London, 27. Juni. Der Eigenttimer des kürzlich vom Wladiwostock-Geschwader beschlag­nahmten Dampfers Allanton erhielt heute nach­mittag ein Telegramm von seinem Kapitän, in dem es heißt, daß das Prisengericht beschlossen habe, Schiss und Ladung zu konfiszieren, daß ihm aber innerhalb eines Monats Berufung dagegen zusteht.

Verschiedenes.

Ein gutes Beispiel haben letzthin die Malermeister in Hanover gegeben. Es arbeite­ten nähmlich zehn Malermeister, darunter auch der Obermeister, am Anstrich einer Hausfassade. Die Arbeit war von einem dortigen Malermeister übernommen, dieser aber von den streikenden Gehilfen im Stiche gelassen worden. Ihrem Grundsätze getreu:Einer für Alle und Alle für einen" haben die Meister flugs ihrem Kollegen geholfen nnd so die Arbeit ohne Gehilfen ferttggestellt. (Werkst.)

Das kleinste Automobil, das es auf der Welt gibt, fahrt täglich durch die Straßen von Paris. Das Gefährt ist nur vier Fuß lang und hat nur Pferdekräfte. Benutzt wird es natürlich auch nur von einer Zwergin, die sich jetzund in Paris für Geld sehen läßt.

(Werkst.)

Die uralte Dorfschmiede zu Dentsch- Nettow in Schlesien wird abgebrochen. Fünf­hundert Jahre stand sie auf demselben Fleck und ebenso lange haben dort Meister aus ein und derselben Familie, aus der Familie Schulze,

am Ambos gestanden. (Werkst.)

Ehescheidungen in Japan. Eine neuer­dings veröffentlichte Statistik über die Ehe­scheidungen in Japan bringt ganz überraschende Tatsachen ans Licht. Auf nicht ganz 300 000 Eheschließungen im Jahre kommen über 60 000 Scheidungen. Das Verhältnis der Ehescheidungen zu den Eheschließungen ist also gleich eins zu vier. Die japanische Kultur zeigt sich in der Tat hinsichtlich der Stellung der Frau nicht in glänzendem Lichte. Eine Scheidung vorzunehmen, ist für einen Mann sehr leicht. Confucius hat sieben Gründe angegeben, die tatsächlich als giltig bestehen. Einer derselben gibt z. B. als ScheidungsgrundZuviel sprechen" an! Dabei kommen in den unteren Klassen weit häufiger Scheidungen vor als in den höheren. Die ge­schiedene Frau fügt sich geduldig in ihr Schick- sal und verläßt das Haus sogar mit einem Segenswunsch für ihrenHerrn". Nur selten beantragt in Japan dagegen eine Frau die Scheidung, obwohl oft genug Grund dazu vor- Händen wäre. Das wird besonders bei ärmeren Leuten hauptsächlich eine Folge von Bestimmung sein, daß die Mütter in solchen Fällen die Sorge für die Kinder zu übernehmen haben. Trotz dieser Häufigkeit der Scheidungen wird das Ehe­leben der Japaner im allgemeinen als sehr glücklich geschildert.

Wie sich die Dame» den Schleier umbinden. In der wissenschaftlichen Rund­schau desJornal des Tebats" richtete Henri de Praville an die elegante Frauenwelt die ernste

Frage, warum keine Dame ihren Schleier um. binden kann, ohne eine Grimasse zu machen. Darauf hat er eine Menge Antworten erhalten, die ihn über die Erscheinung aufklären sollend Die eine lautet: Es ist beinahe eine Kunst, einen Schleier regelrecht umzubinden. Der Tüll darf vor den Augen nicht eine einzige Falte ziehen, die Nase darf nicht eingedrückt, der Mund und das Kinn nicht geschnürt sein. Um die Unannehmlichkeiten zu vermeiden, muß man das Kin und die Lippen so weit als möglich vorstrecken, damit sie den nötigen Spielraum haben. So entsteht die Grimasse. Eine andere treue Leserin" derDebats" schreibt: Die Frauen tragen einen Schleier, um ihr gekräuseltes Haar festzuhalten und durch das leichte Tüllgitter, das die Runzeln verbirgt, schöner zu scheinen. Zu diesem Zwecke muß aber der Tüll straf ge- spannt sein, sonst zieht er Querstriche über das Gesicht und macht Falten von bedenklicher Wirkung. Es ist nicht leicht, einen Schleier immer gespannt zu halten. Darum vergewissern sich die Frauen häufig, daß er noch gut sitzt. Sie strecken instinktmäßig die Lippen vor, um mit dem Munde den Tüll zu berühren, und ziehen zugleich den Schleier nach unten, um die richtige Spannung wiederherzustellen. Eine Schrift, stellerin bestätigt diese Erklärung und fügt hin­zu, Herr de Parville werde diesen Sommer seltener Gelegenheit haben, die Grimmasse zu beobachten, weil die Schleier jetzt wieder, wie vor Zeiten, vor dem Gesichte lose herabhängend gleich Fliegennetzen getragen werden.

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A.^wird in allen einschlägigen Geschäften in folgenden populären Z Formaten und Preisen abgegeben: das elegante handliche Doppel- x stück im Karton kostet 2b Pf,' das große mächtige Gktogonstück ^ (Uchtecksormat), zwei Stück im Karton, kostet 35 ps und das kleine ! vornehme Gktogonstück (Uchteckformat) kostet lO ps. Klan be- x stehe daraus, die Stücke in Originalverpackung zu erhalten, da un- n// / Zählige minderwertige Nachahmungen in den Handel gebracht sind.

Rittmeister Einarms Geschichte.

Novelle von Carl Nassau.

2 )

Nachdruck verboten.

Aber? Nun was denn?" fragte der Ritt­meister.

Ich weiß nicht, ob sie mich mag!"

Warum fragtest Du sie nicht?"

Mit den früheren Aussichten?"

Aha! Und wer ist's denn? Darf ich's vielleicht wissen?"

Sicherlich es ist Viktorine, die zweite, hübsche Tochter des Amtrats von Egerstorff auf Lemgo!"

Teufel, das schöne Mädchen!"

Findest Du?"

Und ob! Ich bin für Frauenschönheiten nicht abgestorben."

Und warum heiratest Du denn nicht?"

Sollst es erfahren! Aber spute Dich, die Liebste heimzuholen, damit Du nicht wie ich um Dein Lebensglück betrogen wirst. Soll ich beim Amtsrat Dein Freiwerber sein?"

Möchtest Du, Vetter?"

'Gewißlich! Das soll ja schon morgen geschehen!"

O, wie danke ich Dir hundertfach!"

Wofür? Das ist eine Kleinigkeit!"

Aber Vetter, Du sagtest eben. Du seist um Dein Lebensglück betrogen worden? Durch wen?"

Durch mich selbst! Aber heute mittag ist's genug. Ich zeige Dir Nordern und seine Ein­richtungen, und heute abend nach Tisch soll uns der alte Christian, der das ganz prächtig ver­steht, eine kräftige Bowle brauen; dabei will ich Dir dann aber alles erzählen» wie das überhaupt gekommen ist."

, Die Kaffeetassen Christian, der alte Diener hatte inzwischen den Mokka aufgetragen

waren leer, die Herren standen deshalb auf, besuchten die Stallungen, während Wilhelm den Sommerwagen anspannte, mit dem die beiden Vettern dann ins Feld fuhren.

Abends saßen sie nach Tisch noch beisammen und der Rittmeister sagte:

Nun, wie gefällt Dir ChristiansAdel­punsch," wie er ihn nennt?"

Sehr gut, Vetter Kurt!

Bitte, lange in die Kiste mit Havannas; gestatte mir, die Pfeife zu rauchen, woran ich gewöhnt bin."

Bitte Vetter, ohne Umstände! Aber Du wolltest mir Deine Lebensgeschichte erzählen."

Und der Rittmeister begann:

Ganz recht! Du kennst unfern Familien­zusammenhang wohl ziemlich genau, Vetter?«

Nicht sonderlich, um bei der Wahrheit zu bleiben."

Recht so ist auch nicht zu verlangen!

Den Großpapa, Gerichtspräsident von Hell- wig, habe ich schon nicht mehr gekannt; ich erinnere mich desto besser der Großmama, Frau Amalias! Sie hatte drei Töchter und einen Sohn. Ada, die älteste Tochter, heiratete in der Residenz den Rechtsanwalt Dr. von Sillerina, starb ihm aber schon im zweiten Jahre der Ehe, ohne Kinder zu hinterlassen; der Doktor heiratete später ein Fräulein Oesnich, das aber bei der Geburt ihres Sohnes, meines Vetters Egon, des späteren Professors in der Universitätsstadt, starb. Egon verwaiste bald darauf ganz, denn auch sein Vater schied plötzlich aus dem Leben.

Egon wurde sodann bei der Großmama erzogen.

Elsa von Hellwig, der Präsidentin zweite Tochter, vermählte sich mit Rüdiger von San- dow, meinem Vater. Ich weiß noch, daß diese Ehe eine glückliche gewesen sein muß, denn Papa sprach oft von seiner Elsa. Sie wurde ihm schnell durch eine Typhusseuche, die sich selbst bei uns auf dem Lande breit machte ent­rissen, und mein Papa, der ein großes Gut in

Pacht hatte, verehelichte sich mir nichts dir nichts mit Eveline, meiner Mama, einer geborenen Freiin von Bärdorff. Ich war noch nicht fünf­zehn Jahre alt und bei Großmama als Schüler in Pension, als schnell hintereinander mir Vater und Mutter starben. Die Hellwigs hatten ein- mal kein Glück!

Lilli, die dritte Hellwigsche Tochter, wurde Baronin von Wertheim. Sie besaßen nur eine Tochter, Alix, ein Sonnenstrahl, so sagte oft die Großmama. Als ich sie kennen lernte, war sie eben vierzehn!Die Hellwigs haben kein Glück," meinte damals weinend die Großmutter. Aber das Unglück stumpft ab, sagt man, und so wurde auch dieses Schicksal verschmerzt.

Der Hellwigsche Sohn, Onkel Oswald, er­lernte die Landwirtschaft; er hatte das Glück, das große Loos zu gewinnen und kaufte damals Nordern. Er verliebte sich in Rosa von Sollet, Deine Tante, und lebte mit ihr sehr glücklich. Kinder hatten die Beiden nicht, und als dem Onkel seine Rosa starb auch viel zu früh nach irdischer Berechnung da konnte er sich nicht entschließen, eine andere an ihren Platz zu stellen. Cr setzte Egon, mich und Alix zu Erben seines Vermögens ein. Das blieb uns aber noch Geheimnis.

Wir drei Kinder wurden unter Großmamas Augen erzogen: Egon von Sillering machte auf dem Gymnasium bedeutende Fortschritte: er war bald der erste; sehr erklärlich, daß er mit fünf' undzwanzig Jahren bereits Professor der Phila' sophie war und Anstellung an unserer Universität fand. Ich hatte mich für den Militärstand entschieden und wurde mit zweiundzwanzig JahM Leutnant bei der Gardekavallerie. Ich war ein wilder Junge und in der Residenz nannte man mich nur dentollen Sandow," denn ich ritt die wildesten Pferde, hielt die größten Hunde, hatte die meisten Leidenschaften und wettete die größten Einsätze.

(Fortsetzung folgt.)

Druck und Verlag der Beruh. Hosmann'schen Buchdruckerei in Mldhro. Für sie Nevrktt,» oerantivartllH. E. Relnharm daselbst.