Tages-AronU.

Berlin, 30. März. Die Kommission des Reichstags zur Beratung des Hilsskassenge- setzeS nahm heute gegen die Stimmen der Sozialdemo Karen den Z 1 derVorlage, wodurch dieHilf,lassen in ihrer bisherigenForm anfgehoben werden, an.

Berlin, 30. März. Die von einem h'efigen Blatt gebrachte Meldung, daß der Bundesrat der Zulassung von Abiturienten der Oberrealschulen zum medizinischen Studium prinzipiell zugestimmt habe, ist verfrüht. Dem Bundesrat liegt allerdings ein dahin­gehender Antrag vor, doch ist darüber noch kein Beschluß gefaßt worden.

Berlin, 30. März. Die diesjährige Maifeier wird von den Berliner Sozialdemokraten in umfassenderer Form begangen werden, als in den letzten Jahren. Es soll diesmal, der Tägl. Rundschau zufolge, in Besögung der Amsterdamer Beschlüsse die vollständigeArbeits- ruhe durchzuführen versucht werden.

Berlin, 30. März. Die Charlottenburger Stadtverordnetenversammlung lehnte die sozialdemokratischen Anträge auf Einführung etver Wertzuwachssteuer auf Grundbesiv ab.

Berlin, 31. März. Reichskanzler Fürst Bülo!v wurde durch königlichen Erlaß vom 26. ds. in das preu­ßische Herrenhaus berufen.

Berlin 31. März. Das Befinden des preußischen jEisenbahnministers Budde hat sich verschlechtert.

Posen, 30. März. Der Verein deutscher Ka­tholiken in Posen und Umgegend hielt eine außerordent­liche Generalversammlung ab behufs Stellungnahme zu den Maßregeln des Erzbischofs gegen den Verein. Durch den bekannten Erlaß an die deutschen Geistlichen verlor der Verein eine große Anzahl geistlicher Mitglieder. Der Ver­ein beschloß, den Erzbischof um die Zurücknahme des ober- hirtlichen Scbrcibens zu ersuchen.

Hannover, 31. März. Bei der Eisenbahnka­tastrophe in Seelze beträgt der Materialschaden Mk. MO 000. Die vorläufige Untersuchung hat die Schuld des Stationsvorstandes ergeben, der seines Amtes ent­setzt wurde. Ein weiterer Verletzter ist gestorben.

Leipzig, 31. März. Die Grubenbesitzer des mittel­deutschen Kohlenbergwerkverbands beschlossen, die Ver­handlungen mitdenausständigenBergarbeitern weiterhin abznlehnen, selbst auf die Gefahr eines Gene­ralstreiks hin. Nur die Taglöhner sollen eine kleine Lohn­erhöhung bewilligt erhalten.

München. 30. Mäiz. Aus Kaiserslautern wird gemeldet: Bet der heutigen Reichstags st ichrvahl erhielt, soweit bis jetzt festgestellt, der Kandidat der verei­nigten Liberalen, Schmidt 12,046 Stimmen, Clemens (S»z) 9472 Stimmen; es stehen noch 3 kleine Gemeinden «uS. Nach einer späteren Meldung erhielt Schmidt im ganzen 12,084, Clemens 9515 Stimmen; Schmidt ist somit gewählt.

Der vierzehnjährige Sohn Josef der Witwe Wahl in Sigmaringen stürzte von einem Felsen des Mühl­bergs ab und starb im Landesspital an den erlittenen Verletzungen.

Fretrag Früh 5'/, Uhr wurde vom Zug Oberroden- Sprendlingen (Bez Frankfurt a. M.) das Fuhrwerk des Händlers G. Bender überfahren. Bender erlitt einen Schädelbruch; der auf dem Wagen sitzende Arbeiter Ludwig Beck wurde gleichfalls am Kopf schwer verletzt. Man glaubt nicht, daß die Beiden, die ins Krankenhaus nach Langen kamen, mit dem Leben davon kommen werden. Der Wagen wurde zertrümmert; beide Pferde blieben unverletzt. Die Strecke Sprendlingen Oberroden hat Nebenbahnbetrteb und besitzt keine Wegeschranken.

In der 345 Meter tiefen Sohle der Friedens­grube bei G lei Witz.brach Freitag Nachmittag Feuer aus. Giftige Gase bedrohten die Bergarbeiter. Die Ret­tungsmannschaften brachten alle Eingeschlossenen glücklich heraus, 40 von ihnen waren betäubt. 30 Leute konn­ten nach Hause gehen, 10 mußten in das Lazareth ver­bracht werden, wovon 2 starben.

Auf der Z, che Shamrock bei Dortmund verunglück­ten 4 Bergleute durch Zusammenbruch der Holzverkleidung. Emer von ihnen blieb tot, einer wurde schwer verletzt.

Generalleutnant von Mizlaff, der Chef des Mili» tärreilinstttuls in Hannover, stürzte mir dem Pferde. Dieses siel auf ihn. sodaß von Mizlaff starke Quetschungen der Rippen und der Nieren erlitt.

In Choinica (Posen) wurde eine Dienstmagd verhaftet, die ihr neugeborenes Kind den Schwei­nen vorgeworfen habe. Kopf und Gttedmaßen dcs Kindes waren abgefressen. Die Leichensektion ergab, daß das Aind nach der Geburt noch lebte.

In Ingersheim bei Kollmar brach in der Haupt­straße ein großer Brand aus, dem drei Wohnhäuser Pud drei Scheunen zum Opfer fielen.

Piivaitelegramme aus Palermo schildern die Lage der vom Erdbeben heimgesuchten Insel Ustica als bedrohlich. Professor Zona vom Observatorium hält ein totales Verschwinden der Insel für möglich. Vorgestern erreichte die Pantk der Bevölkerung den höchsten Grad, weil kein Schiff in der Nähe war. Gestern begann die Räumung der Insel. Ein Teil der Strafgefangenen und der freien Bewohner wurde schon nach Palermo gebracht.

Deutscher Aeichstag.

Berti«, 30. März. Das Hau« ist ungewöhnlich stark besetzt. Zunächst wird die namentliche Abstimmung über den Tirel Staatssekretär des Reichs» lolontalamtS bet der sich gestern Brschlußmttähigkeit des Hauses her«usgest«lt hatte, wiederholt. Abgegeben »erden 249 Stimmen. Der Titel Staatssekretär wird mit 129 gegen 110 Stimmen und 12 Stimmenenthaltung n angenomme«. Präsident Graf Ballestrem stimmt mit ja, ebenso sämtliche Freisinnige, Nattonalliberale, Kon­servative, Mitglieder Wirtschaftlichen Vereinigung, Amtsemite» und der ZentrumLabgeordnete v. Savigny. Mit nein stimmte der größte Teil de» Zentrums, Sozialdemokraten, Polen und Welfen. Der Stimme enthalten haben sich u. «. die Zentrumsabgeordneten Frhr. v. Hertling, Schwarze- Ltppstadl, FuSangel, am Zehnhoff» Stttart, Engelen und

Kolchos, sowie der Däne Jessen. Gs folgte die Beratung des Msiitäretats.

Müller-Meiningen (frs. Vp.) begründet die von den beiden Volksparteien beantragte Resolution, die im Interesse einer energischen Bekämpfung der Sol­datenmißhandlungen eine gründliche Revision desBe- sch Werderechts fordert, und fiihrt einzelne Fälle an.

Spahn (Ztr.) betont, die Erklärung des Reichskanzlers, in der Dnellfrage habe gro­ßes Aufsehen auch im Auslande erregt; eine solche Er- Närung durfte der Reichskanzler nicht abgeben.

Kriegsminister v. Einem verliest eine Erklärung des Reichskanzlers, in der nähere Erläuterungen zu der vom Vorredner kritisierten früheren Erklärung gegeben werden. Das vom Fürsten Hohenlohe gegebene Versprechen, die Streitigkeiten und Beleidigungen zwischen Offizieren ehrengerichtlichen Verhandlungen zu unterwerfen, sei eingelöst worden durch die Kabinetts­order vom 1- Januar 1807. Durch Inanspruchnahme des Ehrengerichts werde vor allem dahin gewirkt, daß Streitigkeiten schnell und in angemessener Weise erledigt werden. Mit Sicherheit könne gesagt werden, daß Duelle aus kleinen Veranlassungen voll­kommen aufgehört haben, ebenso auch Zwei­kämpfe zwischen Offizieren wegen frevelhafter Beleidigung. Von Dnellunwesen kann nicht mehr gesprochen werden. Genugtuung mit der Waffe wird nur gefordert, wenn auch der Gegner ein Eh­ren mann ist. (Bewegung.) Unser Hauptziel bleibt, das Duell zu unterdrücken. Was die Soldatenmiß­handlungen anbelangt, so ist die Ansicht, daß solche bisher nur Vorkommen, weil das Beschwerderecht nicht funktioniere, nicht richtig. Die Neigung zu mißhandeln, wird nicht in der Kaserne erzeugt, sondern vielfach in die Kaserne hineingetragen. Der Minister bespricht sodann auf Grund der Aktien die einzelnen vom Vorredner ange­führten Fälle und kommt dabei zu ganz anderen Ergeb­nissen. Ein größeres Interesse für die Mannschaften, als es unsere Offiziere haben, besteht nirgendwo. Eine ge­wisse Presse hat durch ihren Ton, ihre Roheit und ihr Schimpfen nicht versittlichend, sondern verwil­dernd und verrohend gewirkt. (Beifall rechts und im Zentrum.) Kommt hier eine Besserung zum Durchbruch, so werden wir die segensreichen Folgen bald bemerken.

Bebel (Soz.) tritt für ein Milizheer ein und führt aus, die großartigen Anregungen Scharnhorsts seien lei­der verhunzt und verschlechtert worden, als es Preußen nicht mehr schlecht ging. Er bespricht dann den Fall des Obersten Gädke nnd die Frage der Einführung neuer Felduniformen bei gleichzeitiger Beibehaltung der Para­deuniform, sowie den Widersinn des Kriegsparade­marsches, von dem der Kaiser gesagt habe, die Japa­ner hätten bewiesen, daß sie auch ohne Parademarsch gut marschieren können. Das wäre ja eine höchst vernünftige Aeußerung. (Stürmische Heiterkeit). Die Dueller­klär nng des Reichskanzlers kann nicht abge­schwächt werden. Der Redner fragt, ob die Verleihung des Adels an verschiedene Herren von der Börse mit dem 10 Millionenfonds für unbemittelte Offiziere Zusammen­hänge. Daß die Mißhandlungen nicht auszurotten sind, ist ein Beweis, daß sie dem System zur Last zu legen sind.

Hierauf vertagt sich 5as Haus auf 51/2 Uhr.

In dieser 2. Sitzung werden die Etatsnotge­setze nach den Kommissionsanträgen debattelos ange­nomme n.

Um 6 Uhr vertagt sich das Haus ans morgen vormittag 11 Uhr. (Fortsetzung der Beratung des Mili­täretats.)

Das HruöenunglÜck in Irankreich.

Weitere Verunglückte gerettet.

Wie aus Lens vom 31. gemeldet wird, wurden 4 weitereArbeit erlebend hervorgebracht. Das Krankenhaus darf von niemanden besucht werden. Die Geretteten erfreuten sich zum erstenmal seit Wochen eines guten Schlafes. Bei zweien dauert das unheimliches La­chen fort, das schon bei Verlassen der Grube auffiel.

Nach den bisher vorliegenden Mitteilungen vollzog sich die Rettung der seit dem 10. März vergrabenen dreizehn Bergarbeiter in Conrriöres auf fol­gende Weise: Um i/z8 Uhr am 30. Morgens wollte eine mit der Löscharbeit in der Grube 2 beschäftigte Abteil­ung von Arbeitern zu Tage steigen, als sie in einem Querschacht eine andere Gruppe von Arbeitern bemerkte, die sich ihr mühsam entgegenschleppte. Diese Gruppe bestand aus dreizehn meist noch jungen Männern unter der Führung eines Obmannes, des 38jährigen Nemy. Sie sahen alle furchtbar abgemagert und verwildert aus. Nemy antwortete auf die Anfragen nnd es stellte sich heraus, daß die dreizehn Arbeiter aus der Grube 3 ka­men, wo sie seit drei Wochen von den Eßvorräten gelebt haben, welche die verunglückten Bergarbeiter hinterlassen hatten, sowie von dem für die Pferde bestimmten Hafer. Die dreizehn Geretteten wurden mit großer Vorsicht ans Tageslicht befördert. Sie sind sehr schwach und erschöpft, jedoch ist nur ein einziger wirklich krank. Im Bezirk von Courriöres hat die Nachricht von der Rettung große Auf­regung hervorgerufen, obwohl die Namen der Geretteten sofort bekannt gegeben worden sind. Das Gerücht hat sich nämlich verbreitet, daß noch weitere Lebende in den Gru­ben eingeschlossen seien, doch bleibt abzuwarten, ob sich das bestätigen wird.

Der Eindruck der Rettnngsnachricht-

Die Meldung von der wunderbaren Rettung der Bergleute hat in Paris freudige Erregung hervorge­rufen. Gleichzeitig werden aber lebhafte Vorwürfege- gen die Bergwerksdirektion laut; man behaup­tet, daß, falls die Rettnngsarbeiten sofort in energischer Weise in Angriff genommen worden wären, offenbar viele Bergleute hätten gerettet werden können. Die Gesamt­summe der Spenden für die Hinterbliebenen der in Cour- rieres umgekommenen Bergleute beläuft sich auf 3 Mil­lionen Francs. '

In Lens herrscht naturgemäß ebenfalls große Er­regung. Verwandte und Freunde von Vermißten treffen

in Masse ein, die Namen der Geretteten gehen von Mund zu Mund. Man glaubt, daß sich noch andere Berg­leute lebend in der Tiefe befinden.

Wie die Verschütteten lebten.

Der Führer der 13 Mann, die gerettet worden sind, Nenny, erzählt gestern nachmittag nach einem ergrei­fenden Wiedersehen mit seinem Va te r folgendest Durch die Explosion aufs höchste erregt, suchte ich mich in Sicherheit zu bringen. Ich fiel dabei über etwa 50 am Boden liegende Leichen. Später gelang es mir, nach einer höher gelegenen Förderungsstelle durchzudringen, wo ich mit meinen 12 Kameraden, die sich in einen geschützten Winkel hatten flüchten können, zusammentraf. Diese hielten mich zuerst für einen Retter und waren verzweifelt, als sie hörten, daß ich gleich ihnen ein lebendig Begrabener sei. Ich sprach ihnen Mut zu, und wir blieben dann 8 Tage an jener Stelle. Ich wußte stets, wie wir mit der Zeit daran waren, da ich nie vergaß, meine Uhr aufzuziehen. Da es uns an Lebensmitteln fehlte, aßen wir Erde, Rinde, Holz, Werg, kurz alles, was wir fanden. Vergebens suchten wir im Dunkeln durch die Trümmer und über die Leichen ans der Sackgaffe, in der wir saßen, herauszukommen. Eines Abends kamen wir an einen Stollen. Dort kanden wir Hafer und von diesem lebten wir zwei Tage. Dann aßen wir von dem toten Pferd. Zn trinken hatten wir nur den Inhalt unserer Feldflaschen. Während der letz­ten Tage suchten wir, in drei Gruppen geteilt, nach einem Ausgang. Gestern abend fühlten wir frische Luft eindringen. Wir folgten der Richtung und ge­langten an eine, durch die Explosion eingestürzte Stelle in der Nähe des Fahrstuhls.

Die Unruhe» in Uußland Kiew, 31. März. Gutunterrichtete Kreise glauben, daß der Moskauer Bankraub nicht ohne Hilfe der Beamten ansgesührt wurde, die wahrscheinlich große De­fraudationen verdecken wollten.

Uns ZSLrtLeMöerg.

Schwäbischer Handwerikerbund. Die diesjährige Generaloersair.mlung des schwäbischen Handwerkerbundes findet am 19. April in Ulm statt. Zum Besuch derselben wird die gleiche Fahrpreisermäßigung wie in Vorjahr be­willigt. Hiernach berechtigen die an die L erb mdsmüglieder gegen Vorzeigung der Mitgliedskarte von oen 20 und mehr km von Ulm entfernten württ. Stationen auszugebenden einfachen Fahrkarten III. Klasse zur taxfreien Rückfahrt innerhalb 5 Tagen, wenn sie mit dem Stempel der General» Versammlung versehen sind. Die (ermäßigten) Fahrkarten werden am 18. und 19. April ausgegeben. Ausgeschlossen von der Benützung bleiben dre Schnellzüge 5, 8, 15 und 18.

Stuttgart, 30. März. Zur Berfassungsre- vision weiß ein Korr.-Burean zu melden, daß die m missio n der Kammer der Sta ndesherren mit den Beratungen über die Verfassungsreform noch zuwarte und zwar auf den Wunsch des Ministerpräseidenten I>r. v. Breitling, der an diesen Verhandlungen persönlich, teil- znnehmen wünsche.

Stuttgart, 30. März. Der Aufruf der deutschen Friedensgesellschaft um Gaben für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute irr Courriöres hat eine bei­fällige Aufnahme gefunden. Die Sammlungen verspre­chen ein günstiges Resultat. Bis jetzt sind aus Frank­furt a. M. mehrere 1000 Mark, von Mannheim 1500 Mark, von Cannstatt 200 Mark, von Freiburg 500 Mk. Mark eingegangen.

Ans der Straße von Oßweil nach. Ludwigs- burg wurde Freitag früh der -60jährige verheiratete Ma­ler Gottlieb Jung im Chansseegraben tot aufgefunden. Er begab sich mit Einbruch der Nacht von Ludwigsburg i ans den Heimweg in betrunkenem Zustand, fiel dann in den Graben und schlief ein. Er fand den Tod durch Erfrieren.

Bet dem Kaufmann König in Dobel OA. Neuenbürg hat sich tn der Dämmerung ein Dieb eingeschlichen uno dann über Nacht in aller Gemütlichkeit insbesonvere alles Geld gestohlen. Am Morgen wurden die Fußspuren des Diebs im Schnee bemerkt, allein seine Person ist noch nicht bekannt.

Herichtsjaak.

Noblesse oblige!

Gräfin Waldbnrg-Zeil vor Gericht- E« ne schwere Eh-verl.tzung, v.rubt an einem Postbedienste­ten, fand vor dem Schöffengericht des Kgl. Amtsgerichts Lindau vor einigen Tagen ihre Sühne. Der Aushilfsbe­dienstete Anton Keller, ein allgemein beliebter Bedien­steter, der auf der Station Nonnenhorn aushilfsweise ver­wendet war, kam mit dem Publikum sehr gut aus, nur mit einer hochadeligen Dame, der Frau Gräfin Wald- burg-Zeil, die eine Villa in Nonnenhorn besitzt, kam er unverschuldet in Konflikt. Wenn er auf seinem Bestell­gang die Post für sie abzuliefern hatte, mußte er außer­halb des Gartenzaunes lange warten und wurde über­dies noch von einem bösartigen Hunde der Frau Grä­fin belästigt. Der Postbote bat um Abhilfe; die Frau Gräfin aber beschwerte sich in Begleitung ihres Gemahls bei dem Vorgesetzten des Postboten nnd verdächtigte den letzteren, daß er sich gegen sie sehr unpassend benommen habe. Als der Postbote einige Tage später sie auf der Station zur Rede stellte, kam er schön an. Die Gräfin beschimpfte ihn auf das Gröblichste und drang sogar in daS Dienstlokal, wohin Keller sich zurückzog, ein:Sie sind ein ganz unverschämter arroganter Kerl! Wenn Sie nicht das Maul halten, so haue ich Ihnen ein Paar runter. Ich garantiere Ihnen, daß ich Sie von hier wegbringe. Sie sind ja nur ein Postbote!" Wie in der Verhand­lung festgestellt wurde, wiederholte sie diese Beschimpf­ungen öfters. Sie rief sogar durch ein Telegramm ih­ren Mann herbei, denn:der Postbote habe sie auf der Station attakiert". In der Verhandlung bestätigte»