dem, Kommers des Vereins deutscher Studenten geleistet hat, daß der Reichs­tag geneigt sei, auf den Knien das zurückzunehmen, was er damals beschlossen habe, übersteigt doch das zulässige Maß. Ich kann kein Wort meiner früheren Rede zurück­nehmen. (Lebh. Bravo!) Man hat es leider verabsäumt, dem elsäßischen Volk zu sagen, daß eine Sühne eintreten wird. Die Aeußerung des Leutnants v. Forstner war und bleibt eine Beleidigung. Es ist nicht festgestellt worden, ob es in Zabern wirklich innere Unruhen gewesen sind. Es mögen Bübereien einzelner gewesen sein, die zu Ausschreit­ungen führten. Die Vorgänge bei dem Straßburger Diner, die Ablehnung des Extrazugs geben doch zu denken. Jetzt sind die Urteile rechtskräftig und das Volk versteht sie nicht. Ich schätze die Objektivität der Militärgerichte außerordent­lich hoch, aber in diesem Fall handelt es sich um einen po­litischen Prozeß. Beim Leutnant v. Forstner Notwehr an- zunchmen, ist geradezu eine Beleidigung. Anzuerkennen ist es durchaus, daß Oberst v. Reuter alle Verantwortung auf sich genommen hat. Ich hoffe, daß die Gratulation nach dem Urteil nicht allgemeine Gepflogenheit wird, die geeignet ist, das Vertrauen in die Justiz zu erschüttern. Die Kabi­nettsordre von 1820 hat für Elsaß-Lothringen keine Gültig­keit. In Elsaß-Lothringen ist nichtalles kaput", wie der Abg. van Calker meinte.

Bassermann (natl.): Auch wir können den heutigen Ausführungen des Reichskanzlers nur zustimmen. Wir ha­ben am 3. und 4. Dezember die mittlere Linie gehalten und tun es auch heute noch. Der Vorwurf, daß wir einen Ein­griff in die Kommandogewalt des Kaisers versuchten, ist un­zutreffend. Neben der Kommandogewalt des Kaisers besteht auch das Budgetrecht des Reichstags. Die Rechtslage der Zaberner Vorgänge kann hier nicht entschieden werden. Schlagwörter führen hier nicht zum Ziele. Unzweifelhaft ha­ben die Zivilbehörden in Zabern versagt. Sie hatten nicht die rechte Erkenntnis ihrer Pflicht. (Sehr richtig). In Be­zug auf die Verurteilung der Rechtsmäßigkeit des Vorgehens des Obersten von Reuter gehen die Urteile der Strafrechts- lehrer auseinander. Die Kompetenzen zwischen Militär- und Zivilverwaltung müssen scharf abgegrenzt werden. Hier muß der Reichskanzler Remedur schaffen. In Elsaß-Lothringen ist es von besonderer Bedeutung, daß auch die Zivilbehörden von deutscher Pflicht und Treue durch und durch erfüllt sind. Die Mehrheit des Reichstages ist von der rechten Seite schwer angegriffen worden, in erster Linie wegen der Einführung der Besitzsteuern und dabei hat gerade die Rechte die Regierung auf diese Steuer hingewiesen. Niemand ver­kennt die Verdienste Preußens um die Reichsgründung. Ebenso protestieren wir aber auch gegen eine. Beschimpfung