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Nr- 44.

Dienstag, den l4. April 1908,

j 44. Jahrgang

Wrrn-schnu.

Stuttgart, 9. April. In der Familie deS zum Nachfolger des Hrn. v. Z yer auf den Finanzministerpostcn ernannten Hrn. v. Geßler sind die MinisterportefcuilleS gewissermaßen traditionell. Hr. v. Geßler ist der Sohn und der Neffe von Ministern, die in verdienstlicher Weise die Departements des Innern und deS Kultus verwaltet haben. Jetzt kommt zur Ab­wechslung auch ein Portefeuille ,der Finanzen in die Familie. Die bisherige Karriere, die der neue Finanzmmister gemacht, ließ ihn schon die vielseitigste Verwendung finden. Um nur Von den prominenten Stellungen zu spreche», die er einnahin, sei erwähnt, daß er schon Vor­stand des Medizinalkollegiums, Vorstand des K. OberbergratS, Snratskommissar bei der Jn- validäts- und Alterkversicherungsaustalt, Mit­glied des Disziplinargerichtshofs für Körper- schaftsbeamle war. Als er dann vor etwa 8 Jahren als Nachfolger des jetzigen Kultusmi­nisters v. Fleischhaaer als Präsident an die Spitze der Oberregierung berufen wurde, war er im Nebenamt auch Vorstand der AdelSma- lrikelkommissivn. Nach dem Abgänge des Frei­herrn v. Hermaun sicherte sich der Hof die hervorragende Kraft des Hrn. v. Geßler und übertrug ihm den wichtigen Posten des Präsi- denten der Hofdomänenkammer, wo er seinen Ruf als Administrator aufs neue befestigte.

Seine Majestät der König soll, als die Neube-(tag noch setzung des FinanzministerpostenS in Frage kam und da« Staatsministerium hierfür Hrn. v.

Geßler Vorschlag, nur ungern sich der Dienste des Hrn. v. Geßler entäußcrt haben. Durch da« Vertrauen des Königs berufen, gehört Hr. v. Geßler seit einer ganzen Reihe von Jahren auch der ersten Kammer als lebens­längliches Mitglied an. Ec hat sich hier von Anfang an durch seine vielseitigen Kenntnisse und seine große Geschäftsgewandtheit eine be­deutende Stellung gemacht. Mit seiner um­fassenden Arbeitskraft gehört- er hier neben den HH. v. Heß und v. Schall zu den fleißigsten .Arbeitsbienen" und eine ganze Reihe von Be­richten ist aus seiner Feder hervorgegangen.

Es sei hier nur sein umfassendes, glänzendes Referat über das Gesetz betr. die BesteucrungS- rechte der Gemeinden und Amtskörperschaften erwähnt, daS wohl in letzter Linie mit dazu beigetragen hat, ihn als kommenden Mann für das Finanzministerium ins Auge zu fassen.

Auch als tüchtiger Parlamentarier hat sich Hr. v. Geßler stets gezeigt, immer schlagfertig und sachlich, nie durch überflüssige Breite crmüdenv und seine Gewandtheit und sein Geschick in der Zusammenfassung einer zerfahrenen parlamen­tarischen Situation hat sich schon mehrfach glänzend bewährt. Den bestehenden Gepflogen­heiten gemäß wird Hr. v. Geßler als Minister jedenfalls aus der ersten Kammer ausscheiden.

Er tritt sein neres Amt in einer kritischen Zeit an, die durch die bei dem Ressort des Minister- Präsidenten eingesetzte Sparkommission ihre Signatur erhält. Hoffentlich gelingt es Hrn. v. Geßler. seinen Einfluß auch nach außen ihn zur gehörigen Geltung zu bringen und so mit dazu beizutragen, daß die

Reichsfinanzreform endlich einer befriedigenden Lösung entgegengeführt wird.

^ S tut tg art, 10. April. Die heutige Mit­gliederversammlung der Nationalliberalen (deut­schen) Partei im Stadtgcutensaal beschäftigte sich zuerst mit den neuauSgearbeiteten Satzungen, die mit einer geringen Abänderung dem Vor­schlag gemäß angenommen wurden. Dann hielt Rechtsanwalt Dr. Milczewski einen längeren Vortrag über das Themader Mord als po­litischer Kampfmittel." Freudig wurde der in­zwischen erschienene Reichs- und Landtagsabg. Prof. Dr. Hieber von den Anwesenden, da­runter der frühere Präsident deS evangel. Kon­sistoriums I)r. Freiherr v. Gemmingeu, begrüßt. Auf die Begrüßungsansprache von Or. Bickes erwiderte Professor Hieber sofort. Er dankte für taS ihm nach Berlin übermittelte Telegramm und sagte, er gedenke einen tiefen Schlaf zu tun. In den großen Kämpfen um ein einheit­liches und fortschrittliches Vereinsrecht habe eS stch auch darum gehandelt, ob die Grundlage der jetzige» parlamentarischen Situation auf­recht erhalten werden könne. Es sei recht lieb­lich mitanzuhören, wie Zentrum und Sozial- demvkrie sich in Schimpfwörtern besonders gegen den Freisinn zu überbieteu such.en. Erstaunen aber habe eS erregt, wie ein Jurist wie Gröber bei der dritten Lesung von einer Schädigung der bestehenden Verhältnisse durch das Vereins­recht sprechen konnte. Darüber werde im Land­weiter zu rede» sei». Wenn Jolly gegen die Liberalen ins Feld geführt werde,! daun würden sich die Balken biegen. Diesel Argumentation Gröbers sei ein Taschenspieler­kunststück gewesen. Jetzt seien die Fäven zwischen ' Konservativen und Zentrum abgerissen und bei. einer etwaigen Wiedereinfäd^lung könnten erst' dir Enkel und Urenkel des Herrn Erzberger! in Betracht kommen. Weiter verurteilte Hieber! die Feu,lletonpolitik desBcrl. Tagebl." und! anerkannte die Haltung des LinkSIiberalismus > unter Payer's Führung. Zwischen Bürgertum! und Sozialdemokratie könne eS keine Ver-, ständiguug geben. Der Block, der jetzt große! Aufgaben erfüllt, könne mir guten Hoffnungen an die Reichsfinanzreform hcrantreteu. Die letzten Vorgänge im Parlament hätten wiederum bewiesen, daß ohne Kompromisse sich keine ge­setzgeberische Arbeit machen lasse. Man solle kräftig und wirksam dafür eintreten, daß die Gesinnung, die die Mehrheit bei der Erledigung der neuesten nationalen Gesetzgebungswerke be­kundet, zu einem Element unserer politischen Bildung werden und bleiben möge. (Lebhafte Zustimmung.)

Stuttgart, 9. April. Eine eigentümliche Entscheidung hat kürzlich ein Schöffengericht zum Kapitel Fabrik oder Handwerk getroffen. Ein Einwohner hatte einen ortsansässigen Ge­schäftsmann brieflich als Schlossermeister ange­redet, während der so Aageredete sich laut Eintragung ins Handelsregister alsFabrikant" bezeichnet. Der Fabrikant fühlte sich dadurch beleidigt und stellte Strafantrag mit dem Er­folg, daß der Absender deS Briefes in eine Geldstrafe genommen wurde. Kläger und Be­klagter standen, was zur Klärung der gericht­lichen Entscheidung gesagt werden möge, aller­

dings schon längere Zeit auf dem Kriegsfuß, so daß der Gerichtshof nach Lage der Verhält­nisse zu der Annahme kam, der Absender des Briefes habe dre TitulationSchloffermeister" in beleidigender Absicht angewandt. Immerhin mutet in einer Zeit, wo der Meistertitel ge­setzlich geschützt ist und nur noch auf Grund offizieller Prüfung erworben werden kann, eine solche Klagbegründung seltsam genug an, zumal d:r Kläger tatsächlich früher Schloffermeister war. Der Verurteilte legte Berufung eiu.

Freuden st adt, 11. April. AIS Amts­verweser für den Stadtschultheißen Harrranft, der wegen Ucberarbeitung einen Erholungs­urlaub von ca. 3 Monaten antritt, ist Ge- meiuderat Weikert gewählt worden.

Aus Freuden st adt, 4. April, schreibt der Grenzer":Greif nur hinein ins volle Men­schenleben, und wo du'S packst, da ist eS inte­ressant". Der Dichter hat recht; auch wir wol­len heute unfern Lesern ein paar interessante Bilder aus dem Leben vvrzeigcn. Vor einiger Zeit kam ein Reisender myrgcnländischer Ab­stammung zu einem Bauern, der alle Jahre ein kleines Quantum Maschinenöl von der ebenfalls israelitischen Firma bezog. Mit großer Zungenfertigkeit lobte der Reisende seine Ware und um den lästigen Gast lo< zu werden, bestellte der Bauer das jgleiche Quantum Ocl, wie alle Jahre, lieferbar in einigen Monalen, da er noch genügend Oel für die nächste Zeit, hatte. Unser Reisender holte fiin-eti Bestellschein hervor und ließ den Bauern unterschreiben. Was geschah? Nicht nach ein paar Monaten, sondern schon in der nächsten Woche kam von der Fabrik ein Ballon Oel, daß man da- ganze Dorf darin hätte ersäufen können. Natürlich wurde das Oelsaß nicht angenommen. Allein die Firma klagte und der Richter wies dem Bauern schwarz auf weiß nach, daß er tatsäch­lich auf dem Bestellzettel diesen Mordsgumpen Oel bestellt hat. Als» Zeitversäumnis, Gerichts- kostni, Schererei, Spott und ein Oelsaß, das für Kinter und Kindeskinder reicht, war das Ende vom Lied. Warum hat aber auch der Bauer unterschrieben, ohne die Augen aufzu- machrn? Er hätte sehen müssen, daß auf dem Bestellschein schlauerweise freilich ganz klein gedruckt die Worte standen:Mündliche Ab- machungen haben keine Gültigkeit!" Aber so gibts halt Bauern aus der ganzen Welt, gegen Spitzbuben, die ihnen schön um den Bart strei­chen, zeigen sie eine Vertrauensseligkeit, die Prügel wert ist; gegen Leute aber, die es gut mit ihnen meinen, sind sic voll Mißtrauen. In einem andern Fall hat ein Bücherkolportcur einem Ehepaar auf dem Lande ein Buch aus­geschwätzt, aus dem der .Bauer wunder wie viel lernen und das Doppelte und Dreifache verdienen könne von dem, was das Buch koste. Bald kam das Buch an, ein Konversationslexi­kon mit 20 Bände» um 240 Mark! DoS arme Bäuerlein ist schier in Ohnmacht gefallen. Noch ein Bild! Neulich bestellte ein Bauer bei einem Reisenden, weil er gar nicht nachließ, drei Hemden L 4 Mark. Die Sendung kam mit 36 Hemden. Der Bauer verlor den Prozeß und mußte die 36 Hemden bezahlen, denn so lautete der Bestellzettel. Ec hatte beim Schrei-