hatte der seinerzeit als vertretender Staatsanwalt figurierende Assessor Krücke gegen den Gouverneur Horn 5 Jahre Zuchthaus beantragt. (Horn hatte, wie erinnerlich, einen jungen Eingeborenen auspeitschen und ihn bei glühender Hitze so lange an einen Flaggenmast binden lassen, bis er der grausamen Behandlung erlag.)
Berlin, 6. Oktober. Nach einem Tele, gramm aus New-Iork, das bei der hiesigen Gesellschaft für drahtlose Telegraphie eiuge- gangen ist, hat der in Nerv-Jork eingetroffene Lloyddampfer Bremen, der mit Apparaten für drahtlose Telegraphie nach dem System Tele- funken ausgerüstet ist, die ihm 4 Tage nach dem Auslaufen von der Station in Naucr täglich eine Stunde lang nachgesandten neuesten Zeitungstelegramme bis auf eine Entfernung von 2800 Kilometer klar empfangen. Dieses Resultat ist deshalb beachtenswert, weil mehr als die Hälfte des Weges über Land führte. Von jetzt ab sind die deutschen Schiffsgesellschaften in der Lage, ebenso wie bisher von der Markoni-Gesellschaft von der deutschen Tele- sunken-Gesellschaft regelmäßig während der ganzen Ueberfahrt Zeitungstelegramme auszunehmen.
Freiburg, 7. Okt. Die hiesige Strafkammer verurteilte den katholischen Pfarrer Gaisert von Gündelwangen wegen Versuchs der Verleitung zum Meineid zu einem Jahr Zuchthaus. (Der Fall ereignete sich während der Wahlzeit. Bei der ersten Verhandlung vor der Strafkammer in Waldshut wurde Pfarrer Gaisert sreigesprochen. Durch Entscheidung des Reichsgerichts war der Fall der Freiburger Strafkammer zugewiesen worden.)
Davos, 5. Oktober. Der deutsche Kaiser hat der deutschen Heilstätte für unbemittelte Lungenkranke in DavoS eine weitere Beihilfe von 5000 Mark bewilligt.
Mailand, 5. Oktober. Hier wurde gestern eine Bande von Juwelendreben und Hehlern entdeckt. In einem geheimen Mauerfach fand die Polizei eine Menge Schmucksachen im Werte von 250000 Lire, welche wahrscheinlich von auch im Auslände begangenen Diebstählen herrühren.
Ufa, 5. Okt. Gestern abend um 8 Uhr wurde von 40 bewaffneten Personen ein Ueber- sall auf einen Postzug ausgeführt. In der Nähe einer Brücke über den Bjelafluß hielten die Uebeltäter den Zug an, töteten einen Soldaten, verwundeten drei Eisenbahnkassierer und raubten etwa 250000 Rubel. Die Täter entkamen.
Petersburg, 4. Okt. General Stöffel, der „Held von Port Arthur", wurde auf Befehl des Zaren vom russischen Heer ausgestoßen.
Aus Stcröt unö Umgebung Gräfenhausen, 6. Okt. Das Gasthaus zum „Waldhorn" hier ist am Freitag abend vollständig niedergebrannt. Der Brand brach in der Scheune aus. Nach eingetretener Dunkelheit sollten wegen des starken Regens Ziegel nachgestoßen werden; dabei fiel die Laterne in den Heubarn und zündete. Das Feuer griff so rasch um sich, daß nur wenig gerettet werden konnte. Der Gebäude- und Mobiliarschaden ist bedeutend.
Fürst Chlodwig zu Hohenlohe über Bismarcks Entlassung.
In der neuesten Nummer von „Ueber Land und Meer" (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt) findet sich aus den demnächst erscheinenden Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst" ein Abschnitt über die Entlassung Bismarcks. Wenn auch eine authentische Aufklärung über die kritischen Märztage des Jahres 1890 noch aussteht und erst in dem 3. Band von Bismarcks „G.'danken und Erinnerungen" seinerzeit gegeben werden wird, so ist es doch von hohem Interesse, zu hören, was bei Hof über die Gründe des Bruchs zwischen Bismarck und dem jungen Kaiser erzählt wurde.
Am 21. März findet sich im Tagebuch des Fürsten Hohenlohe der Eintrag, daß er in Berlin beim Herzog von Ratibor und auch später von anderen gehört habe, daß ein wirk
licher Bruch zwischen dem Kaiser und Bismarck die Ursache des Rücktritts sei. „Die Art. wie- Bismarck den Kaiser behandelte, die abfälligen Urteile, die er über den Kaiser in Konversationen mit Diplomaten fällte, andererseits die unfreundliche Art, in der beide miteinander verkehrten, machten de» Bruch unvermeidlich. Da nun der Kaiser schon vor Wochen mit Caprivt über die eventuelle Ernennung zum Reichskanzler verhandelt hat und Bismarck dies erfuhr, so konnte die Sache nicht länger dauern. Hier ist die Stimmung geteilt. Die einen geben dem Kaiser recht, die anderen Bismarck. Die Fürstin soll auch nicht zur Versöhnung mitgewirkt, sondern gehetzt haben, und man glaubt, daß auch Herbert nicht bleiben wird. Man sagt auch, daß Bismarck in letzter Zeit oft seine Ansicht geändert und dadurch Mißtrauen bei dem Kaiser erregt habe. Dazu kamen noch Kleinigkeiten, die Bismarck irrtierten, so die Verleihung des Schwarze» Adlerordens an Bötticher, die Borträge der Minister bei dem Kaiser ohne Wissen des Reichskanzlers und ähnliches." — In einer Aufzeichnung vom 24. März erzählt Fürst Hohenlohe über sei» Zusammentreffen mit Stosch bei einem Hofessen. Slosch erzählte viel von seinem Zerwürfnis mit Bismarck; er war froh wie ein Schneekönig, daß er jetzt offen reden konnte und daß der große Mann nicht mehr zu fürchten ist. Dies behagliche Gefühl ist hier vorherrschend. Es ist auch hier wieder wahr, daß nur die Sanftmütigen das Erdreich besitzen. Wenn nur in der auswärtigen Politik jetzt vorsichtig auf Bismarcks Wegen weiter gegangen wird!" „Nachher wurde ich von der Kaiserin Friedrich empfangen, die mit der Art, in der Bismarck entlassen worden ist, nicht einverstanden schien. Sie meinte, ich hätte sein Nachfolger werden sollen. Als ich ihr aber fugte, ich sei im gleichen Jahr wie ihre Mutter und ihr Vater ge boren, gab sie zu, daß es etwas spät sei, ein solches Werk aufzunehmen. In den Fragen der Sozialpolitik ist sie meiner Ansicht und sagt, daß Kaiser Friedrich die Bismarcksche Gesetzgebung stets bekämpft habe." AuS Berlin, 26. März, berichtet Hohenlohe: „Der Großherzog von Baden, bei dem ich gestern früh war, weiß sehr viel über die letzte Krisis, aber auch nicht alles. Er behauptet, daß die Ursache des Bruches zwischen dem Kaiser und Bismarck eine Machtfrage sei und daß alle anderen Meinungsverschiedenheiten, über soziale Gesetzgebung und anderes, nebensächlich gewesen seien. Der Hauptgrund war die Frage der Kabmetts« order vom Jahr 52, welch letztere Bismarck den Ministern ohne Wissen des Kaisers ein» schärfte und ihnen damit die Möglichkeit nahm, dem Kaiser Vortrag zu halten. Der Kaiser wollte, daß diese Kabinettsorder aufgehoben werde, während Bismarck sich dagegen erklärte. Auch die Unterredung mit Windhorst hätte nicht zum Bruch geführt. Bei der Besprechung des Kaisers mit Bismarck soll dieser so heftig geworden sein, daß der Kaiser nachher erzählte: „Daß er mir nicht das Tintenfaß an den Kops geworfen hat, war alles." Dazu kam das Mißtrauen des Kaisers in die auswärtige Politik deS Fürsten. Der Kaiser hatte den Verdacht, daß Bismarck die Politik nach seinen, dem Kaiser unbekannten Plänen leiten und es dahin führen wolle, Oestreich und die Tripelallianz aufzugeben und sich mit Rußland zu verständigen, während der Kaster dies nicht will und an der Allianz festhält.
Am 27. März ging Fürst Hohenlohe zu Bismarck, ein Schritt, der bei Hohenlohe von Unabhängigkeitsgefühl und Mut zeugt. Er berichtet darüber: „Als ich sagte, daß das Ereignis mir sehr unerwartet gekommen sei, meinte er: „Mir auch," denn vor dre, Wochen hätte er noch nicht gedacht, daß es so endigen würde. „Uebrigens," setzte er hinzu, „mußte ich es erwarten, denn der Kaiser will nun einmal allein regieren." Er erwähnte dann die einzelnen Streitpunkte zwischen ihm und dem Kaiser, das Arbeiterschutzgesetz, das der Kaiser wolle, und das doch nur ein Arbeiterzwangsgesetz sei, und kam aus die Frage der Ministerpräsidentschaft zu sprechen, indem er es als unzulässig bezeichnete, daß jeder Minister für sich und ohne den Ministerrat oder den Präsidenten zu
fragen, mit dem Kaiser verhandle. Gegen sVerdy hat er Mißtrauen, und gegen die Mi- Inister ist er gereizt weil sie ihn im Stich gelassen hätte», weil sie mehr den Kaiser als ihn fürchteten. Dabei sei seine Autorität nicht zu erhalten gewesen. Auch den Großherzog von Bade» nannte er unter seinen Gegnern. Als ich ihm sagte, es sei wohl denkbar, daß der Kaiser ihn über kurz oder lang bitten werde, zurückzukommen, wies er dies zurück: das wolle er nicht, diese drei Wochen noch einmal durchmachen. Hier würde ich ihn, schloß er, nicht Wiedersehen, wenn ich aber nach Varzin oder Frievrichsruh kommen wolle, sei ich willkommen. Auch von unserer langen gemeinsamen politischen Tätigkeit sprach er und riet mir, dafür zu sorgen, daß sich der Kaiser nicht viel um Elsaß-Lothringen bekümmere. Ich möchte ihm aus dem Gesicht bleiben. Das ist leichter gejagt, als getan."
Aus Straßburg, 31. März, stammen folgende Aufzeichnungen: „Heuduck, der heute bei mir war, erzählt, daß der Kaiser den kommandierenden Generälen mitgeteilt habe, warum Fürst Bismarck weggegangen sei. Die Frage der Kabinettsorder und die maßlose Weise, in der er gegen den Kaiser aufgetreten sei, hätten es unmöglich gemacht, länger mit dem Fürsten zusammenzugehen. Es sei besser, meinte der Kaiser, daß die Trennung jetzt geschehe, wo man noch auf friedlichem Wege auseinanderkommen könne, als daß ein ernster Konflikt ausbreche." — Am 21. April fuhr Hohenlohe nach Karlsruhe, wohin er mit seiner Gemahlin vom Großherzog zum Frühstück eingeladen worden war. „Der Großherzog kam zu uns in die Zimmer, wo wir abgestiegen waren, um uns zur Großherzogin zu führen. Hier wurde von allerlei gesprochen und auch vom Rücktritt des Reichskanzlers, über den der Grobherzog seine besondere Befriedigung zu erkennen gab. Er sagte, es habe sich zuletzt nur darum gehandelt, ob die Dynastie Bismarck oder die Dynastie Hohenzollern regieren solle. Hätte der Kaiser diesmal nachgegeben, so hätte er jede Autorität verloren, und alles würde lediglich nach Bismarck geblickt und ihm gehorcht haben. Das sei nicht mehr zum Aushalten gewesen. Ich fragte den Großherzog, wie seine letzte Unterredung mit dem Fürsten Bismarck verlaufen sei. Er erzählte, er sei eingetreten und habe dem Fürsten gesagt, er komme, um Abschied zu nehmen und zu sagen, daß er sich stets der Zeit, in welcher sie gemeinschaftlich für das Wohl Deutschlands gearbeitet hätten, mit Dankbarkeit erinnern werde. Der Fürst sagte dann, daß es die Schuld auch des Großherzogs sei, wenn er jetzt abgehe, denn die Befürwortung der Arbeiterschutzgesetzgebung durch den Großherzog beim Kaiser habe zum Bruche zwischen dem Kaiser und Bismarck beigetragen. Dies bestritt der Großherzog, indem er darauf hinwies, daß es preußische Angelegenheiten gewesen seien, die die Meinungsverschiedenheiten zum Bruch geführt hätten, und in preußische Angelegenheiten habe er sich nie eingemischt. „Hierauf wurde Bismarck grob", — was er gesagt hat, teilte der Grotzherzog nicht mit — und da stand denn der Großherzog auf und sagte, er könne sich das nicht gefallen lassen, wolle im Frieden von ihm scheiden und gehe mit dem Ruf, in den auch der Fürst einstimmen werde: „Es lebe der Kaiser und das Reich!" Damit war die Besprechung zu Ende."
(Schluß folgt.)
Vermischtes.
— Ueber eine Skandalaffäre mit religiösem Hintergrund teilt die Kölnische Volkszeitung ihren Lesern folgendes mit: Durch die Zeitungen geht seit einigen Tagen die folgende Mitteilung: „Von einem eigenartigen religiösen Wahnsinn wird aus Churwalden (Kanton Graubünden) berichtet. Dort sollen viele Jungfrauen im Alter von 18 bis 20 Jahren und auch zwei jüngere Frauen ganz geheimnisvolle Briefe erhalten haben, die anscheinend vor, der kirchlichen Oberbehörde ausgingen und die gefälschte Unterschrift eines hochangesehenen Geistlichen trugen. Diese Briefe enthielten die merkwürdige Aufforderung, daß sich die Empfängerinnen vom Meßner des Dorfes, einem schon etwas älteren