Deutsches Reich.

Gegen den Luxus der Einjährig-Frei­willigen.

Aus unserem Leserkreis erhalten wir folgende Zu­schrift :

In den letzten Wochen ging die Nachricht durch die Presse, daß der preußische Kriegs minister Veranlassung genommen habe, sämtliche Truppenbefehlshaber auf den Luxus und die ungemein hohen Ausgaben der Einjahrig- Freiwilligen und Reserveoffiziersaspiranten aufmerksam zu machen. Der Kriegsminister wird sich mit dieser Kund­gebung gewiß auch den Dank vieler Väter von militär­pflichtigen Söhnen erworben haben, denn manche Erspar­nisse, um die sich ein fleißiger und sparsamer Vater sein ganzes Leben hindurch geplagt hat, sind von seinem Ein- jährigensprößling in einem Jahr verpulvert worden. Lu­xus und Wohlleben stecken bekanntlich an und verleiten auch diejenigen zu Mehrausgaben, welche sonst sparsam sind und das Sparen nötig haben.

Das an das Lichtziehen dieser unguten und unge­sunden Verhältnisse ruft aber auch auf der anderen Seite den Gedanken der Ungerechtigkeit dieser exponierten Ein­richtung wach, welche in direktem Widerspruch zu unserer deutschen allgemeinen und gleichen Heerespflicht steht. Tie ganze Einrichtung ist eine Fortsetzung des frühe­ren Loskaufssystems und heute wie damals eine ganz besondere Begünstigung der besitzenden Klassen, welche vom demokratischen Standpunkt aus mit allen Mitteln zu bekämpfen ist.

Auf der einen Seite muß diese Ausnahmestellung bei den mittleren und unteren Klassen, unter denen es heute noch, wie zu allen Zeiten hervorragend begabte und in­telligente Menschen gibt, den Gedanken der Hintansetz­ung und demzufolge eine gewisse Verbitterung hervor-j rufen, auf der anderen Seite aber wirkt dieselbe sehr ungünstig, auf unser Erwerbsleben und auf unsere kom­munalen und staatlichen Verhältnisse. Bekanntlich neh­men gegenwärtig die besseren Gewerbe, Banken, Groß- kaufleute usw. nur noch Lehrlinge mit dem Reifezeugnis für den Einjährigfreiwilligendienst; die gleichen Beding­ungen stellen die Verwaltungs- und niederen Finanzbe- hörden. Durch diese Maßregel sind nicht nur alle Mit­telschüler und die Schüler der unteren Latein- und Real­klassen von den sogenannten besseren Gewerbeständen aus­geschlossen, sondern es steht auch die Tatsache in Aus­sicht, daß in absehbarer Zeit sämtliche Amtsstellen un­seres Kommunal- und Staatsdienstes nur noch von den Söhnen reicher und begüterter Eltern besetzt werden kön­nen. Daß diese staatl. Maßregel für unsere nachfolgen­den Geschlechter ein besonders günstiges Omen bedeutet, wird schon deshalb angezweifelt werden müssen, weil Reich­tum und Geld nicht immer auch Verstand mitbringen.

Wir können Fälle genug aufzählen, daß aus dem niederen Volke schon die größten Männer hervorgegangen sind und wir besitzen heute eine schöne Zahl ganz hervor­ragender Beamten, welche in ihrer Jugend nur die Volks­schule besucht haben.

Was den Einjährigendienst selbst anlangt, so wird kein gedienter Soldat bei seiner Entlassung die Ueber- zeugung mit nach Hause nehmen, daß die Einjährigen seines Regiments gerade die besten Soldaten waren.

Datum weg mit dem Einjährigen-System. Man re­duziere die aktive Dienstzeit soweit wie möglich, 1820 Monate genügen bei der Infanterie und den reichen jungen Herren schadet es ganz gewiß nichts, wenn sie mit und neben ihren weniger bemittelten Kameraden so lange in der Kaserne stecken. Sie lernen dann unter allen Um­ständen etwas Bescheidenheit, statt Geld verschwenden und das hat noch keinem Menschen etwas geschadet. Und wenn die Herren absolut Geld totschlagen wollen, ist auch da die Gelegenheit günstig. Dabei sind sie gezwungen, sich ihren Kameraden näher anzuschließen, was für einen rich­tigen Feldsoldatengeist unbedingt erforderlich ist.

Wer einem Fremdling nicht sich freundlich mag erweisen. Der war wohl selber nie in fremdem Land auf Reisen

Friede. Rückert.

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Gipfelstürmer."

Roman von Carl Tonte Scayinelli.

82j (Nachdruck verboten.)

k (Fortsetzung.)

Stumm schritten sie nebeneinander hin, plötzlich sagte Herta:Sie hat dich recht lieb gehabt und große Stücke ans dich gehalten. Noch am letzten Tag sprach sie von Dir behalte sie in gutem Andenken!" Dann traten auch ihr bei dieser Erinnerung die Tränen in die dlugen.

Er schlang seinen Arm in den ihren, wie um sie zu stützen und zu trösten. - Sie gewährte es ihm.

Sie hatte ja niemanden mehr aus der Welt als ihn, niemanden zum Fürchten, niemanden zum Lieben.

Nun standen sie vor der Mutter Grab. Engum­schlungen, -- stumm faltete Herta die Hände, er folgte ihrem Beispiel.

Eine ganze Weile mochten sie so gestanden sein, dann sagte .Herta:Rosen waren ihre Lieblingsblumen, drum Hab' ich ihr diese heute mitgebracht!"

Dann entfernten sie sich wieder langsam^ Ter Schwarm der Besucher hatte sich allmählich verlaufen, nur einige Nachzügler trieben sich noch am Friedhof herum.

Darf ich dich heute nachmittags ein wenig spazieren führen, Herta, die Sonne scheint so goldig, das wird dir gut tun!"

Ich weiß nicht, ob ich darf?!" Sie sah ihn an und schien dabei irgendeine Erklärung zu erwarten.

Er aber hagle nur:Du darfst, Herta, du darfst. Heut hätte dich deine Mutter auch mit mir über die blühenden Wiesen geschickt!"

Sie schritten den Weg gegen Moosach zu, über Fel­der und Wiesen. Lau wehte von Nymphenburg her die Frühlingsluft, fest hängte er sich in ihren Arm.

Es war, als nähmen ihnen die glitzernde Sonne dort oben, der laue Frnblingswind, die Blümelein am Weg ihre Trauer, ihren Kummer.

Diejenigen, welche nach ihrer aktiven 'Dienstzeit durch ein zu absolvierendes Examen ihre Tüchtigkeit praktisch und theoretisch Nachweisen, können auch Reserveunter­offiziere und -Offiziere werden, dabei darf jedoch der Geld­beutel nicht in erster Linie maßgebend und kein Soldat ausgeschlossen sein. Daß wir unter solchen Verhältnissen eine Armee nachziehen würden, die an Kriegstüchtigkeit unserer heutigen in keiner Weise uachsteheu würde, daran ist nicht zu zweifeln. Denn, daß bei einem luxuriösen und verschwenderischen Leben physisch und moralisch ge­sunde Kriegssoldaten erzogen werden, ist ausgeschlossen.

Ein alter Soldat.

*

Ministerschub.

Der Rücktritt des Fina nz m i n i sters v. Rheinbaben

wird nun im preußischen Staatsanzeiger bekannt geinacht; gleichzeitig auch die Ernennung des Oberbürgermei­ster Lentze von Magdeburg zum F i n a n z m i n i st er. Der neue Finanzminister, der seit vier Jahren die Stadt Magdeburg im Herrenhanse vertritt und früher schon Mühl­hausen in Thüringen und dann Barmen, in welchen Städten er ebenfalls Oberbürgermeister war, im Herren­hanfe vertreten hat, gehört im Herrenhause zu der Neuen Partei, wird von einigen als gemäßigt-liberal bezeich­net, ist aber wohl eher als freikonservativ anzusehen. Gr ist Referent über den Etat im Herrenhause und hat erst bei der jüngsten Etatsdebatte die Rheinbabensche Etats­politik gegen die Kritik des Herrn v. Gwinner in Schutz genommen. Herr von Rheinbaben erhielt ein kai­serliches Handschreiben, ein Porträtbildnis und wird au­ßerdem das Oberpräsidinm der Rheinprovinzs bekommen. . Ter zurück,getretene Staatssekretär des Aus­wärtigen, .Freiherrn von Schön wird den Pariser B o tsch a ft er po st e n erhalten, der durch die in der­selben Pummer des Staatsanzeigers angezcigte Zuruhe­setzung des alten Fürsten Radolin freigeworden ist. Fürst Ra dolin ist bereits in Berlin eingetrofftn, ebenso der bisherige Gesandte am rumänischen Hof, Herr v. Ki­derl en-Wächter, der nunmehr an Stelle des Herrn v. Schön Staatssekretär der Auswärtigen geworden ist. Er ist ein geborener Württemoerger.

Handel mit Menschenfleisch.

In verschiedenen BlätternMünchener Zeitung", Regensburger Anzeiger" usw. war in den letzten Wochen folgendes Inserat zu lesen:

3 0 Kellnerinnen ges.

mon. 300 Mk. garan. auch Anfäug. Off. mit Bild unterSaison" Kissiugen.

Den Bewerberinnen, die auf das verlockende Angebot hereinfielen, ist darauf vom Stellenvermittlungs­bureau Schwein furt folgende hektographisch verviel­fältigte Antwort zugegangen:

Sehr geehrtes Fräulein!

Wir bestätigen den Eingang Ihrer Offerte unter Saison" nach Kissingen und teilen Ihnen mit, daß wir noch mehrere unbesetzte Stellen haben. Eine besonders gute haben wir vorläufig für Sie reserviert, bitten aber doch um Einsendung eines Bildes, oder um ganz genaue Beschreibung Ihres Aussehens, Wesens, Größe, Alter, Figur, Stärke, Zartheit, Busen usw., kurz Beschreibung Ihrer Person und Formen.

Für unsere Mühe verlangen wir 20 Mark, welche in zwei Maten gezahlt werden dürfen. 5 Mark sind sofort in Papiergeld oder Briefmarken der Antwort beiznsügen, der Rest in 4 Wochen nach Antritt der Stelle zu zahlen. Die Reise wird in den meisten Fällen (!) Vergütet. Legen Sie mehr Wert aus schnellen An­tritt oder aus Güte der Stelle, wenn auch diese erst in 2 bis 4 Wochen anzutreten sein sollte? Welche Art

Eine Freudigkeit kam über sie, ein Glück, sich end­lich wieder getroffen zu haben.

Hast du mich nicht erwartet, Herta, hast du mich nicht hergesehnt in den letzten, einsamen Wochen?"

Da ging eine Bewegung durch den schlanken Mäd- cheukörper, ihr Köpfchen errötete sich, die blonden Flech­ten erzitterten, wie sie den Kopf hob.

Ja, Max, ich habe gehofft, daß du kommst, ich Hab' dich ersehnt!"

Herta, meine Herta!" ries er, schon beugte er sich über sie, mitten auf freiem Felde gab er ihr einen' feierlichen Kuß.

Max, nicht, nicht wie damals!" bat sie.

Er aber rief:Die Toten dort sind unsere Zeugen. Heut wirst du meine Braut. O, ich habe gearbeitet um dich, ich habe gedient.um dich nun werde ich Proi- fessor, Herta!" jubelnd klang es, daß der freudige Mord auch sie mit wegriß, auch ihre Zweifel verdrängte.

Professor, du! Max, wie hast du's gemacht?!"

Nicht ich habe es gemacht, der dort im Blüten­sarg, der dort hat es gemacht!" rief er.

Und unwillkürlich richtete auch sie ihren Blick ge­gen die Friedhofecke, wo sie ihn vor kurzem zur Ruhe bestattet, als wollte sie dem Toten danken, daß er Max so geehrt.

Den lartten Dank ließ ihre Liebe, ihr Glück nicht aufkommen.

Eng, eng ineinander gehängt, liefen die beiden jun­gen Menschenkinder in den lachenden Frühling hinein, ins lachende Leben, die Trauer ließen sie zurück.

Tie Lerchen stiegen und trillerten, die Grillen zirp­ten und die Finken sangen in'den Aesten der blühenden Bäume im Dorfe Moosach ihr Brautlied.

Die leidenschaftliche Stärke ihrer ersten ausflammen- den Liebe, die für Monate zurückgedrängt gewesen, brach los. Nun, da sie sich gehörten, siel aller Ballast ab von ihnen, ein liebeglühendes Mägdelein war aus ihr, ein liebestoller Bursche aus ihm geworden. Es war, als wäre ihr Baronessenkrönlein von ihr gefallen, als wäre seine neue Würde ihm nie verliehen worden.

Sie wunderten weiter durch die Felder, den Ort

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5 MZD MHHWv fein, so läßt doch der ganze Brief auch nach anderer Richtung hin an Deutlichkeit nichts zu'wün­schen übrig. Unverhüllter ist der Handel mit Menschen- fleisch wohl noch nicht getrieben worden. Und unparteiische Und christliche Blätter leisten dem schamlosen Geschäfte noch Vorschub. Die Staatsanwaltschaft dürfte sich übrigens für dieses Stellenbureau sicher etwas näher in­teressieren.

*

Rorschach, 29. Juni. Ter See ist über Nacht noch weiter gestiegen; die Uferstraßen sind über­schwemmt. Dreizehn Ortschaften unterhalb Konstanz stehen seit dem 16. Juni ununterbrochen unter W a f s e r.

Ausland.

Der katholische Fußball.

Ans der Schweiz, 26. Juni. Wie die Absonder­ung der Katholiken von Andersgläubigen auf alle nur denkbare Weise betrieben wird, davon ist ein Vorfall, der sich jüngst in Arbon am Bodensee ereignete, wieder ein Beleg. Dort stellte der Vorsitzende des katholischen Jünglingvereins an die Gemeindeverwaltung das An­sinnen, um Ueberlaffung eines geeigneten Spielplatzes für einen katholischen Fußballklub. Das Gesuch wurde abgewiesen mit der Begründung, daß man die kon­fessionelle Trennung nicht auch noch aus Spiel- und Turnplätze ausdehnen wolle. Der in der Trennung der Konfessionen immer mehr zu tage tretende Eifer der ka­tholischen Geistlichkeit entspreche nicht den Ueberliefer- ungen in der Eidgenossenschaft und sei auch nicht dazu angetan, das von den Vätern überkommene Erbe des konfessionellen Friedens weiterhin zu bewahren.

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Saloniki, 29. Juni. Schewket Torghut Pasch a, der sich in Begleitung einer starken Eskorte von Djakova nach Prizrend begab, wurde unterwegs von Arnauten unter Hadschi Sadri aus einem Hinterhalt angegriffen. Tie Eskorte nahm sofort den Kamps mit den Arnauten auf, welche nach zwei Stunden gezwungen waren, sich zu ergeben, Der Arnautenführer Abdullah wurde aus dem Markte von Preschowa gehängt.

Württemberg.

Sienstnachrichte».

Die Pfarrei Hohenstadt, Dekanais Deggingeu ist dem dorlixea Pfarrverwescr Stephan Kriehmann verlieben und die lebens- lSngliche Anstellung der Lehrerin Emilie Kienle an der Frauen­arbeitsschule m Hendronn vom K. Gewerbs-Oberschulrat am 22. Juni d. I. bestängt worden.

Ans dem Landtag.

Ter Banordmmgsausschuft der Zweiten Kammer

beschäftigte sich weiterhin mit den abweichenden Beschlüs­sen der Ersten Kammer zur Bauordnung. Den An­trägen der Ersten Kammer in den Art. 3056 wurde fast durchweg zugestimmt. An Art. 57 Abs. 5 wurde dem von der Ersten Kammer nach dein Regierungsentwurs wieder aufgenommenen Satz:Im Dachraum sind in den Fällen des Abs. 1 Oeffnungen in der Abscheidung zwischen Wohn- und Scheuerraum in der Regel nicht zuznlaffen" mit 7 gegen 6 Stimmen (Schock, Hauser, Walter, Speth- Wangen, Jmmendörfer, Gras-Heidenheim) zugestimmt. Zu Art. 63 b, dem sog. Kunstparagraphen, beantragte Be-

zurücklassend und hatten sich so viel zu erzählen, hatten so viel 'zu beraten, so viel zu träumen und zu küssen, daß sie erst bei sinkender Sonne den Weg zur Stadt fanden.

Du kommst jetzt mit, zu meinem Onkel und Vor- nrund, er kennt dich längst aus Mamas Beschreibungen, er wird dich mit offenen Armen aufnehmen!"

Darf ich schon heute um dich anhatten, wird er mir nicht die Türe weisen?"

Nein, Max, nein. Er muß doch froh sein, der Sorge um meine Zpkunst los zu sein!"

Glaubst du? Ich habe Angst, Herta!"

Pfui, Feigling, dann laß mich sprechen!"

Nein, Kind, so ängstlich bin ich doch nicht, meine Frau will ich mir selber holen!"

Dann schau', wie du sie bekommst!" Und fachend sprang sie voraus.

Er lief ihr nach, haschte sie, hob sie doch zu den Lüften. '

So will ich dich auf Händen tragen!"

Aber ich will nicht so auf dich herabsehen!" meinte sie lachend.

.Dann fiel ihr plötzlich wieder ihre tote Mutter ein, und sie wurde einsilbig für eine Weile.

Was hast du, Herta?"

,^Fch dachte nur, db es sich schicke, so heiter zu sein, so glücklich zu werden, wenn man erst vor wenigen Wo­chen sein Mütterlein begraben."

Aber er brauchte sie nicht zu trösten, sie fand die Antwort selber, scheu, mit roten Wangen gestand sie es endlich:Die Mutter hat längst von unserer Liebe ge­ahnt, Max, es war ihr letzter Wunsch, daß wir' ein Paar würden, sie hat es Onkel Franz ans Hey gelegt."

Dann brauche.ich nicht mehr zu bangen, das danke ich deiner guten Mutter!"

Und Arm in Arm schritten sie der Stadt zu, Arin in Arm traten sie vor Onkel Franz, der sich freute, den letzten Wunsch seiner sterbenden Schwester erfüllt zn sehen. ' ^

(Fortsetzung folgt)