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Hiezu: Illustriertes Sonntagsblatt und während der Saison: Amtliche Fremdenlisttz.

Nr. 55 I

Dienstag, den 9 Mai 1911

47. Jahrgang.

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Stuttgart, 5. Mai. Der König wird sich am 13. ds. zu mehrtägigem Aufenthalt nach Schloß Karlsruhe in Oberschlesien begeben.

Stuttgart, 6. Mai. Die deutsche Partei hat der Volkspartei vorgeschlagen, sich auf Regierungs­rat Lautenschlager zu einigen. Man kam gestern noch nicht zu einem Ergebnis, die Verhandlungen sollen aber heute oder am Montag weitergeführt werden. Es scheint, daß man in der Volkspartei verschiedene Bedenken gegen Lautenschlager fallenließ4

Stuttgart, 6. Mai. Im dichtbesetzten Fest­saal der Liederhalle entwickelte gestern abend Regierungsrat Lautenschlager vor der Mählerver- sammlung sein Programm. Der Vorsitzende der Versammlung, Rechtsanwalt Dr. Raffer betonte, daß die Kandidatur Lautenschlager keine Partei­kandidatur sei, daß der Kandidat vielmehr selbst der Ansicht sei, ein Stadtvorstand, der seinen Auf­gaben recht Nachkommen wolle, dürfe nicht auf den KrückenFiner Partei aufs Rathaus kommen, sondern müsse vom Vertrauen der Bürger getragen sein. Mit lebhaftem Beifall begrüßt, hielt sodann Regierungsrat Lautenschlager seine Rede, die er mit dem Hinweis darauf einleitete, daß vor nunmehr 13 Jahren sein Bruder als Bewerber um das Amt des Stadtvorstands ohne Komitee und ohne Partei den Wählern der Stadt gegenübergetreten sei. Der Kandidat erklärte, daß er sich frei von bürokratischen Anwandlungen fühle, daß er, was die Frage der politischen Betätigung anlange, unabhängig bleiben wolle und es dem Ansehen eines Mannes in solch exponierter Stellung, wie es die des Stadtvorstands ist, für wenig zuträglich halte, wenn er.sich einer politischen Partei verschreibe. Ein Mandat in den Landtag oder Reichstag würde er deshalb nicht annehmen. Die ruhige und sachliche Art, in der der Kandidat sein Programm darlegte, wobei er sich frei von Uebertreibungen und un­möglichen Versprechungen, wie man sie gegenwärtig auch zu hören bekommt, hielt, machte auf die Ver­sammlung, die aus allen Kreisen der Bürgerschaft besucht war, den besten Eindruck.

Stuttgart, 8. Mai. Die heutige Besprechung der Vertreter der verschiedenen bürgerlichen Parteien hat leider zu einer Einigung nicht geführt. Die nat.lib. Partei und die konservative Partei traten für den Kandidaten Regierungsrat Lautenschlager ein, die Volkspartei dagegen für die Namen Sigel und Dr. Keck, Oberbürgermeister in Göppingen. Die Vertreter des Zentrums erklärten, daß die Kandidatur Keck für sie annehmbar sei, wenn sämt­liche bürgerliche Parteien sich auf sie einigen könnten. Der Versuch der Volkspartei, auf den Namen Sigel eine Einigung zu erzielen, ist daran gescheitert, daß die konservative Partei und Zentrum diese Kan­didatur ablehnten, worauf die Vertreter der nat.- liberalen Partei erklärten, die Kandidatur Sigel wäre für sie nur annehmbar gewesen, wenn sich sämtliche bürgerliche Parteien auf sie hätten ver­ständigen können. Die nat.lib. Partei hat unter diesen Umständen einstimmig beschlossen, die Kan­didatur Lautenschlager mit allen Kräften zu unter­stützen Nach dem Vorstehenden ist dies auch von der konservativen Partei zu erwarten. Amtmann Bazille gibt angesichts der nun geschaffenen Situ­ation die offizielle Erklärung ab, daß er seine Kan­didatur vorläufig nicht weiter verfolge.

Stuttgart, 7. Mai. Zur Stadtschultheißen­wahl. Amtmann Bazille trat gestern abend im Saal der Brauerei Dinkelacker vor eine große Wählerversammlung, um als Kandidat zur Staddt- schultheißenwahl sein Programm zu entwickeln. Ver sammlungsleiter war der Landtagsabg. Baumann. Amtmann Bazille trug seine Ausführungen mit glänzender Beredtsamkeit vor und hatte unstreitig

von allen bisher gehörten Kandidaten die beifalls­freudigste Zuhörermenge vor sich. Es war keine Aufzählung von Versprechungen, sondern die Dar­legung eines großzügigen Programms. Man merkte es diesem energischen, zielbewußtenund unerschrockenen Mann wohl an, daß es seine innerste Ueberzeugung war, mit der er freimütig seine Verwaltungsgrund­sätze offen bekannte und sie auf diese Weise zum Gegenstand der öffentlichen Kritik machte. Am Schluß der Rede setzte einmütiger, langanhaltender Beifall ein. Auf wiederholte Aufforderung des Versainmlungsleiters meldete sich niemand zur Dis­kussion. (S.K.B.)

Oberbürgermeister Dr. Keck-Göppingen, stell­te sich heute abend in einer Wahlversammlung in Diukelackers Saal der Bürgerschaft vor und ent­wickelte in V-flündiger Rede sein Programm. Unter den etwa 800 Teilnehmern waren alle Kreise der Bevölkerung vertreten, auch Mitglieder der bür­gerlichen Kollegien wohnten der Versammlung an. Unter den Zuhörern sah man auch den früheren Oberbürgermeister v. Gauß. Die Ausführungen des Kandidaten fanden den lebhaften Beifall der Versammlung. Den Vorsitz hatte Fabrikant Mor­genstern übernommen.

DasRegierungsblatt" veröffentlicht eine Verfügung des Ministeriums des Innern, die die Polizeistunde betrifft. Darnach ist die Ortspolizei­behörde befugt, in einzelnen Fällen die Zeit des erlaubten Wirtschaftsbesuchs für alle oder für ein­zelne Wirtshäuser und öffentliche Vergnügungsorte der betr. Gemeinde zu verlängern. Mit Geneh­migung des Bezirksrats kann der Gemeinderat die allgemeine und dauernde Verlängerung oder Aus­hebung der Polizeistunde beschließen, wenn ein zur Aufrechterhaltung der nächtlichen Ruhe genügendes Polizeipersonal angestellt ist und in sittenpolizei­licher Beziehung nachteilige Folgen nicht zu erwarten sind. Sowohl dieser Beschluß des Gemeinderats als die vom Bezirksrat erteilte Genehmigung kann jederzeit widerrufen werden. Der Bezirksrat ist zum Widerruf auch der nach älterem Recht zuge­lassenen Verlängerung oder Aufhebung der Polizei­stunde zuständig. Unabhängig von dieser Zustän­digkeit des Bezirksrats ist das Oberamt befugt, für einzelne Wirtschaften, deren unordentliche Führung hiezu Anlaß gibt, das Wiederinkraftreten der Po­lizeistunde nach vorausgegangener zweimaliger An­drohung dieser Maßnahme anzuordnen.

Die Staatskassenstellen sind ermächtigt, für künftig die Banknoten der Württembergischen und Bayerischen Notenbank in Stuttgart und München, der Sächsischen Bank in Dresden, der Badischen Bank in Mannheim in Zahlung zu nehmen. Durch diese Verfügung kommt neu die Aufnahme der Sächsischen Banknoten, dagegen ist die Annahme der Noten der Frankfurter Bank und der Bank für Süddeutschland in Darmstadt, die seit 1876 als annahmefähig bezeichnet waren, nicht mehr zu­lässig.

Altbach, OA. Eßlingen, 4. Mai. Die Firma Schiedmayer, Pianüfortefabrik von S. und P. Schiedmayer in Stuttgart hat die Altbacher Möbel­fabrik samt einem anschließenden größeren Ge­lände im Umfang von 27 000 Quadratmeter auf 1. Juni gekauft. Später sollen mehrere andere eingerichtete Fabrikgebäude erstellt und der ganze Betrieb hierher verlegt werden.

Tübingen, 4. Mai. (Strafkammer.) Wegen Diebstahlsrückfall wurde die 21jährige Theresia Pfister aus Vizenza in Italien zu Zeinhalb Mo­naten Gefängnis verurteilt. Die Angeklagte ist Zigeunerin und kam am 23. März mit ihrer Ge­sellschaft nach Nothfelden. Nach 3 Uhr mittags betrat sie den Laden des Bäckermeisters Bruder, wo sie von dessen beiden Töchtern Anna, 8 Jahre alt und Marie, 11 Jahre alt, eingelassen wurde.

Zuerst vergewisserte sie sich, daß die beiden Eltern nicht auf dem Weg waren, dann schickte sie die Anna unter einem Vorwände weg und nun kaufte sie von der Marie einen Wecken um 3 Pfg. und bezahlte ihr mit einem Markstück. Dann ließ sie sich 10-Pfennig-Stücke einwechseln, besonders be­gehrte sie solche mit der Jahreszahl 1876, angeb­lich zu einem Spiel. Die Marie suchte die be­gehrten Münzen in der Ladenkasse. Die Angeklagte fragte die Marie, ob es erlaubt sei in die Kasse zu greifen. Diese entgegnete:Nein, es ist nicht erlaikbtl" Trotzdem griff sie hinein und holte auch ein 10-Pfennig-Stück heraus, das sie aber wieder weglegte. Bei diesem Spiel hat sie unbemerkt mindestens 6 Einmarkstücke aus der Kasse ge­nommen und zu sich gesteckt. Das gestand die An­geklagte am Ende der Hauptverhandlung zu.

Calw, 5. Mai. Eine Anzahl Betriebswerks- besitzer des Bezirks haben dieser Tage mit Vertre­tern der Regierung hier wegen der künftigen Unter­haltung der Flößereieinrichtung, die bisher der Forstverwaltung oblag, unterhandelt. Es wurde eine Einigung erzielt, die die Aufhebung der Flöß­erei auf der Nagold für das nächste Frühjahr er­warten läßt.

Freudenstadt, 3. Mai. Prinz Ferdinand Pius Maria von Bourbon. Herzog von Calabrien, und seine Gemahlin geb. Prinzessin von Bayern, nebst Kindern sind hier gestern aus ihrem Schloß in Cannes eingetroffen und haben imHotel Waldeck" (Neubau) Wohnung genommen.

Neuenbürg, 5. Mai. Die Kraftwagenge­sellschaft Neuenbürg-Herrenalb-Wildbad hat mit Einführung des Sommerdienstes ihre Fahrten gegen bisher wesentlich erweitert und vermehrt und damit einen kräftigen Schritt vorwärts getan. Im Frühjahr 1910 gegründet, hat sich die Gesellschaft zunächst eine bessere Verbindung zwischen dem Enz- und dem Albtal zur Aufgabe gemacht und das ganze Jahr hindurch Fahrten zwischen Neuenbürg, Marxzell und Herrenalb zur Ausführung gebracht. Schon das erste Betriebsjahr hat gezeigt, daß die neue Einrichtung ganz gut lebensfähig ist und daß ein Bedürfnis hiefür vorhanden war. Der Gedanke einer Ausdehnung der Einrichtung legte sich daher von selbst nahe, um auch andere Bezirksteile an die Kursfahrten anzuschließen. Bestrebungen nach dieser Richtung haben zunächst zu einer Verständigung mit der A.-G. Automobilverkehr Gernsbach geführt, wodurch die Ausdehnung der Fahrten auf der Strecke Herrenalb-Dobel-Wildbad ermöglicht wurde. Die hiesige Kraftwagen-Gesellschaft übernimmt den Lokalverkehr und der Automobil­verkehr Gernsbach beschränkt sich auf die Ausführung von zwei durchgehenden Fahrten zwischen Wildbad, Herrenalb und Baden-Baden. Die Fahrpreise sind einheitlich geregelt und die Fahrpläne gemeinschaft- ' lich aufgestellt mit gegenseitiger Anschlußmöglichkeit. Die hiesige Gesellschaft wird nun in diesem Sommer neben 2 weiteren Kursfahrten zwischen Neuenbürg, Marxzell und Herrenalb noch eine tägliche Rund­fahrt zwischen Neuenbürg, Marxzell, Herrenalb, und Wildbad und umgekehrt zur Ausführung bringen, übernimmtdiePostsachenbeförderungzwischenHerren- alb und Wildbad und hält außerdem einen Wagen neuesten Systems zur Verfügung des Kgl. Bad­kommissariats Wildbad zwecks Ausführung von Sonderfahrten nach beliebigen Orten. Für das reisend: Publikum sind damit ausgezeichnete Fahr­gelegenheiten geschaffen und es märe zu wünschen, wenn daß davon ein ausgiebiger Gebrauch gemacht wird. Die getroffene Betriebsausdehnung machte für die hiesige Gesellschaft die Erhöhung des Aktien­kapitals, die Vermehrung des Wagenparks und die Erbauung einer Autohalle notwendig, welche z. Zt. mit einem Aufwand von rund 6000 Mk. aus­geführt wird.