Eugen Richter einen Nachruf und schilderte die parlamentarische Laufbahn des Verstorbenen.
Berlilt, 12. März. Namens des Land es aus- schusscs der württemb er gischen Volkspar-, tei haben die Herren Hugo Elsas und Friedrich Haust mann folgende Beileidsdepesche an die Reichstagsfraktion der Freisinnigen Volkspartei gerichtet: „Die württembergische Volkspartei trauert am Grabe Eugen Richters. Auch im Süden wird das Wirken des glänzendsten Vertreters des bürgerlichen und konstitutionellen Geistes fruchtbar bleiben. Wir werden sein Andenken dankbar Hochhalten."
Armdschau.
Im Reichstag wurde am Samstag in Fortsetzung der Etatsberatung zunächst der Etat der Reichsdruckerei erledigt. Den Beschwerden der Abgg. Fischer-Berlin, Dr. Marcour und Kopsch darüber, daß die Neichsdruckerei nicht der Tarifgemeinschaft beigetreten sei, suchte Staatssekretär Krätke mit dem sonderbaren Einwand zu begegnen, daß es sich bei der Reichsdruckerei um eine staatliche Einrichtung handle, und daß ein Staatsbetrieb sich nicht in Lohnstreitigkeiten von Privatbetrieben einlassen dürfe, lieber einige Resolutionen zum Po stetat wurde erst heute abgestimmt. Von der Resolution Gröber wurden zwei Punkte (Fortfall der Geld- und Drucksachenbestellung an Sonn- und Festtagen) abgelehnt, dagegen der dritte (Beschränkung des Nachtdienstes) angenommen. Auch die vier von der Budgetkommission vorgeschlagenen Resolutionen betreffend Portofreiheit der Svldatenpakete, Ermäßigung der Telephongebühren für das flache Land, Aufhebung des Bestellgeldes und Beschränkung der Portofreiheit für Sendungen fürstlicher Personen wurde angenommen. Gegen die 2. Resolution stimmten Freisinnige und Sozialdemokraten aus dem Grunde, weil nach der Fassung der Resolution die Gefahr uaheliegt, daß die Städte zu gunsten des Landes benachteiligt werden. Der Etat der Reichseisenbahnverwaltung wurde nach unerheblicher Debatte erledigt. Zum Etat des Reichseisenbahnamts entspann sich zunächst eine Auseinandersetzung zwischen dem Mg. Stolle (Soz.) Pud dem Präsidenten des Reichseisenbahnamts Schulz über die Frage, ob ein übel angebrachtes Sparsamkeitssystem, namentlich in Preußen, fiir die Häufung der Eisenbahnunfälle verantwortlich sei. Diese Behauptung des Abg. Stolle wurde von dem Präsidenten Schulz unter Anführung statistischer Zahlen lebhaft bestritten. Abg. Storz von der deutschen Volkspartei bedauerte, daß die Betriebsnnttelgemeinschaft nicht zustande gekommen sei.
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Die ungarischen Finanzen. Die passive Resistenz gelangt in den ungarischen Finanzen zu immer traurigerem Ausdruck.- Der soeben erschienene Ausweis über dieStaatsfinanzen konstatiert, daß im vierten Quartal 1905 die Einnahmen einen Ausfall von über 69 Millionen und für das ganze Jahr 1905 einen Ausfall von über 160 Millionen gegen
1904 zeigen. Es ist dies 20 Prozent der gesamten Staatseinnahmen. Dem gegenüber wurden die Ausgaben in
1905 um 43, im letzten Quartal allein um 34 Millionen gegen 1904 reduziert. Die größten Ausfälle weisen die direkten Steuern mit 141, die Gebühren mit 24 Millionen. auf. Der Steuerausfall im letzten Quartal zeigt 56 Millionen. Die Bilanz des Jahres 1905 ist ziffernmäßig Um 117 901679 Kronen ungünstiger, als jene des Jahres 1904.
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Die Rede Janrös auf dem sozialistischen Friedens- meering in Brüssel hatte folgenden Wortlaut:
„In der Wage der Geschicke gibt oft ein kleines Gewicht den Ausschlag für Frieden und Krieg. Deshalb haben wir, während wir für die Befreiung des internationalen Proletariats kämpfen, stets getrachtet, die Ereignisse zu überwachen, die Intrigen zu verfolgen, sie zu zerschmettern und der Oeffentlichkeit jeden neuen Versuch des Ausbruchs der Bestalität zu verkünden, sowie die diplomatischen Kombinationen zu enthüllen, aus denen heute
- oder morgen Katastrophen Hervorbrechen können. Man j hat uns angeklagt, wir arbeiten gegen Frankreich. Was ' uns beruhigt, ist die Tatsache, daß die Blätter Bülows in Deutschland unseren dortigen Freunden vorwarfen, sie besorgten die Angelegenheiten Frankreichs. Gegen Frank- : reich arbeiten! Ich habe oft genug gesagt, daß wir eine Schwächung Frankreichs als ein Unglück für das Pro- i letariat der Welt betrachten. Die Erniedrigung und ) Schwächung Deutschlands, dieses großen Deutschlands, der Luther, Kant, Hegel, Lassalle und Marx wäre ebenso ein Verhängnis für die Welt, genau so wie die Schwächung Englands, des Hortes aller Freiheiten, der auserwählten Erde für die Gewerkschaftsbewegung ein Unglück wäre. Die französische Revolution hat die Menschenrechte für alle Völker verkündet. Wir wollen nicht die Herrschaft eines einzigen Volkes. Wenn wir die Intrigen der marokkanischen Angelegenheit aufdecken, dienen wir ebenso gut den Interessen Frankreichs wie denen Europas und des Sozialismus der ganzen Welt. Ist es wirklich nötig für Frankreich, sich zu engagieren, um zwei oder drei Anteile mehr an der zukünftigen marokkanischen Bank zu haben? Unsere Gegner aller Schattierungen wissen wohl, was sie tun, wenn sie uns in dies Abenteuer hineinziehen wollen, das nur den Spekulanten vielleicht einen Nutzen bringen kann. Aber die Reaktion in Frankreich sah das Gesetz der zweijährigen Dienstpflicht und das der Altersversicherung erscheinen, sie sah die Trennung von Staat und Kirche beschlossen und die Gewalt schwinden, die die Kongregationen in der Erziehung der Jugend ausüben; sie sah das Gesetz der GewissensfreiheH schaffen, das niemand ein Vorrecht mehr zuerkennt. Das mußte sich die Reaktion sagen: Wenn schon jetzt eine sozialistische Minorität die französische Republik in Bewegung setzen konnte, was geschieht erst dann, wenn die intellektuelle Freiheit erobert ist, wenn das Proletariat Frankreichs an das große Werk herantreten kann, das kapitalistische Eigentum in ein kommunistisches umzuwandeln! Das einzige Mittel dagegen ist der Krieg, der auch immer die Hilfe des cäsaristischen Napoleonismus gewesen ist. Wir haben diese Manöver abschneiden wollen, und deshalb bekämpft uns in Frankreich die reaktionäre Gruppe. Den schlimmsten Schlag, den wir dem Absolutismus versetzen können, ist die Aufrechterhaltung des Friedens. Sozialisten, Arbeiter aller Länder, leisten wir den Schwur, über die Integrität der Nationen und über den Frieden zu wachen! Krieg dem Krieg, Tod dem Tod und Leben für die sozialistische Republik!"
Fages-KyrsM.
Berlin, 10. März. Der Eisenbahnminister Budde ist ernstlich erkrankt.
Berlin, lO.März. Georg Bernhard, der Herausgeber de- „PlutuS", ist aus der sozialdemokratischen Partei, der er angehörte, ausgeschloffen worden. Er war den „Genossen" schon seit dem Dresdener Parteitag mißliebig und hat dieses Gefühl durch seine Haltung in etlichen wirtschaftlichen Fragen verstärkt.
Stettin, 10. März. Während eines Vortrags des bekannten Syphilisforschers Prof. Dr. Neisser aus Breslau über Ehe und Geschlechtskrankheiten kam es hier zu antisemitischen Ausschreitungen schlimmster Art. Es entstand ein solcher Skandal, daß Prof. Neisser seinen Vortrag abbrechen mußte.
Gottesberg, 10. März. Wegen Nichtbewilligung geforderter Lohnerhöhungen hat eine Versammlung der Bergleute der Schlesischen Kohlen- u. Kokswerke beschlossen, in Aus stand zu treten. Die Gesellschaft beschäftigt 3500 Mann.
Budapest, 10. März. An der Unio ersität haben heute große Kundgebungen stattgefunden. 400 Studenten verlangten vom Rektor, daß der Senat der Universität von der Begrüßung des neuen Unterrichts- ministers absehe, weil dieser ein Verräter sei. Sie wurden jedoch mit den» Verlangen kurz abgewüsen, worauf die Studenten große Lärmszenen veranlaßten und die Vorträge störten. Die Studenten beschlossen sodann, den 15 März besonders feierlich zu begehen, und durchzogen dann unter Absingen des Kossulhliedes die Straßen der Stadt. Polizei trieb sie schließlich auseinander.
Poris, 10. Mürz. Surrten übernahm den Auftrag zur Kabinettsbildung errdgültig und sicherte sich bereits die Mitwirkung Bourgeois und Poin- carss. Folgende Ministerliste gilt als wahrscheinlich: Sarrien Präsident und Inneres, Bourgeois Aeu- ßeres, Maujan Krieg, Briand Kultus, Mafser Unterricht, Balls Justiz, Cochery Kolonien. Die Portefeuilles für Marine, Handel urrd öffentliche Arbeiten sollen Thomson, Trouillot und Ru an behalten.
Rom, 10. März. Die Kammer hat mit 255 Stimmen gegen 77 weiße Zettel Herrn Biancheri zum Präsidenten gewählt.
San Sebastian, 11. März. König Alfons hat sich heute vormittag zum Besuch des Königs von England nach Biarritz begeben und wird morgm nach Madrid zurückkehren.
New-Nork, 11. März. Der Ausschuß der Kohlenbergwerksbesitzer lehnte die Forderungen der vereinigten Bergwerksarbeiter auf Wiederherstellung der früheren Löhne und eine Besserung der Lage der Arbeiter in der Anthrazitkohlenindustrie ab.
In Mainz wurde die Frau des Küfermeisters Ln der Lessingstraße, die am Montag überfallen und beraubt sein wollte, einem Verhör unterzogen und gestand sie dabei, daß sie die ganze Sache erfunden habe. Die 250 Mark habe sie zur Bezahlung von Schulden benutzen wollen und das Geld in dem Bett versteckt.
In Butzbach (Hessen), wurde der Rechner der Sparkasse Heinzerling wegen Unterschlagung von 150000 Mark verhaftet.
Innerhalb 24 Stunden verlor die Familie des Maurers Walther in Pinnewitz bei Ziegenhain (Sachsen) 5 Kinder an D i p h t h eri tis. Die Kinder standen im Alter von 14/s bis 11 Jahren. Zwei andere Kinder liegen schwer krank darnieder.
Verflossene Nacht hob die Kölner Kriminalpolizei in einem Privathaus an der Bühnenstraße eine Spielhölle auf, in welcher um hohe Summen gespielt wurde. Tie Polizei stellte die Namen von 15 Mitspielern fest, von denen zwei verhaftet wurden, die beschuldigt sind, gewerbsmäßig gespielt zu haben.
Nach dem Lok.-Anz. vergiftete in einem Geschäft in Charlottenburg die Ehefrau Schneider sich und ihre 2 Kinder mit Lysol. Ein Kind lebt noch, lieber den Verbleib des Ehemannes fehlt jede Spur.
Der Regierungspräsident von Potsdam setzte auf die Ergreifung des Raubmörders Hennig eine Belohnung von 3000 Mark aus.
Der orkanartige Sturm, der Freitag Nachmittag mit zeitweise sehr heftigem Schneegestöber ausbrach, hatte in Berlin und namentlich in den westlichen Vororten vielfache große Schädigungen an Häusern und Läden im Gefolge. Auch von außerhalb werden viele durch Sturm verursachte Schäden gemeldet.
Sonntag Nacht fiel bei Hamburg aus der Chaussee von Bahrenfeld noch Groß-Flottbeck ein junges Mädchen einem Lustmord zum Opfer.
Die „Stettiner Neuesten Nachr." teilen folgenden Vorfall mit: Vor etwa vier Wochen ist an einer Wiese am Tammschen See beim Dorfe Wilhelmsfelde die Leiche eines jungen Mannes — anscheinend eines Schiffers — angetrieben. Die Leiche wurde in der vergangenen Woche aufgefunden und liegt heute noch an der Fundstelle unberührt da, weil die Gemeinde Wilhelmsfelde sich weigert, die Leiche fortzuschaffen bezw. die Kosten zu tragen. Wenn der Fall sich so verhält, müßte die Regierung schon aus hygienischen Gründen einschreiten. Die Ortsbehörden sind auf alle Fälle zur Beerdigung der Leichen verpflichtet.
lieber ein interessantes Vorkommnis, das sich in Kolmar ereignete, berichtet die „Els.-Lothr. Volksztg.". Ter fünfjährige Knabe Gustav Böhm lockte ein vierjähriges Mädchen aus dem Hofe des Anwesens Grillenbreitstraße 39, führte dasselbe dann in den Mittlachweg und stieß das Kind ohne jeden Anlaß in die dort vorbeifließende ziemlich tiefe Lauch. Der 14 Jahre alte I., welcher der Tat zusah, schrie um Hilfe, und es gelang den Rebleuten Gebr. Hild, das Kind ans Land zu schaffen. Auf die gleiche Weise hatte Gustav Böhm im
Auf Arrrvegerr.
Roman von Klara Rheinau. 12
Roch ei, mal raffte er sich auf, aber nur, um in der nächsten Sekunde gegen Ottilie zn sinken, die seinen Arm erfaßte und um ! ibre LetmUern ichlang „Mir ist schwach, mein Kind," murmelte er mit bleieben Lippen, „hilf mir, wenn Du kannst."
Ottilie mußte all ihre Kraft znsanimeimehmen, um die bebende, wankende Gestalt des alten Mannes an die Stufen zu geleiten, wo er in sitzender Stellung niedersank, das Haupt mit dem vollen, aschgrauen Haar an ihre Schulter gelehnt. Er war vollkommen bei Bewußtsein, nur seine physische Kraft hatte th» verlassen, und er war schwach wie ein neugeborenes Kind, Während er sich fest ans seine zarte Nichte stützte, unter dem rviengeklönten Bogen, der so grausam über ihnen blühte und dustere.
Diese» Augenblick vergaß Ottilie in ihrem ganzen Leben nicht
Ter Hals war ihr wie zngeschuürt, sie konnte die liebevollen Trostworte nicht aussprechen, die sich, ihr auf die Lippen drängten. Sie sah, wie die verstörten Augen sich wieder langsam »u der Leiche wandten, und der Ausdruck stummer Qual war so entsetzlich, daß sie eS nicht länger ertragen konnte.
Neben ihrem Onkel niederkniend, barg sie ihr Gesicht in seinen Händen, welche sie mit den ihrigen umklammert hielt.
So warteten sie, bis eilige Fußtritte in ihrer Nähe hörbar Wurden und vier Farmarbeiter herbeitraten, eine Tür tragend, die sie aus ihren Angeln gehoben. Sie waren um das HauS gegangen, damit nicht Meta zufällig vom Fenster au» den seltsamen Zug erblickte.
Die Leute sahen bleich und erschrocken au», schienen aber etwas unsicher, was sie zu tun hätten.
Ottilie, die bei ihrer Annäherung den Kopf erhoben, stand jetzt auf, einer Bewegung ihre» Onkels gehorchend. Auch er hatte sich, seine Hand schwer auf ihre Schulter legend, ein wenig aufgerichtet.
-Hebt ihn sanft auf," sagte er heiser. „Bedenkt, daß mein Kind ." Die Worte erstarken auf seinen bebenden Lippen.
Ein augenblickliche» Schweigen trat ein, dann schritt einer her Männer vor und berührte mit respektvollem Gruß seine Gtirnlocke. „Bitte um Verzeihung, Herr," stammelte er, „aber
wäre es nicht am besten, die Leiche noch unberührt zn lassen? Frau Adams hat nach dein Doktor geschickt und.. und. . dem Polizeidiener. Sehen sie, Herr," fügte er entschuldigend bei, „es ist ja nicht, als ob wir ihm noch etwas nützen könnten, denn er ist doch sicher tot, und da es wahrscheinlich scheint, daß kier faules Spiel.." Eine bezeichnende Geberde vollendete den Satz und der Farmer verstand ihn.
„VielleichthabtJhrrecht,"sagte er langsam und schwach.„Bleibt hier bei ihm, Evans, und Ihr ebenfalls," fügte er, zu den anderen Männern gewendet, bei. „Ich muß zu meinem Kinde gehen, meinem armen Kinde!"
„Ach, unser armes Fräulein!" sagte EvanS teilnehmende „Es wird eine schreckliche Aufregung für sie sein und noch dazu an ihrem HochzeitsniorgenI"
„Ja, eS ist hart für sie," murmelten seine Kameraden beistimmend, und niehr als ein Paar Augen wurden feucht, als sie die gebeugte Gestalt ihres Herrn, schwer aus des jungen Mädchens Arm gelehnt, langsam die Stufen hinaufschreiten sahen.
Ottilies einzige Sorge schien eS nun, seine Schwäche zu stützen, und al» sie seine wankenden Schritte bis in die Nähe de» Hause» geleitet, erhob er mit dem Ausdruck der Verzweiflung die Augen zu Metas geöffnetem Fenster.
„Mein Kind, mein arme» Kind!" stöhnte er in herzzerreißendem Tone.
Die Farm lag mit ihrem Schmuck von blühendem GeiSblatt und Kletterrosen so schön und friedlich in der Morgensonne da, daß Ottilie e» ganz seltsam fand, wie da» alte HauS so heiter auSsehen könne, während fast innerhalb seiner Mau-, ern eine solche Tragödie sich abspielte.
Frau Adam» erwartete sie unter der Tür, und eine Gruppe erschreckter Dienstmädchen stand im Flur, aber da» Hau» war totenstill, als Ottilie den gebrochenen Mann in da» Wohn- zimmer führte, wo er halb ohnmächtig auf den nächsten Stuhl niedersank. Die alte Frau war ihnen in da» Zimmer gefolgt, und Ottilie gab ihr hastjg ein Zeichen, sich seiner anzunehmen, während sie selbst hinanSlief, um zu fragen, ob Meta schon geklingelt habe.
Die geängstigten Mädchen verneinten und glaubten, da» Fräulein schliefe noch, denn in ihrem Zimmer sei alle» ruhig;
sie hätten an der Tür gelauscht, aber keine» Laut von drinnen gehört.
Mit einem schwachen Seufzer der Erleichterung kehrte Ottilie zn ihrem Onkel zurück, der noch gerade so gebrochen in seinem Armstnhl saß, mit starren, traurigen Augen vor sich hinblickend. Er hatte sich von Esther ein Glas Wein an die Lippen hallWi lassen, war aber außer stände gewesen, zu schluk- ken, und in stiller Betrübnis stand die gute Alte neben ihm, poch immer in der zitternden Hand hal-
?S iyi^-sb »nd neigte sich über ihren Onkel, noch einmal versuchen, zu trinken?" bat sie i Wird Dich stärke», und Du weißt, um MetaS Du all Deiner Kraft, lieber Onkel."
„Ja, ja, ich muß stark sein," murmelte er, den Kopf erhebend und wie mit verzweifelter Frage in das mitleidige Gesichtchen blickend. „Wie kann ich es ihr sagen? ES Wäre leichter, ihr einen Dolch ins Herz zn stoßen!"
„Sie schläft noch," flüsterte Ottilie traurig. „Ruhe inzwischen, lieber Onkel, dann wirst Du Dich kräftiger fühlen. Die Erschütterung war zu viel fürDich."
„Ich muß es ihr selbst sagen," sprach er schwach. „Sie wird «» am besten von nur erfahren, aber, eS wird sie umbringen, Ottilie, e» wird sie umbriiigen!"
„Wir wollen ihr helfen, eS zu ertragen, lieber Onkel," tröstete das junge Mädchen, ihn besorgt beobachtend; „Du und ich zusammen. Sie hat ja ihren Vater noch."
„Aber sie ist so zart und hat noch niemals Kummer gehabt. Mein Kind, mein Kind!" Wieder sank ihm der Kopf auf die Brust herab, und der Herzschlag wurde immer matter und langsamer. Seine Schwäche war jetzt so groß, daß sein leidenschaftlicher Ausbruch kurze Zeit darauf um so überraschender war für das junge Mädchen, das ihm in beiden Stimmungen zur Seite stand. Jetzt schien er zn Boden geschmettert durch sein unendliches Weh um die geliebte Tochter, aber Ottilie sollte noch die Tiefe des Stolzes kennen lernen, der ungeahnt in der Brust de» alten Manne» geruht, dem die Schande niemals nahe getreten.
„Hätte ich nur statt seiner sterben können!" rief er ans, die zitternden Hände wie hilfesuchend nach Ottilie auSstrek- kend. 130.20