Uber Zahnverderbnis, ihre Ursachen und ihre Bekämpfung.
Von vr. Hitler.
(Nachdruck ohne Erlaubnis nicht gestattet).
Schon in meiner früheren Praxis in einem entlegenen Dorf der Schwäbischen Alb, noch viel mehr aber, seit ich in Wildbad tätig bin, habe ich von Jahr zu Jahr häufiger die betrübende Wahrnehmung machen müssen, daß nicht nur bei den Erwachsenen, sondern schlimmer noch bei der Jugend eine rasend zunehmende Z-chnfäulnis besteht, die für die Zukunft unserer Kinder ganz traurige Ausblicke eröffnet. Jedesmal, wenn ich hier oder im Enztal einem kleinen Kinde von 4—6 Jahren schon von seinem ersten, dem sogenannten Milchgebiß, einen oder gar mehrere Zähne ziehen muß, so dauert mich das arm-.. Geschöpf in tiefster Seele; doch wäre das noch nicht des schlimmste, denn dieses Milchgebiß wird ja später durch ei:, zweites, b ! e i b e n d e s wieder ersetzt, viel trauriger aber ist es, wenn auch von dem bleibenden Gebiß schon bei Kindern von 12—14 Jahren wieder ein großer Teil der Zähne wegen Fäulnis gezogen werden muß, ja wenn noch nicht ganz ausgewachsene Leute von 20—25 Jahren schon ein künstliches Gebiß nötig haben. Ein solches kann doch nie das natürliche ganz ersetzen und muß immer das unbehagliche Gefühl eines Fremdkörpers in der Mundhöhle Hervorrufen. Ganz abgesehen von den vielen Schmerzen und schlaflosen Nächten, zu denen die Zahnfäule mit den sich oft anschließenden Entzündungen Anlaß gibt, von der äußeren Entstellung, von dem üblen Mundgeruch, den solche Leidende oft um sich verbreiten, auch
ihre Umgebung dadurch belästigend. — der g a n z e K ö r p e'r leidet not unter solchen Zuständen Durch das ungenügende Kauen werden die Speisen nicht gehörig zerkleinert, es wird infolge des Mangels an Kaubewegungen nicht genügend von dem zur Verdauung, z. B. des Brotes und der Mehlspeisen so notwendigen Mundspeichel abgesondert, die unvollständig zerkleinerten und ungenügend eingespeichelten Speisen werden im Magen langsamer und schwerer, bezw. ungenügend verdaut und dadurch wird zur Entstehung von abnormen Gärungen im Magen, von Magenkatarrhen mit ihren Folgen (Magenverschleimung, Magenschmerzen, Neigung zu Verstopfung. Blutarmut, Nervosität) beigetragen, kurz der Körper wird hinfällig, ganz zu schweigen von den Gefahren, die durch Blutvergiftung von einem Zahngeschwür aus, durch eitrige Kieferknochen- und Kieferhöhlenentzündung bei Zahnfäule dem Krankeu erwachsen können — erst neulich las man in den Blättern von einem derartigen mit Tod ausgegangenen Fall.
Woher denn dieses frühzeitige Zugrundegehen eines Organs, das der Mensch doch eigentlich bis in sein hohes Alter als absolut notwendig behalten sollte, so gut wie seinen Magen oder seine fünf Sinns, woher denn bei unfern Kindern und unserem jüngeren Geschlecht überhaupt diese rapide Zunahme eines Leidens, das früher viel, viel seltener war und auch jetzt noch nach meinen Beobachtungen die älteren und ganz alten Personen hier wie im oberen Enztal viel mehr verschont gelassen hat? Nach Zusammenstellungen von H. Kümmel ergaben die Untersuchungen bei Schulkindern sowohl als bei Soldaten in den verschiedensten Kulturländern, daß jetzt über 90 °/» aller Personen mit Zahnfäule
behaftet sind, während bei Naturvölkern, Eskimos, Indianern rc. nur 2—12 °/° daran leiden. Woher diese Entartung mitten in unserer hochgepriesenen fortschreitenden Kultur?
Der Ursachen sind es verschiedene. Sie liegen zum Teil in Einflüssen, die das Kind schon im Mutterleibe treffen; nach der Geburt aber sind es eine Reihe schlechter und falscher Lebensgewohnheiten, die bei unfern Kulturvölkern herrschen, zumeist aber die falsche unzweckmäßige Ernährung, unter der nicht nur andere Organe des Körpers, sondern vor allem die Zähne notleiden.
Wenn die Mutter oder gar beide Eltern blutarm, tuberkulös, syphilitisch sind oder sonst an einer zehrenden Krankheit leiden, so kann' es nicht Wunder nehmen, daß nicht nur ihre eigene Zähne schadhaft werden, sondern auch die Kinder schwächlich zur Welt kommen und in allen ihren Organanlagen, in Gehirn und Nerven, in der Blutzusammensetzung wie in der Bildung der Zadnkeime geschädigt werden. Esrist deshalb notwendig, daß angehende Eheleute vor der Heirat, ihrer Pflichten gegen die N alch k o m m en s ch a ft bewußt, sich wohl überlegen, ob sie ihrer Körperverfaffnng nach dazu geeignet sind, ein gesundes neuesGeschlecht hervorzubringen, und deshalb sollte man die oben genannten und andere Krankheiten frühzeitig behandeln lassen und möglichste heilen suchen, wenn dies auch leider'oft nur teilweise geht und damit ihre Einwirkungen aus die Nachkommenschaft oft nur zum Teil sich ausschalten lassen.
(FortsehunMolgt.)
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