feierliche Eröffnung des BahnhosgebäudeS der Anatolischen Ei. seubahn in Haidar Pascha statt.

Konstantinopel, 4. Nov. Die Pforte hat die Mächte da­hin verständigt, daß sie demnächst ein Stationsschifs in die Snda-Bai auf Kreta senden werde.

Täbris, 4. Nov. Nach hier eingetrosfenen Nachrichten hat Rakhin Khan mrt Schahsewennen Ardebil überfallen und die Bazare, die Karawanserei und den größten Teil der Häuser ge­plündert. Der Gouverneur, die Endschumen und die Geistlich­keit sind in das russische Vizekonsulat geflüchtet.

LuftschiffahrL.

Friedrichshafen, 4. Notz. Ter unter der Führ­ung des Herrn Alfred Dierlamm aufgestiegene Ballon Stuttgart" des Württembergifchen Vereins für Luft­schiffahrt ist nach sechsstündiger schöner Fahrt am Ufer des Züricher Sees gelandet, nachdem er untertv-egs in den Toggenburger Bergen eine Zwischenlandung vorgenomMe» und einen der Insassen ausgeschifft hatte. Ter gleichfalls gestern aufgestiegene BallonZeppelin" überquerte den ! Säntis und landete nach dreistündiger Fahrt im Kanton St. Gallen.

Friedrichshafen, 4. Nov. Heute früh halb 12 Uhr jst der Ballon ,,Württemberg" aufgestiegen. Insassen waren Gras und Gräfin Zeppelin jun. und Dr. Eckener, sowie Ober­ingenieur Dürr als Führer. Um 5 Uhr 30 landete der Ballon glatt in Kappelen im Kanton Bern.

Aus Württemberg.

Dienstnachrichten.

Die Stelle des Bahnmeisters in Riedlingen wurde dem technischen Eisenbahnsekretär ttt. technischen Oberbahnsekretär Steeb bei der Generaldirektion der Staatseisenbahnen unter Verleihung des Titels eines Oberbahnmeisters übertragen und -er Bahnmeister Lantenschläger in Blaufelden seinem An- i suchen entsprechend nach Schorndorf versetzt. Den Pfarrern Schmitt in Ettenkirch, Dekanats Tettnang, und <8 frörer Zwiefaltendorf, Dekanats Riedlingen, ist ihrem Ansuchen ent­sprechend der Eintritt in den Ruhestand verwilligt worden. Die K. Generaldirektion der Staatseisenbahnen hat die Eisen­bahnassistenten Kohlerin Gingen a. F. nach Göppingen, Göp - pel in Winnenden nach Königsbronn, Kölbel in Geislingen nach Göppingen, Wiedmann in Herbrechtingen nach Schorn­dorf, Wagner in/Dußlingen nach Beimerstetten und S au er in Mühlacker nach Münster a. N. je auf Ansuchen versetzt und je eine Msenbahnassistentenstelle in Neuenbürg dem Eisenbahnge­hilfen Mah ringer und in Neckartailfingen dem Eisenbahnge­hilfen (Militäranwärter) Karl Wagner übertragen. ,

Der liberale Verein Stuttgart hielt Tonners­tag abend im Charlottenhof eine gut besuchte Versamm­lung ab, in der der Parteisekretär für den Heilbrunner Reichstagswahlkreis Fischer über den Briefwechsel Hanß mann-Bebel referierte. Fischer betonte, daß das agitatorische Auftreten der sozialdemokratischen Partei auf einen Gegensatz hinarbeite in Bezug auf die jetzige Gesellschaft, den jetzigen Staat und die jetzige Kultur. Auf diese Weise werde der Wille zur parlamentarischen Ar­beit unterbunden. Und das führe zu Idem großen Miß­trauen zwischen Parlamentariern auf der einen und den großen Massen auf der anderen Seite. Tie Borwürfe, die Haußmann der Sozialdemokratie machte, hängen mit diesem Widerspruch zusammen. Zwar sucht die Sozial­demokratie recht viel Mandate zu erlangen, aber schließ­lich zeigt sich bei der parlamentarischen Arbeit zum Schluß immer, daß die Sozialdemokratie die Mittel für den Staat verweigert. Bebel stellte sich auf dem letzten Par­teitag auf 'den Standpunkt, entweder Sozialpolitik oder Endziel. Demgegenüber betonte Timm-München: Sozial­politik sowohl Endziel. Der Kampf um die Maifeier ist nur ein Kämpf zwischen diesen beiden Meinungen. Aber auch innerhalb der Sozialdemokratie ist eine Wandlung bemerkbar. Lehnte Liebknecht jegliche Steuer verächtlich ab, so will Bebel nur unserem! Staat keine Steuern bewil­ligen. Und doch hat dieser Staat durch seine Sozialpolitik große Geldmittel zwangsweise in den Dienst der Arbeiter­forderungen gestellt. Tie direkten Besitzstenern müßte die Sozialdemokratie genehmigen, wenn sie Anspruch auf par­lamentarische Mitarbeit erhebt. Sie tut diesen ersten Schritt nur deshalb nicht ,weil sie dem jetzigen Staat keinen Fortschritt gönnt. Tie Auffassung der Göppinger in Bezug auf ihren Abgeordneten sei bezeichnend: dieser soll nur das Werkzeug sein! Ein selbständiges Ueberlegen ist damit völlig ausgeschlossen. Tie Sozialdemokratie hält sich nicht an die Geschichte des Staates und der Volks­wirtschaft, sondern ist nur auf Stimmungsmache aus.

danken, die Sieder und wieder demselben Ziele zustrebten, ohne Rast, ohne Ruh.

Sie hob die Hand und strich sich über die Stirn, als wollte sie Gedanken verscheuchen, die auf sie zuflatterten.

Seine Blicke hatten all die Zeit an ihr gehangen. Jetzt fragte er leise:Sibille, dachten Sie auch an die hohe Düne, ^uf der wir vor Jahren zusammen­faßen, hoch oben über der blauen See?"

Keine Antwort. '

Sibille, ich habe all die Jahre daran gedacht und mich gesehnt, jene Stunden und Tage noch einmal durch­leben zu können."

Sie haben daran gedacht?"

Er nahm den Vorwurf, der in ihrem Tone lag, schwei­gend hin.

Sibille, ob Sie mir verzeihen können?"

^Verzeihen? Was sollte ich Ihnen verzeihen?" che hatte sich gewaltsam gefaßt und sprach in dem Tone, in dem man zu oberflächlichien Bekannten spricht.

Sibille, sprechen Sie hart, bitter, grausam zu mir, nur nicht so gleichgültig." Er sagte das fast flüsternd, und doch klangen die Worte wie ein Schrei aus gequälter Brust.

Was wollen Sie von mir?" fragte sie jetzt herb.

Ich möchte, daß Sie noch einmal denken wie in jener Zeit, als ich Sie in Ihrer Heimat kennen lernte."

Kann ich das? auch wenn ich wollte", fügte sie nach einigem Zögern hinzu.Es liegt zu viel zwischen wnen Tagen und heute."

Lassen Sie mich Ihre Gedanken zurückführen!" bat ^r jetzt flehend.

(Schluß folgt.)

Das wird in sozialdemokratischen Reihen selbst erkannt (Timm, Kolb, Hildenbrand, Liudemann etz.). Die Kam­pfesmittel der Sozialdemokratie sind veraltet. Tie Er­ziehung der Arbeiter zur Mitarbeit am Fortschritt wäre heute ihre Aufgabe. Und tatsächlich sind schon heute Mächte am Werk, die eine Wandlung anbähnen. Auf den soziald. Parteitagen geht es sehr behaglich zu, alles Grauen hat man heute verloren. In einem hat allerdings Bebel in dem Briefwechsel Bebel-Haußmann das Recht: er kann als Einzelner die Tinge nicht ändern. Das allgemeine Entwicklungsgesetz wird dafür sorgen, daß die Kampfes­weise der Sozialdemokratie ,eine andere wird. Ein vor­sichtiges Verhalten aus liberaler Seite wird diese Weiter­entwicklung beschleunigen. In der Diskussion ergriffen Herr Sekretär Hils und Herr Reichert das Wort.

Ein Schwindler. Der in Stuttgart verhaftete, seither Nadlerstraße 1t wohnhaft gewesene Händler und Bildhauer, Karl Schlayer, ist verdächtig, zahlreiche Personen durch den Verkauf einer von ihm erfundenen, in Wahrheit wertlosen Tinktur gegen die verschiedensten Krankheiten in ihrem Vermögen, oder auch an der Gesundheit geschädigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ersucht alle, die von Schlayer ein solches Mittel bezogen, dementsprechende Mitteilung an die Staatsanwaltschaft zu richten.

Stuttgart, 4. Nov. An die besten Schützen des 13. (König!, württb.) Armeekorps sind im Jahre 1909 folgende Ehrenpreise verliehen worden: ein Infanterie- Offiziersdegen dem Hanptmann Freiherr v. Ellrichshau­sen im Infanterie-Regiment Alt-Württemberg Nr. 121, je eine silberne Taschenuhr dem Sergeanten Klaiber im Infanterie-Regiment Kaiser Friedrich Nr. 125 und dem Unteroffizier Kehm im Infanterie-Regiment Kaiser Wil­helm Nr. IM.

Stuttgart, 4. Nov. Kein Bierkrieg ist hier in Aussicht zu nehmen. Tie freien Gewerkschaften haben hier in ihrer Ausschnßsitznng beschlossen, einer demnächst stattfindenden Versammlung der Gewerkschaften, vorzu­schlagen, daß der Bierboykott abgelehnt und einer Erhöh­ung des Preises für 3/^ und für Flaschenbier um je einen Pfennig zngestimmt wird. Tja Partei und Ge-- werkschastsvorstand diesen Beschluß mit Mehrheit gefaßt haben, so wird auch die Versammlung zweifellos damit einverstanden sein.

Stuttgart, 4. Nov. Die Verstaatlichung der Polizei. Gegenüber den Versuchen von gewisser Seite, die Verstaatlichung ders ^Stuttgarter Stadtpolizei zu erzielen, da der städt. Polizeiapparat in seiner heuti­gen Form nicht genügend funktioniere, wird jetzt von städt. Seite darauf hingewiefen, daß der Stadtverwaltung vor jetzt gerade 2 Jahren von der Stadtdirektion jede Beein­flussung der Polizei direkt verboten worden ist.

Ludwigsburg, 4. Nov. Tie bereits gemeldeten Senkungen auf dem Bauterrain der Realschule und des Gymnasiums kommen umso überraschender, als man bei der Fundation durch annähernd 500 Betonpfähle mit größter Vorsicht zu Werke gegangen war und zur Prüf­ung der Berechnung einen Staatstechniker beigezogen hatte. Die Senkungen sind namentlich an zwei Stellen hervor­getreten: an der Nordweststecke des Südflügels und am Mittelbau und betragen 7 bezw. 8,7 Zentimeter. Um die Ursache festznstellen, wird zunächst an den bedrohten Stellen bis auf den Felsen hinabgegraben, Tann sollen neue Pfeiler aufgesetzt werden. Am nördlichen Bauteil sollten mit den Maurerarbeiten erst begonnen werden, hier werden jetzt Belastungsproben an den Betonpfählen vorgenommen, um festzustellen, ob sie dem Truck des Baues standhalten werden oder ob auch hier weitere Maß­nahmen getroffen werden müssen. Jedenfalls ist mit einer Verzögerung der Bauausführung zu rechnen.

Dürrmenz-Mühlacker, 4. Nov. Die großen Zie­gelwerke der Gebrüder Vetter hier, die am 6. April bei­nahe vollständig abbrannten und mit einem Kostenauf­wand von ca. kHz Millionen Mark jetzt wieder aufge­baut sind, werden in nächster Woche dem Betrieb wieder übergeben. Die Gebäulichkeiten, die eine Fläche von 12 000 Quadratmeter bedecken, sind mit den neuesten und technisch vollkommensten Maschinen eingerichtet. Ter ganze umfangreiche Betrieb erfolgt automatisch durch die Kraft einer 800 Pserdekräfte starken Dampfanlage. Zirka 220 Arbeiter (Einheimische, Italiener und Polen) werden in dem Werk beschäftigt. Mit einer jährlichen Produk­tion von ca. 60 Millionen Ziegeln und Backsteinen mar­schiert das Werk an der Spitze der Ziegeleien Deutsch­lands. Sicherem Vernehmen nach soll im Industrie­viertel eine große Fabrik errichtet werden zur Fabrika­tion von Wandplatten (Bodenbelag), in der ca. 250 Ar­beiter beschäftigt werden. Infolge der günstigen Lage als Eisenbahnknotenpunkt wird es an Arbeitern sicher nicht fehlen.

Gmünd, 4. Nov. In der heutigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde Bnrgerausschußmitglied Son­nentag (seitheriger stellvertretender Obmann) zum Ob­mann und Bürgerausschußmitglied Weiß zum stellvertre­tenden Obmann gewählt, da der seitherige Obmann, Rechtsanwalt Huttelmayer, auf den Rest der Wahlperiode in den Gemeinderat eingetreten ist.

Reutlingen, 4. Nov. Todesfälle, deren Ursache di­rekt auf den Typhus znrückzuführen ist, sind in den letz­ten Tagen nicht mehr vorgekommen. Tie Epidemie hat, wie der Oberbürgermeister im Gemeinderat mitteilte, nach­gelassen und die Zahl der Erkrankungen nimmt stetig ab. In der gleichen Gemeinderatssitzung, in der diese Mitteilung erfolgte, sind die Gemeinderatswahlen auf den 9. Dezember anberaumt worden.

Aalen, 4. Nov. Ter Bi er krieg wird hier und in Wasseralfingen mit allem Nachdruck geführt. Auf der Kantine der Gießerei in Wasseralfingen wurde gestern kein Tropfen Bier verzapft und in der der njechanischen Werkstätte kaum ein paar Liter. In den Wirtschaften des Bezirks stehen die Wirtschaften, .soweit sie auf Ar­beiterkundschaft angewiesen sind, nahezu leer. In der

Kantine der A.-G. Union wurden gestern vier Flaschen Bier verkauft, anstatt Hunderte wie sonst. Ter Ausgang des Bierkrieges ist deshalb heute schon unschwer zu er­raten.

Nah und Fern.

Ein ungebetener Besuch.

Ans Schwaigern wird zu dem gestern gemeldeten Ein­bruch noch geschrieben: Der Einbrecher, der in Pas Gasthaus zurTraube" eingestiegeu war, hat nicht nur seine Tätigkeit aus dieses sondern auch auf den Motorenraum der Buchdruckerei desLeintal-Boten" ausgedehnt, der darüber folgendes schreibt: Der Einbrecher öffnete anscheinend durch einen offenstehenden oberen Fensterflügel den unteren und konnte so bequem in den zur ebenen Erde auf der Hinteren Front des Gebäudes liegenden Raum einsteigen. Bon hier aus suchte er und fand anscheinend den Weg ins Innere der Buchdruckerei, denn vermittelst eines starken Steckschlüssels drückte er den Schließkolben der verschlos­senen Türe auf die Seite und gelangte so in den Souterrain. Wahrscheinlich durch den nachts im Gebäude freilaufenden Hund verscheucht, entfernte er sich unter Mitnahme eines dünnen Mo- torenschranbenschlüssel wieder auf dem gekommenen Wege. Den Schraubenschlüssel ließ er in derTraube", am zweiten Platze seiner lichtscheuen Tätigkeit, zurück. Mit noch größerer Frech­heit wurde sodann ein dritter Einstieg in der Nacht bei Jakob Sätzler in der Bahnhofstraße verübt. Hier stieg der Dieb durch das offene Fenster des Schlafzimmers ein, in dem tzie Ehe­leute schliefen. Er durchsuchte die Kleider der Eheleute und entnahm denen des Mannes den Geldbeutel. Durch die Schlaf, zimmer- und die Haustüre, die er von innen arckschloß, ent­fernte er sich wieder, wie der im Oehrn liegende Geldbeutel bewies, den der Dieb anscheinend deshalb mit dem Kleingeld wegwarf, weil er ihm zu wenig enthielt, Zweifellos vermutete der Dieb, auf dessen Konto wohl alle dreiBesuche" zu schrei-, ben sind, bei letzterem einen größeren Geldbetrag, da Sätzler tags zuvor eine größere Menge Cichorie abgeliefert hatte, doch siel ihm dieser nicht in die Hände.

Die Reutlinger Schießaffäre,

Aus Reutlingen wird vom 4. November berichtet: Die Leiche des b^i den schweren nächtlichen Ausschreitungen am Sonntag ums Leben gekommenen 19 Jahre alten Malers Paul Schelling wurde gestern vormittag in seinen Heimatsort Nehren übergeführt und dort bestattet. Eine gerichtsärztliche Sektion erübrigte sich, da einwandsfrei festgestellt wurde, daß der Schutz- mann in der Abwehr eines gegen das eigene Leben gerichteten Anschlages gehandelt hat, als er die Waffe gebrauchte; es liegt also Notwehr vor, sodaß die Staatsanwaltschaft keinen Anlaß hatte, weitere Untersuchungen in dieser Sache anzu- stellen. Paul Schelling trug einen schweizerischen Armee-Re­volver bei sich, in dem noch zwei Patronen steckten, als er in dem kritischen Moment auf den Schutzmann zielte, während vier Patronen bereits ans die Schutzleute abgefenert »baren. Die beiden Mittäter, Joseph Schelling, der ältere Bruder des Getöteten, und ein Taglöhner Schlotterbeck aus Lörrach in Ba­den, sind in Hast. (Schwarzw .Kreiszeitung).

Kleine Nachrichten.

Im Bezirkskrankenhaus in Ludwigs bürg ist der verheiratete Gottlob Schneider der, wie gemeldet, am Sonntag das Opfer eines Messerattentats wurde, seinen Verletzungen erlegen. Der in Haft befindliche Brauerei- küfer Ünterkohler hat die Tat im Rausch begangen. Sein Opfer war ein braver, ruhiger Mann.

Aus Hirsch borg i. Schlesien wird vorn 4. November ge­meldet: Seit gestern gehen im Hochgebirge und in den Vor- bergen des Riesengebirges Schneefälle nieder.

In Budapest tötete der Vergolder Löw seine Frau und seine vier Kinder und stürzte sich dann vom 3. Stock aus die Straße; auch er ist tot. Grund zur Lat: Großes Elend.

Gerichtssaal.

Prozeß Steinheil.

Paris, 4. Nov. In der heutigen Verhandlung gegen Frau Steinheil verlas der Verteidiger der Angeklagten einen Brief, in dem ein Mann, der sich Jean Lefevre nennt, erklärt, die Rolle der Frau mit den roten Haaren gespielt zu haben und ein Mitschuldiger des Mörders zu sein. Der Mann wurde dem Gerichtshof vorgeführt und bestätigte, den Brief geschrieben zu haben Und gemeinsam mit einem seitdem verstorbenen polnischen Freund an der Ermordung Steinheils beteiligt zu sein. Er habe sich als Frau verkleidet nr^d eine Perrücke aufgesetzt. Frau Steinheil kannte den Mann nicht wieder. Dieser wurde verhaftet. Der Präsident erklärte, die Verteidigung wie die Anklagebehörde sei seit langen» das Ziel zahlreicher Mystifi­kationen und er fürchte, daß es sich bei diesem Zwischenfall um einen schlechten Scherz handle. Darauf wurde in der Ver­nehmung der Angeklagten fortgefahren. Später stellte es sich heraus, daß der Mann geflunkert hatte.

Handel und Volkswirtschaft.

Zur Frage der Fleischteuerung hat die Berliner Fleischer-

Innung in ihrer gestern Abend stattgesundenen, sehr zahl- reich besuchten Versammlung, wie dieAllgemeine Fleischer- Zeitung" berichtet, die nachstehende Resolution einstimmig an­genommen: Seit über Jahresfrist hat die Landwirtschaft nicht nur für Berlin, sondern auf allen großen Schlachtvieh­märkten den Beweis erbracht, daß dieselbe nicht in der Lage ist, weder quantitativ noch qualitativ soviel Schlachtvieh zu Markt zu bringen, daß der stetig wachsenden Bevölkerung Fleisch zu angemessenen Preisen dargeboten werden kann, trotz­dem der Landwirtschaft durch die Gesetzgebung allen nur er­denklichen Schutz und alle nur durchzusübrende Erleichterungen auf Kosten der übrigen Bevölkerung gewahrt wird. Unter die­sem alle Bevölkerungskreise betreffenden Mißstande leidet in erster Linie das Fleischergewerbe. Von stetigen, dem wahren Wert der Tiere entsprechenden Preisen ist auf den Schlachtvieh­märkten schon lange Nicht mehr die Rede. Das Fleischergewerbe wird aus landwirtschaftlichen Kreisen noch gar des Wuchers beschuldigt, Beschuldigungen, welche leider in den Kreisen der Konsumenten vielfach geglaubt werden. Demgegenüber sieht sich die Berliner Fleischer-Innung zu folgender Erklärung ver­anlaßt:Da die Beschickung des Berliner Viehmarktes, sowie aller anderen Schlachtviehmärkte in Deutschland mit schlacht­reifem Vieh eine ungenügende ist und da dadurch die Erhöhung der Verkaufspreise für alle Arten Fleisch, Wurst- und Fleisch­waren eine unbedingte Notwendigkeit ist, wenn nicht die Exi­stenz des größten Teiles unseres Gewerbes in Frage gestellt werden soll, erblicken wir die einzige Möglichkeit, die jetzige Kalamität zu beseitigen, in Oeffnung der Grenzen für die Einfuhr lebender Schlachttiere. Die Behauptung, daß Pie Gren­zen wegen der Seuchcngefahr verschlossen bleiben müssen, ist eine leere Phrase.

Wir erwarten, daß die Vertreter des deutschen Volkes diesen haltlosen Zuständen, welche nur die Taschen der Großlandwirte füllen, ein Ende machen werden, damit der Gesamtbevölkcr- nng Deutschlands wieder eine ausreichende, billigere Fleischnahr- nng geboten »Verden kann."