— Seit Anfang dieses Jahres wird in Berlin eine erschreckende Zunahme der Kapitalverbrechen beobachtet. Die Steigerung scheint im zweiten Vierteljahr am größten gewesen zu sein, denn nach der amtlichen Uebersicht kamen in diesem Zeitraum in Groß-Berlin 24 Morde und Totschläge gegen 10 im Vorjahre vor. Hingerichtet wurden 3 Personen gegen 0 im Vorjahre. —
— Das Gordon-Bennet-Rennen der Lüfte. Die ^Vorbereitungen zu dem internationalen Ballonwettfahren, das am 10., 11. und 12. Oktober bei Berlin stattfindet, sind in vollem Gang. Nach den soeben festgesetzten Bestimmungen müssen die Ballons bis spätestens 4. Oktober in der Ballonhalle bei der Gasanstalt in Schmargendorf eingeliefert sein, wo in den folgenden Tagen die Prüfung stattfindet. Zur Teilnahme haben sich 86 Ballons gemeldet, von denen 25 an der Zielfahrt am 10 Okt.,
23 an der Weitfahrt (Gordon-Bennet-Wettfahrt) am 11. Okt. nnd 38 Ballons an der Dauerfahrt am 12. Okt. teilnehmen.
Berlin, 29. Sept. Der Nordd. Allgem. Ztg. zufolge fand gestern im Kultusministerium unter Beteiligung von Kommissären der beteiligten Reichsämter und der preußischen Ministerien eine Beratung statt, worin zur größeren Sicherheit gegen die Einschleppung der Cholera nach Deutschland beschlossen wurde, daß an denjenigen Stellen, wo die Memel, die Weichsel und die Warthe aus Rußland nach Preußen übertreten, eine gesundheitspolizeiliche Ueber- wachung des Schiffahrts- uud des Fischereiverkehrs eingeführt, das Zugpersonal auf den aus Rußland kommenden Bahnzügen zu Erörterung des Gesundheitszustandes der Reisenden angehalten und daß für die aus Rußland in deutsche Orte zureisenden Personen die Verpflichtung eingeführt werden soll, sich innerhalb
24 Stunden polizeilich anzumelden.
Paris. Wilbur Wright, der in Le Mans seine Experimente fortsetzt, hat sich gegen den Korrespondenten eines englischen Blattes über die Zukunst der Flugmaschine geäußert. „Meine Ueberzeugung ist, daß in der Entwicklung des Aeroplans die Dinge genau so verlaufeu werden wie bei dem Siegeszug der Dampfmaschine und des Automobils. Die Gesetze des Flugs sind jetzt praktisch ergründet und die Zukunft wird die gewonnenen Grundsätze nur wenig verändern. Andererseits aber wird zweifellos die Flugmaschine wesentliche Umwandlungen und Verbesserungen erfahren, genau wie es bei den Lokomotiven geschah, die in den letzten fünfzig Jahren wunderbare Fortschritte gemacht haben und doch die alten Grundsätze nicht verleugnen. Nach meiner Ansicht ist die wissenschaftliche Grenze der Ausnutzung der Motorkrast so gut wie erreicht. Ich glaube nicht, daß es jemals möglich sein wird, mit einer gegebenen Pferde- krast ein größeres Gewicht zu heben, als es jetzt möglich ist. Vor zwei Jahren trieb ein 14pferdiger Motor mein 600 KZ schweres Aero- plan; etwas Besseres können auch die modernsten Motors kaum leisten. Schon die nächsten Jahre werden die Atmosphäre in der Umgebung der großen Städte von zahlreichen vereinfachten, sehr leichten und sehr schnellen Flugmaschinen bevölkert finden. Die Flugmaschine wird die Lust erobern, wie die Eisenbahn die Erdoberfläche." Wilbur Wright beabsichtigt, wenn er seine Verpflichtungen gegen Lazare-Weiller erfüllt hat, gemeinsam mit seinem Bruder Orville um den von der Londoner Daily Mail ausgesetzten 200000 Mk.-Preis sich zu bewerben; es handelt sich dabei um einen Flug von London nach Manchester, bei dem nur zwei kurze Landungen zum Zweck der Aufnahme neuen Heizungsmaterials für den Motor zulässig sind.
— Das größte Aufsehen macht jetzt in London die Schauspielerin Marie George — mit ihrem Hut. Dieser Hut ist ein Monstrum von nie gesehener Eigenart und pikantem Reiz, unter dem das niedliche kokette Gesicht der Dame gar winzig hervorschaut. Er mißt sechs Fuß im Durchmesser und ist dabei doch ganz leicht. Als Garnierung befindet sich auf ihm eine große Menge malvenfarbenen Tülls und bekrönt wird er von zwei großen „Pompons" von Straußenfedern. Jede dieser Straußenfedern ist einen Fuß hoch und ragt stolz nickend empor. Der eine „Pompon" hat dieselbe
Malvensarbe wie der Hut, der andere ist in einem entzückendenBlaugehalten.EineUmkrünzung von hellroten Rosen schließt die ganze Wirkung harmonisch ab. Marie George hat mit diesem Hut einen Erfolg, wie sie noch nie auf der Bühne hatte; man spricht von nichts anderem mehr in den Kreisen, in denen man sich extravagant anzieht, und die Sehnsucht jedes Frauenherzens ist auf ein solch furchtbar schönes Ungetüm gerichtet — kurz, es ist der „Hut der Saison."
— Aus London kommt die Meldung von der eigenartigen Entdeckung eines prachtvollen Tenors, dessen freilich noch ungeschulte Stimme in ihrer natürlichen Schönheit an Caruso gemahnen soll. Eine Anzahl amerikanischer Touristen hatte einen Ausflug nach Whitechapel unternommen, dem berühmten Stadtviertel Londous, in dem einst Jack der Auf- schlitzer seine Schreckensherrschaft ausgeübt. Ein amerikanischer Theateragent, Jack Good- son und einer der bekanntesten New-Uorker Advokaten hatte an der Exkursion teilgenommen. In der Mitleser-Street blieb die ganze Gesellschaftunwillkürlichüberrascht stehen: in der Nähe hörte man eine wundervolle Tenorstimme, die eine Strophe aus einer volkstümlichen Ballade sang. Man folgte dem Stimmenklang und entdeckte schließlich einen armen halbzerlumpten jungen Menschen, der vor der Tür einer Bar sein Lied sang. Eine halbe Stunde später war der junge Straßensänger von dem Theateragenten für Newyork engagiert wo er auf zehn Wochen mit 1000 Mk. Wochengage, im Falle des Erfolges mit doppelt hohem Honorar im American Theatre Balladen singen soll. Der Name des neu entdeckten Tenors lautet Mirzka Gpnt. Bei einem bekannten Londoner Musiker hat er bereits begonnen, die Notenschrift zu lernen, denn bisher hat er ohne jede besondere musikalischen Kenntnisse nur nach dem Gehör gesungen.
MnLerhattenöes.
Ein dunkles Geheimnis
von Ewald August König.
Forck. Machdr. verboten.)
„Von dieser Begleitung möchte ich Sie bitten, mich zu entbinden," sagte der Freiherr rasch. „Die kalten verzerrten Züge eines Toten haben —"
„Herr Baron, ich wünsche Ihre Begleitung," fiel Eleonore ihm mit scharfer Betonung ins Wort. „Ich habe bisher noch keinen Mann gefunden, der sich vor einem Toten fürchtete; ich hoffe. Sie werden mir zuliebe diese Furcht überwinden können."
„Aber wozu diese Aufregung, Eleonore?" fuhr der Freiherr fort. „Begnügen Sie sich mit der Durchsicht des gerichtlichen Protokolls, so wird das Bild Ihres Verlobten Ihnen bewahrt bleiben, wie es —"
„Verlieren wir weiter keine Worte darüber. Kommen Sie, der Wagen steht bereit."
Während der Fahrt versuchte der Freiherr zu verschiedenenmalen die Unterhaltung wieder anzuknüpfen, aber seine Versuche scheiterten an der Enfilbigkeit der jungen Gräfin, die in, Sinnen versunken, unverwandt in die Landschaft hinausblickte.
Was in diesem Augenblick in der Seele des Mädchens vorging, konnte der Freiherr zwar nicht ergründen, aber es entging ihm nicht, daß ein gewaltiger Sturm dieselbe durchtobte.
Der Richter legte der jungen Dame das Protokoll vor; nachdem Eleonore dasselbe aufmerksam gelesen hatte, beauftragte sie den Kutscher, zum Gasthofe zu fahren. Die Leiche des Barons lag noch immer in Nr. 17, sie sollte am Abend in das städtische Krankenhaus gebracht werden und dort bis zur Beerdigung bleiben.
„Folgen Sie mir," befahl die Komtesse ihrem Begleiter in einem Tone, der keinen Widerspruch duldete.
„Ihnen zuliebe, Eleonore," erwiderte der Freiherr leise, ivährend er an ihrer Seite die Treppe Hinaufstieg.
Der Wirt öffnete die Tür des Zimmers und zog sich, dem Winke der jungen Dame gehorchend, zurück.
Der erste Blick Eleonorens prüfte die innere Einrichtung des Zimmers, er ruhte eine Weile auf den beiden Türen und Fenstern. Dann näherte sie sich langsam dem Lager des Toten. Der Wirt hatte über die Leiche ein Tuch gebreitet. „Schlagen Sie die Decke zurück," wandte Eleonore sich zu dem Freiherrn, der ohne Widerrede diesem Befehle Folge leistete.
Lange betrachtete das Mädchen die bleichen Züge ihres Verlobten, über die der' Engel des Todes ein Lächeln des Friedens gebreitet hatte, dann traf plötzlich mit der Schnelligkeit des Blitzstrahls ihr Blick den Freiherrn, der mit kaltem Gleichmut in das Gesicht des Toten schaute. „Glauben Sie, daß der Baron in ungeweihter Erde begraben wird?" fragte sie.
„Wenn keine Schritte geschehen, dies zu verhüten, ja, erwiderte der Freiherr gelassen.
„Gut, so werde ich die Leiche zur Residenz bringen und sie dort in unserer Familiengruft beisetzen lassen," fuhr Eleonore entschlossen fort. „Sie wissen nicht, wo augenblicklich der Bruder des Barons weilt?"
Der Freiherr zuckte die Achseln.
„Baron Oskar von Reden ist mir nur dem Namen nach bekannt; wenn ich nicht irre, trat er vor einigen Jahren eine längere Reise nach Afrika an, von der er noch nicht zurückgekehrt ist."
. „So werde ich im Namen des Barons Oskar die Hinterlassenschaft meines Verlobten in Empfang nehmen und sie später den berechtigten Erben überliefern. — Haben Sie die Güte, dem Gastwirt und demBürgermeister zu erklären, daß ich die Sorge für die Beerdigung übernehmen werde."
Der Freiherr schüttelte bedenklich den Kops. „So sehr ich auch die Gründe ehren muß, welche Sie zu diesem Vorhaben bewegen, kann ich doch nicht unterlassen. Sie darauf aufmerksam zu machen, daß Ihre Familiengruft nicht der geeigneteOrtfürdieRuhestätte einesSelbstmörders sein dürfte; ich hege die Ueberzeugung —"
„Daß die Komtesse Eleonore von Strahlen sich in der Ausführung ihres Entschlusses weder durch die Ansichten eines einzelnen, noch durch das Urteil der öffentlichen Meinung beirren lassen wird," unterbrach Eleonore ihn mit gemessene^ Ernst. „Wenn Sie diese Ueberzeugung hegen, so werden Sie sich in derselben nicht getäuscht finden. Geheu Sie, Herr Baron und teilen Sie dem Bürgermeister meinen Entschluß mit; ich werde die Ausführung desselben schon heute abend beginnen. Wollen Sie mich nach 3 Tagen wieder mit Ihrem Besuche beehren, so sollen Sie mir willkommen sein."
Der Freiherr verbeugte sich und verließ das Zimmer. —
„Hier kann kein Verbrechen vorliegen," murmelte Eleonore, als sie allein war, „und doch ist es mir unmöglich zu glauben, daß Theodor am Vorabend einer schönen, glücklichen Zukunft sich mit eigener Hand den Dolch in das Herz gestoßen haben soll! Wer mir jdas Rätsel lösen könnte? (Forts, folgt.)
KtarröesbucH-Ghronik
vom 25. Sept. bis 2. Okt. 1908. Geburten.
38. Sept. Walz, Wilhelm, Schreinergehilfe hier, 1 Tochter
25. Sept. Bott, Karl Jakob, Uhrmacher hier, 1 Sohn.
1. jOktbr. Magenreuter, Wilhelm Friedrich, Schuh
macher in Sprollenhaus, 1 Sohn- Aufgebote:
28. Sept. Tubach, August Friedrich, Taglöhner hier und Niethammer, Wilhelmine Karoline, Dienstmädchen hier.
3. Oktbr. Güthler, Wilhelm Ernst, Flaschner hier und Hieber, Julie Wilhelmine hier. Gestorbene:
2. Sept. Eder, Friedrich Michael, Schuhmacher hier,
61 Jahre alt.
und dabei am billigsten
Hergestellt durch die Fabriken von
Knorr's Hafermehl und Knorr's Hahn» Maccaroni.