Lokales.
Wildbad. Aus der Sitzung der Gemeindekollegien vom 24. Februar 1911. Der Stadtvorstand gibt den bürg. Kollegien ein Schreiben der Frau Jntendanzrat Liebig in Berlin vom 16. Februar d. Js. bekannt, in welchem sie mitteilt, daß sie der Stadt Wildbad ein Kapital von 10000 Mk. zur Verfügung stelle, mit welchem auf dem Sommerberg ein den Namen ihres verstorbenen Gemahls des Hrn. Jntendanzrat Peter Liebig tragender Weg oder ein Ausfichtsturm erbaut werden soll, um das Andenken an den Verstorbenen in der hiesigen Stadt lebendig zu erhalten. Die Gemeindekollegien beschließen einstimmig, der Frau Jntendanzrat Liebig durch den Stadtvorstand den Dank der Stadt für diese hochherzige Stiftung aussprechen zu lassen Das Stadtbaüamt mit der Fertigung von Plänen und Kostenvor- anschläqen, über eine geeignete Verwendung des Stiftungskapitals zu beauftragen und hierauf im Einvernehmen mit der Stifterin die Entscheidung hierüber zu treffen. — Die von Oberreallehrer Steurer beantragte Verlegung des Schul- lokalS der oberen Klaffe der Realschule in den Zeichensaal des Realschulgebäudes wird nicht beanstandet. Infolge eines Gesuchs deS Hotel Klumpp wird beschlossen, den Preis für elektrischen Strom ab 1. April 1911 bezw. 1. Mai 1911 wie folgt festzusetzen: a. für Beleuchtungszwecke während der Badesaison (1. Mai bis 30. September jed. Jahrs) auf 7 Pfg- (seither 8 Pf.) und während der übrigen Jahreszeit auf 6 Pf. pro Heetowattstunde. b Für Kraftzwecke daS ganze Jahr hindurch auf 20 Pf. pro Kilowattstunde (seither 25 Pf.) Zu einer weiteren Herabsetzung und zur Gewährung von Rabatten an die größeren Abnehmer können sich die Gemeindekollegien nicht entschließen, da hiedurch ein zu großer Einnahmeausfall für die Stadtkaffe, der dieNot- wendigkeit der Erhöhung der Gememdeumlage nach sich ziehen könnte, entstehen würde. Hieqegen beschließen die bürgerlichen Kollegien gleichzeitig auch eine Ermäßigung des Leuchtgaspreises eintreten zu lassen und zwar von 25 Pf. auf 22 Pf. Der Preis des Nutzgases (für Koch- u. Heizzwecke) mit 16 Pf. soll bis auf Weiteres bestehey bleiben. — Bezüglich der Anpflanzung der Wiesen auf dem sog. „Köpfte" wird zufolge eines Antrags des Forstamts Meistern bestimmt, daß neben Nadelhölzern auch Laubhölzer dort zur Anpflanzung gelangen sollen und überdies ein Spazierweg vom Rennbachtal bis zur Höhe des „Köpfle" hergestellt werden soll. — Für die Beteiligung der Stadt Wildbad an der Ausstellung für Reise- und Fremdenverkehr in Berlin werden werden weitere 500 Mk. bewilligt, nachdem der zuerst in Aussicht genommene Betrag nicht zureicht Die Gemeindekollegien halten eine würdige Vertretung unseres Bades in dieser Ausstellung für durchaus notwendig, da aus Berlin und Umgegend mehrere 1000 Kurgäste alljährlich Hieherkommen und diese Frequenz zweifellos noch steige- rungssähig ist — Es folgen noch Schätzungen, Bausachen und andere kleinere Gegenstände.
Wildbad, 1. März. Scherzkranz. Alte und junge Herzen, Freunde im Lied, hatten sich Fastnacht-Abend jm geselligen Kranze in dem Festsaal der „Eisenbahn" ge
linden, um beim Nektar voller Wonne ein bischen froh, n bischen frei zu sein. Und die Ballmütter und Ballväter, mit'den Narrenkappen keck im Nacken, und die schönen Mädchen, mit den flackernden, flirrenden Flittergewirre, und ie jungen Herren in den bunten Kostümen, alle waren so ustig, alle schwelgten in Fastnachtssreude. Die Stimmung wurde durch Abwicklung eines schönen Abendprogramms noch bedeutend gehoben. Liedersingen und Gläserklingen, zwei Sorgenbrecher, erwirkten Helle Festesfreude. Auch für Lachen war gesorgt. Das g'müatliche Schwabenstückle: ,,Die gestörte Metzelspuppe" brachte, wenn auch naive, so doch herzige Pointen, die die 6 Mitwirkendende recht geschickt auslösten. Natürlich in Maske und Sprache war Frl. A. Lutz als Hausmütterchen und ganz allerliebst nahm ich Frl. Klara Großmann aus. Allen noch ein Kompliment. Großen Spaß machten auch die drei „fidelen Sangesbrü''er". die beiden „koscheren Handelslait" und der „Unzufriedene". Die Krone des Abends war aber doch der Tanz! Und mit den schönen und fröhlichen Mädchen, mit leuchtenden Augen und glühende Wangen, so hin zu schweben, gibt es noch Schöneres? Da wird der Tanz Seligkeitsbringer, da löst sich das Glück aus der festen Umgürtelung der Alltagssorge. Selbst die Alten werden wieder jung! — Nur zu schnell entleerte sich der Saal, nur zu schnell kam der Kehraus und das Ende. Eine lustige Fastnacht war vorüber. Draußen regnete es. Kalte Tropfen kühlten die hitzigen Gemüter. Und manchem wurde die frohe Maske beruntergeriffen, es war ja Aschermittwoch, der die Reihe stiller Tage eröffnet!
Wildbad, 2. - März. Freiwillige Feuerwehr. Auf Einladung des Kommandanten Hrn. Schund fand gestern im Rathaussaal eine Beratung über das 50-jährige Feuerwehr-Jubiläum statt. Herr Stadtschultheiß Bätzner führte den Vorsitz. Zunächst wurde bestimmt, daß die Feier am 17., 18. und 19. September abgehalten werden soll. Herrn Stadtschultheiß Bätzner wurde der Ehrenvorsitz für die Feierlichkeit übertragen. Als Festkomitee wurde der Verwaltungsrat eingesetzt. Für die spezifizierten Vorarbeiten zum Fest wurden verschiedene Kommissionen gebildet und die Mitglieder derselben gleich bestimmt. Ferner wurde beschlossen, im Laufe des Sommers hier eine Sammlung zur Anschaffung einer neuen Fahne zu veranstalten.
Calmbach, 2. März. Unfall. Beim Holzschlitten verunglückte gestern der verheiratete, 24 Jahre alte Wilh. Ehrhardt. Die Verletzungen des Bedauernswerten sollen schwerer Art sein.
Ueber Zahnverderbnis, ihre Ursachen «nd ihre Bekämpfung.
Von De. Hiller.
1. Fortsetzung (Nachdruck ohne Erlaubnis nicht gestattet).
Anders ist das bei einer anderen sehr allgemein verbreiteten Krankheitsursache, dem Alkohol; diesen kann man, sofern man nur will, jederzeit ausschalten und damit die erst kommenden Geschlechter wie vor manchem andern daher kommenden Unheil so auch vor früher Zahnfäule be
wahren helfen. Der Basler Professor Dr. Bunge hat an einem Material von etwa 2500 Fragebögen bisher unwiderlegt nachgewiesen, daß die Unfähigkeit der Frauen zum Säuglings stillen eins Entartungserscheinung ist, die meist mit andern Entartungserscheinungen, namentlich auch Widerstandslosigkeit gegen Tuberkulose, Nervenleiden undZahnfäule, sich paart, und daß ihre Haupt- Ursache Trunksucht desVaters ist. Und derStill- unfähigkeit parallel geht nach Bunge die Zahnfäule, mit welcher somit auch der Alkoholgenuß des Vaters in ursächlichem Zusammenhang stehen muß. Unter 394 zweifellos stillbefähigten, also meist nicht von Trinkern ab- stammenden Frauen fand Bunge 36 mit einem vollkommen fehlerfreien Gebiß, dagegen unter 658 nicht stillfähiqen Frauen, die dies meist durch Alkoholgenuß ihres Vaters geworden waren, traf er ein vollständiges Gebiß nur noch bei zwei (noch in jugendlichem Alter stehenden). Die durchschnittliche Zahl der faulen Zähne betrug:
im Alter
von
bei Stillfähigen
(nicht von Trinkern Abstammenden
b. Stillunfähige»
von Trinkern Abstammenden
21—25
6,7
15,6
26—30
8.2 *
8 16.1
31—35
O 10.6
Z" 17,4
36—40
11,9
21,0
41—45
" 13.6
^ 23.9
46—50
2 16,2
? 25,3
51—55
— 21,3
— 23.8
56—60
17,4
27,3
Also durchweg haben die Stillunfähigen. durch den Alkoholgenuß ihrEeigenen Vaters geschädigten Frauen viel mehr schlechte Zähne. Und zudem hat der Zahnarzt'Gsi ckinger in Familienpon Alkoholikern, die selbst noch von ihren Eltern ein normales Gebiß mitbekommen hatten, bei ihren Kindern ^der Reihe) nach zunehmende Entartungserscheinungen am Gebiß direkt wahrnehmen können. Während das (ersteMind k dieWn- fänge einer Verkleinerung des Oberkiefers zeigt, ist diese Erscheinung beim zweiten Kind schon ausgesprochener, bei den weiteren haben die Eckzähne keinenZPlatz^ mehr?, und verkümmern bei den späteren vollständig. Nach ihm wirkt Alkoholismus immer, wie jede chronische Zehrkrankheit, entartend auf das Gebiß der Kinder, und zwar wirkt,-das Bier langsamer und geringer, der Wein schneller und stärker, der Schnaps am schnellsten und stärksten, beginnend am Oberkiefer, erst später den Unterkiefer ergreifend. Die Folgerungen hieraus sollten für jeden Vater, für jede Mutter selbstverständlich sein.
(Fortsetzung folgt.)
Druck und Verlag der Beruh. Hofmannschen Buchdruckerei in Wildbad. Verantwortlich: i. V.: Paul Köhler daselbst.
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