Deutsches Reich.

Deutscher Reichstag.

Berlin, l. März.

Am BunbeSratstisch Kriegsminister v. Heeringen. Präsi­dent Graf Schwerin-Läwitz eröffnet die Sitzung um I. Nhr. Die zweite

Lesung des Militäretats

wird fortgesetzt. Zu dem TitelBekleidung und Ausrüstung der Truppen" liegen vor die Resolutionen Irl (Ztr.) auf Be­rücksichtigung der H a n d w e r k e r o r g a n i s at i o n e n bei Heereslieferuugen und Wiedeberg (Ztr.) aus Berück­sichtigung der Heimarbeiter.

Pauli-Cochem (Ztr.) bittet um staatlichen Schutz der Loh­gerber. Dies liege im Interesse der Armeeverwaltung, die heute nrum noch gegerbtes Leder austreiben könne.

Albrecht (Soz.): Wir wenden uns gegen die LWstünde in der Organisation der Bekleidungsümter sowie gegen die Nebenbeschäftigung der Mititäranwärter. Die Bekleidungs­ämter sollten mit Zivilbesetzung aufrecht erhalten werden. Wir verurteilen die Anfertigung von Kleidungsstücken in Strafanstal­ten. Die beiden Resolutionen des Zentrums sind überflüssig, wenn unsere Resolution zu einem späteren Titel angenommen wird. Die Arbciterausfchüsse sind in ihren Rechten sehr be­schränkt.

Vogel (natl.): Anzuerkennen ist entgegen der Ansicht des Vorredners, daß die Leitung der Bekleidungsämter sehr wohl fachmännisch ist.

Vogt-Hall (wutsch. Bgg.): Unsere Eichenschälwaldungen müssen geschützt werden. Den Antrag Ir! unterstützen wir.

Wehl (natl.): Das Zusammenarbeiten der Ledervereinig­ung und der Militärverwaltung hat sich bewährt. Trotzdem könnte es sich empfehlen, die Kommissionäre, die das Geschäft .vermitteln, auszuschalteu und eine geeignete Persönlichkeit in den Bekleidungsämtern zu beauftragen, die direkt init den Gerbereien in Verbindung tritt. Dadurch würden Hunderttan- §endc gespart.

Departementsdirektor Generalmajor Staabs: Nach un­teren Erfahrungen haben wir keinen Grund, das mit Lohe ge­gerbte Leder abzuschaffen. Die Zahl der Arbeitskräfte in den Bekleidungsämtern ist keineswegs zu hoch, ebenso steht es mit der Beamienzah!. Der Redner rechtfertigt die Arbeiterent- kassuugcn in Straßbnrg. Der Forderung, das Handwerk zu berücksichtigen, werden wir insofern entsprechen,. als .wir die seit Jahren für uns tätigen Handwerker auch künftig vorzugs­weise berücksichtigen. Den freien Arbeitern die Nebenbeschäftig­ung zu untersagen, steht uns nicht zu.

Württ. Generalmajor v. Dvrrer: Die Arbeitsbedingungen in Ludwigsburg weichen von den allgemein üblichen Vorschrif­ten nicht ab. Der Staat muß natürlich das Recht haben, staatsfeindliche Elemente aus den Betrieben fernzuhalten. Die Arbeiter sind bei uns durchaus mit dem besteheirden Zustande' zufrieden.

Gans Edler zu Putlitz (kvnf.): Nach unseren Erfahrungen haben sich die Bekleidungsümter glänzend bewährt.

Sommer (Fortschr. Bp.) wünscht kaufmännische Ausbild­ung der Leiter der Bekleidungsümter.

Duffster (Ztr.): Reserve- und Landwehroffiziere, die Fachleute sind, sollten ihre Uebuugen bei den BekleidungS- ämtern machen. Das Schmiergelderunwesen ist dank dem guten Geiste, der auch in diesem Teile unseres Heeres herrscht, ganz geschwunden.

Bühle (Soz.): Die Militärverwalrung begünstigt die Heim­arbeit und damit die Lohndrückerei.

Kriegsminister v. Heer in gen: Die Bekleidungsümter müssen durch Offiziere verwaltet werden. Leistungsfähige Kauf- Keute bekommen wir für eine solches Gehalt nicht. Die Ent­lassungen in Straßburg wurden schonend vorgenommen. Ar­beiter, die sich sozialistisch betätigen, können wir in unseren Werkstätten nicht dulden. Die im vorigen Jahre erhobene Be­schuldigung, in Straßburg seien kranke Arbeiter in Strafcibteil- nngen gesteckt worden, sind nach sorgfältigen Erhebungen nicht richtig.

Hierauf wird das Kapitel bewilligt. Die dazu vorliegenden Resolutionen des Zentrums werden angenommen.

Beim Kapitel Garnisonsverwaltung und Ser­vicewesen werden zunächst Wünsche bezüglich einzelner Gar­nisonen vorgebracht und sodann Besserstellung der Maschinisten in den Militärverwaltungen verlangt. Zn den Lieferungen für die Kantinen sollte auch die nähere Umgebung herangezogen werden.

Will (Ztr.) fragt an, ob die Schieß- und Manöverübnngcn nicht besser im Winter vorgenommen werden können.

Generalmajor Staabs: Durch Anlegung neuer Schieß­plätze und Truppenübungsplätze wird dem erwähnten Mangel abgeholfen. Das Kapitel wird bewilligt, ebenso eine Reihe weiterer Kapitel ohne Debatte.

Beim Kapitel Pserdebeschaffung klagt Abg. Böhle (Soz.) über die unzulässige Konkurrenz, die die Krümperfuhrwerke den Privatfuhrwerken machen.

Generalmajor Wandel: Die Krümperfuhrwerke sollen nur zu dienstlichen Zwecken benutzi werden. Verstöße dagegen sind zu ahnden. ,

Becker-Köln (Ztr.): Der Remontebcdars sollte möglichst durch inländische Pferde gedeckt werden.

Weber (natl.): Dem Mißbrauch der Krümperfuhrwerke muß entschieden entgegengetreten werden.

Kurz nach 7 Uhr wird die Weiterberatung aus morgen 1 Uhr vertagt.

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Berlin, 1. März. Die aus Ersuchen des Reichstags ausgearbeitete Denkschrift des ReichskolonialamtesUn­ter welchen Voraussetzungen und in welchem Umsang ein Schutzgebiet durch direkte Besteuerung zur Deckung von Kosten heranzuziehen ist, die. aus Kriegsmaßnahmen in diesem Schutzgebiet erwachsen sind", ist dem Reichstag soeben zugegangen. Nach der Denkschrift ergibt sich für unseren Kolonialbesitz, daß dieser zur Deckung von Kriegs­kosten jedenfalls nur dann herangezogen Verden kann, wenn hiedurch die finanzielle Bilanz nicht beeinträchtigt und die wirtschaftliche Entwicklung nicht gehemmt wird. Zur Zeir seien aber in keinem deutschen Schutzgebiet die Verhältnisse derartig, daß ihnen eine Kriegskostenanleihe »der gar Kriegssteuern zugemutet werden können.

^ Feuerbestattung in Preußen.

Der Gesetzentwurf betreffend die fakultative Feuerbe­stattung in Preußen ist nun dem Abgeordnetenhause zu- gegangeu. Er bestimmt, daß die Feuerbestattung nur in landespolizeilich genehmigten Anlagen erfolgen darf und zwar nur dann, wenn der Verstorbene die Feuerbestattung seiner Leiche selbst angeordnet hat und von Seiten der Ortsbehörden keine Bedenken gegen die Feuerbestattung besteht, wenn insbesondere ein Verdacht, der Tod sei durch eine strafbare Handlung herbeigeführt worden, nicht vor­liegt. *

Berlin, 2. März. Nach den bisher eingegangenen Aeußerungen der Bundesregierungen zur Frage einer V e r- fassung für Elsaß-Lothringen, soll nach dem Bert. Lok.-Anz. eine Verständigung dahin zustande kom­men, Elsaß drei Stimmen für wirtschaftliche Fragen im Bundesrat einzuräumen.

Berlin, l. März. Ter Zentralausschuß der Fortschrittlichen Volkspartei ist zu seiner durch

das Organisationsstatnt vorgeschriebenen ordentlichen Jah­ressitzung aus So n n t ag d e n l 9. M ä r z einberufen wor­den. Er tvird sich u. a. mit den Vorbereitungen für die nächsten Reichstagstvahlen beschäftigen.

Leipzig, 1. März. Als heute das Ortsgesetz über die Erhebung der Biersteuer mit 38 gegen 3l Stimmen im Stadtverordnetcn-Kollegium angenomm e n war, d e- monstrierte das Tribünenpnblikum durch Pfuirufe und Schimpfworte. Der Tumult wurde schließlich so groß, daß die Tribüne geräumt werden mußte.

Berlin, l. März. Als Nachfolger des Abgeordneten Singer wurde gestern der Krankenkassenrendant Otto Büchner im vierten Berliner Reichstagswahlkreise zum Reichstagskandidaten proklamiert. Das Singer- sche Stadtverordnetenmandat soll Spediteur Mann be­kommen.

Berlin, 1. März. In der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses teilte der Minister mit, daß aus der Brüsseler Ausstellung die deutsche und die preu­ßische S ch u l a u s st ell u n g die Anerkennung der gan­zen Welt gesunden hätten. Tie preußische Schulausstellung werde im Ausstellungspark am 7. Mürz dem Publikum zu­gänglich gemacht werden.

Bischofsburg, 1. März. Nach dem amtlichen Wahlergebnis bei der Reichstagsersatzwahl am 27. Februar 1911 im Wahlkreis Allenstein-Rös- sel wurden insgesamt 18436 Stimmen abgegeben. Da­mm erhielten Rittergutsbesitzer O r l o Ws ki-Kutzborn (Zentrum) 10504, Pfarrer Barczewski-Braunswalda (Pole) 7519, Rechtsanwalt Haase-Königsberg (Soz.) 343.. Stimmen. Zersplittert waren 64 Stimmen.

Ausland.

Aehrenthal und der Erzherzog Thronfolger

Aus Berlin wird uns geschrieben:

Kaiser Nikolaus wird in einigen Monaten abermals in Deutschland erscheinen, weil seine Gattin die im vorigen Herbste unterbrochene Kur an den Quellen des Taunus fortznsetzen wünscht. Auch diese' Zarenreise wirft ihre Schatten voraus, und weitreichende Kombinationen wer­den an das bevorstehende sommerliche Ereignis geknüpft. In Wien wird die Vermutung laut, daß der Kaiser von Rußland aus seiner Fahrt nach Westen dem Kaiser Franz Joses in Ischl einen Besuch abstatien werde. Ans seiner Reise nach Racconigr fuhr der Zar bekanntlich in weitem Bogen um Oesterreich herum. Nach dem Abschluß der Potsdamer Vereinbarungen ist aber unter deutscher Ver­mittelung eine Verständigungsaktion zwischen Oesterreich- Ungarn und Rußland eingeleiter worden, und der glückliche Erfolg derselben soll demnächst durch das Erscheinen des Zaren am Habsburger Hose gekrönt werden.

Zwischen der ansrichtigen Versöhnung der beiden Weltmächte des europäischen Ostens steht, wie man meint, die eherne Gestalt des Grasen Aehrenthal, der die öster­reichische Politik in der jüngsten großen Balkankrisis zum Siege über Rußland führte. Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, daß der zweimonatige Urlaub des Grasen Aehrenthal mit einem Rücktritt dieses Diplomaten in Ver­bindung gebracht wird. In Wien ist neuerdings die An­nahme entstanden, daß der Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, die Balkanpolitik Aehrenthal nicht mehr in gleichem Maße wie früher mit seinem Einflüsse in der Hofburg decke. Tie Tatsache, daß der österreichisch- ungarische Botschafter in Konstantinopel, Markgraf Pal- lavicini, die Stellvertretung Aehrenthals übernimm^, bestärkt die Vermutung, daß die Lösung von Balkansragen zwischen Rußland und Oesterreich-Ungarn vorbereitet wer­den soll.

Wie weit die Kombinationen über die Verminderung ' des früheren Einvernehmens zwischen den: Thronfolger und dem Grasen Aehrenthal zutreffend sind, laßt sich schwerlich ermessen. Unter Leitung dieser beiden Männer hat sich Oesterreich-Ungarn nach jahrzehntelanger Stagnation zu einer kraftvollen und zugleich vorsichtigen auswärtigen Politik ermannt. Daß der Erzherzog, der Schloßherr von Eckartsau, schon seit einer Reihe von Jahren eine sehr erhebliche Einwirkung auf die Lenkung der Dinge am Wiener Ballplatz ausübt, unterliegt keinem Zweifel. Man weiß, daß Kaiser Franz Josef keinen für die Zukunft des Habsburgerreiches entscheidenden Schritt tut, ohne sich vor­her mit dem Thronfolger verständigt zu haben, her dvch voraussichtlich für die Folgert dieser Handlungen wird einstehen müssen.

Wie um jeden Thronanwärter, so ivebt a uch die Le­gende ihre flatternden Gespinste um den Erzherzog Franz Ferdinand. Darum ist das Gerücht mit großer Vorsicht auszunehmen, der Thronfolger betreibe den Wechsel in der Leitung des Auswärtigen Amtes. Graf Aehrenthal war recht eigentlich der erstestarke Mann" unter den Staatsmännern Europas im zwanzigsten Jahrhundert, und seine politische Energie hat die Probe auf's Exeinpel be­standen. Aehrenthals Meisterhand dürfte der Doppelmo­narchie doch sehr fehlen, wenn neue Schwierigkeiten auf- tauch-en. Wohl nie seit ihrem Bestände haben die Delegatio­nen Oesterreich-Ungarns so günstige Verhältnisse im In­nern und Aeußern vorgesnnden, wie eben jetzt, und nie sind die Forderungen für Heer und Marine mit einer Einmütig­keit bewilligt, wie in jüngsten Tagen, Wenn auch eine neue Aera in der europäischen Politik herauszuziehen scheint in der niemand mehr die Fackel des Völkerkrieges leicht­fertig entzünden wird, so beruht der Friede doch in erster Linie auf dem deutsch-österreichischen Bündnis. Und die Festigung desselben in verhängnisvoller Zeit, wie König Eduard als Versucher nach Ischl kam, gehört zu dlehrcn- thals unvergänglichen Verdiensten. . -

Das neue Kabinett in Frankreich

dürfte sich wie folgt zusammensetzen: Vorsitz und In­neres: Monis, Justiz: Jeanneney, Aeußcres: Cruppr, Krieg: Berteaux, Marine: Telcasse, Finanzen: Caillanx, Unterricht: Steeg, Oesfentliche Arbeiten: Charles Diu- mont, Handel: Svirrier, Ackerbau: Masse oder Paul Bon­cour, Kolonien: Messimy, Arbeit und soziale Fürsorge: Biriam, oder Säule Boncour. Ein Postministerium soll' neu geschasfeu werden. Diese Portefeuille soll Chaumet übernehmen.

Als Ergebnis der Besprechungen Zwischen Monis und den Persönlichkeiten, die in das neue Kabinett eintreten sollen, läßt sich bezeichnen, daß die neue Regierung die Politik der Verweltlichung der Schule fortsetzen wird, je­doch unter strenger Vermeidung jeder Art von Verfolgung. Sie wird unter Aufrechterhaltung von Ordnung und Si­cherheit für soziale Verbrüderung zu wirken suchen, die Listenwahl mit dein Proportionalwahlsystem Vorschlägen, bei den Eisenbahngesellschasten für die Wiedereinstellung der entlassenen Beamten sich verwenden, dagegen an dein Gesetzentwurf über die Unterdrückung der Sabotage fest- halten. Indessen sollen die Bestimmungen des Entwurfs, die den Eisenbahnangestellten das Recht des Ausstands nehmen, gestrichen werden.. Außerdem wird die.Regierung die Einführung der Einkommensteuer weiter betreiben.

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Täbr'is, 1. März. Tie Polizei, die schon 3 Mo­nate lang keinen Sold erhält, ist in den Aus stand ge­treten.

Peschawar, 1. März. Sir George Rovs-Kep- pel, der Cheskommissar des Nordwest-Provinzdistrikts, hatte in Charsada gestern Abend die Nachricht erhalten, daß sich Hakim-Khan, ein berüchtigter Verbrecher, mit 29 Anhängern in einer Höhle verborgen halte. Ter -Kom­missar rückte daraus mit 200 Mann eingeborener Infan­terie, 50 Mann Kavallerie und 2 Gebirgsgeschützen aus und umstellte die Räuber. Da diese sich weigerten, sich zu ergeben, wurde heute Morgen ein Geschützseuer auf sie eröffnet. Hakim-Khan und 22 seiner Beglei­te r w u r d e n g e t ö t e t und 7 Mann gefangen genommen.

Württemberg.

Aus den.Kommissionen.

Am Mittwoch behandelte der Finanzausschuß die wichtige Frage, ob im Anschluß an die allgemeine Beamtenausbesserung nicht auch die Bezüge der u n st ä n-. dig verwendeten Beamten und Unterbeam­ten erhöht werden sollen.' Finanzminister v. Geßler gab die Erklärung ab, daß eine Besserstellung dieser Beamten nicht geplant sei; ein dringendes Bedürfnis hiesür liege nicht vor, da schon bisher die Bezüge der Funktionäre ge­genüber denen der etatmäßig eingestellten Beamten verhält­nismäßig hoch gewesen seien. Ein Vergleich mit andern Bundesstaaten, besonders mit Baden und Bayern, zeige, daß die württembergische Funktionäre weit besser gestellt seren, als ihre Kollegen in den andern Ländern. Dazu komme, daß eine Erhöhung der Taggelder einen jährlichen Mehraufwand von mindestens 400 000 M -verursachen würde. Tie Redner sämtlicher Parteien anerkannten den Standpunkt der Regierung als sachlich durchaus gerecht­fertigt; nur bezüglich der Wärter und Wärterinnen an Irrenanstalten wurde eine Besserstellung gewünscht. Ein Antrag wurde nicht gestellt. Sodann berichtete der Abg. Freiherr Pergler v. Perglas über die Preise für die im Etat 1911/1912 vorkommenden Früchte. Ein An­stand wurde nicht erhoben.

Mau ging daun über zur Beratung des Etats des Departements des Innern. Erschienen ist Mini­ster v. Pischek mit 2 Räten. Berichterstatter über die Kapitel 20 bis 44 b ist der Abg. Pergler v. Per glas. Bei Titel 1 wiederholte der Redner des Bauernbunds die schon in: Plenum erhobenen Klagen über die Stuttgarter Polizei. Der Staatsminister und die Redner der andern Parteien führten diese Klagen aus das richtige Maß zu­rück und verwahrten sich gegen Verallgemeinerungen und Uebertreibnngen, wie sie vom Bauernbund in Plenum und in der Presse beliebt worden sind. Zur Sprache kamen noch die Kaminsegerordnung und die elektrischen Ueberland- zentralen. Tin Beschluß wurde nicht gefaßt.

Von der Eisenbahn. Tie württembergischen Staarseisenbahnen beabsichtigen demnächst in einem Schal­ter des Stuttgarter Hauptbahnhoss einen Fahrkarteudruck- apparat aufzustelleu, mit dem die Fahrkarten erst un­mittelbar bei Ausgabe vom Schrlterbeamten selbst ge­druckt werden. Ter Apparat wird für das reisende Publi­kum eine Vereinfachung bedeuten. Gleichfalls eine Ver­einfachung und recht erhebliche Ersparnisse --- einige Tau­send Mark jährlich wird die Erfindung eines württem- bergischen Beamten der Verwaltung bringen. Es han­delt sich um die möglichst einfache Verpackungsweise der Fahrkarten. Während bisher die Fahrkarten je zu 100 Sr. in Papierumschläge verpackt oder verschnürt wurden, wer­den jetzt zur Verpackung der Fahrkarten Federklammern verwendet, die eine Verpackung in kürzester Zeit ermög­lichen.

Bündlerrsche Heloentaten.

Aus dem Obe ramt Gerabronn wird demBe­obachter" geschrieben: Wie sehr die Verhetzung der Bauern, die für eine andere als Körnersche Lektüre unzugänglich sind, Fortschritte macht, beweist folgender Vorfall. Saßen da am Nachmittag des letzten Biehmarktes in B lau sel­be n eine Anzahl Bauern und Bürger in ruhigem Gespräch beisammen in der Bahnhosrestauralion. Wie es sich gf" genwärtig von selbst gibt, kam auch die Rede aus die Maul- und Klauenseuche. In überzeugender Weise und ohne jede Spitze sprach ein anwesender Bauer, der zugleich Gemeind-epslcger und Gemeinderat einer benachbarten Ge­meinde ist, die Ansicht aus, daß man sich vor der norddeut­schen Schweineeinfuhr mehr schützen müsse, als vor der französischen, von der in unwahrer Weise von Körner in einer Versammlung im Oberamt Hall behauptet wor­den sei, diese ser schuld an der Misere. Tie norddeutschest Agrarier und die schlappe Handhabung des Gesetzes dort hätten die große Verbreitung der Seuche aus dem Ge­wissen. Ans diese in aller Seelenruhe gesprochenen Worte stand ein Gemeinderatskollege des Obengenannten ach, packte mit den Worten:Wer das sagt, überhaupt wenn ew Bauer heute noch demokratisch wählt, der gehört nieder­geschlagen", den Nichtsahnenden an der Gurgel, würgck ihn und warf ihn ins Büfett hinein, daß er am Kopse ein- blutende Verletzung davontrug. Herr Körner mag sein aus solche Früchte seiner Agitation. Wie aber se^ gleich volksverdnmmende und verrohende als verhetzet Agitation von objektiv denkenden Leaten beurteilt wird, (0" kann er und seine Nachbeter im ganzen Bezirk hör^; Die Sache erhält natürlich ein gerichtliches Nachspio», vogelsrei sind Nichtbündler iminer noch nicht.