Wocherr-Rmidschau.
vr. k. Es kommt immer anders! Als der deutsche Reichstag nach den Osterferien zusammentrat, sah man seiner Tätigkeit fast allgemein mit Mißtrauen entzegen und die Auffassung war weit verbreitet, daß man von dem „sterbenden Parlament" keine sonderlich starken Lebenszeichen mehr erwarten dürfe. Allein es ist dem Reichstag gegangen, tvie es mit den Totgesagten so oft gehen soll. Er hat eine ganz erhebliche Menge Arbeit geleistet, und er wird, da nunmehr die Herbsttag- ung beschlossene Sache ist, noch erheblich mehr oor sich bringen. Wer hätte gedacht, daß die umfangreiche Reichs- versicherungsordnung in so.verhältnismäßig ftir- zer Zeit durchberaten werden würde, und sogar für die heißumstrittene reichsländische Berfassungs- reform hat sich zum Schluß, nachdem die allein in der Kommission mit fünf Lesungen behaftete Vorlage wiederholt auf den toten Strang geraten war, eine unerwartet große Mehrheit gesunden, bei der freilich die konservative Partei grollend abseits stand. Die politische Bedeutung dieser Wendung der Tinge liegt in der Oppositionsstellung, welche die Konservativen hierbei Fegen die Regierung einnahmen, und in dein Auseinandersallen des schwarz-blauen Blockes, der bisher die parlamentarische Lage im Reichstage beherrscht hatte. Und diese Wandlung wird dadurch verschärft, daß säst gleichzeitig im preußischen Abgeordnetenhause das Feuer- best attungsgesetz gegen die Stimmen des Zentrums und einer Minderheit der konservativen Partei zur Annahme gelangte. Ob es sich hierbei um „eine vorübergehende Erscheinung" handelt, oder ob sich eine ernsthafte Krisis im deutschen Parteileben vorbereitet, welche unter Nnrständen aus die kommenden Wahlen einen bestimmenden Einfluß ausüben könnte, das wird erst die Zeit lehren.
Ter Wahlkampf in Oesterreich geht seiner Entscheidung entgegen, aber obwohl uns nicht mehr ganz drei Wochen von dem Wahltermin trennen, läßt sich noch nicht erkennen, ob sich das Kabinett Bienerth im neuen Abgeordnetenhaus einer minder spröden'und arbeitswilligeren Mehrheit gegenüberstehen wird. Die Versuche, die deutschen Parteien gegen die Sozialdemokratie zu sammeln, sind in den Anfängen stecken geblieben, aber auch innerhalb der anderen nationalen Gruppen, der Polen tvie der Tschechen, feiert der Parteihader Orgien. Zu der Sorge um die Arbeitsfähigkeit des neuen Reichs- rats gesellt sich die um den greisen Kaiser Franz Josef, dessen Befinden trotz aller offiziösen Beschwich- ligungsmeldungen zu ernster Sorge Anlaß gibt, die nicht durch die au sich leichte Erkältnngserkankung, wohl aber durch das hohe Alter des greisen Patienten gerechtfertigt zu sein scheint.
Tie erschütternde Wahrheit des Wortes „rasch tritt der Tod den Menschen an ... es stürzt ihn mitten in der Bahn", haben wir soeben erst in Frankreich kennen gelernt, wo ein jäher Tod den Kriegsminister B erkenn x mitten in der Flugbahn von Jssh de Monline aux stürzte und ihn aus der Flugbahn seines Lebens riß, dem so hohe Ziele wie die Würde des Präsidenten der Republik gesteckt zu sein schienen. Fast hätte der folgenschwere Sturz des Aviatikers Train noch zu einem Sturz des Kabinetts Monis geKhrt, doch hat sich erfreulicherweise das Befinden des schwer verletzten Ministerpräsidenten bereits so weit gebessert, daß die mehrfach vorausgesagte Kabinettskrisis beschworen zu sein scheint. In die französische Nationaltrauer ist als Pflaster auf die schmerzliche Wunde der Triumps der französischen Waffen in Marokko gefallen und wenn man die Scharfmacherartikel der französischen Presse liest, die den Einzug in Fez nicht als das Ende, sondern als den Beqinn der MaroKoaktivn ansehen möchten, so könnte
Ein jeglicher kann fehlen; wie er aber des Fehlers Folgen trigt. das unterscheidet den edlen Geist von dem gemeinen Geiste.
Ernst Raupach.
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Theater.
Roman von E r u n Georg u.
> i (Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Frau Gelmer erlebte dieses Ereignis nicht mehr. Sie war bald nach Aennes Heirat glückstrahlend heimgegangen. Amtsgerichtsrar Letzel war in die Provinz versetzt, Tok- tor Bornd Hofprsdiger einer andern Residenzstadt geworden. Sein Schwager Doktor Gelttier war ein vielbeschäftigter Arzt, verheiratet und Vater. Er sah der Wiederkehr der Schwester mit gemischten Gefühlen entgegen. „'Denn," sägte er zu seiner Frau, „sie ist eitle Ausnahme- narur, gewiß! Wer bei solchen Menschen !vciß man leider nie, was konnnt! Man ist bei ihnen nie vor Ueber- raischungen sicher. Seit Aenne nicht mehr Gräfin .Auer- Wald ist, bin ich auf noch manches gefaßt. Wir sind mit ihr noch nicht am Ende!"
„Ach was," entgegnete die niedliche Doktorin, „wir sind für sie nicht verantwortlich. Die Hauptsache ist, daß sie ihre bezaubernde Liebenswürdigkeit belialten hat. Und Paul, ich freue mich auf die Frerbillets?"
„'Wer Liese!" rief 'er und mußte lachen.
Z. Kapitel.
„Ein Fmnmer! Ein Jammer!"
„Wer, lieber Freund, was jammern Sie denn so unaufhörlich? Erfreuen Sie sich doch an dieser reifen, edlen Kunst!" sagte ein jüngerer Herr leise und vorsichtig, zu einem alten Manne, dessen bartloser Kopf auch den Echochcheler verriet. „Sie waren doch selbst von ihrer' Sappho begeistert. Sie als Fachmann!"
,Mewiß," raunte der andere zurück, „die spielt ihr auch keiner nach; aber sie darf doch keine Rhodope mehr geben —-
„Ich finde sie-ideal aussehend!"
„Sicher, ideal für eine ältere Frau; aber zu alt für die Gemahlin eines Gyges, von deren Jugendschönheit fortwährend gesprochen toird. Gesicht und Körper gehen nicht mehr mit der Kunst mit!"
inan wirklich glauben, daß bei dem Sturz auf dem Klugfelde eiirer hinaufgefalleu ist nämlich >TÄcasss, der wieder hinter den Kulissen die Drähte zu ziehen scheint.
Es ist ein eigentümliches Zusammentreffen, das sich gleichzeitig mit dem Einzug der Franzosen in Fez an einem anderen Emde des Mittelmeeres Gewitterwolken zusammenzuziehen scheinen. Tie an die Adresse derPforte gerichtete, ungewöhnlich scharfe Drohnote der Regierung des Zaren hat umsomehr Aufsehen erregt, weil sie, und zwar nicht blos zeitlich, mit dem bulgarischen Vorstoß gegen die Türkei zusarnmenfällt. Da aber die neue Türkei entschlossen zu sein scheint, sich nicht wie China behandeln zu lassen, und da die Petersburger Offiziösen eben deshalb wieder abzuwiegeln beginnen, so wird man wohl darauf rechnen dürfen, daß sich weder aus dem montenegrinischen noch aus dem bulgarischen Grenzfeuerwerk der gefürchtete Balkanbrand entwickeln, wird.
Diese Hoffnung ist umso begründeter, da sowohl Oesterreich-Ungarn wie auch England, welches durch die Vetokrisis genugsam in Anspruch genommen ist, und dessen Staatsmänner zur Zeit ihre gesamte politische Schlagkraft darauf verwenden, der britischen Reichs ko nferenz-diesmal einige positive Ergebnisse abzuringen, mit aufrichtigem Eifer bestrebt sind, den Frieder! inr nahen Osten zu erhalten, da er im fernen Osten ohnehin durch die Draufgängertaktik des Zarenreiches bedroht ist. Ist doch auch in Mexiko, wo der greise Diaz auf Amt und Ehrgeiz diesmal endgültig verzichtet, zum Schlüsse der Friede geschlossert worden, nicht wegen, sondern trotz des amerikanischen Friedensstiftens.
Deutsches Reich.
Deutscher Reichstag.
Annahme her elsaß-lothringische« Verfassung.
v. Berlin, 24. M n.
Nur Bundesratslisch die Staatssekretäre Dr. Delbrück und Zorn von Bulach. Präsident Gras Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 12.20 Uhr und teilt vor Eintritt in die Tagesordnung mit, daß der Botschafter der französischen Republik ihm für die Bekundung der Anteilnahme des Reichstages an dem Unglück von Jssy les Moulineaux seinen und seiner Regierung Tank verficht habe. Darauf beginnt das Haus die zweite Lefirng der Wahlgesetzvorlage für Elsaß-Lothringen.
Mg. Gmmel (Soz.): DieBundesratsstimmen füMsaß- Lothringen bedeuten einen kleinen Fortschritt. Das Wahlrecht, wie es jetzt vorgeschlagen wird, reicht aber nicht aus. Wir verlangen das allgemeine Wahlrecht im Proportio- nalsystem. Wir beantragen auch den Frauen das Wahlrecht zu geben, das Wahlakte! dort 25 «uf 20 Jahre herabzusetzen und die Wohnsitzklausel dahin zu ändern, daß nicht dreijähriger, sondern einjähriger Aufenthalt im' Reichslande zur Wahlberechtigung notwendig ist.
Mg. Ha-ußmann (Vp.): Me Verbesserungen der Kommission haben gestern dem Berfassnngsgesetz eine gewaltige Majorität gebracht, an der der Widerstand vom Osten und vom Westen äbgeprallt ist. Tie Herren aus dem Osten verwerfen das Gesetz, weil es zu viel, und die Herren aus dem Westen verwerfen es, weil es zu wenig Freiheiten bringt. Die beiden Bedenken heben sich gegenseitig ans und bringen den Beweis, daß Elsaß-Lothringen umsomehr Autonomie erhalten wird, je mehr es selbst an den Geschicken des Reiches Anteil nimmt und nehmen wird. Eine Reihe von Verbesserungen ist auch in den jetzt zur Beratung stehenden Punkten erzielt. Tie Wahlkreisgeometrie ist beseitigt. In Bayern funktioniert die Sonntagswahl ausgezeichnet, und es ist erfreulich, daß sie auch hier in Elsaß-Lothringen eingeführt wird, besonders
da alles religiöse Empfinden geschont wird durch j legung des Beginns von 8 Uhr auf 10 Uhr. Ehrliche Wahlurnen sind geschaffen ivorden. Ter Proporz ist lei- der abgelehnt worden. Wer, Gott sei Dank, ist es auch dem Pluralwahlrecht so gegangen, und es ist bezeichnend daß in der Kommission zu seiner Beibehaltung sich keine Antragsteller mehr fanden. Me Altersstimmen sind wirklich nichts Annehmbares, und selbst wir Schwaben sind gegen diese Begünstigung des Schwabenalters. (Heiterkeit.) Jeder unter französischer Herrschaft Geborene hätte dort zwei oder drei Stimmen bekmnmen, und das märe dann ein rechter Schwabenstreich gewesen, die unter französi- sischer Herrschaft Geborenen günstiger zu stellen als die unter deutscher Herrschaft Geborenen. (Sehr richtig! rechts.) Das allgemeine Stimmrecht hat seine siegende Kraft bewährt. Damit sagen wir nicht, daß es fehlerlos ist, aber es ist fehlerfreier als jedes andere. (Lebhaftes Sehr richtig! links.) Me Taktik der Konservativen war fehlerhaft und hat das Gegenteil von dem, was jene Seite wollte, bewirkt. Wir können ja den Herrn dankbar sein sie haben die Regierung auf unsere Seite gedrängt. Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. (Sehr richtig! links.) Ein Herr hat ja gestern offen gestände,!, er habe für das allgemeine Wahlrecht gestimmt, nur um das Gesetz der Regierung zu verekeln und die Vorlage unmöglich zu machen. Me konservative Staatskunst weiß den Reichslanden nichts zu bieten als die Erklärung, es bleibt der jetzige Zustand, bis ein neuer Krieg kommt. Das ist 'ein Bankerott jeder Staatsknnst. (Sehr richtig! links.) Mit solchem Programm soll niemand vor uns hintreten. Gestern haben wir wieder von der kaiserlichen Standarte gehört. Unter her kaiserlichen Standarte hat der Träger der kaiserlichen Staatsgewalt in der vorigen Woche den Straßburger,, versprochen, daß das Gesetzeswerk zustande kommt. Wäre es nach den Konservativen gegangen, so hätte der Träger der Krone sein Wort nicht einlösen können. Für das Ansehen des führenden Staates in Deutschland hätte das viel bedeutet, wenn diese Vorlage gescheitert wäre. In das internationale Fiasko wäre Preußen am meisten nrit hineingezogen worden. Me Parteigruppierung von gestern ist vielleicht eine Perspektive für den nächsten Reichstag, der starke Mehrheiten bekäme unter Ausschaltung der Konservativen, wenn die Wahlparole des Reichskanzlers von gestern für den Wahlkampf weiter ver- ivandt wird. Entweder Vorwärtsschreiten oder Stillstand! Die Fortschritte werden segensreich sein für das Deutsche Reich. (Lebhaftes Sehr richtig! links.)
Haust (Elf.): Trotz unserer schweren Bedenken gegen Z 1 des Wahlgesetzes werden'wir bei Ablehnung unserer Anträge bei der Gosamtabstimmung für bas Wahlgesetz stimmen, well wir die Neuordnung für einen wesentlichen Fortschritt halten.
Damit schließt die Debatte. Die Abänderungsantröge werden äbgelehnt. ß 1 und '2 werden unveräiMrt angenommen. lieber ß 3, der besagt, daß jeder Wahlberechtigte eine Stimme hat, wird ohne Debatte namentlich abge- strmmt. Ter H toird mit 262 gegen 44 Stimmen angenommen und sodann der Rest des'Gesetzes ohne Debatte nach den Kommiffionsbeschlnssen und hierauf das ganze G e s e tz a n g e n o m m e n.
Kleine Gesetze.
Me Vorlage über die vorläufige Regeln),g der Handelsbeziehungen zu Japan wurde der schwedischen Handelsvertragskommission mit überwiesen, nachdem der Staatssekretär D elbrück sie kurz begründet und u. a. Abg. Kämpf gesprochen und weitere Aufklärungen in der Kommission verlangt hatte. Der Niederlassungs- Vertrag mit der Schweiz wurde in zwei Lesungen angenommen, nachdem ihn Abg. Dr. Müller-Meiningen trotz einiger Mängel befürwortet und Abg. Stadthagen, wieder genesen, ihn in fanatischen Worten be-
„Ach, das beiammern Sie so, Brandt?"
„Nein, denn das ist der natürliche Gang," erwiderte der alte Herr leise. „Der Jammer liegt darin, daß 'oft so kluge und große Künstler nicht selbst diesen Widerspruch erkennen!"
,Mst" - erscholl es ans der Nebenloge unwillig.
Die Herren schwiegen und warteten mit der Fortsetzung ihres Gespräches bis zur nahende), Pause. Als diese kam, lehnte sich Brandt in den Sessel zurück und' knüpfte sogleich da an, wo er aufgehört. „Wie oft habe ich mit der Gettner grade über diesen Punkt gesprochen. Sic ist eine so geistvolle, verständige Person. Immer gab sie mir recht, und nun kann sie selbst nicht zur Zeit abtreten!"
„Aber sie hat doch ihr begeistertes Publikum! Und ich finde, der Abgang wäre direkt ein Verlust für Berlin!"
„Unsinn, wer spricht denn von Abgang? Ins ältere Fach soll sie einfach hinein. Bei dem wechselnden Re- pertoir dieser Bühne hat sie innner noch genug klassische und moderne Bombenrollen für ihren Ehrgeiz!"
„Ist sie ehrgeizig?"
„Sie toäre ein Stint, aber keine Schauspielerin, wenn sie es nicht wäre! Den Teufel auch! Sehen Sie, Ulrich, seit drei Jahren bin ich nun selbst Direktor geworden. Warirm? Einfach, weil ich fühlte, es ging nicht mehr wie ich wollte. Ter alte Korpus wurde zu steif, hielt nicht mehr mit. Ich war Lehrer, Regisseur, Schauspieler, jetzt Direktor, - ich kenne doch den Bau! — Als meine Freundin Anna Gettner vor einem Jahr rvieder ins Engagement ging, freute ich,nich Ich wußte, der gräfliche Runrmel war nichts für diese arbeitswürdig^ Natur. Ta sandte sie mir,Photographien, neue Aufnahmen in ihrem zurückeroberten klassischen Fach. Wissen Sie, ich hätte heulen nwgen. Meine Frau sah sich die Bilder an und fügte nur : „Schade^ sie ist passäs! Dieses überreife, durch Leid und Lust gestempelte Antlitz —
„s ist herrlich, dieses feine, schmale Gesicht mit seinen Linien, so vergeistigt."
„Ulrich, was reden Sie?" Gewiß ist es noch immer schön: aber doch nicht für das, was sie zu spielen'hat. Und diese überraschende Fülle, hie sie sich noch .zugelegt hat! Wer hätte bei ihrer Schlankheit je daran gedacht ? — Nein, wenn es einer gut meint mit jtzr, bin ich es; aber ich habe auch dieKritiken verfolgt."
„Es ist empörend, ihr fortwährend ihr Alter vorzuwerfen. Erst muffen sie ihre Kunst Preisen, und dann kommt stets irgendein Hieb hinterdrein!"
„Na, zum Donnerwetter, dann muß doch ein kluger Mensch daraus lernen!" rief der alte Brandt gereizt. ,Ach werde mit ihr als Freund 'mal ein deutsches Wort reden."
„Wozu wollen auch Sie ihr weh tun?"
Ein Klingelzeichen ertönte. Das Stück nahm seinen Fortgang.
,)Warmn müssen wir eigentlich hier ausharren?" fragte Brandt. „Gyges und feinen Ring kennen wir zur Genüge. Tie Gettner haben wir gesehen. Ich denke, wir fahren direkt zu ihr und 'plaudern."
Diese Absicht wurde ausgeführt. Die Herren, die von der Schauspielerin zUM Abendbrot geladen waren,, begaben sich in .Aennes im Tiergartenviertel belegen« Wohnung. Graf Auenwald hatte ber der Auseinandersetzung vor der Scheidung sich als vornehmer Mann bewiesen. Er hatte seiner einstigen Gemahlin einen Teil der fürstlichen Einrichtung, die sie selbst auf Reifen zu- sarmnengekauft, und ein bedeutendes Vermögen überlassen. — So trug Aennes Heim den Stempel von großem Reichtum und Geschmack. Außer ihrer Zofe hatte sie eine perfekte Köchin, ein Stubenmädchen und einen Groom, Sie hätte ihr Reitpferd, und mit einem Fnhrgeschäst sine Abmachung, so daß ihr entweder eine Equipage oder sin Selbstkutschierer zn Geböte standen, so oft sie deren bedürfte.
In der Droschke bildere sie weiter den Gegenstand der Unterhaltung. Herr Da. Ulrichs ein jüngerer Kollege, der nrit seiner Frau viel mit Aenne verkehrte, erzählte von ihrem Leben. Er berichtete, daß ihr Verkehr sich meist ans Kollegen und Literaten rekrutiere, zn dem in neuester Zeit sich einige Frauenrechtlerinnen gesellten. Die Gettner fange an, sich stark für soziale Fragen zn interessieren und auch an der Hebung oder vielmehr für die Hebung ihres Standes zu arbeiten. Sie plane allerlei Vereinsgründungen und Unterstützungskaffen.
,Ma habeü Sie den besten Beweis, mein lieber junger . Kollege, daß unsere teure Frau Gettner absattelt und alt wird. Mit sich selbst und ihren Erlebnissen ist sm eben fertig. T-er Egoismus geht in Altruismus über " (Fortsetzung folgt.) , ^