Wader Tlironik
Amtsblatt
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Nr- 35.
Dienstag, den 24. März 1908.
44. Jahrgang
Wunöschcrrr.
- Gestorben: 22. März zu Stuttgart Kommerzienrat Ferdinand Schmidt, xTeilha- ber der Sensenfabrik Neuenbürg, Ehrenbürger von Neuenbürg, Ritter 1. Kl. des FriedrichS- ocdens, 69 Jahre alt.
— Prinzessin Max von Schaumburg. Lippe, Tochter der Frau Herzogin Wer«, ist an Blinddarmentzündung erkrankt. Die Prinzessin mußte sich am Montag im LudwigSsvital „Cyarlottcnhilfe" einer Operation unterziehen, die einen befriedigenden Verlaus nahm. Das Befinden der Kranken ist fortgesetzt ein zufriedenstellendes.
Stuttgart, 20. März. Eine Verfügung drr Generaldirektion der Posten und Telegra- phen betr. die Aenderung der Taxen für Brief- sendungen im Orts- und Nachbarortsverkehr bestimmt u. a.: Die neu zur Ausgabe kommenden Wertzeichen (Postkarten zu 3 Pfg. und Postkarten mit Antwort zu 3-f-3 Pfg.) für den gewöhnlichen Verkehr und für den amtlichen Verkehr der Staatsbehörden werden den Postämtern rechtzeitig zugehen. Die Postagen- turen und Telegraph« ämter, die Post- und Telegraphenhilfstellen, di» Bahnpostbeamten und Bahnpostschaffner, sowie die Landpostboten sind durch die in Betracht kommenden Postämter noch im Laufe diese« Monat« mit den neuen Postkarten für den gewöhnlichen Verkehr auszustatten; mit der Abgabe der Karten am Schalter usw. kann begonnen Verden, sobald sie von der Druckerei der Verkehrsanstalten geliefert sind Die nach dem 31, März bei den Postämtern vorliegenden Zweipfennigpostkarten (einfache- nnd Doppelkarten) für den gewöhnlichen Verkehr sind, soweit es sich nicht um volle Pakete (zu 1000 bezw. 500 Stück) oder um unange- brochcne Päckchen (zu 100 bezw. 50 Stück) handelt, durch Auskleben von Dreipfennigmarken in Fünfpfennigpostkarten umzuwandcln und als solche mit Vorzug vor den gewöhnlichen Fünfpsennigpostkarten und Doppelkarten au» gelblichem Papier zum Verkauf zu stellen. Die Freimarken für den gewöhnlichen Verkehr zu 2 Pfg. sind im inner« Dienst der Postanstalten z. B. bei Verrechnung bar erlegten FrankoS >ür Paketsendungen, bei Verrechnung der Gebühr für Beförderung von Unbestellbarkeits- meldungen, der UeberweisungSgebühr für Zeitungen, der Laufzetlelgebühr usw. nach Mög lichkeit zu verwenden.
Stuttgart, 21. März. Der Einbrecher Kaufmann, der in der Nacht vom 30. zum 31. Dez. v. I. in der Goldwarenfabrik von Hugo Böhm in Gmünd für etwa 100 000 Mk. Gold- und Schmucksachen entwendet hatte, ist heute in Berlin von seinem Schicksal ereilt worden. Der Kriminalpolizei ist es gelungen, den gefährlichen Dieb mit noch zwei Helfern, als er eben einen Teil seines Raubes abjetzen wollte, sestzunehmen. Wieviel von dem Geraubten wieder beigebracht werden kann, ist noch nicht ermittelt worden.
Stuttgart. Für das neue Theater auf dem Legionskasernenplatz ist jetzt der Kaufvertrag über den Bauplatz zwischen der Rheini
schen Kreditbank und der künftigen Theatergesellschaft zu stände gekommen. Mit dem Bau wird in der nächsten Zeit, sobald die Pläne genehmigt sind, begonnen werden; das Vorderhaus mit dem Restaurant dürste schon im nächsten Frühjahr in Betrieb genommen werden, das Theater mit Beginn der Spielzeit im September 1S08. Stuttgart wird also am 1. September drei Theater haben: das Kgl. Jnterimtheater, das neue Theater aus dem Legionskasernenplatz und das Volkstheater im früheren Residenztheater, das Otsried v. Haustein ab 1. September d. Js. gepachtet hat, um darin eine volkstümliche Bühne aus- zumachen, ähnlich wie er sie in Nürnberg betreibt und wie es das Volksthrater in München ist, während auf dem LegionSkasecnen- platz ein feineres Genre Pflege finden soll, etwa im Stil des Münchener Schauspielhauses.
Nagold, 21. März. Einen handwerkerfreundlichen und nachahmenswerten Beschluß hat der Gemeinderat Gültlingen O./A. Nagold vor kurzem gefaßt, indem er auf Antrag des Orts- vorsteherö die Abhaltung eines VorbrreitungS- kurseS auf die Meisterprüfung beschloß und die hiezu nötigen Mittel bereit stellte. Ein weiterer Beweis, wie der erzieherische Wert der Meisterprüfung im Handwerk mehr und mehr anerkannt wird.
Ulm, 20. März. Bei der heute im Wahl, bezirk Ulm-Amt ubgehaltenen Landtagsersatzwahl haben erhalten: Landwirtschaftsinspektor Ströbel-Ulm (Bbd.) 2334, Gemeinderat Joseph Schmid-Rammingen (Ztr.) 489, Postsekretär Münz (Vpt.) 342, Gemeinderat Hefele Ulm (Soz.) 52 Stimmen. Ströbel ist somit als Nachfolger Hangs gewählt.
Pforzheim, 20. März. Eine merkwürdige Geschichte wird von dem Orte Unterreichcnbach hierher gemeldet. Von Unterreichenbach wurde nämlich im Jahre 1879 ein löjähriges Mädchen, das zu Hause nicht gut tat, nach Amerika geschafft. Seit 1882 Hab cS dann von drüben kein Lebenszeichen mehr, so daß nach dem Tode der Eltern 1901 das Aufgebotsverfahren ein- geleitet, das Mädchen für tot erklärt und schließlich ihr Vermögensanteil den Anverwandten zugewiesen wurde. Aber jetzt hat sich die Totgeglaubte plötzlich gemeldet und von Amerika Vollmachten geschickt», fordert ihren Anteil.
Dresden, 20. März. Die fiühere Gräfin Monlignoso telegraphierte ihren hiesigen Freunden, daß die Meldungen über einen Ehezwist unzutreffend seien.
Berlin, 20. März. Bei den Verhandlungen des Reichstags fiel von der Journalisten, iribüne ein Zwischenruf. Der Abgeordnete Gröber antwortete hierauf mit einer belcidi-en- denAeußerung. DieBerichterstattun-ist eingestellt. Die Journalisten verließen hierauf den Saal. Die Journalisten erklären, ihre Tätigkeit nicht eher wieder aufzunehmen, bis die Beleidigung zurückgenommen wird. — Abg. Gröber ist der Meinung, daß die Journalisten ihn und seine Partei provoziert und also um Entschuldigung zu bitten hätten und daß er dann geneigt ist zu erklären, daß er mit der Bemerkung von
den „Saubengels da oben" nicht die Journalisten im allgemeinen, sondern diejenigen ge- meint habe, die sich entsprechend benommen hätten.
Berlin, 20 März. Ueber die Expedition gegen Simon Copper wird von zuständiger Seite weiter mitgeteilt: Simon Copper war etwa seit Jahresfrist mit 200—300 Mann Gefolgschaft in der Kalahari nahe der englischen Grenze bei Gcinab festgestellt. Er bildete ein» dauernde Gefahr für die am Westrand der Kalahari liegenden Farmer. Auch Patrouillen wurden angesallen und teilweise nie- dergemacht. Der Versuch der Truppen im Frühjahr vorigen Jahres, den Gegner zu fassen, muß'e wegen Wassermangel» aufgegeben werden. Di» hiebei gemachten Erfahrungen haben gelehrt, daß bei einem Unternehmen in der Kalahariwüste die Wasserversorgung der Truppen wehr als sonst in Afrika die Hauptschwierigkeit bietet. In dieser Beziehung wurden daher für dir gegenwärtig einschließlich der Etappentruppen etwa 700 Mann starke Expe- ditionsabteilung die eingehendsten Vorbereitungen getroffen. Die voranmarschierendeu Truppen, zusammen etwa 400—500 Mann, wurden auf Kamelen beritten gemacht. Im ganzen wurden etwa 700 Kamele verwendet. Zur Sicherung der Nachrichtenverbindung nach rückwärts wurde eine 200 Klm. lange Telegraphenlinie am Auob und Nasivb entlang gebaut. Der Gebrauch von Heliographen wurde durch das ebene und dadurch für düsen Zweck unübersichliche Gelände erschwert. Auch wurden Versuche mit Briestaubenpost angestellt, die jedoch infolge der in jener Gegend befindlichen zahlreichen Raubvögel keine große Aussicht auf Erfolg boten. Wenn jedoch auch alle Vorbereitungen ans- sorgfältigste ,«troffen waren, so lag bei dem ungeheur großen Operationsgebiet, das Simon Copper zur Verfügung stand, die Gefahr vor, daß der Feind sich allen Weiterungen durch vorzeitigen Abmarsch entziehen würde. Auch verfü>te Simon Copper über ein wohleingerichteteS Spionage- fystem, so daß eine Überraschung kaum möglich erschien. Wen« es nun doch gelungen ist, den Gegner am 16. März zu stellen und ihm einen empfindlichen Schlag beizubringen, so spricht diese Tatsache besonder» für die geschickte Maßnahme drS leider zu früh gefallenen Hauptmann» v. Eckert. Bezeichnend ist, daß der Gouverneur nach einem heute eingegangenen Telegramm die Wirkung de» Siege» noch höher «„schätzt, a!» sie schon nach den bisherigen Nachrichten eingeschätzt werden mußte.
— Der BundeSrat genehmigte gestern die Mittel für rund 1450 Kilometer Eisenbahnen in den deutschen Schutzgebieten. Davon entfallen auf Südwestasrcka für eine Zweiglinie der Lüderitzbuchtbahn nach Kalkfontein 180 Kilometer, auf Togo für eine Eisenbahnlinie von Lome nach Atakpame qleichfalls rund 180 Kilometer, auf Kamerun für eine Eisenbahn von Duala nach der schiffbaren Stelle deS Ngonoflnffes bei Widimenge (Südbahn) rund 350 Kilometer und auf Ostafrika für die Usam-