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Lnn-esproporz.
Stuttgart, 8. Mai. Me sozialdemokrarische Partei der Zweiten Kammer hat heute den Antrag eiugebracht, ,hah Amtliche Mitglieder der Ziveiteu Kammer durch eine »rWre Anzahl von Wahlbezirken im Wege der Verhältniswahl gewühlt wer den solle n.
Württ. Fleischerverbandstag.
tzbinge«, 6. Mai. Unter sehr zahlreicher Beteiligung 4ielt der Bezirks verein Württemberg des deutschen Fleischer- tobend«» heute hier seinen B e z i r k s t a g ab. Eingeleitet wur- de» die geschäftlichen Verhandlungen durch eine gestern abge- »eltene Borstandssitzung, der sich eine D e l e g i e r t e n v e r- i'ammlung der H äu te v erwer t u n g s v er e in ia- unqen unter dem Vorsitz von Obermeister L- Hänßermann an- icklost, Amvesend waren 70 Delegierte mit 24 Obermeistern. Fm Geschäftsbericht heißt es: Der Häutemarkt war im ver- rsostenen Jahre ein befriedigender. Dies trifft besonders auf die Großhänte zu, welche gegenüber dem günstigen Jahr 1910
Erhöhung der Durchschnittspreise in allen Häntegattungen LwäM, ES muß demgegenüber aber betont werden, daß auch die Bichpreise und zwar in noch höherem Maße, gestiegen sind. Der Kalbfrllmarkt 1912 kann nicht mit der lebhaften Konjunktur des Häutemarkts konkurrieren. Noch mehr als am Schluß des Jahns 1910 flaute er zu Beginn des Jahres 191! ab, was wohl aus daS Fehlen des amerikanischen Käufers zurückzufüh- reu ist. In der zweiten Hälfte 1911 trat eine Besserung ein, die bis heute angehalte» hat. Der Häutemarkt besitzt in Württemberg ö große Anktionszentralen: Stuttgart, Ulm- Heilbronn, Göppingen und Gmünd. Hinsichtlich des Ausbaues des Hüute- «mftwnswesciis im deutsche» Häuteverwertungsverbnnd steht Würt- tenckrra an der Spitze im Reich, Das Jahr 1911 brachte „«« Bersteigerungsbedingungen, Die Interessenten am Hünte- rmkous haben einen neuen geschlossenen Verband gegründet mit einem gegen den Fleischerverband gerichteten Kurs.
Heute vormittag begann der Bezirkstag, der durch eine Begrüßungsansprache des Vorsitzenden L- Hänßermann rrvssnet wurde, Redner begrüßte besonders die anwesenden Ehrengäste, darnnier den Vertreter der Kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel, Reg.-Rat Dr, Abele, Amtmann Thomaß, den Vertreter der Handwerkskammern Handwerlskammersekoetür Hermann-Reutlingen, Stadtschnltheiß Spanagel, den Vertreter des badischen Bezirksvercins u. a. Redner kam sodann auf die schwere Zeit zu sprechen, die das Metzgergewerbe durchzumochen habe, streifte die fast allgemeine Abnahme der Viehhaltung uns bemerkte, daß das Volk heute nach Fleisch schreie. Andererseits habe man aber auch im abgelausenen Jahr Anlaß zur Dankbarkeit gehabt. Der Vorsitzende schloß mit einem Hoch mis den König, an den ein Hnldigungstelegramm abgesandt
Mibe,
Nachdem die Ehrengäste ans die Begrüßnngsworte des Vorsitzenden erwidert hatten, erfolgte der Aufruf der Delegierten, Anwesend waren 34 Obermeister und 83 Delegiert«,
In dem vom Vorsitzenden erstatteten Jahresbericht hkitzt es: Seit Wochen haben wir nun in allen Biehgattungen,, ausgenommen die Schweine, Preise, die früher für unmöglich gehalten worden wären, und es läßt sich heute nicht absehen- wann dieselben wieder auf eine normale Höhe znrückgehen. Der Bechlsverein hat im vergangenen Jahre weitere Znnahm» er- fahren. Es sind dies die Innungen in Neuenbürg mit Sitz in Wildbad, Freudenstadt, Sigmaringen und Marbach, Die Zahl der Innungen -ist von 40 auf 43 gestiegen, die der Mitglieder von 1550 ans 1640. Auf die Eingabe betr, die Ueber- „ahme der Untrrsuchungsgebühr der Tierärzte bei Besichtigung d«« Schlachtviehs in den Bevbachtungsgebieten während der Dauer der Maul- und Klauenseuche ans die Staats- oder Ober- amtötasseu, hat das Ministerium des Innern geantwortet, daß in den Orter: der Beobachtungsgebiete, in denen kein Tierarzt wohnhaft sei, auch der Laieusleischbeschaiier das Recht zur Besichtigung der Schlachttiere und Ausstellung des Gesundheit^« zcugnisses erhalten habe. Aus die Eingabe betr, die Bergeb- «ng uvn staatlichen Lieferungen an Fleischerinnnngen find vom Kriegs- und Kultusministerium Antworten zugegangen, in dtznrn Ae Zusicherung gegeben wird, daß die Jnnnngen als Bewerber aiMkmnt werden sollen. Der Bericht geht dann näher auf die F lei s ch p re i s e ein. Wer jetzt noch behaupten will, das Meischergewerbe sei an den hohen Fleischpreisen schuld, begeht ein Unrecht und handelt wider besseres Wissen, Angesichts der Oerhöstnisse ist es erfreulich, daß wenigstens durch die genossenschaftlichen Einrichtnngen ein kleines Gegengewicht geschossen ist. Die Preise für Häute und Felle waren säst das »ganz« Jahr hindurch befriedigende. Auch die Fettpreise sind Auch die Fettschmelze der Stuttgarter Innung in die Höhe «getrieben worden. Trotz der Selbsthilfe ist die Staatshilfe wicht zu entbehren. Mit Genugtuung können wir konstatieren, daß das Verhältnis zwischen Meistern und Gesellen im ganzen Jhhr ein gutes geblieben ist, wenn freilich auch nicht verschwiegen werden soll, daß die Sozialdemokratie kein Mittel un-- dersticht läßt, nur unsere Gesellen in ihr Lager hinLbcrznziehen. Di« Heranbildung eines tüchtigen Nachwuchses ist wohl die wichtigste Ausgabe der Innungen,
Nachdem W e i d l e - Tübingen über den Verbandstag in Min chcn berichtet hatte, erstattete der Vorsitzende L, Häuß k r - mann ein Referat über Lehrlings- «nd Gesellen- tveseu, Redner fordert die größtmöglichste Fürsorge für das Uistige und leiblich« Wohl der Angestellten, Auf Antrag von Wrau»- Riedlin gen wurde beschlossen, Richtlinien für die Geselle». und Meisterprüfungen aufznstellen.
Gwinner- Stuttgart sprach über BiehtvnSrring und Maßnahmen dagegen. Er fordert 1) die Beschaffung von bildgen, Magervieh durch Einfuhr vom Ausland, 2) Brschofs- von billigen Futtermitteln durch Herabsetzung der Futter- Mw, 3) Zulassung möglichst ungehinderter Einfuhr von lr- "chbmi Vieh aus dem Ausland unter Wahrung aller notwen- «>gm Schutzmaßnahmen, 4) Aufhebung des Einfuhrverbots von nniMschem Vieh, 5) Einfuhr von argentinischen Rindern, Dazu »ahm die Versammlung noch folgenden Antrag an: Die Be- A^be-kine möchten in einer wiederholten Eingabe die württ. -iregferiing bitten, ihren ganzen Einfluß im Bundesrät geltend W machen, damit die Einfuhr von Vieh aus andern Ländern Mattel urw olle Maßnahmen ergriffen werden, 'welche eine ^""ütthung des Schlachtviehs herbeiführen Wunen.
/«ach einem Referat über Sonntagsruhe irn Hou- Gewerbe von V ü h r i n g e r - Stuttgart wurde be- auszusprechen: „Der Bezirksverein Erkennt aus wirl- ^ m? und sozialen Gründen die Notwendigkeit einer wei- M«, Ausdehnung der Sonntagsruhe, bittet jedoch die zuständi- Behörden, den besonders gearteten Verhältnissen einzel- Vrte nach Möglichkeit Rechnung zu tragen,
L i r b ^ staatliche Submissivnswesen sprach
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d/nh erg er-Ludwigsburg. Es wurde darauf folgender
angenommen: Die hier versammelten Kollegen stellen bin ivurtt, Be-zirksverein das Ersuchen, in tunlichster Bälde ^«cevenstatut zu den Jnnungsstatuten auszuarbeiten, das den der Verkehrsabteilnng des Ministeriums der ausw, d«r Ministerien des Innern und der Fi- A Kcllen'^^^' es dann den Innungen zur Derfügug
«ki«l^»"m ^ch^ß sprach Verwalter Seybokd-Ulm über den kvöree «/^Entwurf Über die P e n s i o n s r e ch te der «ine- '' F." ^ V «rschastsbeam teii, der auch die Innungen bch« vroycn Sorge um die Sicherstellung ihrer Beamten ent-
'w,^?^nbericht für 1911 verzeichnet an Eiunvy- bkki 4 ». äß ^^06,98. an Ausgaben Mark 3412.13, daS Vermögen
iSinnöß,^^ 8626,15, der Haushaltsplan sieht' kür 1912 an ""5Bnen und
FH ^ Ausgaben Mark 3795 vor, de, Rn-rr^^orstand des deutschen Weischerverbandes w«ri» »ze,. L, HSnßermar, n wiedergewählt; wiederge-
kBtdeiil,».- ^zirksvorstand wurden auch Bracher, Kreß «nb ^ ^ nächsten BmtrkMagei wird ««m
Stuttgart, 7, Mai. Der König Hai d«em Kaiionie-r Arber dm 3. Batterie des Frldartillerieregiments König Karl Nr. 13 für di« Rettung eines Menschen aus Todesgefahr unter Einsetzung seines eigene» Lebens di« Rettungsmedaille verliehen, Ludwigsburg, 7. Mai. Die sozialdemokratischen Partei vereine des Obermntsbezirks Ludwigsbnrg haben sich einstimmig für die Wiederaufstellung das Mgeordneten Keil als Land tagstandidateu ausgesprochen,
Ulm, 7. Mai. Heute fand die Parade der Ulmer Garnison vor dem König statt. Auch die Königin war anwesend. Nachher fand Paradetnfel im Russischen Hof statt, wobei eine große Anzahl d«r in Parade gestandenen Generale, Stabsoffiziere, älteste Hanptleute und Leutnants Einladung erhalten hatten. Nach 4 Uhr fuhren die Majestäten wieder nach Stuttgart, Bei der Ankunft wie bei der Abfahrt wurden sie von der Bevölkerung stürmisch begrüßt,
Nnterschwarzach OA. Watdscc, 7. Mai. Bei der Ortsvorsteherwahl wurde Gutsbesitzer Josef Schmid- Adelshofen, Vorstand des Darlehenskassenvereins mit 98 Stimmen gewählt, Gutsbesitzer Gebhard Rau-Menhards- Weiler, bisheriger Schultheißenamtsverweftr, erhielt 63 Stimmen.
Nah und Fern.
««fall.
In Stuttgart stürzte der verheiratete Zimmer- mann Kart Schützte beim Einstigen eines Schraubenbolzens vom Gerüst am Neubau der Aktienbrauerei Wulle in der Landhausstraße so unglücklich ab, daß er in hoffnungslosem Zustand ins Karl-Olgn-Kraukenhaus verbracht werden mutzte.
Das Ende.
Wie aus Ellwangen berichtet wird, hat sich im dortigen Amtsgerichtsgefängnis der unter dem Verdacht eines Vergehens gegen die Sittlichkeit in voriger Woche verhaftete Pfarrer von Fleinheim erhängt.
Wilderer.
Aus Schrvzberg wird berichtet: Ein Gutsbesitzer aus einem ca. 4 Kilometer von hier befindlichen Weiler wurde von einem Forstwart auf frischer Tat beim Wildern ertappt. Es kam zu einem gefährlichen Intermezzo, das erst zu Ende war, als es dem Forstwart gelang, das Gewehr des Wilderers zu erlangen und ihn zu überwältigen.
Pocke«.
In Aue bei Durlach ist abermals eine Pock-ener- kraukung ausgebrochen, so daß auf Anordnung des Bezirksamts der Bezirksarzt heute, eine öffentliche Jyrpf- uug in Aue vornehmen wird, die für das Publikum unentgeltlich ist.
Brandfall.
In dein oberpfälzischen Städtchen Pfreimd sind sieben grotze Anwesen niedergebrannt.
Untergegangcn.
Ans dem Rhein oberhalb der Brücke bei M annheim trieb Ätontag Nachmittag ein mit Backsteinen beladenes Schiff des Schiffers Konrad Hauck von Altrip gegen einen zu Berg fahrenden Schleppzug der Reederei Aendel und kenterte. Die drei Mann der Besatzung würden mit genauer Not von der Mannschaft des Schleppzuges gerettet. Schiff und Ladung, die untergingen, hatten einen Wert von 3000 Mark.
Reicher Segen.
In Neustadt a. d. H. hat die Frau eines Fabrikanten Vierlingen das Leben gegeben, und zwar drei Mädchen und einem Knaben, die sämtlich am Leben sind.
Schcckfchwirrdeleicn eines falschen Grafen.
In Halle wurde durch die Kriminalpolizei ein Schwindler verhaftet, der in Magdeburg unter dem Namen des Leutnants Gra fen Eduard Bethusy-Huc vom 1. Gardd- ulanenregiment in Potsdam austrat und sich mit Hilfe eines gefälschten Schecks Goldwaren und Brillanten im Werte von 1400 Mark erschwindelte. Der Verhaftete ist ei»4 gewisser Alfred John aus Berlin. Um den Betrug zu inszenieren, zahlte er bei der Deutschen Bank 100 Mark ein und ließ sich ein Scheckbuch geben. Dann verschaffte er sich eine Leu t n a n ts u n i f o r m der 3. Gardeulanen und fuhr von Berlin nach Magdeburg, wo er seinen Schwindel ausführte. Er erschien nachmittags in der Uniform in einem dortigen Gold- Waren- und Jüwelengeschäft, stellte sich als Graf Eduard Bethusy- Hue vor, und wünschte ein Brillantenkollier und einige Gold- Waren zu kaufen. Aus den vvrgelegten Kolliers wählte sich der „Gras" «in Stück im Werte von mehr als musend Mark aus. Außerdem erwarb er noch einige andere Goldwaren, im ganzen für etwa 1400 Mark. Als es ans Bezahlen ging, zog er sein Scheckbuch hervor und überreichte dem Geschäftsinhaber einen Scheck über 1400 Mark, Der Geschäftsinhaber hatte nicht die geringsten Bedenken, den Scheck anzunehmen, und ließ den angeblichen Grafen ohne weiteres fortgehen. Erst gegen abend, als er bei der Depositenkasse der Bank Nachfrage hielt, stellte sich heraus, daß er einem Betrüger zum Opfer gefallen war, Cr benachrichtigte die Polizei, die sofort die übrigen Polizeibehörden in Kenntnis setzte. So war es möglich, den Schwindler schon aus dem Bahnhof in Halle zu verhaften, als er gerade den Zug verließ. Die Hallefche Kriminalpolizei, die zunächst der Meinung war, es handle sich um einen wirklichen Grafen Bethufy-Hue, lieferte den Verhafteten an die Militärbehörde aus. Dadurch wurde der falsche Graf nach dem Kriegsgericht der achten Division in Halle transportiert. Erst dort wurde er entlarvt. Dir Polizeibehörden stellten fest, daß Graf Bethusy-Hue bei seinen! Regiment in Potsdam war. Inzwischen de quem te sich der Schwindler zu einem Geständnis. Wie die weiteren Nachforschungen ergaben, hatte der falsche Graf in Magdeburg von der Depositen lasse der Deutschen Bank von seinem eingezahlten Guthaben bereits 96 Mark wieder abgehoben.
Ei« Schiff i« Not.
Der auf der Fahrt von Philippsville sAlgerien) nach Marseille begriffene Dampfer „Felix Touache" sichtete unter 39 Grad 59 Minuten nördlicher Breite und 3 Grad 58 Minuten östlicher Mnae das englische Schiff „Birti- d a l e", das folgendes Notsignal zeigte: ,Lebensmittel zu Ende, sterben Hungers". Der Kapitän des „Felix Tonache" ließ sofort Lebensmittel in hinreichenden Mengen an'Bors des Schiffes bringen, dessen Kapitän erzählte, daß er vor 52 Tagen Gebraltar verlass«: habe und seither infolge von Havarie im Mittelmecr umhergeirrt sei.
Ei« GisoubahnSirb erwischt.
Aus dem Bahnhof von Marseille wurde ein als Eisenbahndieb bekannter Engländer, William Henry, verhaftet, der die Kiste mit den Schmucksachen des WaharaiPha twn Olwer gestohlen hat. Die Schmn>H° sacken wurden bei ihm vorgesunden.
Große« Aerirervtzeb««.
Ho Heu heim, 7, Mai. Auf das Nahbeben vom 4. Mai ist auffallend rasch ein großes Fern beben gefolgt. Am Montag abend um 8 llhr 4 Min. 48 Sek. begannen die Instrumente der Erdbebenwarte, große Ausschläge a u fz u z e i ch nen, die ihr Maximum etwa um 8hz Uhr erreichten. Die Instrumente blieben über eine Stunde lang bis 9 Uhr 20 Min, in Bewegung, Der zweite Vorläufer setzte 8 Uhr 8 Min. 44 Sek. ein. Daraus ergibt sich eine Herdentsernung von 2000 bis 3000 Kilom. lieber die Lage des Herds läßt sich noch nichts Sicheres aussagen, ehe, Nachrichten von anderen Erdbebenwarten vorliegen.
Straßburg, 7. Mai, Nach den telegraphischen Meldungen anderer deutscher Krdbebenstationen, die bei der hiesigen Hauptstation eingetroffen sind, konnte mit Sich er he i t f e st g e stel 1 t werden, daß das gestern abend hier ausgezeichnete Erdbeben auf Island stattgefunden hat.
Roch ei« Ervftoß.
Rottweil, 7. Mai. Am Sonntag nacht 11 Uhr 14 Min. wurde hier, in Spaichingen, in Mühlheim a. D. und anderen Orten ein neuer Erdstoß verspürt, der fast so stark war, wie der am Samstag abend und gleichfalls die Möbel schwanken und die Fenster klirren ließ.
Gerichtsaal.
Der Doppelmörder Pfrommer vor dem Schwurgericht.
Stuttgart, 7. Mai. Unter der Anklage des Mords,- des erschwerten Totschlags und des Einbruchsdiebstahls hat sich der am 14. April 1873 in Teinach geborene Taglöhner Georg Pfrommer vor den, Schwurgericht zu verantworten. Die Anklage beschuldigt ihn, er habe am 15. Januar zwischen Möhringen und Unteraichen den verheirateten Maurer Jakob Grob und eine schwache halbe Stunde später den Forstwart Karl Rees niedcrgeschossen und im letzteren Fall die Tat mit Ueber- legung ausgeführt. Der Angeklagte ist geständig, will aber in Nvttvehr gehandelt haben. Er hat eine sehr getrübte Vergangenheit, die halbe Zeit seines Lebens hat er im Gefängnis und Zuchthaus zugcbracht. Noch Verübung einer Reihe Diebstähle im Oberamt Calw, wegen deren er am 29, Februar von der Strafkammer Tübingen zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist, trieb er sich auf den Fildern herum, Tag und Nacht trug er einen Revolver bei sich. In der Frühe des 15, Januar wurden bei Möhringen auf einem Feld zwei Körbe mir Fleisch- und Wurstwarrn, die in der Nacht einem Metzger und Wirt in Unteraichen gestohlen worden waren, von einen« Fuhrmann gefunden. In der Nähe hielt sich ein Mann auf. Der Verdächtige wurde verfolgt, da angenommen wurde, daß er mit den Körben in Beziehung steht. An der Verfolgung beteiligte sich auch der Maurer Grob, Der Verfolgte drehte sich um und gab aus Grob einen wohlgezielten Schuß ab, der diesen in den Bauch traf und seinen baldigen Tod zur Folg« hatte. Grob hatte zur Abwehr eine Baumstütze in der Hand. Der Täter floh in den Rohrer Wald, wo er auf der: Forstwarr Rees stieß,, der ihm, wohl in der Annahme, einen Wilchwer vor sich zu haben, Holt zurief. Anstatt der Aufforderung nachzukommen, streckte der Flüchtling den Forstwar! durch euren Schuß nieder. Der Schuß ging in die Därme und Rees starb noch am gleichen Tag im Krankenhaus an innerer Verblutung. Der Angeklagte macht geltend, daß er auf den Forstwart nur geschossen habe, weil dieser zuerst auf ihn angelegt habe. Im Fall Grob will er nur einen Schreckschuß abgegeben haben. Nachdem er im Laufe der Voruntersuchung anfänglich geleugnet, bequemte er sich schließlich zu dem Geständnis, daß er derjenige sei/ der auf Grob und Rees ge« schossen habe, „Den zwei sei es ganz recht geschehen" äußerte er einmal. Man sieht daraus, mit was für einem Menschen man es zu tun hat. Früher schon hat er ausgesprochen, daß er sich nicht scheuen würde, einen niederzuschießxn, der ihm zu nahe komme. Daß er weiß, was für ihn auf dem Spiele steht geht aus seiner Aeußerung, tuen» er wissen würde daß der Staatsanwalt im Fall Rees keinen Antrag auf Dwrd stellen werde, würde er zu einem Geständnis bereit sein, hervor. Da« mit wollte er gleichsam eine Vereinbarung mit dem Staatsanwalt an streben. Den ihm zur Last gelegten Diebstahl in Unteraichen bestreitet d,er Angeklagte, Für die Verhcmdlüngen sind zwei Tage vorgesehen.
Vermischtes.
Gattermwr- nach -er goldenen Hochzeit.
Mn psychologisch interessanter Mord beschäftigte am Samstag den Wiener Kassalionshof. Am 16. Januar hatte in Sischitt bei Pilsen die 73 jährige Ziegel- Mägersgattin M«arie Borik ihren 75jährigen «Gatten, mit dem sie kurz zuvor die goldene Hochzeit gefeiert hatte, in geradezu barbarischer Weise durch 3 2 Siebe mit einer A x t ermordet. Die Frau hatte ursprünglich die Tat geleugnet und nach dem Morde das Mittagessen gekocht, als ob gar mchts vorgesallen wäre und für den Ars der Arbeit kommenden Sohn den Tisch gedeckt! Dann hatte sie die Tat eingestanden und angegeben, daß« sie durch die „ewigen Sekkaturen" des seit Jahren kränklichen und streitsüchtigen Gatten zu dem Gedanken gebracht worden sei, sich des Alten zu entledigen. Als sic den ersten Angriff gegen den Mann führte, fetzte er sich zur Wehre und beschimpfte sic, worauf sie mit der Axt so lange aus ihn losschlug, bis er ihrer Meinung nach genug hatte. Die Angeklagte wurde von den Gerichtsärzten auf ihren Geisteszustand untersucht, die jedoch erklärten, daß sie geistig normal sei und daß gewisse Symptome von Stumpfheit und von Apathie, welche die Angeklagte nach der Tat zur Schau getragen habe, auf Simulation zurückzu- führen seien. Die Aerzte erklärten auch, obwohl die Angeklagte sich dahin verantwortete, daß sie, in ihrem Leben noch keinen Zorn hatte, wie in dem Augenblick der Tat, daß sie den Mord nicht im Zustande einer Sinnesverwirrung verübt habe, zumal sie bei ihrer Verhaftung die Tat mit allen Einzelheiten und mit den Motiven genau schilderte. Die Angeklagte wurde vom Schwurgerichte in Pilsen mit zehn Stimmen des Mordes schuldig erkannt und zum Tode durch den Strang verurteilt. Dem Kassations- Hof lag nun sie Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten vor. Neben einem nur formalen Nichtigkeitsgrunde wurde geltend gemacht, daß ein Antrag auf Einholung eines Fattrl- tätsgutachtens abgelehnt worden war und daß Lin Antrag auf Sinnesverwirrung oder unwiderstehlichen Zwang in diesem so merkwürdigen Fall gestellt worden sei. Der Kaffationshof verwarf die Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet «ich bestätigte jfonnt das Todesurteil.