ber streitbare Kaplan Wrttcrlv die Tribüne erstieg und nochmals daö erlahmte Interesse des Hauses entfachte, in­dem er verlangte, das Regieren von Berlin aus müsse auf­hören.Unser Verbrechen ist es, daß wir einmal Franzosen gewesen sind". Ihm erwiderte Staatssekretär Zorn von Bula ch. Nachdem auch noch der polnische Graf Mielz >> nski für Elsaß-Lothringen die volle Autonomie veilangt hatte, wurde ein Schlußantrag angenommen und die Vorlage einer 28gliedr>gcn Kommission überwiesen.

*

Ein politisches Gespräch.

In einem Artikel behanid-elt Friedrich Nau mann in seiner packenden Art die Frage:Was kön­nen wir tun?" Tabes sticht er folgendes Gefprä ch mir dem Leser ein:

Ith : Was tun Sie eigentlich für den Sieg der deut­schen Linken?

Er: Ich interessiere mich dafür.

Ich: Tas ist zu wenig!

Er: Ich lese ein gesinnnngstreueS Black.

Ich: Auch das ist noch keilte Heldenleistung!

Er: Ich Wülste, wie d'e Partei es verlangt.

Ich: Bei welchen Walstvernmnilringen haben Sie mit- geholfen?

Er: Was soll ich dabei tun?

Ich: Sie sollen.' alle Ihre Bekannten und Kollegen nrit- b ringen.

Er: Tas werde ich tun.

Ich: Sie sollen in der Versammlung einige Tische zur M itgliederwerbu ng über nehmen.

Er: Tas ist nicht leicht.

Ich: Sie tun damS den Lenien eine Wohltat!

Er: Inwiefern?

Ich: Indem Sie ihnen Leibringen, sich irgendwie an der Weltgeschichte zu beteiligen.

.Er: Und was kann ich must noch tnn?

Ist: Sie könnten in Ihrer Stube einen Lernen Abend kür politische Mesinmmgspslege einrichten.

Er: Und sonst?

Ich: Später wird man S-e in den Vorstand 'wählen und zu Parteitagen sichicken, denn es fehlt an tüchtigen Leuten.

Er: Und der Zweck von dem allen?

Ich: 'Ter Zweck ist der S-e.g der deutschen Linken! Der entsteht durch hunderitauwnd 'solcher persönlichen Ent­schlüsse.

Als praktische dUchanwendnng knüpft Naumann an das Gefvräch den Rat, sich denn wächiken Fortschritt- ? i ch e n V o l k sP e r ei n als Mitglied zu melden.

Ausland.

Eharbin, 29. Jan. In den letzten 48 Stunden sind hier 40 Personen, unter ihnen ein Europäer, an Pest gestorben. Im Chinesenviertel Fundsiadien starben wäh­rend dieser Zeit 149 Chinesen. Auch in der Mandsch n- rci fordert die Pest noch immer zahlreiche Opfer.

T ie Leichen nrüssen verbrannt werden, weil' der Boden so hart gefroren ist, de..'; nicht einmal mit Dynamit Äradsr hergestellt werden können.

Württemberg.

Born württembergischen Landtag.

Stuttgart, 28. Januar.

Präsident Payer eröffnet ö. Uhr die Sitzung. Am Re­gierungstisch: Ministerpräsident von Weizsäcker, Minister des Innern von Pischek, Finanz,ninister von Geßler, Kult- minister von Fleischhauer, Justizminister von Schmid- lin und Kriegsminister von Marchtaler.

Ein Antrag des Amtsgerichts Ehingen aus rechtliche Ver­folgung des Mg. Dr. Nübling (BK.) wegen .Körperverletz­ung (Große .Heiterkeit!) wird dem Eeschäftsordnungsausschuß überwiesen.

Sodann wird mit der

General-ebatte zum Etat

scrtgesahren.

Abg. Häffner (D. P): Anzncrkennen 'ei die Besserung, die der Etat aupveise. Er halte es sür erforderlich, daß alle sonstigen Reformen sich zunächst unterordnen müssen der Frage der Gehalrsreform. Trotzdem enthalte der Etat eine Reihe von Mchrforderungrn sür einzelne Etatsabschnitte. Auf der anderen Seite bedauere auch er, daß einzelne Forderungen wegen der finanziellen Lage nicht verwirklicht werden konnten. Zu bedauern sei insbesondere, daß die Wegordnung wiederum zurück- gestellt werden mußte. Hoffentlich werde aber die Wegordnung dem nächsten Etat vorgelegt. Begrüßt habe man es, daß daS Körperschastspensionsgesetz demnächst fertiggestcllt sein wird. In der Erklärung der Regierung bezüglich der Reichsfinanz- rcsorm sehe man nur die Erwartung, daß jetzt die Bundes­staaten vor einer weiteren Belastung verschont bleiben. Seine Partei stehe auf dem Standpunkt, den schon der Mg. Lie- s ch i n g vertreten habe, daß die Befriedigung der Bedürfnisse des Reiches die Folge jeder Finanzreform gewesen wäre. Daß die Reform deshalb aber eine gerechte, eine ideale, in . dem, Sinne, wie wir den Begriff gerecht auffassen, ist, können wir nach wie vor nicht anerkennen. Dankenswert sei die an­gestrebte Vereinfachung des Etats. Im Etat seien sodann wie­deruni die Mittel sür die Tierärztliche Hochschule vor­handen. Seine Freunde seien auch nicht gegen diese Mittel, da Rücksicht auf die bestehenden Verhältnisse geübt werden müsse. Redner tadelt es in seinen weiteren Ausführungen, daß die Bezirksbeamten «ich für einzelne Erwerbsgesellschaften und damit gegen andere aussprechen. Selbstverständlich sei es, daß seine Partei bei der Unterstützung der Weingärtner Mitarbeiten werde. Erfreulich sei weiter, daß trotz der Gehaltsregulierung es in der Derkehrsverwaltung möglich war, eine Verbesserung der Dienst- und Ruhezeit durchzuführen. Er hoffe, daß die günsti­gen Erfahrungen bei der Staatswagengemeinschaft den Mi­nisterpräsidenten veranlassen werden, mit seinen Bestrebungen aus Vereinfachung des Betriebes der deutschen Eisenbahnen fort- zufahren. Er teile die Befürchtungen des Abg. v. Kiene nicht, daß durch das Postmarkenabkommen di« württembergischen Post- Privilegien gefährdet sind. Wenn diese Privilegien jemals ge­fährdet werden würden, ko würde dies nur durch die finanzielle Lage geschehen. Di« Einkommensteuer sei das Rückgrat der württembergischen Finanzen. Die Notwendigkeit der Gehalts­erhöhung erkenne auch seine Partei an. Man sei deshalb ent- . schlossen, auf der dem Hause unterbreiteten Grundlage zu Gun­sten aller Beamten einschl. auch der Altpensionäre, mitzuar­beiten. Bedauerlich sei hiebei, daß nicht gleichzeitig die Denk­schrift über die Staatsvereinfachung vorgelegt sei, um zu sehen, lote groß der Ausgleich sür die weitgehende Neubelasrung ist. Begrüßen wolle er die Aushebung des Geheimen Rats. Die vorhandene Teuerung sei wohl als eine dauernde zu betrachten. So sehr er sonst mit den Ausführungen des Abg. Liesching ein­

verstanden sei, so könne er doch nichr anerkennen, daß die Zo.l gesetzgebung eine Ursache der Teuerung und damit der erforder­lichen Gehaltsaufbesserung ist. Man könne doch beobachten, daß seit dein Bestehen der neuen Handelsverträge die Preise ge­stiegen und gefallen sind. Auch er wünsche ein gemeinsames Eintreten der Parteien sür die Gehaltsvorlage. Ob sich das erreichen lasse, müsse man abwarten. Bon der Lösung der Deckungssrage werde es abhängen, ob die Gehaltserhöhung mit mehr oder weniger Geduld getragen werde. Nach wie vor müsse man in erster Linie auf die Steuerkraft Rücksicht neh­men. Sodann lassen sich die neuen Lasten nicht allein durch direkte Steuern decken. Keine Bedenken habe man gegen die Zuschläge zur ReichserbschastSsteuer. Dagegen habe man er­hebliche Bedenken gegen die Erhöhung des Umsatzstcuersatzes. An sich sei diese Steuer in Württemberg schon nicht ideal ein­gerichtet. Dazu komme, daß auch das Reich diesen Stempel erhöht habe. Rechne man hier altes zusammen, so komme man zu einer recht beträchtlichen Belastung. Auch bei der Staats lotterte fehle eS in den Reihen seiner Partei nicht au Bedenken. Die Notwendigkeit dieser Staatslotterie sei gewiß bedauerlich. Aber die moralischen Bedenken fallen doch nicht so schwer ins Gewicht, da man Staatslotterien schon in an­dere» Staaten chibe. Daß eine besonders große Erhöhung der Spielwut cintreten werde, sii nicht anzunchmen. Eine e n d - giltigc Stellungnahme wolle er jedoch noch nicht nehmen. Redner schließt mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß es ge­lingen möge, eine gerechte Verteilung der neuen Lasten herbei- znsührcn. Bravo! in der Deutschen Partei.)

Abg. Keil (Toz.Die Thronrede rege gleich in ihren, An­fänge zu einem Vergleiche an. In der preußischen Thronrede sei gesagt worden vor einem Jahre, daß je demokratischer ein Wahlrecht ist, uni so mehr die parlamentarischen Sitten ver­pacht werden. Die württ. Thronrede erkenne aber die Arbeit des demokratischen württ. Landtags an. Der König Württem­bergs 'cheine also nicht von einerVerflachung und Verroh­ung der politischen Sitten" überzeugt zu sein, auch der Ministcr- präadcnt nicht. Demnach müßte auch der parlamentarische Ton in Preußen der feinste sein. -Heiterkeit!!, denn dort entfern« man sich am weitesten von einem demokratischen Wahlrecht. (Zuruf: Hoffman» N. Es ist doch wohl noch nirgends vorge- tommen, daß ein Präsident in der Verhandlung sagt, er nehme einen Abgeordneten nicht ernst! Im Interesse des guten Tons sei gerade zu wünschen, daß auch Preußen der fortschrittlichen. Entwicklung Rechnung trage. Man müsse auch sagen, daß die Parteien der Rechten sich anders verhalten hätten bei der Reichs- sinanzrcsorm, wenn sie nicht einen so starken Stützpunkt in dem preußischen Dreiklassenwahlrecht gehabt hätten. Es sei zu wün'chen, daß Württemberg alles tue, um auf eine fort- schrittlickie Entwicklung im Reiche binzuwirken. Württemberg hätte darauf hinwirken müssen, daß sich die neue Verfassung in Elsaß- Lothringen nicht so weit von denen der anderen süddeutschen Staaten entferne. Das hat man aber nicht getan, (v. Weiz­säcker nickt). . Der Herr Ministerpräsident bestätigt das. Der Minister habe die Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse betont, das habe sich aber vornehmlich nur bei den Großbanken, den Großindustriellen und bei den Großgrundbesitzer» gezeigt. (Widerspruch rechts!) Dagegen müssen die Arbeiter schwere Kämpfe führen um I oder 2 Pfg. mehr pro Stunde. Der Ab­stand zwischen Luxus und Arbeit sei niemals so groß gewesen, wie gerade jetzt. Es wolle scheinen, als ob die Vorurteils­losigkeit der süddeutschen Regierungen gegenüber der Arbeiter­bewegung im Abnehmen begriffen sei. Bet dem Kampfe in Pforz­heim hatten auch die 'in-Frage kommenden .Gemeinden Württem­bergs 'ich Uebergriffc erlaubt. Das -Ltreikpostenstehen wurde in Enzberg verboten, später allerdings wieder erlaubt. Schlim­mer' sei eS noch mit den Vorgängen in Schwenningen und Reckarsulm. Früher habe Mattutat die größere soziale Ge­rechtigkeit der württ. Justiz anerkannt. .Heute könne er, dies Urteil nicht wiederholen. Redner geht dann auf einen Aus­stand in Schwenningen näher ein. Es regnete dort wegen der geringste,! Bemerkungen Strafen. 27 verfügte Strafen mußten später wieder aufgehoben werden! (Hört, hört!) Dagegen konnten sich die Arbeitswilligen so ziemlich alles erlauben. Bon 60 Klagen mußten trotz des besten Willens des Gerichtes, eine Verurteilung zu erzielen, 40 Freisprechungen erfolgen. Daß eine Absicht aus Verurteilung Vortag, möge daraus hervorgcheu, daß eine Frau einen Arbeiter, allerdings in singenden, Tone, einenArbeitswilligen" genannt hatte, 'Heiterkeit!) Schon das Begleiten der Arbeitswilligen wurde von dem Staatsanwalt als ein Verbrechen angesehen. Wegen kleiner Vergehen wurden Arbeiter wie Schwerverbrecher nach Rvttwcil abgeführt. Sodann die Vorgänge in Neckar­sulm! Auch hier hätten die Arbeiter alles für den Frieden getan. In einem Fall« sei nicht der Messerstecher, ein Arbeits­williger, bestraft, sondern noch als Kronzeuge vor Gericht ge­laden! Der Verletzte mußte wochenlang in Untersuchungshaft sitzen, wurde dann aber am zweiten Berhandlungstage freigc- sprochen. (Zuruf: Wie in Moabit!) Ebenso mußten andere Wochen und Monat« laug in Untersuchungshaft sitzen. Wegen kleiner Vergehen wurden die härtesten Strafen verhängt. Hätten Studenten Scheiben eingeworfen, dann würden sie nidA den zehnten Teil der Strafe erhalten haben. Redner geht dann auf den bekannten Militärprozeß G r a,m m ein. Dem Oberleutnant Gramm habe man es geradezu zur Last gelegt, daß er human war auch gegenüber dem gemeinen Soldaten. Was man hier beobachten konnte, spreche nicht dafür, daß die Armee eine Bildungsanstalt ist. Gleich nach dem Eintritt des preußischen Hauptmanns Weller wurde kräftig geschimpft. Als Gramm sich dagegen wehrte, wurden seine Qualifikationen schlech­ter. Die Mli'tärbehörde habe sich bei diesem Prozeß eine ge­radezu aufsehenerregende Blöße gegeben. Zwei dutzeud Zeugen hätten über geradezu virtuosenhafte Beschimpfungen gemeinster Art bekundet. Ein Leutnant, der sich über die Behandlung eines Mannes beschwerte, wurde gezwungen, seine Beschwerde zurück­zu,ichmen. (Hort, hört!) Der Staatsanwalt habe oben­drein den Hauptmann Weller in Schutz ge­nommen, obwohl sich dieser die gemeinsten Beschimpfungen der Mannschaften erlaubte, und denjenigen Mannschaften, die Weller belasteten, unter ihren, Eide schwere Borwürfe machte. (Hört, hört!) Weller habe unter seinem Eide gesagt, er habe sich keine Beleidigungen zu schulden kommen lassen. Entweder habe Weller einen Meineid geleistet, oder er sah Ueußerungen wie Borstenvieh, Schweinevieh, als Beleidigungen nicht an. Eine Arbeiterfrau wurde wegen der AeußcrungArbeitswilliger" ver­urteilt, einem .Hauptmann geschieht dagegen garnichts, obwohl er sich die schwersten Beleidigungen von Söhnen des Landes kommen ließ. Was habe der Kriegsminister dazu zu sagen? Solche Vorgänge beweisen, daß auch Württemberg eine Klassenjustiz lprb«. Redqer geht dann kurz auf die Er­gebnisse der letzten Volkszählung ein. Man habe eine Fleisch­te u c r u n g. Die württembergische Regierung habe wenigstens sür eine teilweise Grenzöffnung gesorgt. Zu bedauern ist, daß die Regierung nicht weiter gegangen ist und daß sie insbesondere nicht für eine zeitweilige Aufhebung der Zölle cingctreten ist. Vielleicht habe die Regierung vor der Rechten Angst gehabt! (Zurufe des Abg. Körner). Das französisch« Vieh könne das deutsche nicht verseuchen, denn der Osten Deutschlands sei viel verseuchter als der Westen. Es handle sich auch nicht, um die Verseuchung, sondern es handle sich sür die Agrarier um die einseitigste und kurzsichtigste Jnteressenpoli- tik, der sich die Regierung nicht beugen dürfe, wenn sie-nicht das Wohl des Volkes schwer schädigen wolle. Für die Arbeiter tue der Bauernbund nichts! (Schrempf: Unwahr!) Die Ar­beiter leiden ganz besonders unter der agrarischen Hochschutzzoll­politik. (Ständige Zwischenrufe des Abg. Körner. Glocke des Präsidenten). Die Regierung habe die Flctschproduktion nach jeder Richtung zu heben. Dazu gehöre auch die Aufhebung der Futterzölle, auch die Aufhebung der hohen Ge­treidezölle. Die höhen Zölle kämen ja nur dem Großgrund­besitz zugute. (Widerspruch rechts!) Vielleicht könne die Re­gierung Erhebungen darüber anstelle», in welchem Maße die Zölle dem Groß-, Mittel- und Kleingrundbesitz zugute kommen. Geregelt sollte auch werden die Frage der Milchversorg­ung der großen Städte. An der Neckarkanalisierung seien alle Schichten interessiert. Diese Kulturaufgabe werde ver­mindert durch die preußische Stromzollpolitik. Allerdings stehen

die preußischen Aussichten schlecht da. Zuruf von rechts: Lei der!) Württemberg sollte deshalb nicht alles auf die eine Karte der Schiffahrtsabgaden setzen. Vielleicht stellt es sich doch noch, heraus, daß diejenigen, die ihre Hoffnungen auf die Schiffahrts- abgabcu setzten, die blamierten Europäer sind. Was den Eta, anbelange, 'o sei die sparsame Aufstellung desselben erfreulich. Bedauerlich sei, daß manche dringenden Aufgaben aus siua», zielten Gründen zurückgestcllt wurden. Der Minister habe jetzt die höheren Sätze bei der Einkommensteuer ohne weiteres eh,, gestellt. So sei das vor 2 Jahren nicht gemeint gewesen. W habe sich jetzt herausgestellt, daß man auch ohne die öprozcntige, '' Stcuererhöhung -ausgekommen wäre. Man werde künftigoch vorsichtiger bei Steuererhöhungen sein müssen. Eine Ent­schuldigung habe der Finanzminister durch die Beamtenaus- besserung. Nicht richtig sei die Behauptung der Regierung, daß die letzte durchgreifende Besserung der Bcamtengehälter ch, Jahre lSOI erfolgt sei. Auch 1M7 habe man der Beamte,, nachdrücklich gedacht. Hoffentlich geling« dem Ministerpräsiden­ten, recht viele Zöpfe abzuschneiden. Schade, daß diese Zöps-> immer erst so alt werden, ehe sic abgeschnitten werden. Bis jetzt wolle inan nur den einen Zopf den Geheimen Rat - abschnciden. Die Aufhebung einzelner Dienststellen wäre leichter und einfacher, wen» alle Abgeordneten durch den Proporz gewählt würden. Seine Fraktion sei bereit, die Vorschläge der Regierung ernst und gewissenhaft zu prüfen. Man dürfe aber ' nicht vergessen, daß die übrige Bevölkerung noch mehr unter der Teuerung zu leiden haben als die Beamten. Das müsse bei der- Deckungsfragc beachtet werden. Es falle ihn, nicht ein, jede Revision der höheren Gehalte abzulchnen. Es

scheine ihm aber schon jetzt, daß sehr mit ungleichem Maße gemessen wurde, oben mit Scheffeln, unten mit Theelöffelu., Die Gehalte mit weniger als 1000 Mark sollten ganz aus dem Etat verlchwinden. Ein Vergleich mit dem Reiche sei nicht

angebracht. Auch der Vergleich mit den Gehalten in der Pri- vatindustrie sei nicht angebracht. Selbst akademisch gebildete Angestellte würden hier nicht besser behandelt als die Lohn­arbeiter. Pension, Ansehen, Rechtsstellung usw. alles das genieße nicht der Prioatbeamtc. Da. wo die Not am größte« sei, müsse am meisten geholfen werden. Er sei jedoch nicht prinzipiell gegen die Aufbesserung xder höheren Beamte». . Redner geht hier auf eine Reihe von Aufbesserungen im ein­zelnen rin. ^Zei der Ausbesserung der Geistlichen werde man , zurückhaltend ,eiu. Man wolle es aber nicht so machen, wie ! ein früherer Redner, der einst die Volksschullehrer auf de» ! Gotteslohn verwies. Auch hier habe die Reg'ierung eine be­dauerliche Zurücksetzung der Arbeiter erkennen lassen. Die Er­höhung der Umsatzsteuer sei eine harte Maßnahme, mit der man nichr ohne tveiteres einverstanden sei. Ebenso müsse man sich auch die Sportclerhöhüng näher ansehcu. Er sehe nicht s ein. weshalb man aus dcsr R e i ch s e r b s ch a f t s st e u e r für s Württemberg nicht größere Beträge ziehen wolle. Er gebe ! die Anregung auf Einreichung einer Vorlage auf Be- ! steucrung der Erbschaften an Deszendenten. Es ließe sich hier ! ein Betrag von mehr als 2 Millionen herausholen. Wenn i di,^ Regierung mit der Staatslotterie komme, so zeige ! das, daß sic mit ihrem Stenerlatein zu Ende sei. Die Kirche : habe «inen guten Mage», sie könne auch Lotteriegeldcr ver- ' tragen. Bei dem Staat würde das etwas anderes sein. Der Staat habe die Bevölkerung vor Versuchungen zu wahren. (Sehr richtig!) Bezüglich der Reichsfinanzreform und ihrer Ergebnisse 'cheine man allein an den gefüllten Geldbeutel zu denken. A sei so wie bei einem Falschspieler, bei dem es sich allen; uni das gewonnene Geld handle.

Präsident Payer bittet, solche Vergleiche zu Untertassen.

Abg. Keil (Soz.) ff.: Er habe kein Dlztglied der Regierung als Falschspieler bezeichnen wollen. Trotzdem sei doch daS ge­wünschte Geld nicht eingekommen. Die württembergische Re­gierung solle sich auch fragen, ob dis Entwicklung der Mihi- s tär lasten nicht zu einem finanziellen Zusammenbruch fuhren ? müsse. Die Kultzuraufgabeu wwürden dabei immer mehr zu- rückgcdrängt. Dis Sozialdemokratie wolle, daß die Gesetzgebung wahrer Freiheit und wahren, Wohlstände cntgegenkomme. (Bravo! linkö.)

Ministerpräsident von Weizsäcker will auf Einzelheiten spä­ter noch entgehen. Bezüglich Elsaß-Lothringens kabv s es ihn überrascht, daß nian gerade ans der linken Seite mit dxm s

Verfassungsgesetz für Elsaß-Lothringen nicht zufrieden sei. EL ! handle sich, hier doch im großen Ganzen mn das allgemein« Wahlrecht. Pi« Modifikationen gegenüber dem Reichstagswahh recht, wie sic die verbündeten Regierungen vorgenommen haben, seien durch die besonderen Verhältnisse Elsaß-Lothringens durchaus berechtigt. Im Zusammenhang hiermit habe Keil ge­sagt, daß in Preußen die parlamentarischen Sitten nicht die feinsten sind. Solche Bemerkungen hatte er natürlich nicht ini Auge, als er vor einigen Tagen sich über die Art und Weise dieser Verhandlungen ausspracb. Er möchte nicht sehen, wel­chen Eindruck solche Bemerkungen in Württemberg machen wür de», wenn sie in Preußen gefallen wären. (Sehr richtig! rechts.! j

Abg. Kraut (BK.): Keil hätte auch daran denken solle», daß das Verhalten der preußischen Sozialdemokraten ein an­deres rst wie das der württembergischen. (Sehr richtig!) Arö-. chcrs Bemerkung gegenüber Hoffmanw fei doch wohl eine scherz­hafte getve-sen. Es habe gewiß kein Anlaß Vorgelegen, über den Präsidenten in gröblicher Weise herzufaklen. Preußen sei unter seiner jetzigen Verfassung groß und stark geworden. KeilS Bemerkungen über das Wohlergehen der Landwirtschaft zeigten^, daß er keine Ahnung davon habe. Die Verhältnisse der Land­wirtschaft seiet, vielmehr im letzten Jahre so trostlos gewesen, daß große und kleine Landwirte sich kaum über Wasser halte» konnten. Die Arbeiterschaft sei von dem steigenden Wohlüande' durchaus nicht ausgeschlossen. Auf die Einzelheiten der Aus­führungen Ltzeils bezüglich Schwenningen und Neckarsulm wolle er nicht entgehen. Aber Moabit habe doch gezeigt, daß die Streikenden keine Lämmlein sind. (Heiterkeit!) Protestiere» müsse er gegen die Vorwürfe, gegen den württembergischen Rich­terstand. (von Kiene: Sehr richtig!) Nachdem die Besprechung von Soldaten-Mßhandlnngen im Reichstage nicht mehr ziehe, wolle man diese Debatten offenbar in den Landtag verpflanzen,

Die Soldatenmißhandlungen seien doch im Rückgänge begriffen. Erfreulich sei, daß zwei Minister offen die Bedeutung der Reichs- fiNanzreform anerkannt hätten, nur sei diese Anerkennung reich­lich spät gekommen. (Sehr richtig! im Zentrum.) Jetzt wür­den schon Versuche gemacht, diese Aeußerungen abzuschwächeu.

Es sei zugegeben, daß die Reform nicht ideal) sei. (Hört, hört! links.) Aber ideal sei keine Steuervorlage.

Keil habe gemeint, die Ausführungen der Minister zur Finanz­reform bedeuten eine Verbeugung nach rechts. Gönnen Sie uns das doch. (Heiterkeit!) In der Rege! bekommen wir doch nur die halbe oder ganze Kehrseite der Herren zu sehen. (Er­neute große Heiterkeit!) Herr Liesching könne doch nicht ver­langen, daß die Minister nur vor ihm und seiner Partei Ver­beugungen machen. Richtig sei jedenfalls, daß eine Besserung trotz Rcichsfinanzreform eingetreten ist. Redner geht dann auf einzelne Fragen des Etats ein. Auch er vermisse eine Vor­lage, die den Gemeinden neue Steuerquellen verschaffe. Brr dem Etat des Innern vermisse er die Mitteilung über die Er­gebnisse über die Stuttgarter Polizei. Angeblich hätten sich da ganz schauerliche Zustände herausgestcllt. Hört, hört! rechts.) Was für die Bildung ausgegeben werbe, sei eine rentable Anlage. (Liesching: Auf dem Lande hört man'» an­ders!) Bitte sehr: Wir sprechen nicht mit zwei Zungen. Was wir hier sagen, sprechen wir auch auf dem Lande anS- (Haußmann: Sie gehen ja garnicht aufs Land hinaus! Heiter­keit!) Das. Tempo der Herstellung neuer Schulgebäude könnte noch mehr' der Leistungsfähigkeit der Gemeinden angepaßt wer­den. Erwünscht fei sodann, ob die maschinentechnische Schn!« nach Eßlingen komme oder nicht. Die Sparsamkeit im Ber­kehrsmini sterium müsse man anerkennen. Bei dem großen Be­darf an neuen Mitteln, frage es sich, ob man nicht an eim! weitere Tariferhöhung denken wolle. Vermißt Hab« er die Restm.tt,: im Etat. Mit einer so hohen Forderung bek der Gehaltsregulicrung habe wohl niemand gedacht. Die Not­wendigkeit der Aufbesserung anerkenne auch seine Partei, Et freue sich, daß Geistliche und Lehrer nicht zurückstehen brauchen.

Die Deckungsfrage sei jedoch das allerwichtigsk. Sdach