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in wilder Panik aus ihre» Vierteln nach Ports­mouth Square, ihre Gongs schlagend und wie wahnsinnig brüllend. Hier trafen sie aus Flüch­tige aus den spanischen, italienischen und mexikanischen Vierteln, mit deren sie einen er­bitterten Kampf begannen. Das blutige Rin­gen raste Stunden lang, bis die Truppen mit ausgeplanztem Bajonett Ordnung schafften. Ueber die Zahl der Opfer läßt sich noch nichts annähernd Sicheres sagen.

Die Erdstöße waren so heftig, daß man auf offener Straße die wellenförmige Bewegung dkr Erde sehen konnte. Alle öffentlichen Ge« bände sind mit Toten und Verwundeten über­füllt. Das Meer ist meilenweit in das Land eingedrungen und hat viele Strecken der Ei­senbahn vernichtet.

Das Erdbeben blieb keineswegs auf San Francisko allein beschränkt; sondern hat in weitem Umkreis, insbesondere im Bereich des gebirgigen Küstengebiets großen Schaden angerichtel. So wurde auch der Badeort Ter­minal Island dnrch eine Sturzwelle vernichtet. 700 Irrsinnige entflohen aus dem Irrenhaus. Niemand wagt, die Häuser zu betreten aus Angst vor neuen Stößen. Der Gesamtverlust, so meldet man dem Berl. Lok.Anz., ist unüber­sehbar, weil die Nachrichten aus dem Innern fehlen. Schätzungsweise verlautet von 10 000 Toten und 20000 Verletzten.

Nach den Fortschritten zu urteilen, die das Feuer macht, werden in der kommenden Nacht 300000 Menschen obdachlos sein. Die Möglichkeit einer Hungersnot ist bereits nahe gerückt, da die Stadt nicht mehr wie 3 Tage Vorrat an Nahrungsmitteln hat.

General Funston hat das Kriegsdepar­tement telegraphisch ersucht, so viele Zelte und Nahrungsmittel wie möglich zu senden, da ge­gen 100,000 Menschen obdachlos und nur ge­ringe Vorräte von Lebensmitteln vorhanden seien. Alle Regierungsgebäude in der Stadt seien zerstört. Der Schatzsckretär hat telegra­phisch 10 Millionen Dollars von Newyork überweisen lassen.

Ein Telegramm derFrks. Ztg." schätzt die Zahl der Toten und Verletzten in San Francisko aus insgesamt 5000. Bis jetzt wur­den 500 Leichen gefunden. Blätter aus Ottawa schätzen die Zahl der m San Franc.sk» umgekommenen Personen auf 500700, die der Obdachlosen auf 20,000.

Aus London meldet der Berl. Lokulanz.: Der Korrespondent des New-Iork-Journal sandte als Augenzeuge der Katastrophe folgende Schilderung: Um 5 Uhr 15 Min. wurde die Stadt wie eine Feder im Sturm umherge- uchleudert. Einen Augenblick schien die Erde zu versinken, dann stiegen Gebäude auf in die Lust wie Ballons und schwankten wie Pappeln umher. Drei Minuten nachher war die Stadt ein» Trümmermasse. Die Katastrophe kam wie em Blitz aus heilerem Himmel. Am Dienstag war ein ideal schöner kalifornischer Tag, heiter mit kühler Brise und farbenprächtigem Son- nenuntergang. Hunderte von Wagen und Au« tomobile brachten die Gäste zur Oper, um Caruso in Carmen singen zu hören. Darnach waren die Hotels voll von fröhlichen Gesell­schaften, die noch beisammen waren, als das Fallen der Trümmer und die entsetzten Schreie an Stelle der heiteren Unterhaltung ertönten. Zuerst glaubte man, es sei eine gewöhnliche Erderschütterung, dann begannen die Dachkan­ten der Hauptgebäude auf die Straßen zu stür­zen; nun folgte das Krachen fallender Steine, untermischt mit dem Angstgejchrei der Ver­wundeten.

In San Francisko wütete die Feuers- brunst auch gestern noch weiter. General Amt­ston telegraphierte nach Washington, daß oas Feuer auf die Vannis-Avenue übergcgangen ist und in westlicher Richtung weiterfrißt. Die Verluste an Menschenleben sind unüberseh­bar; nach Schätzungen amerikanischer Blätter sollen es insgesamt 10,000 Tote und 20,000 Verletzte sein. Bis jetzt wurden ungefähr 800 Leichen aus den Trümmern hervorgezogen; viele sind so verstümmelt, daß jeder Erkenn­ungsversuch nutzlos ist. Die städtischen Behör­de» von San Francisco habe» die Absicht, die

Leichen in Säcke einzuhüllen und möglichst rasch in Massengräbern zu bestatten.

Washington, 20. April. Eine De­pesche des Generals Funston aus San Frau- cisko an das Kriegsdepartement besagt, eine Hungersnot scheine unvermeidlich zu sein, denn alle großen Provianthäuser seien abgebrannt. Nur energische Maßnahmen der Außenwelt könnten die furchtbare Not unter den 300,000 Obdachlosen mildern. Die letzte Nacht sei für^ die Obdachlosen, die zumeist ohne Wasser und Nahrungsmittel seien, schrecklich gewesen.

Äus Stadt und Umgebung.

):( Wildbad, 19. April. Wer diesen Win­ter die Bauarbeiten für das neue Schwimm­bad auf dem Brunnenäckerle verfolgt hat und wer jetzt, nachdem die Grabarbeiten vollendet sind, sich die Baustelle wenn auch mit dem Auge des Laien betrachtet, der muß sich sagen, ein interessantes aber schweres Stück Arbeit ist getan. Ende Oktober vorigen Jahrs begannen die Grabarbeiten. Bis Mitte Ja­nuar schafften 60 Mann, meist Italiener, in Tagschichten, von da ab in Tag- und Nacht­schichten ohne Unterbrechung je 60 Mann. Ausgegraben wurden im Ganzen 12 000 cbm (2000 cbm Granit, 7000 ebm Sanisteinfelsen, 3000 abm Gerölle-. Der Transport der aus­gegrabenen Steinmassen von der Baustelle bis zum Auffüllplatz geschah mittelst Rollbahnwa­gen; zur Ablagerung war von der K. Baöver- wallung ein dem Ententeich gegenüber gelege­ner Platz angekauft worden, welcher später an­gepflanzt und mit Anlagen geschmückt werden soll. Beendet wurden die Ausgrabungen am 1. April. Zur Zeit sind Betonarbeiten im Gang, nachher beginnen die Hochvauarbeiren. Viele Schwierigkeiten waren durch die hinter dem Bauplatz liegende, sehr ergiebige Quelle und durch den Granit zu überwinden, auch war große Vorsicht zu beobachten bei den Sprengungen, deren täglich mehrere hundert vorgenommen werden mußten, da die direkt an die Baustelle angrenzenden Gebäude (Villa Hanselmann und Villa Johanna) und die ge­genüberliegende Trinkhalle sehr in Gefahr la­gen, beschädigt zu werden. Trotzdem blieben sie von kleinen Beschädigungen abgesehen, völlig intakt. Da die Grabarbeiten sich umfangrei­cher gestalteten, als angenommen werden konnte, mußte auch die genannte Quelle zurückoerlegt werden; sie soll aber, zum kleineren Teil ihrem seitherigen Zweck, der Speisung des Zinken­brunnens dienen und zum größeren künftig für Zwecke der Waschanstalt der K. Badver­waltung Verwendung finden. Wie bekannt, war die Ausführung der erwähnten Arbeiten Herrn Bauunternehmer Chr. Schill über­tragen. Bei seiner Tatkraft und zielbewußien Energie, seinem rastlosen Fleiß und seiner an­erkannten Geschäflslüchtigkeit ließ sich voraus­sehen, daß das Unternehmen trotz der vielen Schwierigkeiten in jeder Beziehung gelingen würde. Mit Hochdruck wurde und wird an der Baustelle gearbeitet. Ob aber der Neubau Heuer vollendet werden kann, ist noch fraglich. Zweifellos sind für d>e angrenz.»den Häuser die Bauarbeiten in dieser Saison kein Ge­winn; hesto begehrter und rentabler werden die Häuser, bezw. Villen an der Olgastraße in künftigen Jahren rverden, wenn der vorerst noch mit scheelen Augen angesehene, aber höchst zeitgemäße und sehr begehrte Bau seiner Be­stimmung übergeben sein wird.

Die Arbeiten zur Erstellung des neuen Elektrizitätswerks a» der König-Karlstraße wurden mit 10 Prozent Abgebot Hrn. Bauun­ternehmer Schill hier übertragen. Dem­selben wurden auch die Arbeiten zur Herstell, ung des Hochreservoirs einschl. Fassung der Siürmleslochquelle mit 8 Prozent Abgebot, so­wie die Grabarbeiten für die Röhrenlegung der neuen Wasserleitung mit 10 Prozent Auf- gebot übertragen.

Bei der gestrigen Versteigerung in! Calmbach wurde die gesamte Liegenschaft der Firma Christian Barth, bestehend aus zwei Sägewerken, Wohnhaus, Gärten und Wiesen von der hies. Lereinsbank um 75,000 , Mark angekauft. Dieselbe wird die Grund­

stücke im einzelnen wieder veräußern. Bei der Versteigerung waren eine Reihe von Kaufs­liebhabern anwesend, doch konnten sich dieselben über die Höhe des Kaufpreises mit der Bank­leitung nicht einigen.

Höfen a. E., 17. April. Dem Taglöhner Christian Käßmaier wurde von einem rollenden Stamm der linke Fuß vollständig abgebrochen.

An den bei der Handwerkskammer in Reutlingen im Herbst 1905 u. in den Monaten Februar, März u. April 1906 stattgefundenen Meisterpüfungen haben u. a. teilgenommen und die Prüfung bestanden: Gottl. H a m m a n n, Küfer in Calmbach. Fritz Treiber, Metz­ger in Höfen. Arnold Gräßle, Flaschner in Herrenalb. Sie haben damit soweit sie das 24. Lebensjahr zucückgelegt haben das Recht zur Führung des Meistertitels erworben. Die nächsten Prüfungen finden im Spätherbst statt!

Wnl e r- hattenöes.

Herz und Ehre"

Erzählung von Arthur Zapp.

27) (Nachdruck verboten.)

Willst du mir nicht erklären, Claus" forderte er auf.

Claus Wollmar läßt seine Hände sinken und blickt wieder zu seinem Vater empor. Es kostet ihm einige Ueberwindung, aber nun beginnt er doch zu berichten, wie er Erika Schräder nach und nach lieben gelernt, ohne es selbst recht zu wissen, wie dann seine Leidenschaft zu einem plötzlichen Ausbruch gekommen und welch' nie- dee schmetternde Enthüllung ihm Frau Schräder als Erwiderung auf seine Werbung um Erika gemacht hale.

Der alte Herr hörte mit gespanntem In­teresse zu; aufgeregt schreitet er dabei im Zim­mer aus und ab. Jetzt bleibt er neben dem Stuhl seines Sohnes stehen.

Armer Claus!" sagte ec.Ein merkwür­diges Verhängnis ist es, das dir dieselbe bit­tere Enttäuschung bereitet, wie deiner Schwe­ster, das dich in einen ähnlichen herben Konflikt stellt."

Und was rätst du mir, Papa?"

Cs drängte sich wie ein Schrei nach Er- lösung aus der ringenden Brust des jungen Offiziers heraus.

Professor Wollmar steht in tiefer Erschütter­ung. Eine geraume Weile blickte er sinnend vor sich nieder. Daun zuckte er die Achseln.

Ich kann dir nicht raten, Claus," nimmt er das Wort.Du weißt, daß du mein Stolz bist, daß ich mir immer mit der stolzen Hoff­nung geschmeichelt habe, dich einst in die höch- sten Stellen aufrücken zu sehen. Aber ich kann und will nicht die schwere Verantwortung auf mich nehmen, dir zu sagen: Sieh nicht rechts, sich nicht links! Laß alles hinter dir, das dich hindert, dein Ziel zu erreichen! Opfere alle: Liebe und Glück deinem Ehrgeiz! Den Konflikt, in dem du stehst, mußt du selbst durchkämpfen, denn du allein kannst wissen, wie viel dir das Fräulein ist, der du dein Herz geschenkt hast und ob ihre Liebe imstande wäre, dich zu ent­schädigen für bas, was du um ihretwillen aus­geben müßtest. Du allein kannst beurteilen, ob du auch in einem anderen Beruf als deinem jetzigen Befriedigung und Genüge finden wür­dest."

Der alte Herr hält einen Moment inne, seine Rechte mit einer impulsiven Bewegung seinem Sohn auf den Scheitel legend und mit einem tiefen Atemzug schließt er: >,Du bist ein Mann und wirst das richtige treffen. Das wollte ich nur noch hinzufügen, mein lieber Sohn: Wie auch deine Entscheidung ausfallen mag, die Liebe und der Segen deines Vaters begleiten dich auf allen deinen Wegen."

Claus Wollmar beugt sich tief herab, hascht nach der linken Hand seines Vaters und drückt seine zuckenden Lippen darauf.

XIV.

Es war drei Tage später, als Amtmann Wollmar auf seinem Pachtgut den unerwarlc- Besuch seines Neffen erhielt.

Na, das ist recht, mein Junge," begrüßte