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Keine Ruhe
gibt es diesen Sommer. Wichtige Ereignisse entwickeln sich im In- und Auslande und es ist MW jedes Staatsbürgers sich über den Gang der Dinge in der Welt auf dem Laufenden zu erhalten. Das kann er «rin besten, wenn er auf unsere Zeitung abonniert, di« nicht nur alle Weltbegebenheiten registriert, sondern insbesondere auch allen Vorgängen in der Heimat ihre Aufmerksamkeit widmet.
Ein neues Quartal beginnt, wir hoffen zu den alten Freunden eine stattliche Zahl neuer Leser begrüßen zu dürfen.
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Theater und Kino.
Halle a. S., 25. Juni. Geheimrat Max Richards, der Direktor des Halleschen S tadtth eater s, der in den vergangenen drei Jahren jährlich einen durchschnntlchen Reingewinn von 5000V Mart erzielte, hat in der letzten Saison infolge der Konkurrenz der Kinos ein Defizit von 14 000 Mark zu verzeichnen. Er hat sich daraufhin an den Magistrat gewandt mit der Bitte, die Eintrittspreise für das Stadttheater erhöhen zu dürfen. Nach sehr heftiger Debatte in der letzten Stadtverordnetensitzung wurde ihm dies genehmigt. Ausschlaggebend dafür ivaren die Ausführung des Oberbürgermeisters Rive, welcher erklärte, Man müsse dafür sorgen, daß das Stadttyeater auch weiterhin einen Reingewinn abwerfe, damit man es nach Ablauf der jetzigen Pachtzeit — falls die Stadt das Theater dann nicht selbst übernehmen wolle - auch weiter zu günstigen Bedingungen verpachten könne. — Auch Direktor Horvitz vom Jenaer Stadttheatec hat in der vergangenen Saison ein Defizit von 10000 Mark zu verzeichenen.
Diese Tagesnachricht, die unter hundert anderen verschwindet, hat für alle Städte mit eigenen Theatern große Bedeutung. Daß die oben genannten Städte mit ihrer Erfahrung nicht allein stehen, zeigt die Denk-, schrift über die Kinematographentheater, die Rechtsanwalt Artur Wolfs im Auftrag des Präsidenten des Deutschen Bühnenvereins versaßt hat. Dort wird an einzelnen Beispielen der Nachweis erbracht, daß vor allem auf den billigeren The<i1erplätzen infolge der Kino-Konkurrenz der Besuch bedeutend nachgelassen hat. So in Hildesheim, wo 1910/1.1. 33862 Billets für das zweite Parkett, den zweiten Rang und das Amphitheater verkauft wurden, 1911/12 aber, nach Eröffnung des vierten, größten Kinematographen, nur noch 17663. Und in Elberfeld sank von 1906/1911 die Zahl der Besucher der billigeren Theaterplätze von 118601 auf 99055. In der gleichen Zeit stieg die Zahl der Kinematographen von zwei auf neun, die Zahl ihrer Besucher von 126 000 auf 880000. Es ist begreiflich, daß unter solchen Verhältnissen die städtische Subvention überall erhöht werden muß, und man wird es deshalb verstehen, daß die Stadt Frankfurt die Billetsteuer für die Kinematographen beträchtlich erhöht hat. Der Mehrertrag kann wenigstens teilweise die erhöhten Opfer für das Theater ausgleichen.
Man braucht nicht zu den Feinden der Kinemato- graphcn zu gehören und kann doch dafür eintreten, daß
Hand in Hand.
Novellette von C- Gerhard.
Nachdruck verboten.
Regungslos stand er an der Reeling des mächtigen Dampfers und schaute auf die grünen, mit weißem Gischt gekrönten Wogen, die mit lautem Getöse übereinander stürzten in wilder Umarmung.
Was fangen sie? Klang es nicht wie Heimkehr? Reinhard Sandeck lächelte schmerzlich. Wohl lag dort in der Ferne das teure deutsche Vaterland, doch die er geliebt, deckte das Grab.
Wie anders wäre seine Heimkehr, wenn seine Mutter ihn willkommen hieße! Seit dem frühen Tode seines Vaters war sie ihm alles gewesen, obwohl sie an der grausamen Krankheit, deren Keim sie sich in den Tropen geholt, dahinsiechte.
Tie Qual, die sie erlitten, gegen die alle ärztliche Kunst machtlos blieb, hatte ihn nach ihrem Ende aus seiner jungen Praxis in jenes Land getrieben, das trotz seiner Schönheit so furchtbare Krankheiten erzeugte. Mit anderen Forschern hatte er die letzteren studiert und endlich ein Mittel gefunden, das, früh angewandt, dem Leiden Einhalt gebot! Ein gereifter Mann, kehrte er damit nach Deutschland zurück.
Er sah sie schon kommen, die Elenden, denen er Arzt, Freund und Helfer werden würde! Befriedigung würde er finden und vielleicht auch — beseligendes Glück! -
Edelgard! Wie schön war sie und wie herrlich ihre Seele! Tr hätte vor ihr niederknien mögen, als sie ihni gestern nach dem Zwischendeck gefolgt war, seiner Patientin mit himmlichem Lächeln die Hand gestreichelt, das schreiende Kind auf ihren Armen gewiegt. Einer Madonna gleich war sie ihm erschienen.
„Edelgard, o Edelgard, ich liebe Dich!"
Flüstern und nun der Laut eines Kusses weckten Reinhard Sandeck aus seinen Träumen. An ihm huschte mit heißem Gesicht die Tochter der ältesten Stewardeß vorbei, grell lachend folgte ihr ein Herr. Zorn flammte rn dem Doktor aus. Dieser Mann, der jetzt das einfache Mädchen betörte, streckte die Hand aus nach Edelgard!
alle Maßregeln ergriffen werden, um ihr Ueberwuchern zu verhindern. Schließlich muß ja auch die Tatsache, daß das Kinematographengewerbe keinerlei ernsthaften Beschränkungen unterliegt, zu einer uferlosen Vermehrung dieser Unternehmungen führen, die ihnen selbst gefährlich wird. Die immer schärfere Konkurrenz führt natürlich dazu, daß die Art der Darbietungen immer weniger Rücksicht auf künstlerische und pädagogische Gesichtspunkte nimmt, und daß damit die ohnedies schon vorhandene Gefahr einer üblen Beeinflussung weiter Volkskreise vermehrt wird.
Die Frage der Kinozensur bildet ein Kapitel für sich, ebenso die Frage, wie die Jugend vor schädlichen Einflüssen bewahrt werden kann. Aber nicht minder wichtig ist es, darauf hinzuweisen, daß auch moralisch einwandfreie Kinodramen wenig geeignet- sind, das Theater mit seinen Eindrücken auf Herz, Gemüt und Geist zu ersetzen. Im besten Fall ist solch ein Kinostück, in dem eine Liebesgeschichte, eine Großstadttragödie, ein Lebensroman vorgeführt wird, ein Schauspiel, das von Stummen für Taube dargestellt wird. Wie arm und ärmlich ist die Ausdrucksmöglichkeit dieser stummen, huschenden Gestalten, die durch Gesichtsverzerrungen und übertriebene Handbewegungen die Sprache zu ersetzen bemüht sind. Und der Zuschauer sitzt dabei und sieht diese Schatten vorübergleiten, die gleich spiritistischen Medien und Geistern durch geschriebene Zettel ihre Meinung äußern. Nie und nimmer kann ein derartiges Schaustück die Bühne ersetzen, unser deutsches Theater, dessen hoher und mächtiger Einfluß dazu beigetragen hat, die Kulturhöhe des deutschen Volks in einer Zeit internationaler Vergnügungsverflachung zu erhalten. Und deshalb wird man die Forderungen unterstützen müssen, die darauf hinauslaufen, den Wettbewerbdes Theaters um die Gunst des Publikums so weit zu erleichtern, als es gerecht und billig erscheint. Dabei darf man das Kind nicht mit dem Bad ausschütten. Wir werden gern anerkennen, daß der Kine- matograph auf seinem eigentlichen Gebiet, dem leb enden Bild, außerordentlich Anregendes und Schönes bieten kann. Wenn man z. B. eine Naturaufnahme sieht, Bilder aus Paris, oder aus fernen Landen, so könnte man stundenlang zuschauen, Sicher würde manche Gegnerschaft gegen den „Kientopp" verstummen, wenn grade das Gebiet der Natur- und Lebensveranschaulichung noch mehr gepflegt würde als bisher. Dann würde auch die geschmackverderbende Verwechslung mit Theaterwirk- un gen seltener sein.
Die Forderungen der Theaterkreise gipfeln darin, die Kinematographentheater der Konzessionspflicht zu unterwerfen und für ihren Betrieb ähnliche Vorschriften einzuführen, wie sie für die Theater gelten. Vor allem in Bezug aus die Aeuersicherheit und die Pause n zwischen zwei Vorstellungen, die den' Aufenthalt in den keineswegs immer hygienisch einwandfreien Räumen weniger bedenklich machen würden. Natürlich wird man auch auf die vorhandenen Unternehmungen billige Rücksicht nehmen müssen, jedenfalls aber ist es an der Zeit, derzukünfti - gen Entwicklung geordnete Bahnen anzuweisen.
Deutsches Reich.
Eine Jnfanteriebrigade scharf beschossen.
Ludwig sh afen a. Rh., 25. Juni. Der „Pfälzischen Post" wird vom Truppenübungsplatz des 2. daher. Armeekorps Hammelburg folgendes gemeldet: „Eine Jnfanteriebrigadc scharf beschossen! Diese Woche entgingen die Angehörigen der 5. Infanterie-Brigade, bestehend aus den in der Pfalz garnisonierendeu Jn- santerieregimentern 22 und 23 und dem 2. Jägerbatail- lon, einer großen Gefahr. Vom Montag den 17. ds. ab begannen früh 6 Uhr die Exerzitien im Brigadeverbaud,
Peinlich hatte es ihn berührt, als er beim ersten Lunch auf dem Dampfer den Baron Edgar von Sassen erblickte, der wegen perfider Streiche vom Gymnasium relegiert, wegen Schulden aus der Armee entlassen, von seinem Vater verstoßen, vor sechs Jahren nach Amerika gegangen war und der nun nach dessen Tode wiederkehrte, um das Majorat zu übernehmen. Auch der Baron hatte ihn erkannt, doch bauend auf seine Verschwiegenheit ein Lebensmärchen von sich erzählt, das Edelgard gerührt.
Der hallende §onA mahnte Reinhard Sandeck an die Tischzeit. Der riesige Speisesaal des schwimmenden Hotels war mit Gästen aller Nationalitäten angefüllt. Ter Doktor fand seinen Platz zwischen der schlanken Engländerin Miß Evelyn Leith, die ihn mit schmachtenden Augen begrüßte, und dem nordischen Geigenvirtuosen Lars Nikolson.
Obwohl er mit ihnen plauderte, schaute er zu Edelgard Sandow hinüber; sie saß neben ihrem Vater, der als Austauschprofessor an der Harvarduniversität gewirkt. Sie errötete bei des Doktors Gruß, lauschte aber interessiert den Schilderungen, die Baron Sassen über sein heimisches Schloß am Rhein gab.
„Haben Sie auch ein Altersheim auf Ihren Besitzungen, ein Kranknhaus?" fragte sie.
„Ich will es bauen, wenn so schöne Lippen dafür sprechen", erwiderte er. „Gemeinsam mit meiner guten Mutter will ich für unsere Armen sorgen."
„War das nicht ein echter Herzenston?" fragte sich Dr. Sandeck. Und sprach nicht wahre Liebe zu Edelgard aus Sassens Worten? Liebe — trotz jener Szene vorhin? Nein, nein, Heuchelei war's, und er hatte di« Pflicht, die Geliebte zu warnen!
Doch den Angeber konnte er nicht spielen. Wenn Edelgard den Baron liebte, so zog sie ihn vielleicht in ehre reine Höhe. Er aber — er blieb einsam!
„Sie sehen so düster aus, Herr Doktor: geht es Ihren Patienten im Zwischendeck schlechter?" fragte ihre warme Stimme.
„Nein, Sie dürfen um Ihre Schützlinge unbesorgt sein."
„Wie konnten Sie nur Arzt werden?" fragte der Geiger. „Immer nur Leiden zu sehen, an den Tod
die bis 9 Uhr an jedem Tag so beendet sein mußten tat der Platz vollständig geräumt war, da Punkt 9 Uhr dlz Scharfschießen der Artillerie begann. Als nun die diese Woche früh 8.45 Uhr nach dem etwa eine kM Stunde entfernten Lager abrückte, ertönte plötzlich U? tilleriefeuer und ein scharfer Schach schlug krachend 300 Meter hinter der Truppe ein. Ein höherer hatte die Geistesgegenwart, sofort „Marsch Marsch!" kommandieren und die Truppen mußten im Laufschyn der gefahrvollen Feuerzone der Artillerie enteilen." W> amtliche Darstellung wäre erwünscht. Falls die hier be- haupteten Tatsachen richtig sind, dürfte die Bestrafung iv»
Schuldigen Wohl nicht ausbleiben.
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Die Metallarbeiterbeivegnng.
Hannover, 27. Juni. Die streikenden und aus- gesperrten Metall arbeiter von Hannover-Linde» nahmen, soweit sie dem Deutschen Metallarbeiterverbanii angehören, gestern in vielen Versammlungen zu dem Angebot der Unternehmer Stellung. In geheim« Abstimmung wurde das Angebot mit 5411 gegen 152 Stimmen abgelehnt.
Frankfurt, 28. Juni. Der Magistratswahlausschuß der Stadtverordnetenversammlung hat einstimmia beschlossen, für die Wahl des Oberbürgermeisters inFrankfurt a. M. den Oberbürgermeist« Voigt in Barmen in Vorschlag zu bringen.
Ausland.
Der Ausstand der französische» Seeleute.
Paris, 27. Juni. Das Komitee der französischen Reeder hat dem Handelsminister mitgeteilt, daß es dcu Vorschlag, die Streikfrage einem Schiedsgericht zu unterbreiten, nicht annehmen könne.
Paris, 27. Juni. Aus Marseille wird gemeld«, daß bisher infolge des Seemannsstreiks im ganzen 5g Schiffe abgetakelt werden mußten, die zusammen eine Besatzung von 300 eingeschriebenen Seeleuten hatten.
Paris, 27. Juni. Der Handels minister berichtete im heutigen Ministerrat ausführlich über die zur Sicherung der Getreideversorgung getroffenen Maßregeln. Er versicherte, daß die Landung des iu den Häfen, insbesondere in Havre eingetroffenen Getreides und Mehls glatt von statten geht, daß sich genügende Transporte für die Versorgung der Großstädte aus der Eisenbahn befinden und daß die Eisenbahngesellschasien diese Beförderung durch Ellzüge sichern. Die Müllereien und Mehlhändler hätten andererseits die Versicherung abgegeben, daß eine wirkliche Notlage nicht zu befürchten sei.
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Das Unglück auf dem Panzerkreuzer Jules Michelet.
Toulon, 27. Juni. Die Schießübung auf dein Jules Michelet war ausgezeichnet verlaufen. Der Panzerkreuzer war 16 Meilen von Toulon entfernt, als ein Geschütz an Backbord zersprang. 13 Personen wurden verletzt und nach Mandrie gebracht. Als daraus die Schießübungen, denen Admiral Sourrieu beiwohnte, wieder ausgenommen worden waren, ereignete sich ein neues Unglück, indem die Flammen zurückschlugen, ähnlich wie auf der Gloire im September vorigen Jahres. Hierdurch wurden weitere 10 Personen verletzt, darunter ein Schiffsleutnant und 2 andere Marineoffiziere. Sie erlitten schreckliche Brandwunden an oen Händen und im Gesicht. Einem wurde ein Arm abgerissen. Das Befinden des Schiffsleutnants ist sehr ernst.
Der Marineminister berichtete über den gestrigen Unfall an Bord des Panzerkreuezrs „Jules Mi-
gemahnt zu werden — schrecklich! Wie glücklich bin ich, ein Künstler zu sein, in die Welt des Klanges meine Seele zu ergießen, sie im Schönheitsglanze vor Anderen entstehen zu lassen."
„Ich bewundere Ihr Spiel, es trägt mich zu seligen Höhen", äußerte Edelgard, „aber glauben Sie nicht, daß es noch höhere Befriedigung gibt, einen Kranken drin Leben wiederzugeben, als Begeisterung zu erwecken?
„Nur daß es den Aerzten leider selten gelingt, einen Schwerkranken zu retten!" sagte hämisch der Baron. „Tie medizinische Kunst ist seit Aesculaps Zeiten nicht sehr vorgeschritten."
„Wir suchen neue Erkenntniswege und Heilmittel und sind auch nicht ganz so machtlos, wie Sie meinen, Herr Baron", erwiderte Reinhard ruhig.
Vor diesen Ohren vermochte er nicht von seinem Serum und dessen Erfolgen zu sprechen; der Baron aber pries nun den Wert seiner demnächstigen Tätigkeit.
„Wie gut ist's", rief Edelgard, „daß jeder von Ihnen den für ihn geeignetsten Lebensinhalt gefunden. Herr Nickotson, bitte, lassen Sie die Harmonie, die m Ihnen allen lebt, nach Tisch ausklingen in Tönen!"
Der Virtuose verbeugte sich zustimmend; bald darauf wurde die Tafel aufgehoben, die Gäste strömten m die Gesellschaftsräume.
Dr. Sandeck begab sich noch einmal zu den Kranken ins Zwischendeck. Flüchtig fiel es ihm auf, vaß dichter Nebel aus dem Meere lag und wie Gespenster mit flatternden Gewändern aufwärts zu schweben schien.
Als er den Musiksalon betrat, stimmte Lars Nickol- son seine Geige; der Baron saß auf einem Tabour-tt vor Edelgard und sprach feurig auf sie ein. Forschend ruhten ihre Augen auf ihm.
Ein Gefühl, das dem Hasse verwandt war, stieg in Sandeck auf. Jener warb um die köstliche Blum?, die er selbst so gerne in seinen Garten verpflanzt Halle, und Edelgard sagte wohl nicht nein. Sie reichte dem Baron die Hand, die er an seine. Lippen zog- Tann lauschte sie selbstvergessen dem himmelstürmenden des Geigers.
(Schluß folgt.) ; '