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der Eisenbahnlinie Jaroslaw-Moskau drangen zwei bewaffnete Unbekannte in einen Abteil dritter Klasse, in dem sich der Kassier einer Waggonfabrik befand, und riefen den Jnsaßen zu: „Hände hoch!" Sie töteten einen Schaffner nnd verwundeten den Kassier, dem sie 27 0(0 Rubel raubten. Darauf brachten sie durch Ziehen der Notbremse den Zug zum Stehen und verschwanden unbehelligt im Walde.
Lokales.
Wildbad, 12 . Juli. Die Teilnehmer an dem vom 14. bis 16. Juli in Pforzheim skatifindenden ersten Verbandstag des Verbandes der Grossisten des Edelmetallgewerbes machen am 16. Juli einen Ausflug nach Wildbad und werden im Hotel zur „Post" das gemeinschaftliche Abendessen einnehmen.
Gemeinnütziges.
— (I oh an n i Sb e e r w ein.) Einen sehr guten Johannisbeerwein erhält man nach folgendem Rezept.- Zu 10 Liter Saft von reifen Beeren kommen 25 Liter Wasser und 15 Pfund Zucker. Wichtig ist nun aber die Behandlung, damit der Wein keinen unangenehmen Beigeschmack bekommt und einem guten Weine sehr gleicht. Erstes Ablassen nach 7 Wochen. Zweites Ablassen Mitte April, also nach etwa sieben Monaten. Zum Trinken über das Essen oder für das Gesinde verdünnt man diesen feinen Wein mit etwas Wasser (^4 zu 2 / 4 . Je älter dieser Wein wird, der nach «inen, Jahr auf Flaschen gezogen werden kann, desto besser wird er und desto bekömmlicher. — Bei der Bereitung von Stachelbeerwein kann man die Früchte entweder in noch hartem, aber völlig ausgewachsenem Zustande pflücken, oder man kann sie reif und weich werden lassen. Um einen guten Stachelbeerwein zu bereiten, werden 50 KZ Beeren auf der Mühle zermahlen, werden mit 20 Liter Wasser und etwas Zucker vermischt und zum Auf, ehmenlassen in einen Kübel gefüllt. Nach 24 Stunden wird der Saft ausgepreßt. Zu dem gewonnenen Saft gibt man noch 30 Liter Wasser und 30 KZ Zucker und füllt das Ganze in ein passendes Füßchen, das man mit einem Gärspund verschließt. Den beste» Stachelbeerwein geben die kleineren Sorten mit dünner Schale. Hat man keine passt »den Sorten, so kann mau auch die verschiedenen Stachelbeeren mischen.
Hinter hattenöes.
Zwei HuOcttilmrkschkine.
Erzählung von Rudolf Jura.
(Forts, u. Schluß.) (Nachdruck verboten.)
„Aber Georg," sagte sie zitternd, „du sprichst ja so unheimlich wie ein Pastor, und garnicht, als ob du dich freutest, daß wir nun reich und glücklich zusammen sind."
„Gewiß freue ich mich unseres Erfolges," erwiderte er funkelnden Auges, „und ich hoffe, ihn gut zu nützen. Ich will mich auch nicht härter anklagen, als ich es verdiene. Dem Deutschen Reiche wiegt der Verlust des Geldes nicht schwer, um das ich es gebracht habe. Es kann die Summe verschmerzen. Oder wenn es das nickt tut und die Rcichsbank meine gefälschten Scheine nicht einlöst, so verteilt sich der Verlust auf viele Hunderte, die ich damit betrogen habe oder noch betrügen werde. Ich will mir darüber keine grauen Haare wachsen lassen. — Deinem armen Mann habe ich dich gestohlen. Auch dieser Verlust wiegt nicht allzuschwer. Er hatte dich schon lange zuvor verloren, ohne es zu wissen. Wärest du noch wirklich sein eigen gemessen, so hätte es gar- nicht in meiner Macht gestanden, dich von ihm loszureißen. Ich habe mir nur genommen, was eigentlich schon lange mein war."
„Ja, mein Georg!" fiel sie leidenschaftlich ein.
„Bor meinem Gewissen stehe ich also ziemlich rein da. Ich will aber auch vor den anderen Leuten rein dastehen und endlich wieder eine geachtete Stellung im Leben einnehmen. Mit unserem Gelbe wird es uns nicht schwer fallen, unter fremden Verhältnissen u. fremden Menschen irgend ein Geschäft zu gründen u. ein neues Leben zu beginnen. Ein weiteres Verbrechen werde ich niemals begehen und meine
alten zu verbergen und durch einen ehrlichen Wandel zu sühnen, wird mein beständiges Bestreben sein. Der Gedanke an die Anklagebank oder an das Zuchthaus flößt mir mehr Abscheu und Entsetzen ein, als es das Verbrechen getan hat. Vor dem Verbrechen bin ich nicht zurückgeschaudert. Vor dem Schimpfe einer Bestrafung werde ich mich mit aller Klugheit zu hüten wissen, und du wirst mir beistehen Nicht wahr?"
„Wenn du schon so ernsthaft sprichst," antwortete Anni zaghaft, „so will ich mein Verbrechen damit sühnen, daß ich dich unendlich lieb habe und für dich eine bessere Frau werden will, als ich es Heinrich gewesen bin."
Jetzt war den Beiden so wohl wie nach Beichte und Absolution. Mit ein paar sentimentalen Worten glaubten sie ihre schweren Vergehen wieder gut gemacht zu haben, warfen leichten Herzens ihr altes Leben hinter sich und fuhren voll heiterer Zuversicht dem Glücke entgegen, das ihnen aus der verheißungsvollen Zukunft ei» lächelndes Willkommen zu bieten schien.
9. Kapitel.
Als Heinrich und sein Begleiter in Basel ausstiegen, fiel ihnen ein Schweizer Schutzmann auf, der erwartungsvoll auf dem Bahnsteig um sich blickte. Sie redeten ihn an, und es stellte sich heraus, daß er ihretwegen hier stand.
„Ein Pärchen, auf welches das Signalement der Flüchtigen paßt," sagte er, „ist mit dem vorigen Zug angekommen. Sie sitzen jetzt hier im Wartemal. Ein Kollege von mir in Zivil ist in ihrer Nähe und beobachtet sie. Um nicht fehl zu greifen, haben wir mit der Festnahme bis zu Ihrer Ankunft gewartet."
Alle drei begaben sich nun in den Wartesaal, den Anni und Hankwitz eben verließen, um die Zollrevision zu passieren. Der Schweizer Beamte, durch ein bejahendes Zeichen seines Kollegen verständigt, folgte ihnen und überholte sie im Gedränge.
Der Zollbeamte stellte die übliche Frage an die beiden. Hankwitz öffnete bereitwillig seine rotjuchtene Ledertasche mit den blinkenden Nickelbeschlägen, während Anni mit holdseligem Lächeln den Kops schüttelte. Der Beamte glaubte ihrem unschuldigen Antlitz gern, daß sie nichts Verbotenes einschmuggelte. Er wußte nichts, und es ging das Zollgesetz nichts an, daß sie selbst eine verbotene Ware war, die verstohlen über die Grenze von Recht und Sitte geschmuggelt wurde, eine weit schlimmere Kontrebande als alle die Seidenstoffe, Schokoladen und sonstigen Dinge, die hier täglich von Männern und Weibern in verborgenen Taschen und Rockfallen hin- und hergeschleppt wurden.
Der Schweizer Beamte in Zivil hatte sich inzwischen auf der einen Seite des Paares ausgestellt, um ihnen die Möglichkeit eines törichten Fluchtversuches gleich im Beginn ab- zujchneiden. Heinrich mit den beiden anderen Beamten näherte sich ihnen von der anderen Seite.
Noch einmal fühlte er einen wilden Schmerz in sich aufwallen, als er sein Weib zärtlich an den Arm ihres Verführers gelehnt sah und lieblich den Zollbeamten anlächeln. Wieder verwandelte sich sein Schmerz in iahen Ingrimm, und einen lodernden Zornesblick schleuderte er auf das treulose Weib.
Jetzt begegnete zufällig ihr Auge dem seinen, ein leiser Aufschrei des Schreckens entfuhr ihren Lippen, dann starrte sie ihn sprachlos und wie gelähmt vor Entsetzen an. Der Aufschrei hatte Hankwitz, der noch mit dem Zollrevisor sprach, ebenfalls aufgeschreckt. Er folgte ihren Blicken, und sofort erkannte er Heinrichs Gesicht, den er «n jenem Nachmittag der vorigen Woche bei seinem Abschied von Anni genau betrachtet hatte. Der uniformierte Schutzmann an seiner Seite ließ keinen Zweifel an dem Ernst der Lage aufkommen. und als er sich umwandte, sah er auch hier einen Mann in entschlossener Haltung auf sich zutreten.
„Teufel!" murmelte er und erbleichte. Dann, zu Anni gewandt, flüsterte er hastig: „Das Spiel ist verloren. Der Schande liefere ich mich nicht aus. Lebe wohl!"
Blitzschnell hatte er während dieser Worte einen Revolver aus der Brusttasche gezogen,
ihn an die Stirn gesetzt und drückte eben los, als Anni mit einem Schrei des Entsetzens seinen Arm umklammerte und ihn herniederriß. Aber schon tat die kleine blanke Waffe mit kurzen: scharfen Knall ihren Dienst. Freilich fand sie ein anderes Ziel, als die Absicht des Unglück» lichen Schützen ihr bestimmt hatte.
Durchs Herz getroffen, sank Anni leblos zu Boden.
Ein gurgelnder Laut des Schmerzes quoll aus seinen Lippen, aber ehe er die Waffe zum zweitenmale erheben und wieder auf sich selbst richten konnte, wurde er von kräftigen Armen umschlungen und ihm der Revolver entrissen.
Alles war das Werk weniger Augenblicke gewesen, und sofort hatte sich ein dichter Kreis von Neugierigen um die erregte Gruppe gebildet.
Anni wurde mitleidig in den nächsten Dienst- raum gebracht. Dort legte mau sie auf die harte Matratze, einer Pritsche, die den Schaffnern in kurzen dienstfreien Stunden als Ruhebett diente.
Jetzt war sie zum Sterbelager geworden.
Der rasch herbeigerufene Arzt konnte nichts weiter tun, als Annis Tod feststellen.
Heinrich hatte ihr mit bebenden Fingern d:e Augen zugedrückt, nnd in tiefer Ergriffenheit fühlte er die Tränen über seine Wangen rollen.
„Armes, irregeleitetes Herz," flüsterte er. „die rasche, bittere Strafe hat es eilig gehabt, deine Sünde auszulöschen. Der Tod hat dich entsühnt, und dir mag wohl sein!"
Um Hankwitz hatte er sich nicht mehr gekümmert. Er wußte ihn in den Händen der Gerechtigkeit. In demselben Augenblick, da er, mit einer schweizerischen achtförmigen Handfessel verwahrt, abgeführt wurde, dampfte der Züricher Schnellzug mit lustigem Pfiff aus der Bahnhofshalle
* *
*
Es war wenige Tage später.
Heinrich saß ernsten Angsichts in seinem vertrauten Wohnzimmer daheim und hatte Gertrud eben den traurigen Inhalt seiner langen Briefe noch einmal ausführlicher erzählt. Annis Leichnam hatte er i» Basel der Feuerbestattung übergeben.
„Ihre Aschenurne steht dort im Kolumbarium," sagte er. „Ich hege keinen Groll mehr gegen sie. Sie war ein haltloses, verführtes Geschöpf und wußte wohl oft selbst nicht, was gut und was böse war. Ein anderer wird jetzt über ihre Seele richten. Möge er ihr gnädig sein. Ich selbst fühle mich nicht frei von Schuld, daß ich nicht imstande gewesen bin, ihren schwachen Charakter zu festigen und besser zu behüten. — Hankwitz sitzt hinter Schloß und Riegel und ist noch seinem irdischen Gericht unterworfen. Ein paar Jahre Zuchthaus sind ihm sicher. — Die ausgesetzte Belohnung habe ich natürlich unverkürzt den Poli- zeibeamteu zukommen lassen. Ich mochte das Geld nicht anrühren, an dem das Blut meines Weibes klebt. — — Auch bin ich ja durch die glänzende Verwertung meiner Erfindung reich genug. Ich habe mehr Geld, als ich brauche. Denn eigentlich brauche ich nichts mehr."
Er blickte trübe vor sich hin. und Gertrud brach schließlich das Schweigen, indem sie ihn mit sanfter Stimme fragte:
„Und was wirst du nun beginnen?"
„Ich werde arbeiten, entgegnete er achselzuckend." „Ich wüßte nicht, was ich sonst mit meinem Leben beginnen sollte. Alle nieine Kräfte werde ich meinem Geschäfte widmen. Wie ich dir wohl schon sagte, dachte ich daran, es in eine Drogenhandlung umzuwandeln und die photographischen Artikel nur nebenbei zu führen. Da habe ich Beschäftigung g>.nug, mir all die nötigen neuen Kenntnisse änzueignen. Es wird mir Freude machen, mich in einen ganz anderen Tätigkeitskreis hineinzuarbeiten."
„Ja, aber ich meine, wie wirst du es mit deiner Häuslichkeit halten? Wirst du dir eine Wirtschafterin nehmen?"
„Ach so. Daran habe ich noch nicht gedacht. Bis jetzt hast du hier nach dem Rechten gesehen. Ich dank dir schön, du Gute! Aber länger darf ich das Opfer freilich nicht an- nehmen. Du wirst im Geschäft gebraucht, und