dem Vorbehalt, daß, wenn ein günstiger Bauplatz gefunden werden sollte, eine endgültige Beschlußfassung erfolgen solle, und es wurden beschlußgemäß mehrere Grundstücke in den unteren Hausäckern in Höhe von zus. rund 8400 Mk. provisorisch angekaust; ebenso wurde inzwischen mit den Grundstücksbesitzern des gegenüber der Wilhelmshöhe in Aussicht genommenen Geländes verhandelt, weil der Amtsversammlungsausschuß in seiner Sitzung vom 28. Jul, ds. Js. beschlossen hatte, auch diesen Platz in Vorschlag zu bringen. Die Kosten für dies letztgenannte Areal würden etwa 12 000 bis 14000 Mk. betragen. Unangenehm berühr! hat dabei der Umstand, daß die Gemeinde Gräfenhausen entgegen ihrer früheren Zuficherung für ein notwendiges Waldareal von etwa r /2 Morgen 1 Mk. pro gm forderte. Während nun diese Höhenlage als ideal schöner Platz bezeichnet wurde, der nur den Nachteil zu weiter Entfernung von der Stadt habe, was auch höhere Betriebskosten des Krankenhauses verursachen würde, und zugunsten der unteren Hausäcker geltend gemacht wurde, daß dieser Platz mindestens ebenso sonnig und dazu für Neuenbürg zugleich auch mit Rücksicht aus die Nähe des Bahnhofs, günstiger gelegen sei, daß aber dieser Platz wegen des Lärms der Sensen- sabrik die Stimmung gegen sich habe, brachte Stadtschultheiß B ätzn er-Wildbad das der Stadt gehörige sogen. Schnepf'sche Feld an der Wildbader Straße, für das sich das Gutachten des Herrn Obermedizinalrat Scheuerten in erster Linie aussprach, in Vorschlag. Dieser Bauplatz sei geschickt im Tal bei der Stadt gelegen, auch würden die Baukosten auf diesem Terrain geringere werden. Ueberdies falle bei der Lage dieses Feldes der beim Bau auf der Wilhelmshöhe nach Mitteilung des Herrn Ober- amtmauns in Rechnung zu nehmende Mehraufwand für den Arzt von jährlich 1000 Mark fort und für die Talbewohuer oberhalb Neuenbürgs liege hier das Bezirkskrankenhaus am günstigsten. Obwohl von verschiedenen Seiten als Nachteil dieses Platzes an der Wildbaderstraße geltend gemacht wurde, daß daselbst die Lärm- Aussichten »och schlimmere seien, da man ja neben den nahe gelegenen Fabrik- und Wirtschaftsbetrieben auch mit einer Eisenbahnhaltestelle und später mit einer neuen Straße nach Waldrennach zu rechnen habe, stimmren von den 26 stimmberechtigten Mitgliedern der Amtsversammlung 14 für die Erbauung des Bezirkskrankenhauses auf dem SLmepf'schen Feld, während für den Platz bei der Wilhelmshöhe nur 9 Vertreter vo« den auf der linken Seite der Enz liegenden Bezirksorten stimmten. So ist nun endlich die in letzter Zeit so viele Gemüter bewegende, die Oeffentlichkeit in hohem Maße in Anspruch nehmende Frage zur Entscheidung gekommen, eine Frage, bei der die Meinungen stürmisch hin- und herwogten, wie dies meist nur bei „Platzsragen" zu verzeichnen ist; waren doch hauptsächlich auch die „Gelehrten" nicht darüber einig; so gab bekanntlich Obermedizinalrat Scheurlen nach seinem erstmaligen Hiersein sein Gutachten in erster Linie für „Schnepfs Feld", allerdings, ohne daß er die später kommenbe Straße obenherum und die Haltestelle in Betracht gezogen. Obermedizinalrat Walz sprach sich gegen dielen Platz aus, Professor Schmohl (Vorstand der Baugewerkschule) für die „Unteren Hausäcker," während ter neuerdings gehörte Oberbaurat Maier- Stuttgarl in erster Linie für die Höhenlage, und erst in dritter Linie für Schneps's Feld sich ausspruch. Nach dem heutigen Beschluß erhält die Stadt nun das Bezirkskrankenhaus auf eigenem Grund und Boden; es müssen jedoch noch einige Feldstücke dazu erworben werden. Die in denUnterenHauSäckern angekauftenGrund. stücke können zu gleichenPreiseu den Besitzern, entsprechend ihrem Vorkaufsrecht, zurückgegeben werden. — Als weitere Beschlüsse sind zu erwähnen: Wegen Anstellung eines Distriktsarztes für die Gemeinde Enzklösterle und die Wildbader Par zellen Sprollenhaus-Nonneumiß usw. an Stelle des Distriktsarztes Dr. Lorenz in Wildbad, welcher diese Stelle abzugeben erklärt hat. sollen zunächst Verhandlungen gepflogen werden wegen Beteiligung weiterer Gemeinden der angrenzenden Bezirke. Den Gemeinden des Dist-
riktsarztsbezirks Feldrennach wird ein Beitrag von 200 Mk. verwilligt. Die durch den Weggang des Hrn. OberamtSsrztes Dr. Herrmanu erledigte Oberamtswundarztstelle soll versuchsweise zunächst nicht besetzt werden. Zum Distriktsarzt (Orts und Armenarzt) für die Gemeinden Neuenbürg, Engelsbrand, Salmbach, Langenbrand, Arnbach, Ober- und Unterniebelsdach mit einem Wartgeld von 700 Mk. wurde Dr. Happoldt hier gewählt. Der Gehalt des Bezirkskrankenhausarztes wurde um 300 Mk. (von bisher 500 Mk. auf 800 Mk.) erhöht, dagegen wird der Gehalt des Stellvertreters dieses Arztes, zu welchem Dr. Happoldt gewählt wurde, auf 100 Mk. ermäßigt. Das Wartgeld des Dr. Schmidt in Liebenzell, Distriktsarzts für die oberen Waldgemeinden, wird von 620 Mark auf 800 Mk. und nach Einbeziehung der Gemeinde Schömberg auf 1000 Mk. erhöht.
— Eine längere Debatte verursachte die Abänderung des Bezirksstraßenstatuts, worauf die Aufhebung des Abs. 2 des Z 5 des Statuts nur gegen die Stimmen der Deputierten von Wildbad beschlossen wurde. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung werden diejenigen Gemeinden, deren Markung keine oder nur geringe Strecken Bezirksstraßen aufweisen, iu höherem Maße als bisher zu dem Unterhaltungsaufwand für diese Straßen herangezogen. Schwer begreiflich erscheint deshalb, daß mehrere dieser Gemeinden wie z. B. Calmbach trotzdem für die Aufhebung des Abs. 2 des § 5 stimmten. Einige Abänderungen erfuhren die Sätze für Schuß- und Fanggelder schädlicher Tiere. Zur Kenntnis der Versammlung gebracht wurde ein Dankschreiben des Württ. Kriegerbundes für den von der letzten Amts- Versammlung verwilligten Beitrag von 300 Mark zugunsten der Sammlung „König Wilhelm-Trost". Schließlich wurde nach dem Vortrag des Amtspflege-Etats pro 1906/07, bei welchem sich die Einnahmen auf 46 600 Mark, die Ausgaben auf zus. 70552 Mk. belaufen, eine Amtsschadensumlage von 70000 Mark (im Vorjahr 65000 Mk.) genehmigt.
— Im Anschluß fand ein gemeinsamer Mittagstisch im Gasthof z. „Bären" statt. (Enzth.)
Mnterrhalterröes.
Das Anneli.
Erzählung von Else Kr afft.
2) (Nachdruck verboten.)
Der Zug fuhr schneller, stöhnte und rasselte unter Kurts Füßen.
Nein, er würde sich nicht begraben lassen in den Bergen. Arbeiten wollte er, schaffen, mitten in Natur und Einsamkeit ein neues Bild ersinnen, vor dem das überlegene Mitleid des Freundes jäh verstummen müßte. Ob dazu aber acht Tage genügen würden, wie Gertrud von ihm verlangt hatte?-
Die Sonne stand tief im Westen, .als der Zug in die kleine Bahnhofshalle des Harzortes einsuhr.
„Thale-Thale!"
Kurt fuhr zusammen. Er hatte die letzten Stunden vor sich hingeträumt. Er nahm sich nicht einmal Zeit, seinen Mantel überzuziehen. Ihn lose über die Schulter werfend, die Reisetasche in der Rechten, also verließ er hastig den Wagen.
Ein paar Landbewohner, ein paar Kinder mit ihren Schulmappen, ein Handlungsreisender und mehrere Bahnarbeiter bildeten die ganze Staffage vor ihm. Vergebens sah sich Kurt nach einem Dienstmann um. Er mußte daran denken, wie er vor zwei Jahren im Hochsommer hier entlang geschritten war. Das war ein ganz anderes Bild gewesen. Einer hatte den anderen überraunt, Hoteldiener ihm ihre Dienste und Führung angeboten.
Und doch, es war ihm recht so. Er fühlte sich wohl in dieser stillen, reinen Luft, die ihn von allen Seiten umströmte. Und die Berge — — die Berge ringsum! Nicht im Nebel, nicht in graue, düstere Gewänder gehüllt schauten sie ihn an. Die winterliche Sonne küßte ihre Häupter.
„Das ist wirklich schön!" sagte Kurt unwillkürlich vor sich hin.
Er stand vor dem Bahnhofsgebäude und blickte starr nach den Höhen hinüber.
Ein Wägelchen rasselte neben ihm auf dem Pflaster.
Kurt sah weder die aufgestapelten Säcke auf dem Fuhrwerk, noch die baufälligen, altersschwachen Holzleisten, dre darum waren.
„Holla!" rief er dem Kutscher zu, wollen" Sie mich mitnehmen?"
Der Mann auf dem Bocke grinste. Er hielt die Zügel gespannt und der Wagen hielt.
„Wohin wollen der Herr denn fahren?"
Kurt lachte.
„Ist mir einerlei-irgend ein Gasthaus
wird's wohl geben unterwegs."
Der Alte nickte. Ein verlegener Seitenblick streifte die Säcke hinter sich.
„Es geht nach Treseburg," sagte er in etwas singender Tonart.
Kurt, der seinem Blicke gefolgt war, bemerkte erst jetzt, daß bereits ein Fahrgast da oben zwischen den Säcken Platz genommen. Ein Mädchen, mit einem blonden Flechtenkranz um die Stirn. Zwei große, ängstliche Augen sahen darunter hervor.
Kurt musterte zögernd das schwarze, ärmliche Kleidchen vor sich. Ein knrzes, abgetragenes Jäckchen spannte sich um die Taille. Die Hände lagen rot und zusammengesaltet im Schoß.
Schön mar die Gesellschaft nicht. Aber die Berge, die Berge da drüben!
Mir einem Satz sprang er auf den Wagen.
„Koste es, was es wolle-ich zahl's,"
rief er gut gelaunt dem Rosfelenker zu.
Ein kräftiges Hüh — — und das Pferd trabte seines Weges.
Kurt hatte kaum genickt, als das Mädchen neben ihm ihren Kleiderrock zusamnrendrückte, um ihm Platz zu machen. Er sah sie kaum. Auf seinem Sitz lehnte er sich gegen den Wagenrand zurück und sah Hellen Auges über die Landschaft.
Zu beiden Seiten der Chaussee vornehme Hotels mit geschlossenen Fenstern und Türen, unter der Brücke, über die man fuhr, das schäumende Wasser der Bode. Zuerst noch ein paar Fußgänger auf de» Wegen von Thale her . . . dann immer stiller, einsamer ringsum.
Aufatmend wandte sich Kurt zur Seite und griff nach seinem Mantel. Und da siel ihm das Mädchen wieder ein, das neben ihm war.
Auch die Sonne schied. Das Licht über den Bergen wurde blasser, aus dem Gestein auf dem Wege krochen die Abendschatten, und durch die Luft ging ein kalter, feuchter Wind.
Sie saß noch ebenso bescheiden wie vorher auf ihrem harten Sitz.
Kurt sah einen Augenblick schweigend in das blasse Gesichtchen. Es sah müde aus, durchfroren und verweint. Unwillkürlich griff er nach seinem Rerseplaid.
„Frieren Sie, Fräulein?"
Sie sah ihn erschreckt an. Eben noch waren ihre Gedanken weit, weit von hier, an einem frischen Erdhügel gewesen, unter dem die Mutter schlief.
„Wenn Sie das Plaid haben wollen?"
Sie rührte sich nicht.
Zuerst ärgerte er sich über ihre Scheu. „So ein dummes Landgänschen," dachte er. Dann aber, als er das Zittern fühlte, das alle Augenblick ihren Leib durchrann, legte er das Plaid vorsichtig um ihre Schultern.
„So-ganz fest hüllen Sie sich damit
ein-Sie sehen ja jämmerlich verfroren
aus!"
„Danke —-"
Sie hatte es so leise gesagt, daß es nur wie ein Hauch zu ihm herüberwehte.
„Bitte-," lächelte er spöttisch.
Und dann saßen sie wieder und blickten stumm in das immer dichter werdende Dunkel ringsum.
Der Kutscher schien zu schlafen. Das Pferd trabte langsamer seinen gewohnten Weg.
Kurt griff nach dem gebeugten Rücken des Alten.
„Aber, Mann, wann sollen wir denn unter Dach kommen.
„Gehört der Herr nach Treseburg?"