Deutscher Reichstag.
Sitzung vom 9. Mai 1912.
' Am Bunbesratstisch« Staatssekretär Dr. Delbrück.
Präsident Dr. Kacmps eröfsnete die Sitzung um 1 tltzr 17 Min. mud gab Kenntnis rwn dem Danktelegramm des Kronprinzen für Sie Glückwünsche des Reichstags zu seinem Geburtstage.
Auf der Tagesordnung stand zunächst di« dritte Beratung eines Gesetzentwurfs betreffend Änderung des Strafgesetzbuchs.
Abg. Merlin sRpt.j: Leider enthält die Novelle keine mildernde Umstände für Telegraphen- und Telcphouvergehen. Telephonvergehen ohne weiteres mit Gefängnis zu bestrafen, wäre zu hart.
Abg. Wellstein (Ztr.) trat dem Vorredner entgegen.
Abg. Dr. Arendt (Rpt.): Es ist eine Härte, wenn man auch diesenigen Beamten, die nur ausnahmsweise zur Vertretung im Telegraphen- oder Telephvndienst tätig sind, im Übertretungsfall« mit Gefängnis bestraft. Hier wäre eine Geldstrafe am -Platze. Ich beantrage Absetzung des Gegenstandes von der heutigen Tagesordnung.
Dieser Antrag wurde abgelehnt und die Novelle unverändert angenommen.
Es folgte die erste Lesung des Gebührcntarifs für de» Kaiser Wilhelm-Kanal.
Ohne Debatte wurde diese Vorlage erledigt und auch sofort die zweite Lesung debattelos angenommen.
Hierauf wurde die zweite Lesung des Etats des Reichsschatzamts fortgesetzt.
Abg. Schöpflin (Soz.): Die Beteranenbeihilfe mutz liberaler bewilligt werden. Der Staatssekretär Kühn sollte sich damit vorteilhaft in sein Amt einfiihren, indem er das Elend unter den Veteranen mildert. Jetzt, wo man uns fortgesetzt von den Etats- überschiiflen erzählt, da sollte für die paar tausend Veteranen ausreichend gesorgt werden. (Beifall.)
Abg. Arnstadt (Kons.): Es muß festgestellt werden, daß wir dis heute noch nicht vollständig unserer Ehrenpflicht gegen die Veteranen nachgekommen sind. Wir sollen nicht an neue Steuern denken, wenn anderweit« Mittel vorhanden sind. Aber um diese Ehrenschuld zu tilgen, muffen alle Mittel flüssig gemacht werden.
Abg. Bruckhofs (Fortschr. Vpt.): Namens kleiner Freunde habe ich zu erklären, daß wir, wenn irgend möglich, eine Erhöhung dieser Position wünschen und zwar noch für diesen Etat.
Abg. v. Ocrtzcn (Npt.): Es ist zu bedauern, daß der milde und fürsorgliche Standpunkt den Veteranen gegenüber von vielen unteren Behörden nicht geteilt wird. Die Beihilfe soll keine Armenunterstützung sein. Die Summe von 120 Mark pro Jahr, di« 1895 festgesetzt ist, müßte auf weuigstens 180 Mark erhöht werden. Ich kann es nur auf das Allerschürfste verurteilen und brandmarken, wenn einem meiner alten Kameraden wegen seiner Angehörigkeit zu einer radikalen Partei die Unterstützung entzogen wird.
Abg. Dr. Wlll-Schlettstadt (Elf.): Bei den vielen Millionen, di« wir jetzt für die Heeresvorlage übrig haben, sollten wir auch einige Millionen für die alten Krieger freimachen. (Sehr richtig!)
Abg. Thöne (Soz.): Vor allen Dingen muß die Bestimmung beseitigt werden, wonach unter gewissen Umständen ein Veteran als „unwürdig" bezeichnet werden kann.
Abg. Baumann (Ztr.): Man sollte den Veteranen nicht engherzig gegeniibertreten. Besonders bitte ich die Regierung Bayerns, von wo die meisten Klagen über Abweisungen der Gesuche kommen, sich hilfreicher zu erweisen. Die Veteranen werden immer älter und bedürftiger, und es muß deshalb die Beihilfe erhöht werden, ivenigstens auf 15 Mark monatlich. (Sehr richtig))
Abg. Vogt-Hall (Deutschkons.): Verwunderlich ist, daß immer wieder von der Volksvertretung diese Wünsche an die Regierung herangebracht werden müssen. Ich bin mit der Erhöhung der Beihilfe einverstanden. Es könnte aber ein Unterschied insoweit gemacht werden, als den ganz Hilflosen und Erwerbslosen das Doppelte der Rente gegeben wird. Der nächste Krieg wird uns wieder neu« Veteranen bringen, die unterstützt werden müssen. Darum müßten wir auf eine Steuer denken, die nur für diesen Zweck bestimmt ist. Der Wshrsteuer stehe ich für meine Person sehr sympathisch gegenüber, aber eine Verbindung mit der Erbschaftssteuer will ich nicht.
Abg. Heck (Natl.): Eine Wehrstencr, die die Besitzenden und Reichen trifft, die vom Militärdienst befreit werden, ist dem Volke draußen außerordentlich inmvatbUch. Die Ei chung der Veleranenbeihilfen auf 180 Mark in Fällen der Not und der Armut halte ich für dringend erforderlich.
Abg. Koch (Fortschr. Vpt.): Die Bedürftigkeitsfrage spielt hier «ine ganz und gar nicht berechtigte Rolle. Es ist einfach unwürdig, wenn die Behörden ihr Verhalten gegenüber den Veteranen so einrichten, als handle es sich um eine Armenunterstütznng,
Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Tombeck (Pole), Viet- meycr (Wirtsch. Bgg.), Werner-Hcrsfeld (Refpt.), Schwarz- Schweinfurt (Ztr.) und Prinz zu Schönaich-Earolath (Natl.), der abermals für eine Erhöhung Ser Veteranenbeihilfe auf 180 Mark pro Jahr und für Einführung einer Wehrsteuer eintrat, erklärte
Reichsschatzsekretär Kühn: Daß ich als alter Kriegsteilnehmer ein warmes Herz für meine alten Kameraden habe, brauche ich nicht zu betonen. Auch der Bundesrat hat das gleiche Empfinden stets bewiesen. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Wenn trotzdem Mißgriffe vorgekommen sind, so ist das bei den 400 000 Veteranen zwar bedauerlich, aber nicht unerklärlich. Neue Hoffnungen für die Zukunft will ich heute nicht wecken. Wohl aber kann ich Mitteilen, daß wir dafür sorgen werden, daß die Bunöesratsverordnuugen so ausgeführt werden, wie sie beabsichtigt sind. (Bravo!) Wir sind bereit, durch ein erneutes Rundschreiben an die Bundesregierungen dahin zu wirken, daß die Handhabung der Gesetzgebung weitherzig und wohlwollend ist. Wir hoffen, daß es in kurzer Zeit im Deutschen Reich keinen unterstützungsbedürftigen Veteranen mehr gibt, dem die Unterstützung versagt wird. (Bravo!)
Der Rest des Etats des Ncichsschatzamts wurde bewilligt.
Es folgte der Etat des allgemeinen P e n s i o n s f o n d s. Hierzu liegt eine Resolution der Polen vor, wonach das Ruhegehalt der sogenannten Altpensionäre entsprechend den veränderten Lebensverhältniffen angemessen erhöht werden soll.
Abg. Erzberger (Ztr.) erstattete den Bericht der Kommission und rügte die zu schnelle Pensionierung der Offiziere und die Praxis bei der Verabschiedung der Militärapotheker mit Pension, denen alsdann die Apothekcnkonzession erteilt werde. Auch wäre bei verabschiedeten Offizieren, die eine gut bezahlte Stellung in Privatbetrieben einnähmeu, die Zahlung der oftmals bedeutenden Pension überflüssig. Für die Kriegsinvaliden müßte mehr gesorgt werden, der Kaiserliche Erlaß von 1884 müßte bei den Gesuchen der Invaliden von den unteren Instanzen mehr berücksichtigt werden. Tie Militärverwaltung sollte ihre ganze Autorität ein- setzen, daß der Erlaß des alten verstorbenen Kaisers bei allen Instanzen volle Berücksichtigung findet. Ein weiterer Übelstand entsteht dadurch, daß wir ans die Dauer die jährlich in einer Anzahl von 8 bis 10 000 Mann aus dem Heere ausscheidenden Unteroffiziere in Zivilstellen als Beamte untcrznbringen haben. Hier müssen rechtzeitig Maßnahmen getroffen werden, um den Unteroffizieren auch in Form von Heimstättenbcsitzungen eine Versorgung zu sichern. Gegenwärtig zahlen wir jährlich 20 Millionen Rente an dienstuntauglich gewordene Soldaten; da sollte man bei der Aushebung vorsichtiger sein und möglichst auch die Schulärzte hinzuziehen, die die Rekruten, persönlich kennen.
Generalleutnant Bacmeister: Die Jndiensthaltung der Militärapotheker wird nach ihrer Felddienstfähigkeit nach genauen Vorschriften gehandhabt. Die Unterstützungen der Kriegsinvaliden sind kürzlich erhöht worden. Die gute Zivilversorgung ist eine Lebensfrage für die Armee. Die jüngst eingetretene Stockung ist auf das Sparsamkeitsprinzip der Behörden zurückzuführen, die mit der Beamtcnanstcllung zuriickhaltcn. Dem Wunsche, bei den Aushebungen strenger vorzugehen, wird entsprochen werden.
Sächsischer Generalmajor Frhr. Lenckhart v. Wcißdors und Admiral Reinhardt erklärten, daß in zwei vom Abg. Erzberger angeführten Füllen von Pensionierungen von Militärapothekern zu Recht verfahren worden ist.
Abg. Siebcnbiirger (Kons.): Wir fordern für unsere Altpensionäre eine zeitgemäße Aufbesserung ihrer Bezüge.
Abg. Götting (Natl.): Die Gesuche der Kriegsinvalidcn müssen wohlwollend geprüft und erledigt werden.
Generalleutnant Bacuieister gab Auskunft über die Handhabung des Pensionsgesetzes unter Berücksichtigung des Vermögens und Einkommens der Ehefrau.
Abg. Liesching (Fortschr. Vpt.): Die Ziviltätigkeit pensionierter Offiziere muß Mißtrauen erregen.
Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Thoene (Soz.) und Dr. Struve (Fortschr. Vpt.) sowie des Generalleutnants Bac- meistcr wurde der Etat des Allgemeinen Pensionsfonds angenommen, desgleichen die Resolution der Polen.
Ohne Debatte passierten die Etats des Rrichsmilitärgerichts und des Rechnungshofes.
Es folgte der Etat des Reichstages.
Gvotzer Skandal im preußische» Abgeordnetenhaus
Ter sozialdemokratische Nbg. Borchardt durch die Polizei entfernt.
Ter von, uns gestern gemeldete Vorfall im preußischen Abgeordnetenhaus, bei dem der sozialdemokratische Nb-
Die Go!dmühle.
Roman von Margarete Ge bring.
83 Nachdruck verboten.
* (Fortsetzung)
Auch die Muhme hatte Gesellschaft gefunden, und Eva mußte, mir vielen guten Ermachnmgen versehen, allein den Heimweg an treten. Das machte ihr nichts aus, denn die kleine resolute Tirne war schon ziemlich selbstständig geworden; es war nicht das erstemal, daß sie ihren knnirigen täglichen Schulweg allein machte, sondern ne hatte levtlnu, seil der Schnee weg war, schon wiederholt Botengänge ü'ir die Muhme ins Torf machen müssen. Sie sah den Flori am Wege sitzen und in seiner Tüte kramen. u, Flori," rief sie ihn lachend an, ,,ge!t, heut ist's i ön! Schau, was Gr eine große Tüte ich Hab'! Aber .-ine ist noch größer."
„Das mach', weil ich ein Junge Lin und du bloß ein Mädel!" antwortete der Kleine; ,.aber haben sollst was davon, dg, nimm! Sag, sürchtst dich denn gar net, so allein den Berg lßnaufz«gehen?"
,.Ach nein, den Fuchs hat ja dein Vater ehegestern lotgeschossen und vor den Hasen furcht' ich mich net, die haben zu Ostern schöne bunte Eier in die Heide gelegt und sind froh, wenn man ihnen kein Leid antut."
„Tu, bei euch oben muß es arg schön sein! Gelt, da kann man alles sehen, was unten vargeht, wenn die Wagen iit die Mühle fahren und wer die Straße her- nnterkömmt. Ist's net so?"
,,Ic>," sagte Eva, ,,und eure Mühle kann man auch 'sehen, und wenn's Sonntag ist, da hört man alle Glocken drüben au; der Höhe läuten, wo die vielen Dörfer sind."
, Tu, ich komm' einmal hinauf, wenn's Svnntag ist, das Läuten möcht' ich auch gern einmal hören."
, Komm nur, wenn dein Vater net etwa schimpft."
. Warum soll denn der Vater schimpfen? Ter Va- wr schimpft net: höchstens wenn die Knechte n«r folgen, alsdann wird er schlecht."
„Tu. Flori". sagte Eva wach einer Pause, „bei mch unten in der Mühle muß es auch grg schön sein. Aber sürchtst du dich net vor dem vielen Wasser?"
„Red net so dumm, Eva," lachte der Kleine; „der
Vater ist froh, wenn recht viel Wasser da iit. Nur ans Wehr darf ich net, der Hansi darf auch net hin. Ter Vater >agt, die Wassernixe und der Häkelmann löten die Kinder hinabziehen, und da muß m.an ersaufen."
,.Tas sagt die Muhme auch immer, sonst war' ich schon lange einmal hinunrergekommen. Hast den Häkelnrann 'chon einmal gesehen?"
„Nein, gesehn Hab' ich ihn net, aber gehört, wenn er gczi'cht hat. Sch, sch, sch! so macht -er's in einem fort. Aber Angst Hab' ich keine. Ich Hab' überhaupt keine Bange — weißt, jetzt wenn drei Räuber aus dem Walde kämen uno wollten uns die Zuckertüten abnehmen, glaubst denn, ich tat' mich fürchten?"
„Ach Gott, hör' aui, Flori! Was tatst denn nur «rachen. wenn ne kämen?"
„Tn bist aber dumm! Fürchten täh ich mich net, aber anSreißcn lür' ich mit meiner Tüte! Tie kriegten mich 'chon lange net, die Dummen."
„Aber mich nimmst mit, Flori! Ach, hätt'st lieber net von den Räubern gereüt, nun Hab' ich Angst."
„Weißt, Eva, wenn du Angst hast, kommst mit in die Mühle und ich bring' dich hernach hinauf auf den Berg. Wenn ich dabei bin, brauchst keine Angst zu haben."
„Tu bist aber gut, Flori! Ich geh' gut. Deine Mutter wird doch net schimpfen?"
„Tie Mutter? die ist gut; die chgt mir lein un- rechtes Wort, komm nur mit!"
. Weder die Muhme noch der Müller hatten .ine Ahnung, das Eva im Mühlgarten und Flori auf dem Berge gewesen war. Tie Kinder sahen sich auch in der Folgezeit oft: wenn Flori zur Schule ging, konnte er sicher iein, daß Eva ihn unten am Wege erwartete, und wenn iie nicht bereits am Wegrande saß, so wartete er, bis sie kam.
Tie Kinder waren bereits zehn Jahre alt, da erzählte Flori eines Tages der Eva von seinem kleinen weißen Lamm, das ihm der Vater geschenkt hatte, und von den Possierlichen kleinen Hunden, welche die Juno geworfen hatte. „Du, Eva," sagte er, „die mußt du dir einmal anschauen. Komm doch hinunter in di: Mühle, ich schenk' dir auch einen. Sie können schon Pfötchen geben."
geordnete Borchardt zweimal durch die Polizei aM.,.
sam aus dem Saal entfernt wurde, hat sich
Fr. Ztg. folgendermaßen abgespielt: ^ ^
Als während der Beratung des B e s i tz b e fe st j § „ gesetzes in einer Rede des nationalliberalen Abg. Schiff»»»^ sozialdemokratischer Seite wiederholt Zwischenrufe gemacht vT den, verwarnte der Präsident Frhr. v. Erffa die Zw«?' ruser und ersuchte namentlich den Abg. Borchardt wiederholt"?' Zwischeuruse zu unterlassen und sich auf seinen Platz zu beacht sonst müsse er schärfer gegen ihn Vorgehen, und er werde »T anlaßt sein, von seinen geschäftsordnnngsmäßigen Mitteln « brauch zu machen. Der Abg. Borchardt nahm dann «uch, neu Sitzplatz ein, machte aber fortgesetzt weitere Zwilche,«-? Darauf erklärte der Präsident: „Ich muß, konstatieren, daß' der Abg. Borchardt die ordnungsmäßige Handhabung der K schäfte unmöglich macht, und ich muß ihn daher für" den der Sitzung ansschlicßen. Ich bitte Sie, Herr Borchardt Ä Saal zu verlasse n." Der Abg. Borchardt w e i -> -«st sich unter großer Unruhe des ganzen Hauses, den Saal-« verlassen, und erklärte: „Wer mich hindert, hier zu sein wul mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sie können " lange anffordern, ich sitze hier auf meinem Platz. Wer hier wegbriugen will, gehört ins Zuchthaus." Der Prälst dent forderte nun den Abg. Borchardt nochmals auf d-« Saal zu verlassen, sonst werde er von 'dem Rechte eines 'ho»?, Herrn, das er besitze, Gebrauch machen. Als der Abg. ZT chnrdt trotz dieser Aufforderung im Saal bleibt, unter.' bricht der Präsident die Sitzung auf eine Stunde - ' "
mich
Nachdem die Sitzung wieder eröffnet ist, und der W Borchardt sich wieder auf seinen: Platz eingefnnden hat, I klärt der Präsident: „Herr Borchardt, da ich Sie noch in«! ans Ihrem Platze sehe, trotzdem ich Sie für den Rest der Sj». nng ausgeschlossen habe, fordere ich Sie zum letzten Mx aus, den Saal zu verlassen. Sie folgen dieser AufforderiM also nicht. Da bleibt mir nichts weiter übrig, als nach der Geschäftsordnung zu verfahren.
Es betritt auf Anordnung des Präsidenten nunmehr ein Polizeihau pt mann mit den: Formular, das die Aui- fvrdernna enthält, den Abg. Borchardt ans dem Saale zu entferne:,, vom Präsidenteneingang ans den Saal. Der Wq H o f s in a n n ruft dreimal Hurra. Der Pvlizeihauptmann gch auf den Abgeordneten Borchardt zu, der sich zwischen die Abg. Hossmaiin und Leinert gesetzt hat und übergibt ihm das For- mular. Der Abg. Borchardt erklärt gegenüber dem W, zeihauptmann: „Wer mich gewaltsam entfernt, verstößt gegm das Strafgesetzbuch." Der P o l i z e i h a u P t m a n n erwidert: „Ich bitte Sie, hinauszngehen!" Borchardt antwortete: „Wer mich gewaltsam entfernt, wird mit Zuchthaus nicht unter fürs Jahren bestraft". Der Polizeihauptmann antwortet hier- auf wieder: „Ist mir bekannt," worauf Borchardt sagt: „Desto schlimmer, wenn es Ihnen bekannt ist." Der Polizeihauptmann fordert den Abg. Borchardt wiederholt auf, seiner Aufforderung, den Saal zu verlassen, Folge zu leisten, und als der Abgeordnete Borchardt nach der dritten Aufforderung sich auch noch weigert, den Saal zu verlassen, erscheinen auf einen Wink des Polizeihauptmanns zwei S ch n tz l e u te, die zunächst den Abgeordneten Leinert, der sich weigert, auszu- stehen, gewaltsam von seinem Platze entfernen. Zwei weitere Schutzleute fordern de» Abgeordneten Borchardt nunmehr ans, mitzukommen. Borchardt antwortete: „Fällt mir garnicht ein, lassen Sie mich in Ruhe." Der Mg. Hoffman» ruft fortwährend: Unerhört!
Die beiden Schutzleute bringen den Abg. BorchaM mit Gewalt von seinem Platz.
Der Abgeordnete Leinert ist inzwischen von den beiden anderen Schutzleuten nach dem Ausgang bei der Ministerbank hin ge schleppt worden und ruft: „Was wollen Sie von mir, lassen Sie mich doch in Ruhe. Herr Präsident, ich bitte um Ihren Schutz."
Auf einen Wink des Polizeihanptmanns wird der Abge- vrdnere Leinert losgelassen. Der Abg. Borchardt wird unter heftigem Widerstand durch die Tür bei der Ministerbank hinausgeschleppt. Währenddessen ruft der Abgeordnete Hofsmann: „Das ist also das preußische Parlament." — Au; der Rechten ertönen Rufe: Ruhe, Ruhe! Der Präsident erklärt: „Ich bedaure mit Ihnen allen diesen unangenehmen Zwischenfall, der aber nicht zu vermeiden war, denn wenn dein Präsidenten nicht mehr gehorcht wird, so sind wir am Ende mit unserer Macht."
Die Abg. Leinert nnd Hoffinann verlangen wieder- bolt das Wort zur Geschäftsordnung. Der Präsident verweigert ihnen aber das Wort zur Geschäftsordnung, indem er erklärt, er könne inbezug auf diesen Zwischenfall niemandem das Wort geben. Abg. Hoffmann erklärt: Bon rechts her sind auch Zwischenrufe gemacht worden. Auf der Rechten hat man auch gestanden und den Herren ist nichts geschehen. Der Präsident Frhr. v. Er fs a erwidert: Bon rechts ist niemand durch Zwischenrufe gestört worden. Hoffmann ruft: „Ja, Nach rechts sind Sie schwerhörig!
In der Nachmitragsschule war Eva sehr unaufmerksam: sie mußte immer an ihren kleinen .Hund denken, den ihr Flvri versprochen hatte. Als sie heimkam, mr die Muhme nicht daheim, der Schlüssel lag im Versteck. Schnell trank sie ihren kaltgewordenen Kaffee und steckte das Vesperbrot ein, während Flori daheim ungeduldst) aus seine kleine Freundin wartete. „Ten Braunen gco ich dir," dachte er, „das ist der schönste."
Betroffen blieb der Müller stehen, als er vom Felde heimkam. Aus der Mühlwicse saß Eva und hatü aus dem Schoße einen kleinen Hund, und zur Seite saß die kleine Rosemarie und schmiegte sich an sie am Mide lachten über die Purzelbäume, die Flori im Grase schlug. Hansel war nicht dabei, der spielte nicht gern mit Mädchen.
Eva war sehr erschrocken, als der Müller plötzlich
vor ihr stand, und drückte den kleinen Hund so fest un
sich, daß er schrie. Aber der Müller war freundlich zu ihr. „Magst das Hundel?" frag er; „wenn d' ihn inaglb darfst ihn behalten."
„Nein, so ein Naturspiel!" dachte er im. Weiler-
schreiten; „als ob sie leibhaftig vor einem stünde, !^
sieht das Kind aus. Ob ich's wohl im Leben ganz v ^ winden kann?" .. .,
„Machst ja ein mürrisches , Gesicht," empfing u) Rosemarie in der Stube.' „
„Ach, man möcht' sich doch auch zuschanden ärger", antwortete er; „net einen Blick darf man drauße» u den Leuten wegwenden, so stehn sie und gaffen, Mt st schaffen, und sagt man ein Wort, so muß man gewu 1 sein, sie lassen die Arbeit liegen und gehen aus um ^ von, wie seinerzeit der Ferdinand. Was nur au.' Welt noch werden soll, wenn das so fortgeht."
Frau Rosemarie schüttelte den Kopf und 8^8 aus. Bisher waren doch die Leute immer ganz N .m wesen, bis auf den Ferdinand, der in der notweuvlgl Zeit die Arbeit stehen ließ wegen seiner Liebschaft nn Eya. „Werd' einer aus den Männern klügst dach 1 ' „wer weiß, (was er wieder einmal im Kopse ha, er mir net sagen will. Am besten ist's, :yan Mg 8 nichts und läßt sie ihre Wege gehn."
(Fortsetzung folgt.)