ist, sondern um ein kirchliches Zerenivnsenstück, einen kostbaren Bischofs ring mit wertvollem Stein- schumck. Der Kaiser nahm den Gedanken, wenn er Hohenlohe entstammte, jedenfalls bereitwillig ans und verfügte alsbald mit der ihm eigenen Lebhaftigkeit. Generaloberst v. Los wurde dann in besonderer Sendung mit der llebergabe beauftragt, die dann am 27. Januar 1893 in feierlicher Weise erfolgte. An der Hand dieser tatsächlichen Vorgänge empfängt die Angelegenheit eine Beleuchtung, welche die Sensation abermals herabmindern mag, aber der Wirklichkeit je denfalls mehr entspricht, als jene Darstellung der „Neckar-Zeitung".
Inzwischen hat auch Ser Straßburger Professor Shahn, der Sohn des Zentrumssührers, in einem Artikel im „Tag" den Papst und das Zentrum in Schlitz genommen. Gr schreibt:
„Das Zentrum schwankte bis zuletzt, ob es die finanziellen und innerpotttischen Gründe, die gegen die Militärvorlage sprachen, oder die Autorität der Militärs, die sie befürworteten, den Ausschlag für eine Entscheidung geben lassen sollte. Beide schienen ihm gleich schwer ins Gewicht zu fallen. Es war jedoch eher geneigt, anzunchmen als abzulehnen. Ta wandte sich Capri vi nach Rom, um die Kurie zur Beeinflussung der Partei im Sinne der Annahme zu bestimmen. Tie Kurie, vielleicht im Glauben, daß sie ' 1887 die Einmischung zu zaghaft betrieben hätte, wandte dieses Mal einen sehr viel stärkeren Druck auf die Zentrums-Fr aftion an. Nun gab dies . den Ausschlag."
Was Herr Spahn sagt, so bemerkt die Voss. Ztg., ist wohl zutreffend, beweist aber nichts gegen die Aufzeichnungen des Fürsten Hohenlohe. Wir haben inzwischen feststellen können, daß in llebereinstimmuiig mit dem Rat des Fürsten Hohenlohe tatsächlich der General v. Lve nach Rom geschickt wurde, und wir fügen hinzu, daß er dein Papst auch den Edelstein überbracht hat in G statt eines kostbaren Ringes. Eb np hat der Papst, And Herr Spahn bestätigt dies, einen noch stärkeren Druck als beim Septennatsgesetz auf das Zentrum zu Gunsten der Caprivischen Vorlage ansgeübt. Das alles ent spricht den Mitteilungen Hohenlohes; weshalb also sollte man gerade den Satz von dem Wunsch nach der halben Million für schlechthin unwahr ansehen?"
Tie Neckarzeitung verrät, daß sie noch mehr in der Schublade hat, und kündigt einstweilen die Titel der noch nicht veröffentlichten Enthüllungen an: Kaiser und Bismarck: französische Truppenbewegungen an der deutschen Grenze; die schwäbische Diplomatie usw.
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Die angebliche Seuchengefahr. Wie wenig die Regierung selbst an die Gefahr d.r Scucheneinschleppung durch holländisches Vieh glaubt, dafür beingr ein Viehhändler aus Zevenar in der „Allg- Fleischer-Ztg." einen interessanten Beweis. Die rheinischen Landwirte haben danach das Recht, ihr Vieh für die Weidezeit auf holländischem Boden zu weiden; sie treiben im Mai jeden Jahres ihr Vieh nach Holland, wo das Vieh zwischen Tausenden Stück Viehs holländischer Herkunft bis im Herbst weidet und dann ohne jede veterinäre Auf- ßicht wieder nach Deutschland zurückgeführt wird. Das Ein- und Ausführen, das weiter keine Kosten verursacht, geschieht auf einen sogenannten Weidepaß, wo nur die Stückzahl und Farbe vermerkt ist- In dieser Art werden schon lange Jahre Tausende Stück Vieh geweidet, und kein einziges hat die Seuche eingeschleppt, die im Niederland überhaupt nicht besteht.
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Der passive Widerstand. Unter den österreichischen Verkehrsb a m t e n gärt es wieder. Eine Meldung des N. Tagblatts aus Wien besagt: 20 000 Postbcbrenstete, 4000 Aushilfsdiener in Wien und sämtliche Postbediensteten in den Provinz Hauptstädten haben beschlossen, in den passiven Widerstand zu treten, da ihre langjährigen Wünsche wegen Aufbesserung der Bezüge bisher unberücksichtigt blieben. In Linz trat bereits der passive Widerstand ein. Im Hinblick auf Weihnachten, wo der Paket- und Briefverkehr ungeheuer
ist, droht dem Geschäftsleben und dem öffentlichen Verkehr eine völlige Unterbrechung und ein wesentlicher materieller Schaden. Im Abgeordnetenhanse wurden bereits mehrere Tringlichkeitsanlräge eingebracht, wodurch die Bewegung unter den Postbediensteten verhindert werden soll. Tie Regierung machte den Postbediensteten Anerbietungen, die diese jedoch als unzureichend erklären.
Uages-LßrsniL
Berit«, 19. Dez. Der von dem Zentrumsabgeordneten Roere» im Reichstag angegriffene Kolonialbeamte Schmidt macht in der Oeffentltchkeit Mitteilung, daß Herr Roere» trotz der an ihn ergangenen Aufforderung, seine Aeußerungtn außerhalb des Reichstages nicht Wieder' holt habe. Er bezichtigt de» Abgeordneten der „plumpen Ehrabschneiderel."
Mailand, 18. Dez. Ein Konflikt zwische« den Reeder» und Matrosen der Handelsmarine, welcher der Beilegung nahe erschien, verschärfte sich gestern. Der Ma- tros noerband beschloß den allgemeinen Streik in sämtlichen italtcmschcn Häfen und auf sämtlichen italienischen Fahrzeuges in den AuklandShäfen In den Häsev von G.rma, Livorno, Bart und Pck.r^o ist die Arbeit bereits eingestellt. Die Reeder fahren fort, ihre Schiffe abzmüsten.
Londos 18 De; Der D niralitä Sgerichtshof ent- schird, daß bttm Zusammenstoß des deutschen Dampfers .Kaiser Wilhelm der Große" mit dem englischen Dampfer „Orinoko" m Cherbourg am 21, November den deutschen Dampfer allein die Schuld treffe.
Odessa 18. Lcz. Tie Befrachtung der ausländischen Dampfer mir Getreide ist durch den Aus stand der Hafenarbeiter sehr wrMerr worden, l4 Dampfer warter» auf Abfertigung. Die aus der Verzögerung entstehend»» Verluste sind erheblich. Der Export des Getreides aus den Depo s ist ganz eingestellt worden. Die Exporteure j beschlossen, die Forderung der Ausständigen auf eine dc- ? schrär.kte Benutzung des Elevators ubzulehnen.
l Der infolge der Schneeverwehungen im Allgäu ein- z gestellte Gäteronkehr ist, so wird aus München gemeldet, 4 j rvlever ausgenommen worden. Auch aus den Lokalbahnen z ! ist der Gesao toettehr wieder ausgenommen. r
s Aus oem Atlgäu wird geschrieben: Während des ! ^ furchtbaren Schnecsturms am 14. d. M. enilud sich in der ^
- Gegend von Roßhaupten gleichzeitig ein schweres Ge - 1
imitier. Ts blitzte und donnerte wie im Hochsommer. — z l In der Nähe von Füssen war ein prächtiges Elmsfeuer r j zu beobachten. j
s Dienstag Nachmittag ist Dr. Ono Weber von der z ! Landestrrenanftalt Hof heim bet Goddelau, seinen Ver- s ! letzungen erlegen. Er war vor einigen Tagen von dem s j Geisteskranken Hagen, der auch einen Wärter durch einen s i Schuß ins Herz tötete, in die Lunge geschaffen worden. '
- Auf dem Stahlwerk Hösch bei Dortmund wurde an einem Hochofen der Inhalt herausgeschlendert. Das Unglück ist auf eine Gasexplosion zurückzusührcn. Die verunglückten 6 Leute, von denen 5 gestorben sind, waren behufs Ausbesserung in dem abgedämpften Hochofen beschäftigt, als durch. Gasbildung in dem unteren Teile des Ofens die Explosion erfolgte. Von den Verunglückten sind mehrere verheiratet. Ter Ofen selbst ist für längere Zeit gebrauchsunfähig. Der Materialschaden ist erheblich.
In der 5. Kanonenwerkstatt der Krupp'schen Fabrik in Essen waren mehrere Zimmerleute mit dem Abstützen eines 75 000 Tonnen-Laufkrans beschäftigt, als ein etwa 10 Meter langer und h/z Meter dicker Kran umstürzte und mehrere Arbeiter unter sich begrub. Tiner der Arbeiter war sofort tot, mehrere andere wurden verletzt.
Aus Bremen wird gemeldet: Ter von Hamburg kommende englische Dampfer „Conjngsby" und der nach England aussahrende englische Dampfer „Gider" kollidierten auf der Unterweser. Beide wurden stark beschädigt in sinkendem Zustande aus Strand und in Dock geschleppt.
Der um 11.14 Vormittags in Berlin fällige Schnellzug von Bitterfeld hat am Mittwoch bei Jüten-
Krewegies Keöen.
Roman von Max von Weißenthnrn. 33
„Du weißt vielleicht nicht," fügte er mit melancholischem Lächeln hinzu, daß auch meine zweite Ehe mit einem Kinde gesegnet war, welches das grausame Schicksal uns entrissen hat Ich aber bin gerne geneigt, Lemmies Sohn jenen Platz in meinem Herzen einzurämnen, der durch den Tod meiner kleinen Dolores nie mehr ansgefüllt ist. Ich bin dazu um so eher bereit, als ich Grund habe, zu glauben, daß meine Frau den Schmerz der Kinderlosigkeit ihrer zwei ten Ehe nie überwunden hat, daß ein Siück ihres Herzens niit Dolores gestorben und seither ein Hauch der Kälte sie umweht, der »»ich immer ties schinerzlich berührt hat und der, wenn nicht trennend zwischen uns gestanden, so doch mit Schuld daran getragen hat, daß wir ans in späteren Jahren nicht ganz so innig gn einander geschlossen, wie ich es in der Jugend geträumt hatte."
Die beiden Männer sprachen leicht mit einander; sie fühlten sich wechselseitig sympathisch berührt. Jeder ahnte in dem anderen ven Ehrenmann und es war dadurch jene, ans wechselseitige Achtung basierte Frenndschaft möglich, die keiner langen Bekanntschaft bedarf, um sich gedeihlich zu entfalten und den krassen Gegensatz zn jenem wechselseitigen Abstößen bildet, dabei Naturen, die in der Gesinnung einander nicht ebenbürtig sind, so leicht vvrzukvmnie» Pflegt und welches sich durch nichts Überdrücken läßt.
Ter Fürst klingelte und erteilte dem Diener den Befehl, noch ein Kuvert aufzulegcn, ohne der Frau Fürstin etwas davon zu sagen. , ,
Als das Gabelfrühstück angemeldet wurde, trat er nnt fernem junger» Gast in den Speisesaal, in welchem Lenore bereits früher erschienen.
Auf den Eindruck aber, welchen der unerwartete Besuch auf ftkne Frau zu machen schien, war er wohl nicht gefaßt gewesen, so gar nicht gefaßt, daß erlebhaft erschrak.
Als Walter an seiner Seite ans die Dame des Hause- zuge- schritten kain, starrte diese, die eben im Begriffe war, an dein gedeckte» Tische Platz zn »ehinen, den jungen Mann mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen an, während eine fahle Blässe sich über ihr Antlitz breitete.
„Hugo! Mein Gott, können denn die Toten wieder auferstehen," stieß sie mit zitternder Stimme hervor und ehe die beiden durch ihr Aussehen erschreckten Männer ihr beispringen konnten, war sie, einem gefällten Baume gleich, zu Boden gestürzt, lag sie in tiefer Ohnmacht zn Füßen ihres Gatten, zn Füßen ihres Sohnes, dessen Aehnlichkeit mit seinein Bater so erschütternd auf sie gewirkt hatte.
Der Fürst, Walter, die erschreckte Dienerschaft, alles bemühte sich um Lenore und nach einer Weile schlug sie dann langsam die Augen auf, starrte sie um sich, als erwache sie aus schwerem, beängstigenden Traume. Mau hatte sie auf den Divan gelegt. Fürst Otto netzte ihre Stirn mit belebenden Essenzen, er bereute jetzt bitter, seine Frau auf dieses Wiedersehen nicht vorbereitet zu haben, welches so tief erschütternd auf sie gewirkt hatte, daß für den Moment ihre Sinne sie verließen.
Walter war in eine Fensternische getreten, als er sah, daß die Fürstin langsam zu sich komme, feinfühlend überließ er es ihrem Gemahl, die ersten, erklärenden Worte zu sprechen.
Fürst Otto tat dies denn auch, in der liebevollsten, zartesten Weise, wenn er sich auch im tiefsten Innern mit einigem Befremden fragte welcher Art die Beziehungen zwischen Hugo von Aulenhof und seiner Frau gewesen sein mochten, da die Aehnlichkeit seines Sohnes mit dem Toten einen so gewaltigen, tiefen Eindruck hatte Hervorrufen können?
„Verzeiht mir beide," sprach Lenore, sich nach ein paar Augenblicken in der Situation zurechtfindend, während sie langsam und schwer atmete. „Verzeiht mir, die Ueberraschung, die Rückerinne- rung an so viele», was gewesen und was mich in der Vergangenheit schmerzvoll bewegt hat, alles stürmte auf mich ein und raubte mir momentan die Fassung. Die Aehnlichkeit mit Deinem seligen Bater," fügte sie mit zuckenden Lippen hinzu, indem sie Walter herbeiwinkte und ihm die Hand bot, „ist aber auch eine so ungeheure, wie ich sie kaum je im Leben gesehen. Seine Augen, sein Blick, der Schnitt de» Gesichtes, die Farbe der Haare, alles stimmt überein. Wie kommt eS," fügte sie mit ge- zwungener Ruhe hinzu, daß Du Dich plötzlich der Mutter erinnerst, die Dir eine Fremde geworden?"
„Nicht plötzlich," entgegnete der junge Mann ernsthaft, indem sein Blick sich voll und ganz auf die noch immer schöne
bogt eine Arbeiterkolonne überfahren. Drei Mann sind ! t0t.
Bei einem BravdunMck in der Reivickendorferstraße in Berlin find vier Personen gelötet worden, die Witwe Babe, die Arbeiterfrau PöllSkcnv und das Schwffterpaar Kordnau.
Der in Straßbnrz in der Goeihestraßr wohnhffte Elementarlehrer Grandcoltt, d»r in d.r letzten Zeit von si- nem Kopsleidk» heimgesucht mar. ö'ete ia e'rieni Anfall von Wahnsinn seine Frau, sein 7jährig»s Löhnchen und sich selbst durch G-sk.——
Aus MiitttemSerg. "
Dleustnachrichte«. Ernannt: Der titulierte Obeiamün-mi Hamann dei Oderamimann Mm zum «at»«ößigen Assessor bei dieser Behörde.
tt e de rlr ag c n: Dem OLeiamniiaim Küsset d i der Regierung des DoriaukreiseS das Lberami Henenberg.
Versetzt: Der E'sendahusekrctär Supper in Unter!ürkheim seinrm Ansuchen gemStz nach Eßlingen.
Zur Neichstagöwahl verfügt das Ivürtt. Ministerium, daß die Auflegung der Wählerlisten in sämtlichen württembergischen Gemeinden am Freitag den 28. Dezember zu beginnen hat. Als Wahlkommissäre für die 17 württ. Reichstagswahlkreise ist je ein Oberamimann aus dem betr. Kreis ausgestellt.
Zugverspätunge». Aus der vom Retchseisenbahn- amt autgegebenen Nachwcisuna über die auf den größeren deutschen Eisenbahnen (ausschließlich der bayerischen) während der Dauer des Sommersahrplans 1S0S (l. Mat dis 30. September) bet den fahrplanmäßigen Züge» mit Personenbeförderung vorgekommenen Verspätungen gehr hervor, daß die wür t t e mb erg i s che n Staatseisenbcchnen unter 44 Bahnverwaliungen die 32. Stelle einnehmen; 3l deutsche Bahnen harten verhältnismäßig mehr, 12 Bahnen 'verhältnismäßig weniger Verspätungen zu verzeichnen. Unter den Bahnen mir größerem mtemalionalem Verkehr haben die württembergischen Staatsvahr,en die wenigsten auf der eigenen Bahn entstandenen Versvätunqen.
SondetHÜge. Zur Bewältigung des über die Weihnachtsfeiertage zu erwartenden stärkeren Personenverkehrs, werden iw der Zeit vom 22.-28. Dezember 1906 außerordentliche Personenzüge sowie Vor- und Nachzüge fahrplanmäßiger Züge zur Ausführung kommen. Das Nähere hierüber ist aus dem aus den Stationen ausgchängten Plakaten zu ersehen.
Gelinge«, 18. Dez. Das K. Oberamt btt am letzten Freitag bei den vom verstorbenen Skavtpsteger Reiser verwalteten Kassensturz und Nachrechnung vwgeno Arten, wobei sich kein Anstand ergehen hat.
Am Sonnrag früh stürzte sich in einem Krankenhaus in Stuttgart eine 35 Jahre obe, ledige Frauensperson durch ein Fenster vom 1. Stock in den Hof und erlitt schwere Verletzungen, denen ste rar Laufs ses Tages erlegen ist.
In Gablenberg Hot sich ein Weingartner in seiner Wohnung mit einer Zimmerflinte einen Schuß m den Kops detgebracht. Er siegt schwer verletzt in seiner Wohnung.
Aus Urach wird berichtet: Eine eigentümliche Diebs- falle konstruierte ein hiesiger Wirr, dem an gewissen Tagen von seinem Geldvorrat abhanden kam, indem er das Geld immer wieder an derselben Stelle einschloß. Der Dieb benützte auch die ihm dargebwene Gelegenheit otne sich aber erwischen zu lassen.
Am Dienstag morgen wurde ein im Herrenberger Stadtwald beschäftigter, 28jähriger Mann von Mönchberg von einer fallenden Buche getroffen und getötet.
In Haslach bei Herrenberg ereignete sich ein merkwürdiger Unglücksfall. Ein 19jähriger Mann namens Schäfer lieferte mit einer größeren Anzahl von Schülern eine Schneeballenschlacht. Plötzlich fiel er um und konnte sich nicht mehr erheben. Ein Kamerad trug ihn nach Hause, wo der Arzt eine vollständige Lähmung der Beine konstatierte. Der Unglückliche wurde alsdann in die Klinik nach Tübingen gebracht.
In letzter Nacht verunglückte beim Einfahren des letzten Zuges in Gaildorf der verheiratete Hiffswär- ter Otterbach. Derselbe glitt wie es scheint ans, wurde vom Zuge erfaßt und ihm ein Fuß abgefahren. Der Verunglückte ist Vater von 7 Kinder.
Frau richtete, „nicht plötzlich, ich habe meine Mutter nie vergessen. aber ich bin erst seit wenigen Wochen mein eigener Herr, der selbständig tun und lassen kann, was ihm behagt und so ziemlich der erste Akt des selbständigen Handelns," sägte er mii leichtem Lächeln hinzu, „ist derjenige, daß ich meine Mutter aufsuche, um uachzuholen, was ich ihr bis jetzt an Liebe nicht habe darbringen können."
War eS ein Gefühl der Erleichterung, welches Lenore ver- anlaßte, aufzuatmen, das wieder Farbe in ihre Wangen treten ließ? Hatte sie erwartet, daß der Sohn kommen werde, um Rechenschaft von ihr zu fordern für das Leben seines Vaters, oder hatte sie momentan die Empfindung gehegt, jener sei es, der aus dem Grabe erstanden, der sie zur Berantwvrtimg ziehe» wolle für das, was sie verbrochen? Sie wäre selbst nicht im stände gewesen, auszusprechen, was es sei, wodurch sie sich io tief erschüttert gefühlt, Tatsache aber war, daß der Gedanke, der Sohn sei ihr freundlich gesinnt und wolle ihr wohl, sie mit einer bis jetzt kann» je gekannten Frende erfüllte. Sich zurückversetzend in längst vergangene Zeiten, erinnerte sie sich ganz gut, oaß Walter ihr einziges Kind gewesen, sür das, wenigstens auf Minuten, eine wärmere Empfindung in ihrem Herzen geschlagen und sie konnte sich ganz gut vorstellen, daß das gleichgültige Wohlwollen, welches sie gegen den kleinen Knaben gehegt, dein schönen, kräftigen Mann gegenüber, der da vor ihr stand, sich in warine, mütterliche Zärtlichkeit verwandeln könne. Gleichzeitig aber überkam sie ein Gefühl tiefer Beschämung, verwundeter Eigenliebe, bei dein Gedanken, wie der junge Mann wohl über sie urteilen würde, wenn er die Wahrheit wüßte. Die Eitelkeit war eine der Haupttriebfedern ihres Wesens und aus Eitelkeit bereitete eS ihr Pein, sich denken zu müssen, daß es je eins Stunde in ihren» Leben geben solle, in der sie bemüßigt wäre, vor dem Sohne die Augen zu Boden zu schlagen. Mit einem Gefühle der Erleichterung aber sagte sie sich, daß seine Anwesenheit hier im Hanse der beste Bewei« sei, daß er nichts vo» der Vergangenheit mit ihren dunkeln Schatten ahne und sie wollte schon dafür Sorge tragen, daß nun, »vo er den Weg zu ihr gesunden, er diese auch nie erfahre. So geringschätzig sie Hugo von Aulenhof auch stets behandelt hatte, seit sie seines Besitzes sicher gewesen, so sehr fürchtete sie daS vernichtende Urteil des Mannes, welcher nun mit seinen Zügen »or ihr stand, dem sie aber gefallen, dessen Herz sie erobern wollte. 131.20