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Anschein, ihm eine Seeschlacht zu bieten. Während ss der Gegner durch einen kieinen Teil der „Blauen Flotte" irregeführt wurde, drang am Donnerstag nacht der Befehlshaber des Gros der „Blauen Flotte" unverfolgt in den ungeschützt gelassenen Aermelkanal, markierte ein Bombardement, nahm Brighton, Dover, Sheerneß, die Themsemündung, Cromer, Scar- borough, Devonport, Plymouth, Portsmouth und Portland weg. Er forderte die Kapitulation sämtlicher Großhäfen und Marinedepors, sowie die ihm als Sieger zuslehenden Kriegskosten. Die Schlachtflotte erwies sich als zu schwerfällig um den Feind zu stellen und zu vernichten.
I.us Stadl und Umgebung.
Wildbad, 5. Juli. Auf die morgen (Freitag) abend stattfindende Vorführung von Lichtbildern in der evang. Stadtkirche möchten wir auck an dieser Stelle aufmerksam machen. Die Anregung dazu ist von einem Kurgast ausgegangen, der auch den begleitenden Text sprechen wird. Die Vorführung selbst hat in freundlichster Weise Herr Hofphotograph Blumenthal hier übernommen, der durch seine ganz außerordentlich gelungenen Schwarz- wald-Lichtbilder sich weithin einen Namen gemacht hat und mit denselben vor kurzem in Baden-Baden unter sehr großem Beifall aufgetreten ist. Daß der Ertrag der Aufführung am Freitag der Erbauung eines Vereinshauses, das mehr und mehr hier als dringendes Bedürfnis sich herausgestellt hat, zugute kommen soll, dürste den Wunsch als gerechtfertigt erscheinen lassen, daß der Besuch ein recht zahlreicher werden möge, zumal da die Bilder "interessante Darstellungen aus der innern Mission bieten werden.
Wildbad, 4. Juli. (Beleuchtung.) Beim Heraustreten aus dem Theater nach der gestrigen Vorstellung war das Auge förmlich geblendet von der Farbenpracht des Bildes, das der Platz vor dem Theater bot. Hunderte farbiger Lampiors hingen im Laube der Bäume, der Mustkkirsk und die Unterkunftshalle waren mit einer Unzahl Lämpchen besetzt. Der zauberische Anblick dieses Bildes gewährte allen Besuchern einen großen Genuß, der durch das prächtige Konzert der Kurkapelle noch erhöht wurde, und den auch der eingetretene Regen (eine typisch gewordene Begleiterscheinung unserer Beleuchtungen u. Feuerwerke) nicht zu beeinträchtigen vermochte. Abwechslungsweise erstrahlten die Bäume u. Strau- cher in rotem und grünem bengalischen Feuer.
Wildbad, 4. Juli. Am Neubau des Schwimmbadgebäudes ist gestern der Dachstock aufgesetzt werden. Das nunmehr im Rohbau sertlggestellte Gebäude läßt heute schon erraten, daß es eine Zierde der Olgastraße bilden wird. Das Schwimmbad wird nach seiner Fertigstellung unsere Thermen wesentlich entlasten und besonders unseren Luftkurgästen an heißen Sommertagen einen willkommenen Aufenthalt bieten. — Auch die durch Hochwasser verzögerten Arbeiten beim Bau des Elektrizitätswerks schreiten bei der anhaltend guten Witterung rüstig vorwärts, so daß dieselben in einigen Wochen in der Hauptsache beendet sein dürften.
Feldrennach, 2. Juli. Gestern abend trafen drei junge Leute von Ottenhausen mit hiesigen jungen Leuten zusammen, wobei es alsbald zu Sticheleien kam. Einer der Ottenhauser Burschen hatte einen Revolver bei sich, mit dem er die Feldrennacher wiederholt schrecken wollte. Schließlich gab er auf den vordersten der Feldrennacher Kameraden 4 Schüsse ab, von denen einer den 18 Jahre alten Goldarbeiter Gottlieb Gentner, Sohn des Taglöhners Friede. Gentner, in den Unterleib traf. Gentner dürfte schwerlich mit dem Leben davonkommen. Der Magen ist doppelt durchbohrt, und auch andere Teile sind verletzt.
Unterhaltendes.
Zwei Hundertmarkscheine.
(Forts.) Erzählung von Rudolf Jura.
(Nachdruck verboten.)
„Wenn du es wünschest, gern," antwortete sie freundlich und stieg zwei Häuser weiter unt
ihm zu der im ersten Stock gelegenen Wohnung der Frau Faillard empor.
Das Zimmer, in das die Frau ihre Kundschaft mit unterwürfiger Freundlichkeit geleitete, war keineswegs ärmlich, sondern, wenn auch nicht geschmackvoll, mit mancherlei Kostbarkeiten ausgestattet. Doch machte der Raum infolge der dicht zugezogenen Vorhänge einen unheimlichen und unfreundlichen Eindruck.
„Wir haben also das Vergnügen, mit der berühmten Frau Faillard, nicht wahr?" begann Anni. „Wir kommen um eines nahen Verwandten willen, dessen Aufenthalt wir von Ihnen erfahren möchten, der arme Mensch ist krank, und um seiner selbst willen wäre es daher sehr wünschenswert, ihn zu finden."
„Bitte sehr, gnädige Frau," entgegnete Frau Faillard eilfertig und verständnisinnig, ich will sogleich meine Karten befragen."
Sre schlurfte zum Tisch, wo auf weißer Decke ein schmutziges Spiel Karten »eben einer halbvollen Likörflasche lag.
„Nein, nein," versetzte Anni, „wir wollen uns nicht an die Karten wenden und keine Weissagungen für die Zukunft haben. Wir haben nur eine Frage an Ihr Gedächtnis über die Personen, die in den letzten Tagen Gebrauch von Ihrer Kunst gemacht haben. Unser Verwandter heißt Georg von Hankwitz und beabsichtigte, die besten Kartenlegerinnen Frankfurts aufzusuchen, also wohl niemand anderes als Sie. Ist er bei Ihnen gewesen, und können Sie uns sagen, wo er sich aufhält? Wir werden uns für eine gute Auskunft gern erkenntlich zeigen."
Anni gab ein genaues Signalement, und sofort erwiderte Frau Faillard mit geläufiger Beredsamkeit:
„Jawohl! Ein solcher Herr war vor vier oder fünf Tagen bei mir. Er wollte sein Horoskop gestellt haben.
Die gnädigen Herrschaften müssen nämlich wissen, daß ich mich auch mit Astrologie beschäftige. Ein Horoskop kann ich aber nicht so schnell stellen. Ich muß mehrere Nächte den Himmel beobachten und genaue Berechnungen anstelle». Der Herr hatte es jedoch sehr eilig, weil er sofort abreisen mußte — —"
„Wohin ist er gereist?" fiel ihr Heinrich eifrig ins Wort.
„Nach Straßburg. Er hat mir das Horoskop im voraus bezahlt und mich gebeten, es ihm, sowie es fertig ist, nach Straßburg, hauptpostlagernd unter G. v. K. 1000 nachzuschicken,
„Kein Zweifel, er ist es!" rief Heinrich, und Anni fragte ruhig weiter:
„Haben Sie Ihren Brief schon abgeschickt?"
„Nein, es wird auch mindestens noch drei Tage dauern, ehe ich es tun kann. Der Herr hat mir gesagt, er will so lange in Straßburg warten und jeden Tag dort auf der Post Nachfragen, bis er das Horoskop hat."s
„Es ist gut, liebe Frau," sagte Anni zufrieden. „Wir danken Ihnen recht sehr für Ihre freundliche Auskunft. Heinrich, sei so gut und gib zwanzig Mark. Heinrich gab das Geld nicht ohne ein leises Zucken des Widerstrebens, freudig fuhren sie nach ihrem Horel zurück. Aber das erste Wort Heinrichs unterwegs war doch:
„Zwanzig Mark waren eigentlich zu viel."
„Wenn wir weniger gegeben hätten," antwortete Anni, „so wäre sie im Stande gewesen, uns und unsere Neugier vorzeitig zu verraten und vielleicht eine telegraphische Warnung vor uns nach Straßburg zu senden."
„Wenn wir ihr weniger gegeben hätten," dachte sie im Stillen, „so wäre sie imstande gewesen, mich und meinen ganzen Schwindel auf der Stelle vor Heinrich zu verraten."
„Du magst recht haben, Anni," antwortete Heinrich gutmütig. Ich bin dir auch von Herzen für deinen vorzüglichen Plan dankbar, der uns nun schnell ans Ziel bringen wird. Wir fahren um 1 Uhr ab und sind um 6 Uhr in Straßburg, geben dort einen Brief hauptpostlagernd „G. v. K. 1000" i.uf, ich lege mich mit einem Kriminalbeamten auf der Post in den Hinterhalt, und sowie der Bursche seinen Brief abholt, wird er festgenommen. Du kannst ja des sicheren Erkennens halber auch mit auf die Post gehen. Oder wir wählen einen recht
auffällig, vielleicht dunkelrot gefärbten Briefumschlag, der unserer Aufmerksamkeit weniger leicht entgehen kann. Außerdem könnte man ja auch den Schalterbeamten verständigen. Kurz, der Herr von Hankwitz kann uns nicht mehr entgehen, wir haben ihn ganz sicher."
Anni war äußerst stolz auf ihren gelungenen Schachzug, der sie noch heute nach Straßburg in die Nähe des Geliebten bringen sollte. In ihrem Siegesbewußtsein versuchte sie sogar scheinbar, ihren überlisteten Gatten von seinem Reiseentschluß wieder abzubringen und sagte gelangweilt:
„Allerdings, jetzt ist er gefangen. Meiner Ansicht nach brauchen wir jetzt überhaupt gar- nicht mehr hinter ihm herzureisen. Unsere weiteren Bemühungen sind vollständig überflüssig. Du meldest einfach das, was wir eben erfahren haben, auf der Polizei, der es ein Leichtes sein wird, ihn nun auch ohne unsere Hilfe festzunehmen. Wir aber fahren gemütlich wieder nach Hause und ruhen uns aus."
„Nein!" entgegnete er erregt. „Hast du vergessen, daß ich auch persönlich ein ernstes Wort mit dem Herrn zu reden habe? — Heb- eigens wäre es auch sehr töricht, die Ehre, und vox allem die fünftausend Mark Belohnung mit einer größeren Anzahl dieser hochmütigen Poli- zeibeamteu zu teilen) als unbedingt nötig ist. man muß immer ein wenig Geschäftsmann sein."
„Nun, wenn Du durchaus darauf bestehst", seufzte sie ergebungsvoü, „so bin ich bereit, mit nach Srraßburg zu fahren, obwohl ich des Reiseus bereits recht gründlich überdrüssig bin."
„Ich bitte dich allerdings darum", antwortete er zärtlich, „mich noch zu begleiten. Du sollst auch so bequem wie möglich reisen, sollst Dir das beste Hotel aussuchen und jede Annehmlichkeit genießen, die Du wünschest."
„Dann laß uns im „Englischen Hof" in Straßburg wohnen. Er ist am Pariser Staden. Ich Hörle gestern im Cafe zwei Herren über dieses Hotel sprechen, die es sehr lobten."
„Wenn es dein Wunsch ist, selbstverständlich," sagte er, und sie zeigte ein glückliches Lächeln, das er für Dankbarkeit nahm.
8. Kapitel.
In Straßburg brachte sie der Hotelomnibus in wenigen Minuten zum Englischen Hof.
Kaum war ihnen ein Zimmer angewiesen worden, so konnte Heinrich der Ungeduld nicht mehr widerstehen, sich mit seinem Mausefallenplane der hiesigen Polizei vorzustellen, und er ging davon, den wohlvorbereiteten roten postlagernden Brief in der Tasche.
Anni blieb erschöpft aus ihrem Zimmer. Sie hatte, um einer etwaigen Aufforderung, ihn zu begleiten, gleich im voraus zu begegnen, schon während der Fahrt über Kopfschmerzen geklagt. Heinrich bedauerte sie herzlich, besorgte ihr, ehe er ging, ein Migränenpulver und versprach, bald wieder zurück zu sein.
Um dieses gefährlichen Versprechens willen verließ Anni, sowie eHgegangen war, eiligst das Zimmer und lief nach dem nebenan gelegenen Postamt, um sich die ersehnte Nachricht von von ihrem Geliebten zu holen.
Das Postamt lag in gemieteten Räumlichkeiten, war klein und eng und war vom Hose aus zugänglich, schien also nach seiner heimlichen Beschaffenheit so recht zu einem Ort für verbrecherische Liebesbriefe geschaffen zu sein.
Mit klopfendem Herzen fragte Anni nach Briefen unter „Anni 200". Mit geschäftsmäßiger Ruhe durchsuchte der Beamte das kleine im Fache ^ -lagernde Häuflein Briefe und händigte ihr ven ihrigen so gleichgiltig aus, als ob es sich um gar nichts wichtiges handelte.
Hastig riß sie den Umschlag auf und las:
„Geliebtes Leben!
Ich bewundere deinen Mut und deine Klugheit und ich liebe dich dafür nur um so mehr. Komm bald! Ich sitze jeden nachmittag von 4 bis 7 Uhr im Kaffee Broglie und warte auf dich. Jeden Morgen, Mittag und Abend werde ich ungeduldig nach einer Nachricht von dir fragen. Auf baldiges Wiedersehen für immer.
(Fortsetzung folgt.)