schmücken ihre Stuben mit Decken, ihre Wände mit Bildern und strömen zu Tausenden in die Kirche in europäischer Kleidung oder auch in Uniforme» der Regimenter von halb Europa. Wer, der einst Kamerun gesehen hat, hätte gedacht, daß der sanfte deutsche Missionar bestimmt wäre, Tausende dieser schwarzen Kerle zu lenken, deren Herzen so wild find wie ihre Berge und Wälder?" — Das ist ein ehren- volles Zeugnis für den Kulturwert der Missionsarbeit.
Barmen, 2. Nov. Der nationalliberale Abgeordnete Ernst von Eynern wurde heute morgen 7 Uhr bei seinem Schwiegersohn Overbeck im Bette tot aufgefunden. Der Abgeordnete war gestern zu Besuch hier eingetroffen und hat in seinem Schlafzimmer wahrscheinlich den Gasofen nicht vollständig aufgedeckt, denn die Aerzte konstatierten als Todesursache Gasvergiftung.
— Die Gemeinde der Gesundbeter in New- Jork ist bestürzt über die Nachricht, daß ihre Gründerin Eddy auf ihrem Wohnsitz dem Tode nahe ist. Noch bestürzter find die Gläubigen darüber, daß ein Spezialarzt aus Boston an ihr Krankenlager gerufen wurde, obgleich es nach der Lehre der Gemeinde keine körperliche Krankheit gibt. Frau Eddy hat an der Spitze der Gesundbeterei ein Vermögen zusammengebracht, das auf mehrere Millionen geschätzt wird.
Newysrk, 1. Nov. Des Kampf um den Gouverneurposten des Staates Newyork nimmt immer groteskere Formen an. Nicht nur, daß man sich, wie schon schon früher, gegenseitig der gemeinsten Verbrechen und schmutzigsten persönlichen Laster bezichtigt, Herr Hearst hat jetzt seinen Gegner in Zuchthaus-Kleidung und Handschellen abbilden lassen und bedeckt New- yorks Reklame-Wände mit diesen und ähnlichen lieblichen Bildern seines Gegners. Dieser und seine Freunde haben ihrerseits eine wahre Flut von Beleidigungs- und damit verbundenen Entschädigungs-Klagen gegen Hearst losgelassen, die diesem, falls er sie verliert, nicht weniger als 35 Millionen Mark kosten würden. Hearst indeß reibt sich lächelnd die Hände. Hat er doch sein Abkommen mit Murphy, dem Tam- many-Boß, das ihm die Wahl von 10 Richtern des obersten Gerichtshofes des Staates sichert. Er wird also die Richter selbst ernennen, die in letzter Instanz über diese Klagen zu entscheiden haben werden.
Unterhaltendes.
Das Testament.
Errählung von Georg Hartwig.
flj ^Nachdruck verboten.f
I.
Es klopfte. Und zwar zögernd, als hätte der Finger, welcher gegen die braungebeizte Tür pochte, diese Bewegung lieber vermieden, als ausgeführt.
Eine Helle Stimme rief „Herein!" Die Angeln kreischten leise. Bei dem schrillen Klang wandte sich ein blonder Mädchenkopf unlustig zur Seite, um den Störenfried ins Auge zu fassen, welcher sehr zur Unzeit ein interessantes Romankapitel unterbrach.
„Guten Tag, Fräulein Schnitzer!"
Sie errötete unter der Ansprache, klappte das Buch zusammen und stand nicht ohne Verlegenheit auf.
„Guten Tag, Herr Jordan!"
Die Nachmittagssonne lachte gerade mit ihren gelbroten Streiflichtern durch die dichtbewachsene Efeulaube, unter welcher das Mädchen stand und malte ein zitterndes Schattenspiel über ihr geneigtes Antlitz.
Das bürgerlich einfach eingerichtete Gemach mit dem bunten Teppich und den künstlichen Blumen sträußey in goldbemalten Vasen schien dem Nähertretenden kein Wohlgefallen abzugewinnen, im Gegenteil, jeder Schritt, den seine leicht knarrenden Stiefel nur zu deutlich durch die herrschende Stille taten, umdüsterte den Ausdruck seiner Züge ersichtlicher.
„Ich bitte um Verzeihung.- sagte er, in einiger Entfernung von dem jungen Mädchen stehen bleibend. „Ist Ihre Frau Mama zu Hause?"
„Ja — das heißt, sie ist in der Küche. Wenn ich sie rufen soll? Sie sind krank, Herr Jordan?" fügte sie lebhafter hinzu.
„Nein — oder ja! Ich weiß eS wirklich nicht," sagte er, seine Rechte gegen die Schläfe drückend. „Es ist mit meinem Schlaf nicht gut bestellt," fuhr er gezwungen lächelnd fort.
„Ah, der Hofhund vom Nachbar Gärtner!" fiel sie rasch ein. „Ein abscheuliches Tier." Ich höre ihn auch zuweilen.
„Oh, der Hund ist nicht schuld," erwiderte er zögernd. „Kann ich Ihre Mama sprechen? Es liegt mir etwas schwer auf dem Herzen."
Eme Wolke des Unmuts oder der Enttäuschung glitt wie ein Schatten über ihr hübsches Gesichtchen.
„Ja, doch!" sagte sie hastig, warf das Buch hin und ging hinaus.
Etliche Minute» später kam sie hinter der behäbigen Gestalt ihrer Mutter zurück und blickte über deren breite Schulter blinzelnd und Gleichgiltigkeit heuchelnd zu dem jungen Mann hinüber, dessen Verlegenheit sich in einem bitteren Lächeln auszulösen begann.
„Na. Herr Jordan, was steht zu Diensten?" fragte Frau Schnitzer, ihre runden Augen sehr bezeichnend nach dem Wandkalender richtend, der wie eine Art Mene Tekel für ihre Mieter über dem Sofa hing. „Bringen wohl die Miete? Hm? 's ist heut' der Zweite. Herr Jordan."
„Ich bringe sie leider nicht," sagte er zögernd, „weil ich sie nicht bringen kann. Ich habe jetzt, wenigstens nicht für den Moment, so viel bar, möchten —"
„Ja, sehen Sie mal," fiel Frau Schnitzer mit einem gewissen spöttischen Wohlwollen ein, „das ist nun so eine Geschichte mit dem Geduldhaben. Da kann Jeder kommen und mir Geduld anraten! Aber die Abgaben und Zinsen und Reparaturen und was sonst noch alles an einem Hause daran- und herumhängl, bezahle ich pünktlich an jedermann. Und essen und
trinken wollen wir auch die Martha und ich. Die Kleider müssen wir auch haben und Feuerung, nicht wahr? Von Schuhzeug und Löhnen gar nicht zu sprechen. Und alles das muß
uns das Haus geben. Wenn nun aber die
Mieter mir statt barem Gelbe schöne Worte geben, dann steht eben die ganze Geschichte
baumstill."
Er hatte die Hände unter diesen Worten fest zusammengeballt, als verbeiße er einen heißen Schmerz.
„Ich werde Sie befriedigen können, Frau Schnitzer. Ich hatte nur im letzten Monat den Schneider, der mir diesen Winteranzug gemacht hat, vergessen zu bezahlen. Ich bin es noch so wenig gewöhnt, genau zu rechnen
— und zu bitten," setzte er bitter hinzu.
„Na, das lernt sich, sobald Not an den
Mann geht," erwiderte die runde Frau, den Kalender für diesmal aus den Augen lassend. „Ich habe über Sie sonst gar nicht zu klagen," setzte sie milder hinzu. „Sie arbeiten und verdienen und sind häuslich genug. Na, wenn denn einer absolut warten muß, kann ich ebenso gut warten wie der Schneider, vielleicht noch besser. Also bis nächsten ersten, Herr Jordan
— oder in der Zwischenzeit."
Er nickte.
„Sie sollen nicht einen Tag länger warten, als ich nötig habe, die Summe zu erwerben. Meine Privatstunden —"
„Martha kann Ie>der mit Musik und Malerei nichts anfangen," fiel Frau Schnitzer mit einer kleinen Seitenwendung nach ihrer Tochter ein, „sonst sollte eS mir darauf nicht ankommen.-
„Ich danke Ihnen, Frau Schnitzer, für den Wunsch, mich unterstützen zu wollen," sagte Jordan, jede Empfindlichkeit unterdrückend. Können Sie mir vielleicht sagen, ob Ihnen der Name einer Frau von Karsten brock bekannt ist?"
„Ei, das denke ich! Das denke ich!" rief sie lebhaft. „Was —"
„Ich bin ihr als Zeichenlehrer empfohlen worden und als Begleiter zum Gesänge."
„Na, da können Sie froh sein! Ja, nun weiß ich, daß Sie vorwärts kommen werden. Hast Du gehört, Martha? Die Frau von Karstenbrock; da gibts immer genug Leute im Hause. Und sie ist nebenbei eine sehr schöne Frau."
DaS jungeMädchen,welches bis dahin mit niedergeschlagenen Augen gestanden hatte, errötete plötzlich sehr lebhaft.
„Sie soll sich wieder verheiraten wollen," sagte sie hastig.
„Also ist sie Witwe?" fragte Jordan gleichmütig.
„Seit anderthalb Jahren. Weißt du, Martha, wenn man den Mann gesehen hat, dann kann manns ihr nicht verdenken, daß sie noch mal an was Besseres denkt. Jh nun natürlich, Kind! Der alte Karstenbrock saß doch in der Equipage wahrhaftig wie ein Bündel Flicken. Ein Gesicht, gelb wie eine Zitrone. Ganz zuwider. Und sie daneben wie eine Rose. Na, das mußt du doch sagen, Kind!"
„Jawohl, Mutter, wie eine Rose," sagte Martha Schnitzer.
„Von der Dame können Sie ein anständiges Honorar verlangen", fuhr die Mutter eindringlich fort. „Die hats — und gibts auch! Mein zukünftiger Schwiegersohn — na, da möchte ich doch wirklich wissen, was dabei zu zupfen ist und ich glaube gar zu weinen!" rief die runde Frau mit mißbilligem Staunen. „Meinst du denn, Herr Jordan hätte nicht längst Lunte gerochen, Kind? Der Sohn vom Nachbar Gärtner, Herr Jordan! Und dann, bist du etwa darum achtzehn Jahre alt geworden, um nicht ans Heiraten zu denken? Na. sagen Sie selbst, Herr Jordan, ist so etwas nicht zum Verdrießen?"
„Oh nein, Frau Schnitzer," sagte Wilfred Jordan mit unverkennbarer Ungeduld in Wort und Ton. „Das ist schöne weibliche Scham, die ihr Glück nicht eingestehen will. Ich gratuliere, Fräulein Schnitzer. Und jetzt will ich in die Villa Karstenbrock gehen. Noch einmal Dank für den Aufschub, Frau Schnitzer."
„Keine Ursache! Keine Ursache! Sie werden wissen, was Sie zu tun haben. Schneiderrechnungen kommen gottlob nicht alle Monate vor. Na, adieu so lange, Herr Jordan!"
Er öffnete rasch die Tür und drückte sie hastig hinter sich zu. In dem kleinen Vorraum, den der Treppenabsatz bildete, blieb er einige Sekunden aufatmend stehen. Als schüttle er em drückendes Gewicht von Schulter und Brust herab, strich er flüchtig über seine weiße Stirn und eilte dann die Stufen hinauf in sein bescheidenes Hinterzimmer.
DaS dürftig ausgestattete Gemach sah so freudlos, vielleicht so hoffnungslos aus wie Wilfred Jordans Leben selbst.
Einstmals! Einstmals!
Er schlug sich mahnend gegen die Stirn, als wolle er den schlimmen Gast, die Erinnerung, daraus verscheuchen. Aber Erinnerungen sind nicht selten mit Widerhaken besetzt, die eine blutende Wunde hinterlaffen, wenn man sie gewaltsam entfernt. Und die Wunde in Jordans Brust blutete nach der soeben erfahrenen Demütigung heftig.
sFortletzung fslgt.j
Vermischtes.
(„Zuverlässige" Leute.) Eine amüsante „Boulevards-Geschichte" erzählt der „Figaro." Ihre Helden sind zwei Geschäftsleute. Der eine übergibt dem andern vor dessen Angestellten zehntausend Francs zur Aufbewahrung. „Heb' mir das Geld auf, bis ich zurückkomme, also zwei Monate." „Einverstanden," sagt der andere. Nach zwei Monaten erscheint der Freund, um seine zehntausend Francs zu holen. „Welche zehntausend Francs?" fragte der andere verwundert. „Nun die, die ich Dir vor meiner Abreise zur Aufbewahrung gab." „Du irrst Dich wohl, ich weiß von nichts!" „Was soll das heißen? Deine Angestellten sind Zeugen." „Schön, lassen wir sie kommen, wenn Du willst." Die Angestellten werden zusammengerufen, und ihr Chef fragt sie auS: „Erinnern Sie sich daran, daß der Herr mir vor zwei Monaten in Ihrer Gegenwart zehntausend