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Allerlei.
Wildbad, 19. Dez. Gar Manche müssen die kommende Festzeit fern von den Ihrigen verleben, denn mancherlei Berufe und mancherlei Arbeiten gestatten selbst an Weihnachten keine Freizeit. Aber auch sie werden nicht vergessen. Schon liegt allerhand bereit, was ihnen am Christabend von Liebe und treuem Gedenken einen deutlichen Beweis geben soll. Und nun gehl's ans Packen! Auch das ist eine Kunst, die gelernt sein will und die — nicht jeder kann. In den nächsten Wochen, wo auf Weihnachten und Neujahr der Patetver- sand sich geradezu ins Unheimliche steigert, muß jedet Absender vor allem darauf bedacht sein, ein recht sorgfältig gemachtes festes Paket zur Post zu geben, das nicht gleich entzwei geht, wenn es verladen wird. Alan erlebt in dieser Beziehung die unglaublichsten Dinge, und es ist schade, wenn allerhand hübsche, mit bester Absicht gewühlte Geschenke kaput gehen, weil sie eben schlecht eingepackt waren. Es wird ja wohl dann der Post die Schuld in die Schuhe geschoben, aber eigentlich ist sie wohl in den wenigsten Fällen zu tadeln. Ein wirklich hübsches Paket wird beim Oeffnen schon großes Entzücken Hervorrufen. Alle Gegenstände in gleichfarbiges Seidenpapier gehüllt, mit Bändchen um- bunden, dazwischen Tannenzweige mit em paar Lamettafäden aufgeputzt, beim Oeffnen zuoberst ein Weihnachtskartengruß — das bereitet Freude, ehe noch die Geschenke eigentlich zum Vorschein kommen, nur durch die Weihnachtsstimmung und liebevolle Sorgfalt, die daraus spricht. Vielleicht macht sich da und dort eine Leserin diese Anregung zunutze; sie wird mit wenig Mitteln durch solch anmutige Darbietung' ihre Gabe doppelt wertvoll und lieb machen.
Balingen, 18. Dez. Eine Wirkung des Erdbebens ist in den Berichten noch nicht genügend festgestellt worden. Nicht nur eine Veränderung der Quellen, teils Versiegung, teils Neuvorkommen, ist zu bemerken, sondern die ganze Eyach ist seit der Nacht des 16. November etwa um die Hälfte oder noch mehr ihres vorherigen Wasserbestandes verstärkt. In Dürrwangen z. B. ist eine Mühle, die vorher auf Dampf angewiesen war und dann sofort sägen, mahlen und Elektrizität erzeugen konnte. Aehnliches wird auch vom Schmiechatal gemeldet. In der Nähe von Tailfingen will man an einem Berge eine entschiedene Veränderung bemerkt haben gegenüber dem früheren Aussehen, und zwar ganz ungesucht. Erdrisse und Rutschungen auf den Feldern kommen auch auf der südlichen Eyachseite bei Dürrwangen vor, links vom Bahngeleise.
Von der oberen Donau, 18. Dez. Es wurde in den letzten Tagen berichtet, daß das Erdbeben an verschiedenen Oertlichkeiten des Donautales zwischen Tuttlingen und Beuron Schaden angerichtet hat. Nun erzählen Wanderer, die kürzlich die Strecke von Beuron bis Sigmaringen durchwandert haben, daß auch hier das Beben sich stark
bemerkbar gemacht hat. Fast alle Ruinen, Burgen und Schlösser des Tales haben notgelitten. Auf Burg Wildenstein wie auf Schloß Werenwag enk- standen Mauerrisse. Der Waldhüter, der auf Schloß Werenwag untergebracht ist, kann seine alte Wohnung nicht mehr beziehen; die Kosten der Reparaturarbeiten im ganzen Schlosse werden auf 10 000 Mk. geschätzt. An der Ruine Hausen stürzte die Oftwand ein. Nach den Mitteilungen eines Bahnbeamten war nach dem gewaltigen ersten Stoß das Niedersausen der Felsmassen in der sternhellen Nacht fürchterlich anzuhören. Die Rehe im Walde gaben brüllende Klagelaute von sich und von den Felsen her ertönte das Bellen der Füchse.
Aus Turin wird geschrieben: Soeben wird zur Mobilisierung der Altersklassen 1881, 1882, 1883, 1884, 1885 und 1886 im Piemont geschritten. Es herrscht hier bereits gewaltiger Unwille, da vorzugsweise die Piemontesischen Regimenter nach Afrika geschickt werden, weil sich, wie hier verlautet, die Sizilianer und Kalabreser weigern, in den Krieg zu gehen. Aus Piemont, Lombardei und Venrzien sind fast alle Truppen wegbefördert; daher ist eine Masfenmobilisierung notwendig. Im übrigen sind bei der Einwaggonierung eines Bataillons Alpini in Jvrea bedenkliche Szenen vorgekommen. Vor Abfahrt des Zuges stellte sich eine Menge Sozialisten vor die Lokomotive auf das Geleise und riefen: „^basso lu x-uarra! Non s> pnrto!" (Nieder mit dem Krieg! Nicht wegfahren!) Viele Soldaten weinten, als der Zug sich in Bewegung setzte, während die Zeitungen natürlich von einem „großen Enthusiasmus der tapfern Krieger" zu berichten wußten.
(Wie die Hunde schmuggeln lernen.) Der „Finanziere", das Organ der italienischen Zollbeamten, erzählt, wie die italienischen Schmuggler an der schweizerischen Grenze ihre Hunde zu Schmugglern erziehen. Der Hund — auf die Rasse kommt es nicht an — wird auf schweizerischem Gebiet in einem dunklen Raume irgendeiner elenden Hütte eingesperrt gehalten; man läßt ihn hier hungern und dursten und macht ihn dann zum Ziel eines ungefährlichen Schusses: die Munition besteht aus Salzkörnchen, und der Schütze ist ein als Zollbeamter verkleideter Schmuggler. Die Verletzungen, die der Hund davongetragen hat, sind bald wieder ausgeheilt, aber es bleibt dem Tier eine entsetzliche Furcht vor der Uniform des Zollbeamten, eine Furcht, die systematisch verschärft wird, da der verkleidete Schmuggler den Hund fortwährend schlügt ynd in jeder erdenklichen Weise peinigt. Wenn das Tier seinen Peiniger gründlich hassen gelernt hat, jagt man es auf Schleichwegen über die Grenze, in der Annahme, daß es sich mit sicherein Instinkt in das Haus flüchten werde, in welchem es, bevor es auf schweizerisches Gebiet gebracht wurde, sich einer besonders guten Behandlung zu erfreuen hatte. Trifft diese Annahme zu und findet der Hund allein den erwünschten Ort jenseits der Grenze, so kann seine Erziehung
als abgeschlossen betrachtet werden. Er wird dann zunächst noch einmal nach der Schweiz in sein Gefängnis gebracht und von dem Pseudobeamten in der gewohnten Weise angekettet und geprügelt. Darauf bindet man ihm die aus Tabak, Zucker, Schokolade, Uhren usw. bestehende Schmuggelware auf den Rücken und jagt ihn, nachdem man ihm noch eine gehörige Tracht Prügel erteilt hat, zum zweitenmal über die Grenze. Es ist unglaublich, wie schlau die armen Tiere zu Werke gehen, um dem verhaßten Zollbeamten, wenn sie ihn von fern sehen, auszuweichen. Sie schauen vorsichtig und ängstlich um sich, schnuppern, aber so leise, daß nicht ein Atemzug zu hören ist, schlagen neue Wege ein, verstecken sich hinter Steinhaufen und Buschwerk und suchen so lange, bis sie sicher zu dem guten Herrn gelangen. Manchmal aber schickt sie ein Kernschuß des Zollbeamten ins Hundeparadies.
Petersburg, 18. Dez. Der Minister des Aeußern, Ssasonow, erklärte in einer Unterredung einem Vertreter.der „Nowoje Wremja" gegenüber, das Marokkoabkommen und die persische Frage bildeten einen Prüfstein für die Festigkeit des Dreibundes und der Tripleentente. Nirgends bestehe der Wunsch, die politische Gruppierung zu ändern. Eine etwaige Thronusurpation durch den früheren Schah würde nicht anerkannt werden. Rußland verzichte nicht auf eine Entschädigung für seine Operationskosten, werde jedoch die schwierige Finanzlage Persiens berücksichtigen. In der Dardanellenfrage führe Rußland keine amtlichen Verhandlungen, doch könne der russische Botschafter in Konstantinopel, Tscharykow, Privatgespräche darüber geführt haben. Die Frage, ob China Schritte von Rußland zu befürchten habe, könne verneint werden, so lange die chinesische Revolution für Rußland nicht bedrohlich sei. — Es wird versichert, der russische Botschafter Tscharykow habe geMrn der Pforte die Erklärung abgegeben, daß er nicht mehr in eine Diskussion über die Dardanellenfrage eintretrn werde.
Der Lenien-Verlag zu Leipzig hat auch Heuer wieder einen Almanach auf das Jahr 4812 herausgegeben, der ein vornehm ausgestattetes, sehr lesenswertes und doch äußerst billiges Buch (nur SO Pfg.) von 232 Seiten darstellt. Trotzdem der Lenien-Berlag noch ein jüngeres Unternehmen ist, weist sein Bücherverzeichnis zahlreiche vorzügliche Werke und hervorragende Autorennamen auf. Waren an Lenien-Almanach 1911 Beiträge von: Avenarius, Bierbaum, Hauptmann, Ellen Key, Thomas Mann, Mitral, Ostini, Schnitzler und anderen, so sind auch im Almanach 1912 unter den Verfassern fast nur Berühmtheiten, Namen mit klingendem Klang, wie z. B.: Hans Bethge, Hans von Wolzogen, Tassillo von Schefser, Georg Hirschfew, Hugo Salus, Paul Friedrich, Laura Frost, Dr. Heinrich Spiero, Verhaeren, Knut Hamsun, Prof. Dr. Wolfgang Gölten, Pros. Dr. Galland, Margarete von Schuch-Mankiewiez, Prof. Dr. Wilhelm Wachs- muth, Adolf Wilbrandt und a. m. Eine Goethehandzeichnung und 11 Bildbeigaben nach Originalen von Karl Bauer, Felix Bracquemond, Julia von Eglofsstein, Fragonard, Kraus, Augustin de Saint-Aubin, Ruisdael rc. re. zieren das in sauberem Druck auf tadellos bestem Papier erschienene Werk, das in der Wildbrett'schen Buchhandlung (wie auch der Lenien-Almanach 1912) vorrätig ist, und jedermann zur Einsichtnahme bereitwilligst dort vorgelegt wird.
(Ernst Krauß, Satteldorf).
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