Unruhen in Deutsch-Siidwestafrika.

Berlin, 20. Juli. Nach Südwestafrika werden, dem Lok.-Anz. zufolge, im Lause des Monats August folgende neue Transporte ab­gehen: Am 6. August ein Eisenbahn- und ein Telegraphen-Detachement, sowie ein Transport von etwa 500 Pferden, am 20 August eine Kompagnien. Später werden noch weitere Eisenbahntransporte folgen. Diese Verstärknngen gehen über das hinaus, was General v. Trotha gefordert hat. Zum Teil werden die neuen Truppen und Pferde natürlich auch als Ersatz für die eingetretenen Abgänge dienen.

Verschiedenes.

Im Schwurgerichtssale in Lyck in

Ostpreußen hielt der Erste Staatsanwalt eine vernichtende Rede gegen einen Meineidigen. Der Mann sollte zu langer Zuchthausstrafe ver­urteilt werden, denn seine Tat sei grundschlecht und ein Frevel gemeinster Art. Aller Blicke richteten sich nach dem Angeklagten. Derselbe schwankte und seinem Munde entrang sich ein

bis sie mich befriedigt." Der Hausarzt:Heien Sie vernünftig, Fräulein, Fräulein, und stehen Sie auf." Die Gouvernante:Nein, hier bleibe ich liegen, bis ich wein Geld habe; fünf Jahre warte ich auf Bezahlung. . ." Der Hausarzt:Na, dann rücken Sie ein bischen, daß ich mich da auch hinlegen kann; ich warte hier nähmlich auch schon fünf Jahre auf Be- zahlung."

Die Hitze in Paris. Aus Paris kom­men wahre Schreckensnachrichten über die Ver­heerungen, die dort die ungewöhnliche Hitze an­richtet. Die Temparatur ist jetzt bis auf 39 Grad im Schatten gestiegen, und kein Gewitter ist in aussicht. Es wird beinahe unmöglich, sich längere Zeit im Freien zu bewegen. Die Unfälle, die Hitzschläge mehren sich in beängstigen­der Weise. Die Zeitungen bringen täglich zwei lange Spalten voll Unglücksnachrichten, von denen jede in drei, vier Zeilen erledigt wird. Durch­schnittlich ereignen sich täglich 2300 leichte Ohnmachtsfälle in den Straßen, etwa 50 schwere, die die Verbringung in die Hospitäler notwen-

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stoßweises Röcheln. Fühlte er sich zerschmettert dig machen, und ein Dutzend Todesfälle. Ein

und wollte er vor Scham in die Erde finken? Der Schwankende siel von der Bank, das Röcheln entwickelte sich zu einem lauten Schnar­chen, und als die Gerichtsdiener herbeisprangen, da sahen sie, daß der Mann schlief. Die Rede des Ersten Staatsanwalts hatte ihn so wenig berührt, daß er eingeschlafen und von der Bank gepurzelt war.

Die Gouvernante der Baronin v. Jrwitz ist in Krämpfe gefallen und windet sich auf dem Sofa. Man schickt nach dem Hausarzt. Dieser erkennt sofort, daß das Mädchen simuliert. Er bittet daher die Baronin, ihn mit der Patientin allein zu lassen. Diese schlägt als­bald die Augen auf und berichtet:Hören Sie zu, Herr Sanitätsrat, mir blieb kein anderes Mittel. Als ich hier in Stellung trat, sagte mir die Baroin, sie werde mir meinen Lohn nicht immer monatlich auszahlen, sondern in sichere Verwahrung nehmen und gut verzinsen. Darauf ging ich ein. Heute wollte ich das ganze Geld haben, da ich den Dienst verlasse. Die Baronin machte Ausflüchte. Gutwillig giebt sie uichts heraus. Da habe ich zu diesem Mittel gegriffen. Ich simuliere Krämpfe und Ohn­mächten und komme nicht wieder zur Besinnung,

Dienstmann fiel auf seinem Posten, Boulevard Sait-Michel, tot um; ein Kind starb in dem Armen seiner Mutter; ein Fuhrmann fiel vom Wagen und unter die Räder, eine Reinmachefrau starb in ihrer Wohnung; ein Rentier, der zum Fenster hinausschaute, fiel herab und war sofort tot. Eine Frau Ziegler, eine Deutsche, erhielt einen Hitzschlag und wurde in das Hospital Charito" gebracht; sie wurde nach eiucr halben Stunde entlassen aber eine Viertelstunde später zurückgebracht, da sie einen neuen Hitzschlag er­litten. Die Zahl der durch die Hitzte verursachten Jrrsinnsfälle ist am letzten Sonnabend auf 7 gestiegen, darunter befinden sich ein Oberstabs- arzt des II. Kürassieregimcnts; auch eine Ver­mehrung der Selbstmordssälle wurde offiziell festgestellt.

Wie man eine Ehescheidung durch­setzt. Die Pariser Ehefrauen gelnsuchen alle möglichen Mittel, um ihre Männer abzuschütteln, sobald diese untreu werden, waS allerdings häufiig genug der Fall zu sein scheint. Vor einigen Tagen wartete eine Frau zwei Stunden vor dem Hotel, in dem ihr Gatte in lustiger Gesellschaft war. Als er herauskam, ohrfeigte sie ihn vor zweihundert Zeugen. Nun braucht

Rußland und Japan.

London, 22. Juli. Nach einem Telegramm aus Petersburg hat die russische Regierung nach Suez die telegraphische Weisung gegeben, den neutralen Dampfer dieMalacca" freizulasfen. Die Instruktion dürfte aber erst nach der Ab- fahrt derMalaela" in Port Said eingetroffen sein. Infolgedessen wird mit der Möglichkeit eines feindlichen Zusammenstoßes von Schiffen des britischen Mittelmreegeschwaders mit der unter russischer Flagge fahrendenMalacca" gerechnet.

Petersburg, 22. Juli.Echo de Paris" meldet, Kuropatkin habe ein Telegramm an den Zaren gesand, worin er meldet, daß die russische Verluste beim Motienlinpaß die Zahl von 1900 Toten und Verwundeten übersteige. Die sonstigen letzten Meldungen Kuropatkins sind unwesentlich.

Petersburg, 22. Juli. Die letzten amtlichen Kriegsberichte haben hier einen sehr niederschlagenden Eindruck gemacht, man befürchtet, daß die Wah^eit ver­schwiegen werde und General Kuropat­kin sich in einer sehr gefährlichen Lage befinde.

Petersburg, 22. Juli. Ein schweres Gefecht fand bei Taschitschiao statt. Es heißt, der japanische General Kuroki leide an Malaria und lasse sich auf einer Bahre tragen. Er leite aber trotzdem die Operationen der 1. Armee.

Petersburg, 22. Juli. Nach Meldungen aus Mukden soll die östliche japanische Armee unter Kuroki die Reihen der Russen durch­brochen haben und in der Richtung nach Mukden marschieren.

Paris, 22. Juli. Gerüchtweise verlautet, iu den jüngsten Tagen habe ein ernstes Gefecht in der Nähe von Port Arthur stattgefunden. Port Arthur sei heftig beschossen worden.

Wie Privatmeldungen aus Tokio besagen, ist der Hauptsturm der Japaner auf Port Ar­thur durch die Verletzung des Generals Nodzu, welcher am 12. ds. infolge Sturzes mit dem Pferde einen Armbruch erlitten, verzögert worden. Der General ist nunmehr jedoch soweit wieder hergestellt, daß er das Kommando hat wieder übernehmen können und man erwartet daher den endgültigen Sturm auf Port Arthur Ende dieser Woche.

Rnstere Mächte^

Novelle von Conrad vom Walde.

8) Nachdruck verboten.

In dem Versammlungslokal am Hafen", entgeanete Borikow.

Recht so", murmelte Wladimir ge­dankenlos.

Und heute abend zehn Uhr halten wir Gericht über sie."

Gut."

Du wirst die Stimmen einsammeln."

Wie Du befiehlst."

Lebe wohl, lieber Freund", sagte er dann mit einem bedeutsamen Blick, erhob sich und ging, Wladimir in großer Aufregung zurück- laffend.

Waldemar hatte ihn gut unterrichtet, er kannte alle Umständlichkeiten einer solchen Ver­sammlung recht wohl.

Kurz vor zehn Uhr, nachdem er Suschu ge­schrieben, wenn er drei Tage lang nichts von ihm gehört, möge er sofort nach Rhein-Athen abfahren, betrat Wladimir das große bekannte > Wirtshaus, in welchem viele Gäste saßen. § Wladimir ging durch die Zimmer bis ins letzte, , wo ihn ein Diener fragte:Befehlen Sie etwas?"

Ja", erwiderte er,ich suche Freunde."

Bitte, treten Sie dort ein." Er befand ^ sich auf einem Hof, über welchen ihn die Hand ^ eines Unbekannten in einen Gang leitete.

Wladimir trat durch die gegenüberliegende ' Tür ein, wo bereits mehrere ebenso wie er verlarvte Männer in Gruppen umherstanden.

Ah", hieß es,Bruder Waldemar." '

Wladimir reichte allen die Hand. '

Willkommen", flüsterte man ihm zu.

Jetzt trat Borikow ein; Wladimir erkannte ihn sogleich am Gang und an der Größe. In 1 demselben Augenblick dröhnte eine Uhr auf dem Nächsten Kirchturm. Es schlug zehn Uhr. j

Alle nahmen an einer schwarzbehangenen Tafel Platz. Borikow übernahm den Vorsitz.

Es handelt sich, meine Brüder", begann er dumpf,heute um den Verrat der Schwester Nadine. Wer die Tatsachen nicht kennt, erhebe die Rechte."

Keine Hand erhob sich.

Bruder Waldemar, die Kugeln und die Urne."

Der riesenhafte Mensch an der Tür reichte beides Wladimir, welcher sich erhoben hatte.

Schwarz ist Tod", erklärte Borikow. Wir sind unsrer dreiundzwanzig."

Wladimir ging mit der Urne herum und ließ jeden eine Kugel hineinwerfen.

Borikow hob ebensoviel schwarze Kugeln heraus,

Tod!" sagte er dumpf.

Die Ausführung des Urteils", fuhr der Vorsitzende fort,ist der heutigen dunkeln Nacht Vorbehalten. Derjenige, welcher die schwarze Kugel zieht, begiebt sich mit Bruder Peter, welcher die Verurteilte geknebelt trägt, zum Boot, rudert mit ihr allein bis zur zweiten Mole, setzt ihr den Revolver an die Schläfe und drückt ab. Die Leiche stürzt in die See, welche verschwiegen ist."

Beifallsgemurmel ertönte ringsum.

Die Urne mit zweiundzwanzig weißen und einer schwarzen Kugel herbei!" gebot Borikow. Wladimir, halb gelähmt vor Furcht um das Leben Nadies, der Einziggeliebten, erhob sich und empfing von dem Riesen Peter die Kngeln. Gewand behielt er die schwarze in der Hand. Er umkreiste die Tafel, ein jeder zog eine weiße Kugel und legte sie aufatmend vor sich hin, der angebliche Waldemar zog die schwarze.

Er war der Henker.

Ueberwältigt von der Aufregung, sich so beherrschen zu müssen, sank er auf einen Sitz.

Borikows scharfe Augen bemerkten es; laut sagte er:Wenn Bruder Waldemar aus Anlaß

alter Erimwringen zittert, so tun ich bereit, ihn zu vertrete»."

Sofort erhob Wladimir sich und erwiderte: Als Freund des Vaterlandes und zu seinem Heil bin ich zur Urteilsvollziehung bereit."

Gut," versetzte Borikow triumphierend. Morgen früh elf Uhr im Cafo Ledoffsky. Peter, den Revolver."

Der Riese übergab Wladimir die Waffe, indem er dumpf sagte:Morgen früh elf Uhr im Kaffeehaus."

Die Sitzung ist geschloffen."

Wie im Traum sah Wladimir die Personen verschwinde-!, hörte er Borikow flüstern:Schieße sicher, Bruderherz!" fühlte er sich von Peter berührt und ging dem Garderobezimmer zu. Nachdem er sich bekleidet, trat Peter wieder zu ihm; diesmal trug er eine gebundene und ge- knebelte Gestalt federleicht auf dem Arm. Er ging einen Gang entlang, dann hörte Wladimir Wasser rauschen.

Wir sind zur Stelle," sagte Peter.Vor- sicht Bruder."

Mann stieg Stufen hinab, Peter legte seine Last in das Boot und eine zweite Person, welche hier Posten gestanden, reichte ihm die Ruder, indem sie flüsterte:Von der zweiten Mole nach der ersten zurückfahren, das Boot am Wärterhause Nummer sieben abgeben und so die Stadt wieder gewinnen."

Es ist schon recht", lautete Wladimirs Antwort.

Wie gut, daß er auf dem Vater Rhein dem Rudersport gehuldigt.

Die Ruder schnitten ins Wasser ein, daS Boot schoß davon.

Der Retter atmete hoch auf.

Als er weit genug im Hafen vorgedrungett, riß er den Knebel aus Nadines Mund, zer» schnitt die Sticke, welche sie fesselten und sagte ihr leise ins Ohr:Nadine!"

Die Unglückliche, welche dem Tode so nahe gewesen, horchte auf die Stimme.