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Hie;u: Illustriertes Sonntags blakt und während der Saison: Amtliche Fremdenlistr.
Nr. 71.
Dienstag, den 19. Juni 1906.
42. Jahrgang.
Rundschau
Stuttgart, 16. Juni. Der längst gesuchte Unbekannte, der zu Ende des vorigen Jahres den 65 Jahre alten Taglöhner Aberle in seiner Wohnung in Heslach mit einem Hammer erschlagen und ihn sodann beraubt hat, ist in der Person des 30 Jahre alten ledigen Kutschers Johann Haas von Herlebach, OA. Gaildorf sestgestellt worden. Der Raubmörder verbüßt gegenwärtig eine über ihn wegen Diebstahls verhängte zweimonatliche Gefängnisstrafe im Landesgefängnis Rottenburg und wurde vor einigen Tagen als des Raubmords verdächtig in das hiesige Untersuchungsgefängnis eingeliefert. Haas hat gestern nachmittag dem Untersuchungsrichter ein umfassendes Geständnis abgelegt und auch zugegeben, daß er den bekannten mysteriösen Brief an die Polizei geschrieben hat.
Stuttgart, 15. Juni. Die schon längst angestrebte elektrische Straßenbahn Zuffenhausen- Eßlingen dürfte nun ihrer Verwirklichung entgegen gehen. Zwischen der hiesigen Stadtverwaltung und der Stuttgarter Straßenbahnge- sellschaft, die beide die Linie bauen wollten und bei der Regierung um Genehmigung zum Bau nachsuchten, ist nun eine Einigung erzielt. Die Stadt verzichtet auf den Bau der Straßenbahn.
Tein ach, 15. Juni. Unser Bad erfreut sich eines immer stärker werdenden Besuches von Gesellschaften. Vergangenen Sonntag traf eine größere Gesellschaft von Mitgliedern des Schwäbischen Albvereins in Oberndorf hier ein und nächsten Sonntag soll unser reizendes Tal den Besuch einer Stuttgarter Gesellschaft, 200 Personen stark, erhalten.
Tübingen, 16. Juni. (Strafkammer.) Eine gewohnheitsmäßige Betrügerin ist die aus der Weiberstrafanstalt Gotteszell vorgeführte Nätherin Bertha Mödinger von Stuttgart. Dieselbe hat unter falschen Vorspiegelungen in den Pfarrhäusern der Oberämter Böblingen, Calw, Nagold usw. von den Pfarrersfrauen Darlehen oder Geldgeschenke erschwindelt. Die Angeklagte wurde heute, da sie zur Zeit schon eine andere Strafe verbüßt, zu 2 Jahren 6 Monaten Gefängnis verurteilt.
Mundelsheim, O.A. Marbach, 18. Juni. Gestern nachmittag ereignete sich hier ein furchtbares Unglück. Ein mit einem Motorrad aus Neckarsulm kommender Herr rutschte mit diesem auf dem schlüpfrigen Weg aus und stet den Damm hinunter, wo er tot liegen blieb. Der Verunglückte soll ein Ingenieur aus Neckarsulm sein.
Baienfurt, O.A. Ravensburg, 16. Juni. Heute früh ffs6 Uhr brach in der Papierfabrik Baienfurt ein Brand aus, der sich sehr rasch auf einen großen Teil der Fabrikanlagen verbreitet hat. Die Hauptanlage mit Papiersaal Werkstätten, Kontorräumlichkeiten usw. ist zerstört. Dagegen stehen noch die zur Herstellung von Cellulose und Holzstoffen bestimmte» Räume und Maschinen. Ein großer Teil der Arbeiter ist durch das Unglück mitbetroffen. Zur Hilfe- leistung waren außer der Feuerwehr von Baienfurt die Feuerwehren von Weingarten, Berg, Baindt und Niederbiegen herbeigeeilt. Das Feuer ist nunmehr gelöscht. Die Entsteh.
ungsursachc ist noch nicht aufgeklärt; man vermutet jedoch Warmlaufen einer Transmission.
Ulm, 16. Juni. Die bürgerlichen Kollegien genehmigten heute für den König-Wil- Helm-Trost eine Spende von 1000 Mk. und sprachen die Absicht aus, den hiesigen bedürftigen Veteranen uoch eine eigene Unterstützung angedeihen zu lassen.
Ulm, 14. Jnni. Im Alter von 81 Jahren starb heute hier Generalmajor a. D. Emil v. Loeffler, der nahezu 35 Jahre dem hier in Garnison liegenden Pionierbataillon angehörte. Am 26. Juni 1825 in Ludwigsburg geboren, trat er nach dem Besuche der Kriegsschule 1848 bei der damaligen Pionierkompanie ein, avancierte rasch zum Oberleutnant und Hauptmann, tat sich als Führer der Brückenkompanie im Kriege von 1866 hervor, wurde dann Major und Oberstleutnant und zeichnete sich im Kriege von 1870 besonders beim Angriff auf den Mont Avron aus, was ihm das eiserne Kreuz eintrug. 1871 wurde er Oberst und vorübergehend mit der Führung des Pionierbataillous 7 in Deutz beauftragt. Seit seinem Ausscheiden oblag er geschichtlichen Studien und schrieb eine Geschichte der Festung Ulm, eine Geschichte des Pionierbataillons 13, eine Monographie der Schlacht bei Elchingen und Sonstiges.
Heidelberg, 14. Juni. Heute früh hat sich im Walde die 26 Jahre alte Tochter des Inhabers eines bekannten Heidelberger Ausflugsortes („Speyerer Hof") erschossen. Die junge Dame war die Braut eines kürzlich unter tragischen Umständen verstorbenen Ludwigshafener Arztes.
Vom Feldberg, 18. Juni. Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen erlitt gestern, Sonntag abend, am Feldberg einen Automobilunfall durch Kolbenbruch. Der Prinz bestieg mit Gefolge die Spitze des Feldbergs und kam zu Fuß um halb 11 Uhr nachts beim Feldbergerhof an, wo er übernachtete. Der hier anwesende Schwiegersohn Rockfellers, Hamilton, bot dem Prinzen sein Automobil zur Weiterfahrt an. Prinz Friedrich Wilhelm marschierte jedoch heute früh zu Fuß durch das Höllental.
Karlsruhe, 18. Juni. Ein unerwartet schneller Tod hat heute eine viel bekannte und geschätzte Karlsruher Persönlichkeit dahingerafft. Herr Konsul Carl Model, Inhaber der Firma S. Model, wurde heute früh gegen halb 9 Uhr in seiner hiesigen Wohnung von einem Herzschlage betroffen und starb kaum eine Viertelstunde darauf, ohne wieder das Bewußtsein erlangt zu haben.
Dortmund, 16. Juni. Im Prozeß Hüger erfolgte heute nach längerer Verteidigungsrede des Angeklagten die Urteilsverkündigung. Nach zweistündiger Beratung sprach der Gerichtshof Hüger auf Grund des § 51 (Ausschließung der freien Willensbestimmung) kostenlos frei. Es wurde Einziehung der Broschüre „Wie es meiner Petition im Reichstag erging" und Vernichtung der Platten beschlossen.
Berlin, 16. Juni. Aus Bialystok wird dein Berliner Tageblatt gemeldet: Das Plündern und Morden bauert fort. Die hiesige Garnison und einige benachbarte Garnisonen haben die Stadt eingeschlosfen und beschießen
sie unausgesetzt. An verschiedenen Stellen der Stadt ist Feuer ausgebcochen. Die Lage ist trostlos. Nur wenige Juden vermochten unter hohen Geldopfern aus der Stadt zu entkommen. — Des weiteren meldet der Lok.-Anz.: Privaknachrichten zufolge sollen bei den Juden- massakres über 600 Juden getötet und verwundet worden sein. Mehr als 200 Magazine und Wohnungen wurden demoliert und ausgeraubt. 6000 Juden flüchteten in die nächsten Wälder. Diejenigen, die sich auf den Bahnhof retten wollten, wurden unbarmherzig niedergemacht. Militär uud Polizei setzt schon 8 Stunden den Massakres kein Hindernis entgegen.
— Ueber die Krawalle in Bialystok wird amtlich noch folgendes gemeldet: „Angesichts der hochgradigen Erregung der Bevölkerung von Bialystok mußte der Gouverneur damit rechnen, daß es bei den örtlichen Prozessionen am 14. ds. zu Ruhestörungen kommen würde, uud er traf deshalb alle ihm zukommenden Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Nichtsdestoweniger störten Uebeltäter den Umzug. Außerhalb der Stadt wurde aus jüdische» Häusern aui eine Prozession geschossen. Die Zahl der dabei Getöteten läßt sich nicht feststellen. Zwei Bomben verursachten keinen Schaden. Bauern und Arbeiter, m ihren religiösen Gefühlen verletzt, begingen dann Ausschreitungen gegen die Juden. Truppen gelang es, diese Ausschreitungen zu Beschränken. Gestern (Freitag) morgen brachen die Unruhen mit erneuter Heftigkeit aus. Es l wurden mehrere Bomben geworfen. Die Menge schoß und die Truppen erwiderten das Feuer." Auch gestern (Samstag) scheinen die Kravalle noch fortgedauert zu haben, so daß in St. Petersburg der Befehl erteilt wurde, sofort 2'/- Regimenter und eine Kosakenjotnie »ach Bialystok zu entsenden. Bis jetzt hat man, wie es heißt, 53 Tote in der Stadt aufgefunden.
— In Rußland mehren sich die Sturmzeichen. In St. Petersburg ist ein Ausstand der Bäckergesellen ausgebrochen. In Kronstadt herrscht starke Gärung unter den Matrosen, Arbeiter» und Festungstruppen. Aus Moskau wird von zahlreichen Versammlungen berichtet, die im Innern der Stadt und den Vororten abgehalten und bei denen politische Reden gehalten unv revolutionäre Lieder gesungen wurden; ernste Konflikte mit der Polizei kamen nicht vor. Die St. Petersburger Blätter melden ferner eine Reihe von Arbeiterausständen und Bauernunruhen aus den Provinzen. Auch die Nachrichten aus dem Kaukasus lauten ungünstig; es kam dort zwischen verschiedenen Teilen der Bevölkerung zu blutigen Zusammenstößen. In Bialystok ist nach amtlicher Mitteiluug völlige Ruhe eiugetreten.
New-York, 14. Juni. Thomas A. Edison kündigt eine neue Entdeckung an, die den Straßenpersonenverkehr und demnächst auch den Frachtverkehr in Stadt und Land um 55 Prozent verbilligen soll. Mr. Edison ist eben von einer großen Motorfahrt durch die Südstaaten zurückgekehrt und hat dort und in Nordkarolina und Tenessee reiche Kobaltlagcr entdeckt, die seiner Angabe nach die ganze elektrische Welt