heute frei gelassen worden. Die russische Mannschaft ist an Land gebracht worden und wird mit dem nächsten Dampfer nach Odessa abfahren.
Berlin, 23. Juli. Zur Beschlagnahme der „Scandia" durch die Russen bemerken die Abendblätter, man könne nur aunehmen, daß die Kapitäne der russischen freiwilligen Flotts noch ohne neuere Instruktionen von der russischen Regierung sind. Sollte dies aber nicht zutreffen, so gehe daraus hervor, daß die russische Willkür nur vor der englischen Flagge Halt macht. In diesem Falle wär eine sehr energische Aktion deutscherseits unabweislich.
Rußland und Japan.
Berlin, 23. Juli. Ein der Voss. Ztg. übermitteltes Shanghaier Telegramm des Daily Telegraph besagt: Die Besatzung von Port Arthur ist durch Kämpfe und Epidemien von 30,000 auf 20,000 Mann herabgemindert worden. Die Japaner sollen ein Fort im Westen von Port Arthur erstürmt haben. (?)
London, 23. Juli. Gras Keller, am Dienstag östlich von Anping geschlagen, hat nachls, von Kuroki umgangen, die dritte Defensivlinie von Liaujang geräumt. Es rücken drei Kolonnen gleichzeitig gegen Niutschwang vor, bei Tntschit- kao und Liaujang die Russen auf der ganzen Linie zurücktreibend.
London, 23. Juli. Dem Reuterschen Bureau wird aus General Kurokis Hauptquartier über Fusan vom 22. Juli gemeldet, daß das Resultat seiner fünftägigen Bemühungen darin bestanden habe, daß die Japaner sich bessere strategische Linien zum Vormarsch gesichert und daß dre Russen ihre besten Verteidigungsstellungen auf beiden Straßen Liaojang—Mukden verloren hätten.
Unruhen in Deutsch-Südwcstafrika.
In Südwestafrika steht die Entscheidung bevor; es dürfte sich bald der letzte Akt des Dramas abwickeln. Zur Zeit weilt ja der Höchstkomandierende General von Trotha noch in Okahandja, aber angesichts des offenbar werdenden Bestrebens der Hereros, nach Norden oder Nordosten durchzubrechen, ist cs eine Notwendigkeit geworden, mit ihnen endgültig aufzuräumen. Unsere Truppen haben daher die An
weisung bekommen, den Ring um dre Emge- schlossenen 'enger zu ziehen und so dürften wir schon binnen wenigen Tagen entscheidende Nachrichten erhalten.
Verschiedenes.
Das Fiasko der Kartenlegerin. Eine amüsante Szene spielte sich dieser Tage auf dem Polizeibureau in Antwerpen ab. Ein Kriminalinspektor hatte eine aus Holland eingewanderte ehrenwerte Dame, die sich als „Kartenlegerin umd Wahrsagerin" ernährte, holen lassen. „Sie wissen wahrscheinlich bereits, warum ich Sie rufen lies?" sagte er lächelnd, als sie ins Zimmer trat. — „Nein, Herr Inspektor, ich habe keine Ahnung!" — „Aber Sie können doch aus den Karten die Zukunft prophezeien?!" — „Ja, Herr Inspektor, das kann ich!" — „Und wissen trotzdem nicht, warum Sie hier sind?" — „Nein, Herr Inspektor!" — „Na, da will ich!s Ihnen sagen: Sie sind ausgewiesen und haben binnen 48 Stunden die Stadt zu verlassen! Und noch eins; mit Ihrer Kartenlegerei können Sie keinen Staat machen, sonst hätten Sie die Ausweisung vorher wissen müssen!" Geknickt und tief gedemütigt verließ die Wahrsagerin das ungastliche Polizeibureau, in dem sich die höhere Magie unsterblich blamiert halte.
Im nachstehenden veröffentlichen wir eine Uebersicbt der bisherigen Schiffsverlnste auf beiden Seiten und deren Ursachen; die Verluste an Handelsschiffen sind in die Tabelle nicht ausgenommen, ebensowenig wie die nicht kontrollierbaren Verluste an kleinen Torpcdofahrzeugen rc.
Russen: Japaner:
l. Durch Geschützfeuer:
Torpedobootzerstörer: Torpedobootzerstörer:
„Vuusitelni" „Akatsuki"
„Steregusci"
„Strasnji"
„Silni"
I I. Durch Torpedos:
Schlachtschiff Dampfer
„Zksarewilsch" „Kinshumaru"
„Retwisan" „Hitochimaru"
„Sewastopol" „Sadomaru"
Kreuzer „Palada" „Jszumimaru"
III. Durch Seeminen:
Schlachtschiff Schlachtschiff „Hatsuse"
.Petropawlowsk" „ „Fuji"
Hobjeda" Kreuzer „Alsama"
Kreuzer „Boiarin" „ „Kaimon"
„ „Amur" Torpedoboot Nr. 48.
IV. Durch Zusammenstoß (Ramme):
Kreuzer „Kasuga"
,, „Joshino" V. Durch Selbstzerstörung oder Desarmieruna: Kreuzer „Warjak"
„ „Korejetz"
Kanonenboot „Mandschur".
Die Ausgrabungen auf dem Forum Romanum. Die Ausgrabungen auf dem Forum haben, wie die Jralie berichtet, wieder eine Reihe wichtiger Ereignisse gezeitigt. Im Sepulkretum hat man drei Gräber entdeckt und erforscht, die der Zeit vor Romulus angehören. Das erste Grab enthält eine große Vase aus Terrakotta; sie ist mit anderen kleinen Trauervasen gefüllt, unter denen man eine Urne sieht, die die verbrannten Gebeine enthält. Das zweite Grab enthält die Leiche eines alten Mannes, das dritte ein acht- bis zehnjähriges. Kind mit Bernsteinschmuksachen am Halse und Gegenständen aus Knochen mit eingravierten Verzierungen. Das dritte Grab berührt einen Teil des ersten und das äußerste Ende des zweiten, woraus man schließen kann, daß die drei Bestatteten derselben Familie angehörten. Die Ausgrabung des „Equus Domitiani" hat die Basis der steinigen Unterlage erreicht und ist in den Mergelgrund des Tales eingedrungen. Hier hat man mehrere menschliche Skelette von verschiedenem Alter und Geschlecht gefunden. Der stark verhärtete Schlamm wurde von den Gewässern abgelagert, die von den Höhen in der Umgebung herunterkamen. Organische Trümmer und Bruchstücke von Fabrikaten, Ziegeln, Terakotteu usw., dis man hier verstreut findet, zeigen, daß die Umgebung schon bewohnt mar.
"""""""Briefkasten der Redaktion.
I. H. Wir teilen Ihnen mit, daß der Sonderzug 1.0,15 nicht 10,25 projektirt war, nach anderen Meldungen können wir uns nicht richten.
„Komm, mein geliebter kleiner Alfons! Ach,
mein Kind!" sprach er und drückte den Knaben innig an sich, „daß ich Dich verlassen muß! Alfons, willst Du immer gut und artig sein? willst Du immer tun, was Mama sagt?"
„Ja, ich will immer tun, was Mama sagt," stammelte der Kleine, mit großen, verwunderten Augen den Vater anblickend.
Der Sterbende zog einen Brillantring vom Finger und legte ihn dem Knaben in die Hand.
' „Mama wird Dir von diesem Ring erzählen, wenn ich nicht mehr bin. Sobald Du alt genug bist, mußt du diesen Ruig als ein Pfand Deines mir gegebenen Versprechens tragen. Dein Versprechen ist: immer zu tun, was Mama sagt."
„Geh nicht fort, Papa," sprach der Knabe mit bebenden Lippen.
„Ich muß. mein Alfons!"
Der Sterbende nahm die zitternden Hände seiner Gattin und vereinte sie mit den rosigen Händen des Kindes.
„Mein Weib und mein Kind," sprach er . .mit matter Stimme, „ich lasse euch in Gottes Schutz. Ich bete zu Gott, daß wir in jener Welt einst vereint werden, wenn —"
Plötzlich stockte er und sank in die Kissen zurück.
Blanda zog hastig an der Klingel, und die Wärterin trug den Knaben aus dem Zimmer, während derselbe immer rief: „Papa soll nicht fortgehen!"
Die Sonne sank, der goldene Schein schwand von den Wänden. Der Gesang der Vögel wurde schwächer, die Winde trugen das Rauschen deS Wasserfalls herbei. In dieser feierlichen abendlichen Stille schwebte der Geist des Schloß Herrn empor und seine Gattin gab sich weinend an der Brust des Toten ihrem hoffnungslosen Schmerze hin.
Zweites Kapitel.
Laut dein Testament des Dahingeschiedenen
fiel leiner so früh verwitweten Gattin ein beträchtliches Einkommen zu.
Der Verstorbene hatte den Wunsch ausgesprochen, daß sie auf Schloß Karbott wohnen bleibe» solle bis Alfons mündig sei.
Pastor Halberdinger, des Verstorbenen bester Freund, war zum Vormund gewählt — Nachdem-der Schloßherr in die kühle Erde gebettet war, raffte sie arme Blanda sich auf und suchte sich den Pflichten ihres Lebens zu widmen. Sie begann mit der Absicht, ihrem Knaben eine sorgsame Mutter zu sein, und endete damit, daß sie denselben wahrhaft vergötterte.
Sie hatte die beste Absicht, den Wunsch des teuren Toten zu erfüllen; aber bald kam die Zeit, wo sie ihrem Sohne nichts versagen konnte, um was derselbe sie bat.
Es war ein schöner Knabe mit dunkellockigem Haar, edlem Gesicht, kräftigen Gliedern und einer fürstlichen Haltung, und seine Mutter blickte mit Stolz auf ihn.
Dennoch machte sein lebhaftes Temperament und sein stürmisches Wesen ihr manchmal Sorge. Oft fanden zwischen ihr und Pastor Halberdinger ernste Beratungen statt. Aber die Liebe zu ihm machte Blanda schwach, und bald war sie die Sklavin ihres Sohnes.
Weder vermochten in den ersten Jahren die Gouvernanten, noch später die Hofmeister das wilde Ungestüm des Knaben zu bändigen.
So wuchs der Erbe des Schlosses Karbott heran. Er war großmütig und hatte ein so zartfühlendes Herz, daß er den Anblick des Schmerzes nicht ertragen konnte, und wissentlich auch niemandem Schmerz bereitete. Nie wandte sich der Schwache und Hilflose vergebens an ihn. Wie manchesmal stieg er selbst von seinem Pony ab, um es in der Mittagshitze einem alten Manne oder einer schwachen Frau zu überlassen.
Das Volk von Karbott. vergötterte ihn. Grauköpfige Männer beugten sich tief vor ihm; hübsche Mädchen erröteten und in ihren Augen
blitzte es freudig auf, wenn sie ihm begegneten. Sein Wort war Gesetz, sein Wille Gebot. Als er das - achtzehnte Jahr erreicht hatte und auf sein Leben zurückblickte, da konnte er sich nicht erinnern, jemals einen Wunsch geäußert zu haben, der ihm versagt worden wäre. —
„Ich möchte nach Heidelberg gehen," sagte er an einem schönen Frühlingsmorgen zu seiner Mutter.
Zwei Tage vorher hatte Herr Dr. Scharf, der zwei Jahre als Hofmeister im Schloß gewesen war, sehr plötzlich seinen Abschied bekommen. Warum? Die schöne Gräfin hatte es ihm angetan, und irgend etwas hatte dem jungen Erben das Geheimnis verraten, das der Hofmeister in seiner Brust fest verborgen wähnte, und er hatte darauf gedrungen, daß derselbe das Schloß sofort verlasse.
„Meine Mutter," hatte er dem Erstaunten in stolzem Tone erklärt, „meine Mutter ist eine Edeldame und ein Engel. Sie denkt noch heute mit derselben Liebe an meinen Vater, wie zu seinen Lebzeiten und gehört ihm auch heilte noch ebenso an, wie damals. — Wissen Sie," fuhr er mit einer bei jedem Wort sich steigernden Leidenschaft fort, „daß meine Mutter, obwohl der Tod sie trennt, noch mit meinem Vater spricht? Ich habe es gehört — sie spricht von mir zu ihm."
„Soll Ihre Mutter Ihnen ihr ganzes Leben weihen?" erwiderte Dr. Scharf gereizt.
„Gewiß — das soll und wird sie!" versetzte Alfons mit funkelten' Augen. „Meine Mutter hat nur mich; sie gehört meinem Vater und mir. Wir füllen ihr ganzes Leben aus. Und bedenken Sie wohl, daß, wenn sie sich wieder verheiraten wollte, sie unter den Reichsten unkßEdelsten des Landes wählen könnte! Frauen wie meine Mutter heiraten nicht die Erzieher ihrer' Söhne. Sie müssen das Schloß ver« lassen; Sie können keinen Tag länger hier« bleiben!"
(Fortsetzung folgt.)
Ltuck und Verlag der Beruh. Hs,'man»'schm Bach^uckttn in Wllrw. Für die Redaktion oecaittivoltlich. E- Neinhaidt daselbst.