eigentlichen Anstifter des Burenkrieges, befallen. Wie wir erfahren, hat Chamberlain, der seit einiger Zeit völliger Erblindung entgegensieht und infolge von Nervenlähmung am Gebrauch der Sprache behindert ist, unlängst den letzten Rest seines einst über 10 Millionen Mark betragenden Vermögens^ in einer mißglückten Spekulation in Randminenaktien verloren. Seine gänzlich erfolglose Propaganda für den Gedanken einer britisch-kolonialen Zollunion hatte bereits enorme Mittel verschlungen und seine KapitalSkrast erheblich geschwächt. Heute kann Chamberlain als körperlich, geistig und wirtschaftlich gebrochener Mann angesehen werden, der sich nie wieder erholen dürfte.
<LokaLes.
Wi 1 dbad, 25. Januar. Eine Verbesserung der Zugsverbindungen unseres Kurorts mit der Außenwelt ist schon seit langen Jahren ein sowohl von Kurgästen als auch von der hiesigen Geschäftswelt dringend geäußerter Wunsch. Unser Stadtvorstand hat deshalb letzter Tage namens der bürgerl. Kollegien und des Kur- vereins folgende Eingabe an die Kgl- Generaldirektion der Staatseisenbahnen gerichtet, der wir nur besten Erfolg wünschen können:
Hohe Kgl. Generaldirektion der Staatseisenbahnen!
Mit großer Dankbarkeit anerkennen die bürgerlichen Kollegien Wildbads und dessen Kurvcrein das schon seit mehreren Jahren in erfreulicher Weise hervorgetretene Bestreben der Kgl. Generaldirektion, durch Verbesserung der Zugsverbindungcn nach unserer Badestadt zur Hebung ihres Verkehrs beizutragen.
Wenn sich dieselben trotzdem erlauben, der Kgl. Generaldirektion in Nachstehendem eine Reihe von Eisenbahnwünschen ergebenst vorzutragen, so geschieht dies einerseits in dem Bewußtsein, sich in dem Bestreben, für unseren Kurort bestmögliche Verkehrsverhältnisfe zu schaffen, mit der hohen Kgl. Generaldirektion eins zu wissen und mit solchen Anregungen bei ihr ein offenes Ohr zu finden, andererseits als Folge fortwährend geäußerter Wünsche und Beschwerden einer ^sehr großen Anzahl von Kurgästen unseres Bades.
1. Vor allem bitten wir um Einlegung eines etwa früh um 6 Uhr in Pforzheim abgehenden Zuges nach Wildbad. Dieser Zug hätte Anschluß an folgende in Pforzheim ankom- mcnden Frühzüge:
a. 6 Uhr Schnellzug von Karlsruhe
d. 4 „59 Personenzug von Stuttgart
e. 5 „46 Orientexpreßzug
ä. 5 „ 23 Personenzug von Karlsruhe.
Hiedurch würde der häufigen Klage der Kurgäste wegen verspäteter Zustellung der Post, besonders der aus Norddeutschland, welche schon morgens um 3 Uhr über Mühlacker in Pforzheim vorliegen könnte, abgeholfen werden. Nach den bisherigen Kursverhältnissen gelangte die Frühpost erst zwischen 10 und 11 Uhr vormittags in die Hände der Empfänger. Durch den erbetenen Frühzug wäre Gelegenheit geboten, die Postsendungen so zeitig hie. her zu befördern, daß mit der Zustellung kurz nach 7 Uhr morgens begonnen werden könnte.
Durch diesen Frühzug wäre überdies einem langjährigen dringenden Wunsche der Enztal- bewohner, namentlich der Pforzheimer, Rechnung getragen, welche zu früherer Benützung der Bäder und zu ausgedehnten Ausflügen in der Umgebung Wildbads hierherkommen wollen.
Weiter kommt hiebei in Betracht die ziemlich umfangreiche Beförderung von Lebensmitteln während der Badesaison nach Wildbad z. B. Milch, Gemüse und Fleisch, (letzteres insbesondere von Stuttgart), die bei heißer Witterung bisher unter der verspäteten Beförderung vielfach notgelitten haben.
2. Im Interesse der prompteren Beförderung der Postsendungen der Kurgäste bitten wir ferner um Einstellung eines Postwagens in den morgens 4 Uhr 28 Min. in Wlldbad abgchen- den Personenzug nach Pforzheim. Dieser Post- wagen könnte mit dem nächsten Gegenzug wieder zurückgehcn. Nach den seitherigen Kurs-
Verhältnissen konnten die Postsendungen von 8 Uhr abends bis andern Morgen 8 Uhr nicht mehr befördert werden, was zu großen Anständen und fortwährenden Klagen der Kurgäste, insbesondere der Norddeutschen führte.
3. Von größter Wichtigkeit für die Fortentwicklung unseres Kurortes ist des weiteren die Vermehrung der direkten Wagen nach Wildbad. Neben den direkten Wagen von Frankfurt-München und Stuttgart erscheint die Erlangung direkter Wagen von Berlin und Hamburg als ein dringendes Bedürfnis. Der Zuzug der Kurgäste von Berlin, Hamburg und Norddeutschland wird von Jahr zu Jahr größer. Die norddeutschen Kurgäste stellen jetzt schon nach Zahl und Qualität das wichtigste Contingent zur Wildbader Badefrequenz. Nach der Statistik des Kurvereins waren im letzten Sommer hier: Kurgäste aus Berlin 978, Hamburg 287, Frankfurt 810, Rheinland: 1420, aus Preußen überhaupt einschl. der mitteldeutsche» Staaten 6209.
Die Schaffung eines Schnellzugs Stuttgart- Calw-Liebenzell - Wildbad und zurück kommt hiebei mit in Betracht und würde durch einen solchen endlich die schon längst erstrebte wirklich bequeme Verbindung Wildbads mit Stuttgart und damit mit den Stuttgarter Anschlüssen von Norddeutschlcmd und Bayern her erreicht werden.
Die direkten Wagen sollten möglichst schon vom 1. Juni an und bis 15. September jed. Js. kursieren.
Behufs Erlangung der über Pforzheim gehenden direkten Wagen dürfte der ganz bedeutende Verkehr der Nachbarstndt Pforzheim mit Berlin und Hamburg geltend gemacht werden und es ist nicht daran zu zweifeln, daß vereinigte Bestrebungen der Kgl. General- direktion und der .Pforzheimer Behörden um gemeinsame direkte Wagen für Pforzheim und Wildbad von Berlin und Hamburg aus zu dem gewünsten Erfolge führen würden.
4. Die Einrichtung eines täglichen, abends nach 10 Uhr hier abgchenden ZugeS nach Pforzheim während der ganzen Badesaison (1. Mai bis 30. September) ist ebenfalls zu einer unumgänglichen Notwendigkeit geworden.
Dieser Zug hätte »och Anschluß an die Züge:
11 Uhr 35 Pforzheim-Karlsruhe 1 Uhr 23 Pforzheim-Stuttgart.
Der Wunsch nach einem solchen späteren Zug talabwärts wird im unteren Enztal und in Pforzheim schon seit Jahren dringend geäußert. Er ist für die Prosperität unserer Badestadt und verschiedener ihrer Einrichtungen, wie Theater, das neue Schwimmbad, die geplante Bergbahu usw. von größter Bedeutung. Bei den seitherigen Zugsverbindungen talabwärts war es den Enztalbewohnern und namentlich den Pforzheimern nicht möglich, den Abend in Wildbad zu verbringen. Der von der reich bevölkerten und aufstrebenden Nach- barstadt Pforzheim für Wildbad zu erwartende belebende Einfluß blieb daher bisher größtenteils aus. Das Fehlen eines solchen Spät- zuges beweisen die foctwährenden Anstrengungen der Pforzheimer um diesen Zug.
5. Schließlich gestatten wir uns noch um Einlegung mehrerer direkter Schnellzüge von Pforzheim nach Wildbad und zurück ohne Anhalten an den übrigen Stationen im Anschluß an die Hauptschnellzugsverbiudungen in Pforzheim zu bitten. Vielleicht könnte zu diesem Zwecke die Reduzierung der bisherigen Zahl der Züge der Enztalbahn in Erwägung gezogen und der von den ausfallenden Zügen bisher besorgte teilweise recht minimale Personenverkehr—ein Teil des Lokalverkchrs — durch eine Motorwagenverbindung bewältigt werden.
Die häufigste Klage der Kurgäste und die am dringendsten auftretende ist stets die, daß nachdem sie große Strecken im Schnellzuge in bequemer und rascher Weis' zurückgelegt hätten, z. B. die Strecke Stuttgart-Pforzheim in weniger als einer Stunde, sie für die kurze nur 22 Lm. messende Strecke Pforzheim-Wildbad noch zu vollen 60 Minuten verurteilt seien. Am Schlüße einer Reise, wo das Müdigkeitsgefühl der Reisenden den Höhepunkt erreicht
hat, macht sich eine solche Verzögerung am meisten fühlbar.
Soll sich unser Kurort in ersprießlicher Weise weiter entwickeln, sollen die in den letz- teu Jahren seitens der Kgl. Staatsfinanzverwaltung für ihn gemachten großen baulichen Aufwendungen ihre Früchte tragen und damit Wildbad, das einzige Bad Württembergs von größerer Bedeutung, den anderen BädernDeutsch- lands gegenüber konkurrenzfähig erhalten bleiben, so müssen vor allem die Bahn- und Postverbindungen mit Wildbad noch wesentlich verbessert werden. Wir geben uns daher der Hoffnung hin, daß die Kgl. Generaldirektion — in Wetterführung ihrer bisher schon betätigten freundlichen Fürsorge für unser Bad — den von uns vorgetragenen Wünschen hochgeneigtest entsprechen werde.
Wildbad, 25. Jan. Herr Robert Krauß, Maurermeister hier kaufte von Herrn Karl Eisele, Bäcker, dessen Wiese in der vorderen Rennbach, neben Wagner Kappelmann um die Summe von 8000 Mark.
WntsvHattenöes.
Das Testament.
Erzählung von Georg Hartwig.
(Forts.) (Nachdruck verboten.)
„Angeklagter," ertönte jetzt die Stimme des Präsidenten durch den Saal, „wollen Sie fortfahren, Auskunft über diesen Punkt zu verweigern ? Sie haben nicht nötig, sich selbst zu belasten. Aber ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ein offenes Zugeständnis Ihrerseits die sicherste Entlastung vom Verdacht des Raubmordes bedeutet."
„Mutter," flüsterte Martha, nach ihrer Stirn greifend, „mir wird schlecht."
Frau Schnitzer erbat hastig die Erlaubnis, ihre Tochter hinausführen zu dürfen. So blieb Franz Gehricke allein zurück.
Man brachte nun Jordans Mantel und Hut herbei, hieß ihn aufstehen und bekleidete ihn mit beidem.
So stand er Franz Gehrike behufs genauer Wiedererkennung gegenüber.
Frau Tröpf, ihre Hände lebhaft znsammen- schlageud, rief laut: „Er ist es! Ich erkenne ihn ganz deutlich. Ganz gewiß, er war es, der mich erschreckte."
Franz Gehrike, dessen Eifersucht durch die Schwächeanwandlung seiner Braut nicht vermindert wurde, mußte notwendig Interesse daran haben, den Störer seines Glückes unsichtbar gemacht zu wissen. Er haßte Jordan, und in diesem Augenblick vielleicht mehr denn je.
„Angeklagter," sagte der Präsident, „nehmen Sie den aufgespannten Schirm und halten Sie ihn so über den Kopf, wie Sie es an jenem Abend taten."
Und nun geschah etwas Merkwürdiges und Unglaubliches. Der junge Mann, welcher im Geiste den schwankenden Schritten des jungen Mädchens gefolgt war, daneben mit der Situation beschäftigt, in welcher er widerwillig dem ganzen Publikum zur Schau stäM— unaufmerksam und nur den Wortlaut der Aufforderung vernehmend, ohne zu wissen, was sie bezweckte und was er sich mit der Befolgung antat — der junge Mann ging mit strafbarer Naivität in die Falle, indem er mechanisch den Regenschirm einige Zoll tiefer über sein Haupt sinken ließ.
„Sind Sie denn toll geworden?" flüsterte ihm der Rechtsanwalt zu, als das allgemeine Raunen und Räuspern ringsumher den jungen Mann über seine Torheit belehrte.
„Noch nicht, aber nahe daran es zu werden," gab er leichenblaß zurück. „Was weiß ich von euren Listen und Gebräuchen!"
„So weit ich mich besinnen kann, ist dies der Mann," sagte Gehrike, zurücktretend.
Die Beweisaufnahme war hiemit geschlossen und der Staatsanwalt begann sein Plaidoyer. Es währte eine reichliche Stunde und war eine glänzende oratorische Leistung, insofern sie mit großem Geschick kleine Steinchen zu einem Mo- saikbilde zusammensetzte. (Forts, folgt.)