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Erzähler vom Schwarzwald.
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celelo« »r. 41.
Amtsblatt für die Stadt Wildbad.
Verkündigungsblatt
der Agl. Forstämter lvildbad, Meistern, Enzklösterle rc. während der Saison mit
amtl. Fremdenliste.
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Montag, den 14. Februar 1S1«.
27. Jahrg.
Der Kampf um das preußische Wahlrecht.
Zweiter Beratnngstag im Abgeordnetenhaus.
(kd.) Berlin, 11. Februar.
Ter zweite Tag der Wahlrechtsdebatte verlief viel ruhiger, infolgedessen aber auch weit weniger interessant als der erste. Er brachte zunächst zwei wichtige Erklärungen über die Haltung des Z en trums und der Freikonservativen. Abg. Herold, der Sprecher des 'Zentrums, ließ keinen Zweifel darüber, daß das Zentrum im Prinzip auch jetzt noch das Reichstagswahlrecht für Preußen fordert, also nicht nur die geheime, sondern auch die allgemein« Wahl. Ja, Herr Herold meint, es gehöre «ein gewisser Mut der Regierung dazu, eine Vorlage einzubringen, die nicht einmal das geheime Wahlrecht enthält. Aber — zum Schluß erklärt doch auch Herr Herold, daß an die Einführung des Reichstagswahlrechtes in Preußen in absehbarer Zeit nicht zu denken ser, und darum wird sich das Zentrum mit „einschneidenden Verbesserungen" an der gegenwärtigen Regierungsvorlage begnügen. Ob zu diesen „einschneidenden" Verbesserungen auch als eonckitio sine gua non das geheime Wahlrecht gehört, darüber schwieg sich Herr Herold aus.
Noch interessanter fast war die Erklärung des Freiherrn v. Zedlitz. Herr von Zedlitz hat neulich, bei der ersten Ctatsberatung, in diesem selben Hause dem Sinne nach'erklärt, die agrarische Kompotschüssel sei nun eigentlich voll. Heute war er der begeistertste Lobredner des ostelbischen Agrarier- und Junkertums, und für Hern: von Heydebrand insbesondere, dem man noch immer den Tort antut, ihn den „heimlichen König von Preußen" zu nennen, hatte er nicht Worts her Bewunderung genug. Um dem preußischen Abgeordnetenhaus eine starke konservative Partei, vor allem aber um ihm solche Führer zu erhalten, wie es di« Herren von Heydebrand und von Zedlitz, von Richthofen und — von Oldenburg sind, möchte auch 'Octavio von Zedlitz an dem „bewährten" Dreiklas- senwahlrecht am liebsten nicht gerüttelt sein. Wenn aber loch schon einmal „reformiert" werden soll, dann am liebstemna ch rückwärts; dann sollte man pach Herrn von Zedlitz vor allem von der unlängst eingeführten Trit- lelung in den Urwahlbezirken gurückkehren zu der viel Praktischeren (nämlich für die Konservativen praktischeren) Trittelung in den Gemeinden. Dem Reichstagswahlrecht jedenfalls ist Herr von Zedlitz so abhold, daß er ihm
ein baldiges Ende prophezeit: über kurz oder laug werde das deutsche Volk vor die Alternative gestellt sein: Reich oder Reichstagswahlrecht? Tie Privilegierung der Einjährigen und Militäranwärter lehnen die Freikonservativen ab, dafür wollen sie, ganz konsequent, den ganzen erwerbstätigen Mittelstand (alle selbständigen Gewerbetreibenden und Landwirte mit mehr als 1800 Mark Einkommen) in die zweite Abteilung avancieren lassen. Tie geheime Wahl endlich perhorrescirt Herr von Zedlitz namens derMehrheit seiner Partei. Tie Minderheit (wie man hört, sollen es 8 von den 60 Herren sein) ist für die geheime Wahl, aber auch diese nur in der Absicht, denr „Terrorismus der Sozialdemokratie" in den Großstädten zu begegnen. Als das Ideal schwebt den preußischen Freikonservativen offenbar ein Zustand vor, bei dem die Städter geheim wählen dürfen, sintemalen mit ihnen ja doch nichts anzusangen ist, die Bauern aber, und die Beamten vor allen Dingen, ihre politische Gesinnung öffentlich zu Protokoll zu erklären haben. Selbst wenn in diesem Hause eine Vorlage mit der geheimen Wahl die Minderheit finden würde — so erklärt Herr von Zedlitz — das Hersienhaus werde doch seine Zustimmung verweigern und die Regierung um solcher Tifferenz willen sicher keinen Pairsschub vornehmen. Entweder also: es kommt ein Gesetz unter Beibehaltung der öffentlichen Wahl zu stände oder es kommt nichts zu stände!
Nach Herrn Herold und vor Herrn von Zedlitz hatte, ganz überraschend und ohne ersichtlichen Grund, Minister von Moltke das Wort genommen, um die Vorlage gegen die Bedenken aus dem Hause in Schutz zu nehmen. Herr von Moltke ist der schwächste Redner in dem gegenwärtigen Staatsministerium. Auch gestern entgleiste er zu wiederholten Malen und wurde regelrecht ausgelacht. Vor der geheimen Wahl Kn sprechen, lehnte er ab, dagegen suchte er im Schweiße seines Angesichts die direkte Wahl zu verteidigen. Es war der ungeeignetste und ungeschickteste Verteidiger, den Herr von Bethmann hätte finden können.
Der Redner der Sozialdemokratie, der Vorwärtsreeakteur Ströbel sprach bolle zwei Stunden lang, erreichte also den Rekord seines Freundes Liebknecht nicht völlig. Tie kleine sozialdemokratische Fraktion schien für diesen Tag ihren maßvollsten, zugleich aber auch ihrem temperamentlosesten
Redner ausgesucht zu haben. Tie Konservativen aber revanchierten sich für die Sturmszene vom Tage zuvor, indem! sie — dem Abg. Traeger war freilich am Tonnerstag schon ähnliches begegnet - - in dem Augenblick da Ströbel
aus die Tribüne stieg, geräuschvoll nnd demonstrativ deck Saal verließen. Herr v. Bethmann Holl weg, der erst gegen 1 Uhr erschienen war, begab sich mit den Ministern von Moltke und Beseler ebenfalls zum Frühstück, und so waren es nur ein paar Dutzend Leute, die die Strö- belsche Rede mit anhörten. Sie schloß mit dem Rufe: Fort mit dieser hundsföttischen Vorlage!" Dafür holte sich Herr Ströbel den zweiten Ordnungsruf, nachdem er sich zum ersten Wale die offizielle Mißbilligung des amtierenden Vizepräsidenten Dr. Krause durch den Ausspruch zngezogen hatte, daß der König von Preußen seinem Volks mit Mißtrauen begegne.
Neues hatte Herr Ströbel recht wenig vorgebrachll Ebenso wenig tat es der Sprecher der polnischen Fraktion, Abg. Korfanty. Nur daß der Letztere einem allgemeinen Empfinden Ausdruck gab : er meinte, im Lande draußen werde man nach der gestrigen Rede des Herrn von Bethmann Hollweg die Hände über dem Kops zusammenschlagen, daß solch weltfremder Herr der leitende Beamte des preußischen Staates sei.
Wie tags zuvor, so vertagte man sich auch heute schon um 4 Uhr. Tie Polizei hatte wiederum die bekannten Vorsichtsmaßregeln getroffen: Ein paar Hundert Schutzleute standen marschbereit und insbesondere hatte man heute auch das Reichskanzlerpalais in der Wilhelmstraße durch verstärkte Schutzmannsposten „sichern" zu müssen geglaubt.
Rundschau.
Täglich neue Beweise,
wie sehr die von dem schwarz-blauen Blocke geschaffene Reichsfinanzreform das allgemeine Geschäftsleben schädigt, liefern die jetzt nach und nach bekannt werdenden Jahresabgaben unserer Hypothekenbanken. Wir haben schon einige Beispiele dieser Art hier angeführt. Diese gemeinnützigen Institute sind über dem Verdacht erhaben, als ob sie irgendwelche Parteipolitik treiben wollten. Ihre Urteile sind daher absolut einwandfrei. Die „Sächsische Bodenkreditanstalt" schreibt nun in ihrem Jahresberichte bezüglich der Talonstener folgendes:
Der günstigen Entwicklung (im Geschäftsleben) haben die inner-politischen Kämpfe um die Reichsfinanzreform und die unbefriedigende Lösung der letzteren nachhaltigen Abbruch getan. Insbesondere müssen die Hypothekenbanken, die schon durch die Erhöhung des Pfandbriefstempels von 2 auf ö vom Tausend eine erhebliche Mehrbelastung erleiden, es als eine Unrechte Abgabe empfinden, daß sie außer der allen Aktiengesellschaften für . innere Dividendenscheine auferlegten Talonsteuer eine solch«
Wenig Leute verstehen alt zu sein.
La Rochefoucauld
Willst du Richter sein?
Roman von Maximilian Böttcher. (Fortsetzung)
Doch auch am Heiligabend, als er mit dem Doktorbauer, der Mutter und der Schwester unter dem Tannenbaum saß — Elsbeth aber sah krank und verfallen aus »nd vernachlässigte sich auch in ihrer Kleidung sehr —, wollte Trude Hoffmann ihm nicht aus dem Sinn. Sem- Mlaustragen brauchte sie in der Zeit von Weihnachten.
Neujahr, wo die Bauern sich wie im Schlaraffenland furch ganze Berge von selbstgebackenem Feiertagsküchen surchesskn mußten, allerdings nicht. Aber wie es wohl uust in ihr und um sie anssehen mochte, und ob sie wohl auch einen Christbaum hatte in der engen, dumpfen Kran- 'knftube des Armenhauses? . . .'
Gottfried brachte eine unklare Entschuldigung von Nochmal nach den Pferden sehen" vor, nahm seine Fuchs- Pelzmütze und ging hinaus.
Draußen schlug die Winternacht ihren Zaubermantel sui die Welt. Am dunkelblauen Himmel viele Tausende Mckider Sterne, blau und silbern und rot, und des ondes Licht aus goldener Schale fließend. Wie Marmor,^weißer Marmor, über den eine spielerische Laune ker Schöpferin Natur Milliarden Brillantsplitter gestreut die Straße, die Dächer, die Gärten, das Feld. Die vwme wie ein Zuckerguß gemacht; jeder Zaunpfahl einer schief sitzenden Narrenkappe auf dem Kopfe, und Mer jedem Fenster Lichterschein, frohe Elterngesichter, Ächzendes Kinderlachen.
. ^Heimat, du liebe, bist du wirklich zum Schlaraffen- geworden?
, . Tür des Armenhauses quietschte beim sOeffnen genau so in ihren Angeln, wie sie schon in jener Sommernacht gequietscht hatte, als der „rote Alwin"
mit dem fahlblitzenden Messer in der.hochgeschwungenen Faust aus ihr hervorgesprungen war. Aber in der niederen, schrecklich heißen Stube strahlte wirklich ein Weihnachtsbaum, ein Kiefernzopfende mit fünf Lichtern — ausgerechnet fünf; denn das sechste von dem beim dicken Weege gekauften halben Dutzend stand neben Frau Hosf- manns Bett in einer Bierflache und warf'einen kärglichen Schein auf das Gesangbuchs in das die Kranke mit. still zufriedenem Antlitz blickte. Ter alte Hofsmann hockte auf der Ofenbank und schien nüchtern, vollkommen nüchtern, und Trude saß an ihrer Nähmaschine und trat und trat.
„Guten Abend!" sagte Gottfried; und drei Paar Angen richteten sich auf ihn wie auf eine überirdische Erscheinung. Nachdem er aber jedem — erst der Mutter, dann dem Vater, dann der 'Tochjteh —mit festem Truck die stark ausgearbeitete Hand gegeben hatte, wußten sie, daß es der .Bauer Reinhardt war, wie er leibte u. lebte.
Neben das Bett der kranken Frau setzte er sich und fragte, wie es ihr ginge; und sie antwortete ihm mit glücklichem Lächeln, daß sie einen so schönen Weihnachten seit vielen Jahren nicht mehr erlebt hatte. Trude aber schien den Gast nicht weiter beachten zu wollen, saß an ihrer Maschine nähte und nähte, ohne ausznsehen, und ihre Wangen blühten rot wie zwei dunkelrote Rosen.
Gern hätte Gottfried sie gebeten, ein Weilchen mit ihm vor die Tür zu treten, da er Wichtiges mit ihr Zureden habe; aber er fürchtete, sie möchte es ihm abschlagen, und er wollte auch die beioen Alten nicht durch Heimlichtuerei verletzen. So trat er auf einmal dicht vor die Geliebte hin, legte seine Hand auf ihren Arm, so daß sie mit dem Nahen an^oren mußte, uns sagte, seinen Blick mit dem Ansdruck tiesinnerlicher Zärtlichkeit auf 'ihr schmales Gesicht richtend:
„Ja, Trude, weshalb ich zu euch gekommen bin . .. Ich. wollte dich singen, .ob du wohl meine Frau werden möchtest!"
Der Kranken mit den seit Jahren gelähmten Beinen war es, als müßte Gott nun ein Wunder an ihr tun, als müßte sie aus dem Bett springen können, um vor dem
jungen, schlanken, blonden Menschen km ans 'die Knie zu fallen und ihm die Hände zu küssen.
Das schwarzhaarige Mädel an der Maschine, das längst wieder blaß geworden war, aber kniff wie im Trotz die Lippen zusammen und zog die Stirne kraus. Da Gottfrieds Heller Blick indessen nicht von ihrem Antlitz wich — sie fühlte den warmen Strahl, ohne aufzusehen —, sa schmolz ihr Trotz hin vor der Welle heißer Seligkeit, die ihr vom Herzen Zum Hals emporschwoll. Dann wurden ihr auch die Augen feucht, und sie mußte, um die dummen Tränen zu verbergen, Gottfrieds bittend ausgestreckte Hand mit beiden Händen fassen und ihr Gesicht fest und lange in demütiger Liebe darauspressen. Und da wußte er, daß sie nun sein war für Zeit und Ewigkeit. -
Ausgerechnet am Silvesterabend — als sollte dieses an trüben Tagen so reiche Jahr nach kurzem Sonnenleuchten doch noch einen trüben Abschluß finden — wurde Gottfrieds letztes, auf sein Tagebuch und auf das Gutachten der bedeutendsten Kriminalpsychologen, ja man konnte j sgaen: aus das Gutachten von Hunderttausenden urteilsfähiger Leute gestütztes Gesuch um Wiederaufnahme des gegen ihn anhängig gewesenen Strafverfahrens vom zuständigen Gericht abschlägig beschieden. Abermals mit der Begründung: „Ter Antragsteller hat nur Meinungen ausgeführt; doch ist es ihm auch diesmal in keiner Weise gelungen, die durch das Gesetz vorgeschriebenen neuen Tatsachen oder Beweismittel zu seiner Entlastung beizubringen."
Daß Volkes Stimme Gottes Stimme sei — wann! hätte je ein Richter daran geglaubt? Wann hätte sich je ein Richter, der die Men eines Strafprozesses mit Gründlichkeit studierte, nicht für tausendmal urteilsfähiger gehalten, als die ganze, draußenstehende Mitwelt znsam- mengenommen? Oder wenn wirklich einer zu der Ueber- zeugnng gelangt >var: Hier ist einein Menschen kraft des bestehenden Rechtes bitteres Unrecht geschehen! — wie solltee er's anfangen, um an dem starren Felsen zu rütteln, in den die harten Schriftzeichen des Gesetzes und des Rechtes eingegraben standen?
kiat justitia — pereat mnnckus!