Ausarbeitung aller gegenwärtigen und künftiger Projekte werden besondere Kommissäre eingesetzt.
Berlin. 12. Nvv. Der Voss. Ztg. wird aus Wilhelmshaven geschrieben: Ein selten gutes Geschäft machte in den letzten Tagen ein Herr de Taube in Hoppens, indem er den Rest seiner zu beiden Seiten der Fortifikationsstraße belegenen Landstelle um 600 000 Mk. an den Reichsmarinefiskus verkaufte; die ganze Land» stelle, von der bereits früher für 200000 Mk. verkauft sind, die also im ganzen 800000 Mk. einbrachte, wurde vor etwa 14 Jahren für etwa 53000 Mk. erworben.
Windsor, 11. Nov. Zum Empfang des Kaisers war König Eduard in der Uniform eines Obersten des 1. preußischen Garderegiments auf dem Bahnhof angekvmmen, dessen ganze Front von Ehrenwachen und hohen Offizieren besetzt war. Zum Empfang des Kaiserpaares waren ferner erschienen: die Königin, der Herzog und die Herzogin von Connaught, Prinz Arthur von Connaught, die Prinzessin von Wales und andere Mitglieder des königlichen Hauses, sowie die Mitglieder der deutschen Botschaft. Sobald der Zug in Sicht war, begann die Musik die deutsche Nationalhymne zu spielen. Der Zug hatte kaum angehalten, als der Kaiser in der Uniform eines britischen Admirals auf den Bahnsteig sprang und mit ausgestrccktem Arm dem König entgegeneilte. Beide Monarchen umarmten sich aufs herzlichste und schüttelten sich die Hände. Hierauf bot der König der Kaiserin ein herzliches Willkommen, indem er sie auf beide Wangen küßte. Eine gleich innige Begrüßung fand zwischen dem Kaiser und der Königin statt. Nachdem Kaiser Wilhelm und König Eduard die Front der Ehrenkompagnie abgeschritten hatten, begaben sie sich in den Wartesaal, wo alle Fürstlichkeiten versammelt waren. Nach einigen Minuten lebhafter Unterhaltung verließen die kaiserlichen und königlichen Herrschaften in offenen Wagen die Station und begaben sich nach dem Schloß. Der Kaiser, der König, der Herzog von Connaught, und der Prinz von Wales fuhren in dem ersten Wagen. Tie Kaiserin, die Königin und die übrigen königlichen Damen folgten. Laute Zurufe der die Straßen belebenden Menge bebegrüßten die Majestäten, insbesondere die spa- lierbildenden Studenten brachten den kai- serlichen Herrschaften herzliche Kundgebungen dar. Der ganze Empfang trug, wie Augenzeugen berichten, einen so herzlichen Charakter wie er kaum bisher einem Herrscher zu teil geworden ist. Ferner wurde insbesondere das jugendliche Aussehen des Monarchen bemerkt. Der Kaiser lächelte vergnügt und grüßte nach allen Seiten. Er war offenbar in bester Stimmung und zeigte keine Spur von Unwohlsein. Später nahmen im Schlosse das Kaiserpaar und die königliche Familie den Tee ein. Dann arbeitete der Kaiser allein. Der Kaiser ist sehr erfreut über den überaus herzli- chen Empfang, der ihm überall bereitet wurde.
Windsor, 11. Nov. Der Empfang des deutschen Kaiserpaares gestaltete sich trotz des dichten Nebels äußerst glänzend. Der Major begrüßte die Majestäten mit einer Ansprache, in welcher er darauf hinwies, daß die zwischen Deutschland und England bestehenden engen verwandschaftlichen Beziehungen jetzt wieder voll zur Geltung kämen und nicht allein der Befestigung des Weltfriedens, sondern auch der Förderung des Handels und Verkehrs zwischen beiden Völkern dienen. Der Kaiser dankte herzlich für die ihm zu teil gewordene Begrüßung, die in ihm das Gefühl erwecke, als ob er in Windsor, das er stets gerne besuche zu Hause sei.
— König Eduard führte in seinem Trinkspruch u. a. aus: Bei der Begrüßung Ew. Majestät des Kaisers und Ihrer Majestät der Kaiserin an den britischen Gestaden sei es mir vergönnt, im Namen der Königin und für mich selbst der großen Befriedigung und Genugtuung Ausdruck zn geben, die es UNS gewährt, Ew. Majestäten hier in diesem althistorischen Schloß zu bewirten. Ew. Majestät mögen versichert bleiben, daß Ihre Besuche in diesem Lande stets eine aufrichtige
Freude sind, sowohl für die Königin, für mich,, als auch für mein ganzes Volk. Ich hege nicht nur innige Hoffnungen für das Gedeihen und das Glück des großen Reiches, über das Ew. Majestät herrschen, sondern auch für die Erhaltung des Friedens. Ich trinke nun auf die Gesundheit Ew. Maiestät des Kaisers und Ihre Majestät der Kaiserin und bitte dabei nochmals der aufrichtigen Freude Ausdruck geben zu dürfen, die es uns gewährt, Ew. Majestäten als unsere Gäste empfangen zu dürfen.
Windsor, 13. Nov. Der Kaiser antwortete auf den Trinkspruch König Eduards bei dem Festessen mit folgendem Trinkspruch: Die überaus freundlichen Worte des Willkommens, die Ew. Majestät an die Kaiserin und mich gerichtet haben, haben mich tief gerührt. Die Bande enger Freundschaft und viele teure Erinnerungen an vergangene Tage verbinden mich mit Ew. Majestät Familie. Unter diesen Erinnerungen steht an erster Stelle die Gestalt meiner verehrten Großmutter, der großen Königin, deren Bild meinem Herzen unauslöschlich eingegraben ist, während die Erinnerung an meine geliebte Mutter mich zurückversetzt in die frühesten Tage glücklicher Kindheit, die ich unter dem Dach und innerhalb der Wälle dieses großen alten WindsorschlvsseS zugebracht habe. Die Reize alter Erinnerungen sind jetzt erhöht durch den warmen Empfang, die Ew. Majestäten uns aus Anlaß unseres gegenwärtigen Besuchs bereiteten. Es ist auch mein ernster Wunsch, daß die enge Verwandschaft, die zwischen unseren beiden Familien besteht, sich wicderspiegeln möge in den Beziehungen unserer beiden Länder und so den Frieden der Welt kräftigen möge, deren Aufrechterhaltung ebenso Ew. Majestät beständiges Bestreben, wie mein eigenes ist. In diesem Sinn danke ich Ew. Majestät sehr warm im Nanien der Kaiserin und für mich selbst für die freundlichen und huldvollen Worte, mit denen Sie uns begrüßt haben, und in diesem Sinn erhebe ich mein Glas auf das Wohl Ew. Majestät und I. M. der Königin und auf das Wohl.- ergehen oller Mitglieder des K. Hauses meiner nahen und geliebten Verwandten." — Der Kaiser verlieh noch eine Reihe von Ordensauszeichnungen.
Aus stadt m> Ilmgedmg.
— Die Wahl des geprüften Verwaltungs- Kandidaten Gustav Hermann von Dennach, zur Zeit Assistent bei der Gemeindebehörde für die Einkommensteuer in Stuttgart, zum Orts- Vorsteher der Gemeinde Schömberg, O.A. Neuenbürg wurde bestätigt.
Wildbad, 13. Nov. Auf Einladung des hiesigen evang. Arbeitervereins, dessen Mttgliederzahl nun auf etwa 180 gestiegen ist und der eine rührige Tätigkeit entfaltet, sprach am Sonntag nachm. Verbandssekretär Fischer aus Reutlingen im Gasthof z. „Graf Eberhard" über „Zweck und Aufgaben der evang. Arbeitervereine." Als solche be- zeichnete er die materielle und geistige Hebung des Arbeiierstandes. Mit Nachdruck betonte er, daß die evang. Arbeitervereine von den sozialdemokratischen sich scharf scheiden durch ihre nationale Gesinnung und christliche Welt- anschauung.
Neuenbürg, 11. Nov. In Schwann brach in vergangener Nacht kurz nach 12 Uhr in dem Wohn- und Oekonomiegebäude des Gold- arbeiters Wilhelm Wiedemann Feuer aus, welches das ganze Anwesen in Asche legte. Der Gebäudeschaden beträgt ca. 4000 Mark. Durch den Brand ist eine Familie mit 8 unerwachsenen Kindern obdachlos geworden. Die Entstehungsursache ist noch unbekannt.
UrrterHaltendes.
„Frsu Lore".
Erzählung von I. Jobst.
(Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.)
Lore hörte der redseligen Alten zu, ohne sie zu unterbrechen, warf aber bei den letzten Worten einen besorgten Blick nach oben. Sie
schritten schon auf der Wiese dahin, und Lore sah die Spitzen mächtiger Wolkengebilde im Westen über den Baumkronen emporsteigen. Binnen kurzem konnte das Wetter da stim der dichte Wald hatte bisher die Aussicht ge-' wehrt.
Tief atmend folgte sie dem Weg, der auf das HauS mündete. War es die entsetzliche Schwüle, die wie ein Bann auf ihr lag, oder die Furcht vor der Begegnung mit ihrem Vater? Energisch raffte sie sich auf und wies, als sie in die Haustür trat, stumm jede weitere Begleitung ab. Allein stieg sie die schmale Treppe hinauf, die zu den Giebelstuben führte. Nun stand sie oben auf dem Flur und hielt sich einen Augenblick an dem Geländer fest, die Knie wollten ihr versagen. Lauschend bog sie den Kopf vor, aus der Zimmertür dort vor ihr scholl leises Gemurmel. Ist er das? Ist es die Stimme des Vaters, die an ihr Ohr schlägt? Ein schmerzliches Lächeln über ihre namenlose Feigheit fliegt über ihre bleichen Züge und sie streicht sich, um sich zu beruhigen, mit der Hand über die Stirn.
„Ach, diese Schwüle, stammelte sie, ihr Zögern vor sich selbst entschuldigend. Schwankend legte sie die wenigen Schritte bis zur Tür zu- rück, hinter der jetzt ein leises Lachen erklingt und dann wieder das Murmeln.
Mechanisch drückt Lore die Klinge, die Türe springt auf und sie tritt auf die Schwelle. Noch ruht der volle Sonnenglanz in der Stube, soweit er nicht durch die Vorhänge abgehalten wird — der Kranke muß die Wärme lieben. In seinem bequemen Stuhl sitzt er am Fenster und die glühenden Strahlen spielen um seine Knie, um die wachsbleichen, mageren Hände, indessen das totenblasse Gesicht im Schatten ruht. Erhebt die Augen, sie treffen verwundert das schöne Frauenbild, welches mit traurigmitleidigem Ausdruck zu ihm hinsieht. Lore zieht die Tür ins Schloß und kommt langsam näher, um die zitternden Lippen irrt ein schmerzliches Lächeln.
Wie sich besinnend, führt Herr von Nordmann seine Hand an die Stirn, in seine dunklen Augen tritt ein Ausdruck aufwachender Erinnerung, und als Lore ihm die Hand entgegenstreckt sie kann vor Bewegung kein Wort heroorbringen — breitet der Kranke die Arme aus, ein rührender Ausdruck wehmütiger Freude legt sich über die eingefallenen Züge und die Lippen flüstern: „Eleonore, bist Du endlich, endlich bei mir! Wo bliebst Du so lange?"
„Vater, mein armer Vater," schluchzt Lore und sinkt neben dem Kranken nieder, der ihren Kopf streichelt und weitermurmelt: „Wo bliebst Du so lange? Warum ließest Du mich denn allein und kamst nicht zu mir, liebste Frau? Ich bin krank und schwach, und Du bist stark und schön."
„Ich bin Dein Kind, Vater, Deine kleine Eleonore," unterbricht ihn Lore und blickt unter Tränen lächelnd zu ihm auf.
„Mein Kind, meine kleine Eleonore? Wo ist denn die andere, Kind? Sie sagen immer, sie ist tot. Aber Du bist doch auch noch da und Du solltest auch tot sein, ganz tot."
„Mutter schläft im Grab. Vater, und mich nahm Onkel Roeder zu sich.
„So, so. Mutter schläft im Grab. Wenn ich doch auch schlafen könnte, immer schlafen jJch bin so müde von allen Gedanken. Jetzt schlafen die auch, aber wenn sie aufwachen und ich muß de. ken — denken — denken —
— Nein ich will nicht denken," schreit Nord- mann heftig los, und seine geballte Hand schlägt hart auf die Sessellehne auf.
„Du brauchst gar nicht zu denken, Vater," beginnt Lore wieder mit ihrer süßen Stimme
- sie merkt, wie beruhigend ihr Klang auf die Aufregung des Kranken wirkt — „Du sollst znhören, ich erzähle Dir von meinem lieben Mann —"
„Deinem lieben Mann," wiederholt lächelnd Nordman».
„Und meinen Kindern."
„Deinen Kindern."
„Die sind Deine lieben Enkel, Vater, Du bist ihr Großvater."
„Großvater — Enkel," murmelte seine müde Stimme nach.