Zu de m Tod des Leutnants v. Liebelt der sich in Starnberg erschossen hat, wird berichtet, daß der junge Offizier, ein Sohn des früheren Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika, Generalleutnants v. Liebert, die Tat aus Ver­zweiflung über seinen körperlichen Zustand be­gangen hat, weil dadurch seine militärische Laufbahn völlig in Frage gestellt wurde. Liebert war bereits seit längerer Zeit an einem Brust­leiden erkrankt, zu dem sich auch noch eine Fuß­erkrankung gesellte.

Innsbruck, 1. Okt. Nach mehrtägiger Verhandlung vor dem hiesigen Schwurgericht ist heute die des Mords an ihrem Ehegatten angeklagte Louise Rutthofer wegen Totschlags zu 7 Jahren verschärften schweren Kerkers ver­urteilt worden.

Petersburg, 25. September. Gestern abend drangen einige anständig gekleidete junge Leute in die Wohnung eines Hausverwalters, schlossen die Anwesenden in ein Zimmer ein und erklärten, daß vor der Türe dieses Zimmers eine Bombe niedergelegt sei. Dann raubten sie Wertsachen, Pfandbriefe und Wechsel im Betrage von 200000 Rubel. Die Räuber ent­kamen. In einer Jntendanturniederlage ist ein Diebstahl von einer Million Arschin Lein­wand im Wert von 80000 Rubel entdeckt worden.

Wie aus Pet ers b u rg gemeldet wird, wurden in den letzten Tagen Tausende vou Exemplaren einer revolutionären Broschüre über die russische Grenze geschmuggelt und überall in Rußland verbreitet. Diese Broschüre, welche in Genf gedruckt wurde, fordert die Russen auf, den Zaren zu ermorden und verheißt demjenigen, der diese glorreiche Tat verübt oder seinen Erben die Summe von 50000 Rubel und zwar späte­stens drei Tage nach dem Ableben des Zaren.

Havanna, 29. Sept. D>e Einsetzung einer provisorischen Regierung seitens der Ver­einigten Staaten ist heute morgen erfolgt. Im Amtsblatt erläßt Kriegsminister Taft eine Be­kanntmachung, daß er einstweilen die Regierung übernommen habe, bis eine ständige Kommis- sion eingesetzt sei.

MntertHactenöes.

Das Anneli.

Erzählung von Else Krafft.

8j (Nachdruck verboten.)

Kein Wort, kein Laut zwischen den beiden Männern.

Kurt armete schwer Wie ein Heiligtum hatte er sein Werk bisher behütet. Jeden Morgen mit erneutem Eifer daran gearbeitet. Stunden­lang, tagelang. Oft meinte er, mit geschlossenen Augen malen zu können, so deutlich sah er das Urbild des jungen Gesichts, das da unter sei­nen Händen erstand, vor sich. Den goldenen Flechtenkranz über der Stirn, das verträumte Licht in den blauen Augen, das schöne heim­liche Lächeln um den blaßrotcn Mund.

Heinz sprach zuerst.

Siehst Du das habe ich ja gewußt!" sagte er aufatmend.

In diesen Worten lag mehr, als ein ganzer Belobigungsschwall.

Kurt rührte sich nicht.

»Ist 'st das Mädchen Dein Modell?"

Kurt wurde rot. Mit zusammengepreßten Zähnen schüttelte er den Kopf.

Nein. Ich hab's aus dem Gedächtnis gemalt."

Das das ist nicht wahr?" stieß der andere hervor.

Warum nicht?"

Weil weil aber das ist ja ein Meisterwerk, Junge!"

Kurt nickte trübe.

»Und doch Hab' ich's mit eigener Hand beschmutzt."

Lebt sie? Hast Du sie lieb gehabt?"

Der Gefragte stand halb abgewandt am Fenster.

Ich weiß es nicht. Doch ist es gut so, daß sie nicht mit mir gehen wollte."

Heinz lachte.

Also gibt's auch unerreichbare Güter für Dich, Glücksfänger? Schade! So eine Frau

hättest Du gerade brauchen können. Solche Augen muß Goethe vor sich gesehen haben, als er das ewige Wort schrieb:Ehret die Frauen, sie flechten und weben himmlische Rosen ins irdische Leben!" Sage mal, warum wollte sie Dich denn eigentlich nicht?"

Kurt fuhr so jäh herum, daß der Freund begütigend die Hand erhob.

Sachte, sachte ich will ja nicht daran rühren. Schön wär's ja, wenn so eine hold­selige Hausfrau Dein Schlößchen hier schmückte, Das einzige, was noch darin fehlt, Kurt."

Diesem standen die Hellen Tropfen auf der Stirn. Wie eine Erleuchtung war es plötzlich über ihn gekommen. Seine Hausfrau das Anneli, sein Weib das stolze, blonde Kind mit der reinen Seele an diese Möglichkeit hatte er niemals gedacht. Was sie ihm war, hatte er ja erst nach der Reise empfunden. Wie sie ihm fehlte, ward ihm erst in Berlin neben der unberechenbaren Schwägerin bewußt. Heimlich verglich er die beiden Frauengestalten, heimlich umgaben seine Gedanken mehr und mehr das blonde Mädchenhaupt in den verschneiten Ber­gen. Die Sehnsucht nach ihrem Anblick trieb ihm Pinsel und Palette in die Hand, das Ver­langen nach ihrer stillen Art, in der sie ihm einst die Tage zu verschönen versucht, machte ihn mehr und inehr zum Träumer. Und doch, und doch! Sein Weib sein, des verwöhn­ten Frauenlieblings. Weib nein, der Ge­danke war ihm niemals gekommen.

Wie es plötzlich in ihm zu jauchzen begann, zu jauchzen!

Heinz Schrödter, der noch einmal ernsthaft das Bild betrachtet hatte, streckte ihm die Hand entgegen.

Na, jedenfalls meinen Glückwunsch, alter Junge. Weiter so auf diesem Wege, und ich nehme alles zurück, womit ich Dich und Deine Kunst jemals gekränkt habe."

Kurt hielt die großen, hageren Finger fest in den seinen.

Danke, danke, Heinz. Du bleibst doch bei mir heute?"

Dieser schüttelte den Kopf.

Da kennst Du meine Mieze schlecht! Kocht mir heute meine Lieblingsspeise, die schlaue Hexe! Das macht sie immer so, wenn ich zur Mittagszeit zurück sein soll. Seh' ich Dich bald mal in Berlin, Kurt?"

Er war schon gegangen, als Kurt noch immer vor seinem Bild stand. Sein Gesicht war ernst, seine Lippen zuckten.

Armes, liebes Mädel! Armes, liebes Mädel." sagte er ein paarmal vor sich hin.So ein schlechter Kerl, so ein bodenlos schlechter Kerl, der ich war."

Und plötzlich ergriff ihn eine Angst um sein schon so nah geglaubtes Gut. Ob sie gesund war, ob sie ihn nicht schon vergessen und ver­dammt hatte?

Wie im Fieber war er den Tag über. Er ordnete seine Gerätschaften im Atelier und hatte alle Augenblicke ein neues Anliegen an die bei­den alten Leute, die ihm seit Jahren das Haus­wesen besorgten.

Im Garten blühten die ersten Schneeglöck­chen über den Fiederbüschen lag ein zarter, grüner Schimmer.

Der Frühling wollte kommen.

Gegend Abend, als eS zu dunkeln begann, fuhr Kurt nach Berlin.

In seinem Atelier über des Bruders Woh­nung war es kalt, dunkel, ungemütlich. Lang­sam stieg er die Treppen wieder hinunter, um den Abend über bei den Verwandten zu bleiben.

Fritz saß in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch, Gertrud war beim Ankleiden, um ins Theater zu fahren.

Der Direktor iah kaum empor, als der Bruder vor ihm stand. Mit müden Blicken suchte er in den Papieren herum, die vor ihm lagen.

Zum ersten Male entdeckte Kurt, daß die Haare des kaum Fünfzigjährigen völlig weiß geworden. Das griff ihm seltsam ans Herz.

Störe ich Dich, Fritz?"

Der Bruder schüttelt den Kops. Langsam drehte er sich auf seinem Stuhle um, lehnte das Haupt zurück und nahm den Kneifer von den Augen.

Wie ein erleichtertes Aufatmen war es über Kurt gekommen, daß Gertrud nicht im Zimmer war. Immer war ihm, als hätte er dem stillen Mann hier am Schreibtisch etwas abzubitten.

Seine Stimme war weich und leise, als er sprach:

Würdest Du mir Glück wünschen, wenn ich mich verheiraten wollte, Fritz?"

Der schaute ihn an. Groß fragend, mit dem Blick eines Vaters, der zu dem Sohn kein rechtes Vertrauen mehr hat.

Kurt legte die Hand auf des Bruders Schulter.

Es ist über mich gekommen wie ein zeh­rend Fieber, Fritz. Langsam, schmeichelnd, ohne daß ich wußte, wohinaus das unbestimmte Sehnen ging. Bis heute da ist'S mir klar geworden."

Der Mann am Schreibtisch lächelte. Es war nur ein kaum merkliches Zucken der Mund­winkel, und er lächelte.

«Ich glaube, Du bist Dein ganzes Leben laug mit solchem zehrenden Fieber behaftet ge­wesen! Wenn's nur diesmal der richtige Heilprozeß wird. Kenne ich Sie?"

Kurt schüttelte den Kopf.

Es ist keine von unseren Weltdamen, Bruder. Vielleich nennst Du auch mein Vor­haben, eine Mesalliance ja, Ihr alle werdet es vielleicht tun."

Du bist ja alt genug, um zu wissen, was Du beginnst," sagte der Direktor ruhig.Als ich fünfundreißig Jahre zählte, blieb mir zum Freien noch keine Zeit übrig."

Kurt sah über den gebeugten Rücken, über das weiße Haar, und eine heiße Röte stieg in sein Antlitz. Was hatte er geleistet gegen den Bruder, was hatte er getan, um den alten Namen der Wegelins mit Stolz und Pflicht' bewußtsein zu tragen? Nichts, nichts, was ihm zur Ehre gereichte. Im Gegenteil, er war wie ein Dieb in die Rechte des Bruders einge- dcungen, hatte in sündiger Liebe sein Weib begehrt und wäre weiter, weiter in das Verderben geschritten, wenn ja, wenn das Anneli nicht gewesen wäre.

Kurt konnte sich nicht länger beherrschen. Er legte plötzlich beide Arme um den gebeug­ten Rücken vor sich.

Du mußt mir Glück wünschen, Bruder, mußt Dich freuen. Die ist der besten eine, die ich liebe. Ein armes, heimatloses Kind. In den Harzer Bergen habe ich sie gefunden, Du weißt ja, die Nichte meiner Wirtin, eines Braunschweiger Lehrers verwaistes Töchterlein."

Der Direktor umschloß des Bruders Hand mit festem Druck.

So wünsche ich Dir Glück. Mög's auch die Rechte sein für Dich Junge."

Es war seit Jahren das erstemal, daß er dieses vertraute Wort gebrauchte.

Em Geräusch hinter ihnen ließ Kurt aus seiner halb gebückten Stellung emporsehen. Doch blieb seine Hand auf des Bruders Schul­ter liegen.

Gertrud, im schweren, glänzenden Seiden­kleide, ein paar blaffe Rosen an der Brust, stand im Zimmer. Sie mußte die letzten Worte ihres Mannes noch gehört haben.

Kinder, was ist denn los? So feierlich mit einem Male?"

Ihre Stimme zitterte, so sehr sie sich auch zu beherrschen suchte.

Wann bist Du denn gekommen, Kurt?"

Vor einer halben Stunde, Gertrud."

Von einem plötzlichen Entschluß beseelt, trat er auf sie zu und streckte die Hand aus.

Ihr seid ja immer meine besten Freunde gewesen, wenn ich's auch manchmal ein bißchen bunt getrieben habe. Was, Gertrud?"

Sie stand regungslos. Ihre schwarzen Augen sahen ihn an, als ob sie ihn verbrennen wollten. (FortseHungfolgt^f^E,

Vermischtes.

Einen Rekord im Backen vou Brot hat ein englischer Bäcker namens Herbert Pros- ser in Edington geschaffen. Die Aufgabe, die sich dieser unternehmungslustige Mann stellte, war keine geringe. Er suchte nämlich ein gan­zes Feld Weizen, das noch in Aehren stand, so schnell wie möglich in Brot zu verwandeln. Er kaufte das ganze Feld, wie es da stand.