Deutsches Reich.
Der badische Landtag
h«t den Entwurf für die Beteiligung Badens an d« preußischen Staatslotterte und die zugehörigen Staatsoerträg« zwischen Preußen einerseits und Bayern, Württemberg und Baden andererseits mit 48 gegen 22 Stimmen angenommen; dagegen stimmten die Sozialdemokraten und zwei Konservative, dafür alle übrigen Parteien, im wesentlichen aus Zweckmäßigkeitsgründen. Ohne Debatte wurde der Regier- ungseniwurs über den Zuschlag zur Reichs erbschafts- steuer gemäß den Vorschlägen der Kommission einstimmig an- genommen, — Der 'Minister des Innern legte der Kammer «inen Regierungsentwurs über die Wahl der Landtagsabgeordneten in den fünf größten Städten d«s Landes im Manuskript vor.
Die Konservativen und die Reichspartei
veröffentlichen gleichzeitig mit der Sozialdemokratie ihre Wahlaufrufe. In dem konservativen Aufruf werden die Parteifreunde aufgefordert, ihr Aeußerstes zu tun, um den Ansturm der Gegner zu überwinden. Die gesamte gegenwärtige Wirtschaftsordnung sei in Gefahr. Die Finanzreform wird als nationale Tat gelobt. Dem Hansabund wird vorgeworfen, daß er die Ziele der Sozialdemokratie fördere, und der Deutsche Bauernbund wird der Totengräber der Landwirtschaft genannt. Ebenso wie in dem reichsparteilichen Aufruf wird ein entschlossener Kampf gegen die „vaterlandslose, religions- und eigentumsfeindliche Sozialdemokratie und ihre Helfershelfer" und Schutz gegen sozialdemokratischen Terrorismus gefordert. — Der Aufruf der Reichspartei fordert eine zweck- und zielbewußte, machtvolle nationale Politik im Sinne Bismarcks; eine allen Wechselfällen gewachsene starke Rüstung zu Wasser und zu Lande.
Berlin, 8. Dez. 3000 streikende Damenschneider sprengten gestern mit wüstem Lärm eine Versammlung der für Aufhebung des Streiks eintretenden Kollegen und veranstalteten dann eine Straße n k u n d g e b u n g.
Ausland.
Durch die Dardanellen.
Ein gut unterrichtetes Konstantinopeler Matt will erfahren haben, daß der von Rußland getane Schritt xi ht die Grenzen des geäußerten Wunsches nach mündlichem Meinungsaustausch überschreite. Die russische Regierung erklärte, die Pforte erleide keinen Schaden, wenn ihre Kriegsschiffe vom Schwarzen Meer nach dem Mittelländischen Meer und dem Aeußersten Osten durch die Meerengen führen. Rußland verlangte freie Durchfahrt in Friedenszeiten für die auf den Werften des Schwarzen Meeres erbauten Schisse, die Ermächtigung der Durchfahrt beziehe sich jedesmal nur auf ei n Schiff. Außerdem sei Rußland bereit, während der Durchfahrt jegliche Garantie zu leisten. — Von anderer Seite wird berichtet, daß Rußland als Gegenkonzession für freie Durchfahrt seiner Schwarzenmeer- slotte durch die Meerengen die Aufhebung des zwischen der Türkei und Rußland seit zehn Jahren bestehenden Vertrages über Bahnbauten in der Zone des Schwarzen Meeres anbietet. Durch diesen Vertrag waren die Bahnbauten in der östlichen Türlei vollständig kahmgelegt. Fremde Kapitalien und Unternehmungen durften zu ihnen nicht herangezogen werden. Ferner bietet Rußland eine Reihe von Konzessionen am Bal- Ian an.
Die Pforte hat jedenfalls ab gelehnt, die Meerengenfrage allein zu entscheiden. Sie beansprucht die Mitwirkung der Signatarftaaten und die eventuelle Einberufung einer Konferenz zur Entscheidung. Die bisher aus den europäischen Hauptstädten ihr zugegangenen Antworten lauten wenig klar. Man befürchtet ans der Pforte immer noch die Existenz eines ge-
Die Begehrlichkeit kennt keine Schranke, nur Steigerung.
Sen e ca.
„A r a rr e n s i e g"
) Roman von L ud w ig Bir6
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
IV.
Foglars kamen gm 1. Oktober nach Hause. Am Tage nach ihrer Ankunft schrieb Adam dem alten Foglar einen Brief, in dem er seine Hochgeboren befragte, was dieser in der Angelegenheit geschlossen hätte, welche er so frei war, ihm vor einem Monat zu unterbreiten ? Zwei Tage lang blieb er ohne Antwort. Zn Mittag des dritten Tages klopfte ein Dienstmädchen bei ihm an, um ihm zu sagen, daß feine Hochgeboren ihn zu sich bitten lasse.
Er ging hinüber zu Foglars. Ter alte Foglar stand kerzengerade aufgerichtet vor seinem Schreibtisch, mit steifer Haltung, zurückgeworfenem Kopf, wie ein Audienz gewährender Fürst. Adam grüßte. Ter Alte deutete mit unbeweglichem Gesicht auf einen Stuhl. Adam setzte sich.
„Ich wünsche folgendes' zu Ihrer Kenntnis zu bringen", sagte der alte Foglar leise und kalt. „Ich halte es auch weiterhin für eine verhängnisvolle Verblendung meiner Tochter, daß sie Ihre Frau werden will. Aus dieser unglückseligen Verbindung, welche zwei nicht zueinander passende Menschen aus vollständig entgegengesetzten Welten, von verschiedener Erziehung und Bildung eingehen, kann für die beiden nur Leid und Kummer entspringen. Aber weil ich weder der Tyrann meiner Tochter sein will, noch aber es in meiner Macht liegt, es zu verhindern, daß . . . 'daß ein Skandal entstehe, so gebe ich die Einwilligung zu Ihrer Verlobung mit meiner Tochter. Diese Einwilligung ist eine nur formelle, juridisch begründete, vom Gesetz erforderte. Meinem Herzen folgend, könnte ich in diese Verbindung nicht einwilligen, müßte ich mich derselben auch weiterhin widersetzen. Mir wird diese Verbindung, mir werden Sie fremd bleiben."
Heime« Abkommens zwischen Rußland und Engl and, welche- im Zusammenhang mit dem persischen Vertrag stände.
«!
Paris, 8. Dez. Dem russischen Minister des Auswärtigen, Sasonow, der in der Dardanellen angelegenheit hier weilt, ist das Eroßkreuzder Ehrenlegion verliehen worden.
»
Teheran, 8. Dez. Aus einer Reihe persischer Städte kommen Depeschen die bemerken, daß das persische Volk nachdrücklich Widerstand gegen das russische Vorgehen erfordert. Russische und englische Waren werden boykotiert.
Teheran, 8. Dez. Die Läge ist etwas ruhiger geworden. Die Behörden ersuchen die Bevölkerung, alles zu vermeiden, was Rußland einen Entschuldigungsgrund für sein Vorgehen geben könnte. Mcm erwartet, daß es England mit seiner Erklärung, an dem die Souveränität Persiens garantierenden Vertrag von 1907 festhalten zu wollen ernst sein wird.
Der Krieg um Tripolis.
Die Erfolge -er Italiener
am 4. Dezember bei Tripolis werden in einer jetzt vom türkischen Kriegsministerium veröffentlichten Depesche einigermaßen berichtigt. Die Depesche stammt vom türkischen Oberbefehlshaber vor Tripolis, sie teilt mit, die Türken hätten einer zehnfachen Uebermacht gegenübergestanden. Trotzdem hätten die Italiener 500 Tote gehabt, ohne einen entscheidenden Erfolg gehabt zu haben. — Die Wahrheit wird auch dieses- mal in der Mitte liegen. Immerhin scheint Italien Anlaß zu haben, seinen Siegesjubel einigermaßen zu dämpfen.
Die Revolution iu China
Peking, 8. Dez. Die im chinesischen Aufstandsgebiet während des vereinbarten Waffenstillstand geführten Verhandlungen führten dazu, daß sich die Rebellen mit einer konstitutionellen Regierungsform unter der Geschäftsführung eines chinesischen Staatsmannes einverstanden erklären wollen.
Peking, 7. Dez. Heute ist ein Edikt erlassen worden, durch das das Abschneiden der Zöpfe gestattet wird.
Württemberg.
Zur Crailsheirner Wahl.
Die Deutsche Partei hat jetzt die Kandidatur des Regierungsrats Reusch für die Landtagsersatzwahl zurückgezogen, und ihre Anhänger ausgefordert, für den volksparteilichen Kandidaten Schäffer einzutreten. Der Crailsheimer Orts-Ausschuß der Deutschen Partei erläßt folgende Bekanntmachung: „Da sowohl der Bund der Landwirte, als auch die.Volkspartei ihre Kandidaturen aufrecht erhalten, zieht der Ausschuß der Deutschen Partei in Crailsheim die Kandidatur Reusch als aussichtslos zurück, indem er gleichzeitig allen Wählern, welche diese Kandidatur unterstützt haben, bestens dankt. Die deutsch- parteiliche Landesleitung fordert in Berücksichtigung der derzeitigen Lage der Parteiverhältniffe im Lande unsere Parteifreunde auf, bei der Nachwahl ihre Stimmen dem Kandidaten Schäffer zu geben."
Zu den Reichstagswahlen
8. Reichstagswahlkreis. Wie verlautet, soll als Kandidat des Zentrums im 8. Reichstagswahlkreis Dreudenstadt, Horb, Sulz, Oberndorf) Stationsverwalter Baumann in Möhringen OA. Tuttlingen, früher
Adam vermochte es nicht, ein flüchtiges Lächeln zu unterdrücken; schnell aber fand er seinen Ernst wieder und antwortete ganz korrekt:
„Ich nehme dies mit Dank zur Kenntnis. Gestatten mir Euer Hochgeboren, zu hoffen, daß die Erfahrungen der Zukunft diese Ihre Meinung ändern werden."
Der alte Folgar schüttelte den Kopf und sagte heiser:
„Niemals."
Wiederum-lächelte Adam. Der alte Herr fügte hinzu:
„Sie müssen wissen, daß Edith nicht allein keinen Heller Mitgift erhält, sondern daß sie aus dem Elternhause nichts als ihre Kleider mitbringt. . ."
„Dies entspricht vollkommen meinen Wünschen."
Der alte Foglar wollte auffahren, bezwang sich jedoch und sagte ruhig:
„Es ist mein Wunsch, daß Ihre Ehe erst nach Ablauf eines Jahres geschlossen werde. Diese Frist soll meiner Tochter die notwendige Bedenkzeit ermöglichen, meiner Tochter und auch Ihnen."
Adam verneigte sich.
„Ich gestatte, daß Sie im Läufe dieses Jahres jeden Nachmittag eine Stunde mit meiner Tochter zusammen verbringen."
Adam verbeugte sich; der alte Foglar nickte stolz. Adam sah, daß die Audienz ihr Ende erreicht habe, er lächelte, stand auf, machte eine tiefe Verbeugung und gmg.
V.
Von da an läutete er jeden Nachmittag an Foglars Tür. Das Stubenmädchen, das er mit Trinkgeldern überhäufte, beeilte sich stets, ihm zu öffnen, nahm ihm den Mantel ab und deutete schmunzelnd auf Ediths Zimmertür. Adam klopfte an und trat ins Zimmer, Edith sprang auf und eilte ihm entgegen. Sie streckte ihm beide Hände hin und reichte ihm mit glückstrahlendem, demütig stolzem Gesicht die Lippen zum Kuß.
Eine Stunde-gehörte ihnen. Im Nebenzimmer, hinter verschlossener Tür, befand sich Ediths Mütter.
„Mama", sagte Edith, „tut, was Papa will. Hier zu Hanse hat nur Papa eine <Äimme; und Papa ist eigen
in Loßüurg, außesersehen fein. Bäumann war seinerzeit schon Proporzkandidat des Zerstrums im Donau- und Schwarzwaldkreis. Die Entscheidung dürste erst in de« am nächsten Montag stattfindenden Vertrauensmännerversammlung der Gesamtpartei in Rottweil fallen.
6. Reichstagswahlkreis. Eine in Kirchen- tellingsfurt abgehaltene Vertrauensmännerversammlung des Bundes der Landwirte hat beschlossen, der konservativen Kandidatur des Gewerkschaftssekretärs Paul Krug sich anzuschließen und sie mit allen Kräften zu unterstützen. . Bedarf es denn bei Verheirateten noch einer
platonischen Liebeserklärung?
Stuttgart, 7. Dez. Im Ständehaus fand heute die feierliche Eröffnung der zu einer außerordentlichen Tagung zusammen berufenen 7. Ev. Landessynode statt. Neben dem Gesangbuch- Entwurf, als dem wichtigsten Gegenstand der Beratungen, sollen der Synode fünf weitere Entwürfe kirchlicher Gesetze vorgelegt werden. Mit der Gesangbuch- Erneuerung hängt eine Revision des dritten Teils des Kirchenbuchs zusammen. Ein Entwurf, betreffend die Perikopenordnung, erweitert die Zulassung freier Textwahl. Ein weiterer Entwurf schlägt für die gottesdienstliche Begehung der Feiertage eine Neuordnung vor. Ferner sollen der Synode zugehen, ein Entwurf, betreffend Abänderung des Stellvertretungsgesetzes und eine Vorlage zur Abänderung des kirchlichen Religionsrevers aliengesetzes vom 28. März 1898.
Brackenheim, 7. Dez. Bei der gestrigen Gemeinderatswahl wurden die bisherigen Kandidaten Hafnermeister Söhner und Weinhändler Wendel mit 205 bezw. 176 Stimmen wiedergewählt, neugewählt wurde G. Döbler, Bauer mit 136 Stimmen. Abgestimmt haben von 269 Wählern 229.
Marbach, 7. Dez. Schultheiß Rudolf Schmid in Kleinaspach hat seiner Vorgesetzten Behörde gegenüber die Niederlegung seiner Ämter erklärt.
Reutlingen, 7. Dez. (Der Sporteltarif 96.) Wie vor kurzem berichtet, erhob die Stadtverwaltung beim K. Finanzministerium in Stuttgart Vorstellung gegen die Absicht des K. Kameralamtes, für die Folge auf Grund des Tarifes 96 des neuen Sportelgesetzes für jede amtlich erbetene Auskunft in Steuersachen, soweit sie bei Anträgen zur Erwerbung des Gemeindebürgerrcchts die Erfüllung oder Nichterfüllung der gesetzlichen Leistungen betreffen, eine Gebühr von 1 M anzusetzen. Das Finanzministerium hat nunmehr entschieden, daß diese (Gebühr bei Auskünften an die Beteiligten gerechtfertigt ist. Der Ansatz einer Sportel bei schriftlichen oder mündlisten Auskünften an Gemeinden, für die das Kameralamt die Steuern einzieht und dafür die Gebühren erhält, aber nicht in Frage kommt. Diese „authentische Interpretation" des Tarifs 96 des neuen Sportelgesetzes ist wertvoll für alle Gemeinden, die, wie die Stadt Reutlingen, ihren Anteil an den Einheitssätzen der staatlichen Einkommensteuer durch das Kameralamt einziehen lassen.
Schwenningen, 7. Dez. Bei der Gemeinderatswahl haben von 2184 Wahlberechtigten 1933, somit 88,6 Prozent abgestimmt und wurden insgesamt 13 378 gültige Stimmen abgegeben. Von diesen entfallen auf den Wahlvorschlag der Sozialdemokratischen Partei 5284, Nai- tionalliberale Partei 4167, Fortschrittliche Volkspartei 3390, Kath. Arbeiterverein 537 Stimmen. Gewählt wurden von den Kandidaten der Soz. Partei 3 und zwar: Jakob Jauch, Kaufmann und seith. Gemeinderat mit 979 Stimmen, Andreas Bosseler, Geschäftsführer und seitheriger Gemcinderat mit 902 Stimmen, von denjenigen der Nationalliberalen Partei 2 und zwar, Johann Jäckle, Fabrikant mit 1075 Stimmen, und Andreas Maier, Gastwirt mit 762 Stimmen, von denjenigen der Fortschritt!. Volkspartei zwei und zwar: Johannes Kauffmann, Kaufmann, mit 696 Stimmen und Jul. Treiber mit 648 Stimmen.
sinnig. Ich hätte niemals zu hoffen gewagt, daß er uns noch so viel erlauben würde. Damals im Bade glaubte ich die ganze Zeit, daß er mich eher einsperren würde . . . Wenn ich es nicht immer wieder von neuem beschworen hätte, daß ich auch seinem Willen zuwider mit Dir gehen würde, so hätte er nie nachgegeben."
„Ja, aber warum haßt der alte Herr mich denn eigentlich so sehr?" fragte Adam lachend.
„Weil nicht er es ist, der Dich ausgewählt hat. . Weil es ohne sein Wissen geschehen ist. . . Weil er Gott weiß was für einen vornehmen Schwiegersohn haben wollte. . . und dann auch wegen Deines Metiers, Kornel..."
Adam lachte.
„Kornel", sagte sie dann zaghaft.
„Bitte, mejn Herz?!"
, ,Kornel. . . Sage. . . könntest Du nicht wirklich einen anderen . . . anderen Beruf wählen? . . . Du könntest doch auch "Advokat sein?"
Adam wurde ernst.
„Mein kleines Mädchen", sagte er, „es ist kein Zufall, daß ich 'Journalist, bin. Seit meinem vierzehnten Lebensjahre bereite ijch inich für diese Laufbahn vor. Ich könnte Advokat sein. . . aber ich will es nicht. Wenn Du mich erst besser kennst, wenn Du erst meine Frau hist, wirst Du schon sehen, ich werde es Dir beweisen, was die Zeitung eigentlich ist, Die Zeitung: das ist die ganze Welt. Jede Freude, sedwed»s Ereianis und jegliche Leidenschaft, die es in der Welt gibt. Wenn Du wüstest. . . und Du wirst es einst willen. . . was es heißt: schreiben, was der gedruckte Buchstabe bedeutet; was es sagen will: für hunderttausend Menschen reden .... eine schöne, große, starke, lebenssäbiae und lebendige Leitung redigieren; das ist di? a-ößte Fr-mde der ganzen Welt. Das versetzt den Menschen in eine so wundervolle Erregung, gibt ibm ein so vervielfachtes Leben, daß es vielleicht nur eine ähnliche Freude gibt: einem großen Orchester Beethoven zu dirigieren. . " Fortsetzung folgt.