Newyork, 19. März. Man behauptet in Newyork, daß Mr. John D. Rockeseller, »der reichste Mann der Welt" vollständig nervös zusammengebrochen sei. Tr soll in Lakewood in Newjersey sein. Häusliche Sorgen und seine kolossale kommerzielle und finanzielle Tätigkeit haben ihm angeblich seine Gesundheil untergra­ben. Man entsinnt sich jetzt, daß das Ver­halten des Millionärs bereits früher zu merk­würdigen Gerüchten Veranlassung gab. Mr. Rockefeller begann eine graue Perücke zu tra­gen und eifrig für die Käsediät einzutreten. Vor dem Frühstück pflegte er barfuß spa­zieren zu gehen. Sein Landsitz Lakewood wurde durch starke Gitter und Tore in eine starke, durch bewaffnete Leute bewachte Festung ver­wandelt. In der Mitte des Gutes erhebt sich ein hoher Turm, von dem aus gewaltige Scheinwerfer sämtliche Wege während der Nacht beleuchteten. Die Nervosität Rockefellers wurde gesteigert durch eine Verschwörung der Chicagoer Anarchisten, ihn festzunehmen und ein gewaltiges Lösegelv zn verlangen. Er er­hielt zahlreiche Briefe, in denen er mit Ermor­dung bedroht wurde. Schließlich wurde der unglückliche reiche Mann durch die ernste Er­krankung seiner Tochter, Mrs. Strong, die sich an der Rievicra befindet, in tiefe Betrübnis versetzt.

Die Erdbeben auf der Insel Formosa sind weit verhängnisvoller gewesen als man zuerst annahm. Vo der Wucht der Erdstöße zeugen die Eisenbahnschienen, die vollkommen verbogen und miteinander verwickelt wurden. Der Schaden wird auf etwa 80 Mill. Jen geschätzt. Nach einer Nachricht aus Tokio ka­men in Formosa seit dem großen Erdbeben weitere Erschütterungen vor, und die Verlust­liste hat die Höhe von 7000 Köpfen erreicht. Die Insel zeigt an mehreren Stellen große Risse. Einer der größten ist 1500 Meter lang und klafft an seiner größten Stelle 350 Meter weit. Im ganzen sind 2677 Häuser zerstört worden.

Lokales.

Die Frühjahrs-Kontrol lv er- sammlung in Wlldbad findet am 20. April, 8'/r Uhr vormittags in der Trinkhalle statt.

Wildbad, 27. März. Am letzten Sonntag fand das Nachbarschafts-Schießen des hiesigen Schützenvereins statt, wozu sich zahlreiche aus­wärtige Gäste eingefunden hatten. Besonders stark vertreten war Neuenbürg mit 22 Schütz­en. Ferner waren anwesend Mitglieder der Schützen-Vereine von Calw, Hirsau und Pforz­heim.

Auf der M e i st e r s ch e i b e betrug die geschossene Ringzahl 4614; davon wurden ge­schossen von:

1) Hrn. A. Schmidt-Neuenbürg 708 Ringe

2) K. Blumenthal hier 492

3) Großkopf-Neuenbürg 353 ,,

4 ) R. Kiefer hier 329

5) Glaß-Lalw 262

6) Köhle-Neuenbürg 239

Als beste Serienschützen erhielten

folgende Herren die entsprechenden Preise:

1) M. Lutz-Neuenbürg f. 1 Serie m. 50 R.

2) R. Kiefer hier 49

3) A. Schmidt-Neuenbürg » 49

4) Weiß-Neuenbürg 48

5) K. Blumenthal hier » 47 ,

Auf der Punktscheibe wurden 309

Punkte erzielt, wovon geschossen wnrden von:

1) Hrn. K. Blumenrhal hier 26 Punkte

2) Großkopf-Neuenbürg 18

3) P. Jung-Pforzheim 18

4 ) A. Schmidt-Neuenbürg 16

6) C. Maier hier 14

6) E. Blumenthal hier 14

Auf der Ehrenscheibe erhielt Herr Alb. Herb st er von Neuenbürg den ersten Preis nebst Scherbe. Die üb­rigen Preise verteilten sich wie folgt unter die Herren: 2) Fritz Kuch jr., Wildbad, 3> M. Lutz, Neuenbürg, 4) E. Herbster, Neuen­bürg, 5) Glaß, Calw, 6) Rob. Krauß, Wildbad, 7) Rob. Kiefer, Wildbad, 8) P. Jung, Pforzheim, 9) I. Ackermann, Wildbad, 10) A. Kain er, Neuenbürg, 11)

Kade, Neuenbürg, 13) Köhle, Neuenbürg, 13) C. Maier, Wildbad. 14) C. Tubach, Wildbad, 15) Fr. Höh n, Neuenbürg.

§ Wildbad, 25. März. Alles schlägt auf, wird teurer! Kann man es da den Fuhr­werkbesitzer» verargen, wenn auch sie bei ihrem oft so gefährlichen Berufe auf ent­sprechende Erhöhung der Holzbeifuhrlöhne be­stehen. Um eine einheitliche, bessere Bezahl­ung zu erreichen, war die heute in dieLinde" einberufene Zusammenkunft der Ausschußmit­glieder der Fuhrwerkbesitzervereinignng und sonstiger Interessenten, anberaumt worden. Unter sachlicher Leit ng von Hrn. Güterbeför­derer Hildenbrand wurde in 5stündigcr leb­hafter Debatte ein Tarif entworfen, welcher einen sicheren Anhaltspunkt für die Holzkäufer etc. über die Fuhrlöhne aus den einzelnen Waldteilen und Abteilungen geben soll. Eure entsprechend höhere Taxe wurde insbesondere dort als angemessen befunden, wo die Abfuhr oft sehr schwierig, ja manchmal mit Lebensge­fahr verbunden ist. Der Seilerlohn, Anrücker­lohn, das Wegqeld werden in Zukunft nicht mehr in den Fuhrlohn eingerechnet, sondern müssen extra bezahlt werden. Bei Langholz dürfen nicht mehr als 67 Fm., bei Brenn­holz nicht mehr als 5 -6 Rm. Tannen- oder 4 Rm. Buchenholz geladen werden. Gegen 7 Uhr war der Tarif durchberaten und wird derselbe wohl auch den Beifall der Ferngeblie­benen finden. Herr Hildenbraud, welcher in anerkennenswerter Weise sich der Sache an- nimmt, hat das Schriftführer- und Cassieromt übernommen und wird das Weitere veranlassen. Als jährlicher Beitrag zur Deckung der Kosten etc. wird ein vorläufiges Eintrittsgeld vo» 2 Mk. pro Mitglied erhoben. Der Tarif soll bereits am 1. April gedruckt sein und an die Interessenten verschickt werden. Die der Vereinigung noch Fernstehenden sollten es nicht versäumen, beizutceten, denn auch hier führt Einigkeit zu erfolgreichem Ziel.

MnterHal.'Lenöes.

Herz und Ehre"

Erzählung von Arthur Z asp p.

16) (Nachdruck verboten.)

IV.

Als Assessor Worbeser nach Beendigung sei­ner Uebung seinen Abschiedsbesuch lei der Fa­milie Wollmar machte, war Elie schon wieder nach Hause zurückgekehrt. Mit müder, teil­nahmsloser Miene hörte sie dem Gespräch zu, ohne sich selbst daran zu beteiligen. Der Re­serveoffizier war sehr mitteilsam. Er erzählte, während er wiederholt die Blicke seiner dunklen, stechenden Augen zu Else hinüberschweifen ließ, daß ihm die Stadt sehr gefallen habe und daß ihm die liebenswürdige Aufnahme, die er im Offizierskorps und auch in anderen Kreisender Stadt gefunden, derart entzückt habe, daß es sein dringendster Wunsch sei, bald wieder zu­rückzukehren. Er habe bereits sch iftlich um seine Versetzung an das hiesige Amtsgericht nachgesucht. Er werde nun sein Gesuch noch persönlich unterstützen und hoffe, daß mau ihn nicht abschlägig bescheiden werde. Er sage des­halb nicht Lebewohl,sondernAuf Wiedersehen!"

Dabei richtete der Assessor seine Augen wie­der mit einem sprechenden Ausdruck auf Else, aber das junge Mädchen war viel zu apathisch, als daß sie von den Bemühungen des galan­ten Reserveleutnants irgendwelche Notiz genom­men Hütte.

Kurze Zeit darauf der Professor teilte die Nachricht seiner Frau unter vier Augen mit übersiedelte auch Viktor Lehnhard mit seiner Mutter nach Berlin, um hier in Ver­tretung derFirma I. C. Meinardus tätig zu s in.

Assessor Worbesers Hoffnung erwies sich als keine trügerische. Es waren seit jenem Ab­schiedebesuch noch nicht ganz drei Monate ver­gangen, als er eines Mittags diesmal in elegantem schwarzen Zivilanzug wieder sei- nen Antrittsbesuch bei der Familie Wollmar machte. Der Professor und seine Frau waren aufrichtig erfreut. Der Verkehr mit dem vor­nehmen und wohlhabenden jungen Manne

konnte ihnen im Interesse ihrer Tochter nur an­genehm sein. Besonders Frau Wollmar hatte die bedeutungsvollen Worte und Blicke des Assessors nicht vergessen und mit lebhafter weiblicher Phantasie spann sie nun allerlei er­freuliche Zukunftsträume.

Worbeser wurde diesmal besonders freund­lich aufgenommen und es war deshalb begreif­lich, daß er der freundlichen Einladung der Frau Professor entsprach und seinen Besuch bald wiederholte. Mit geheimem Vergnügen beobachtete das Ehepaar, wie der Assessor bei jedem neuen Besuch sich immer sichtbarer um Elses Interesse bewarb. Er brachte ihr Blu­men, er ließ aus Berlin neue Noten für sie kommen und animierte sie, Klavier zu spielen. Er lobte ihre Technik und noch mehr ihre see- lenvolle Vortragsweise und gebärdete sich ganz begeistert und entzückt. Leider fanden jedoch seine Bemühungen Else zu gefallen, wenig An­klang bei ihr. Wenn sie auch äußerlich ruhig und gefaßter erschien, eine innerliche Teilnahms­losigkeit schien sic immer noch nicht überwinden zu können. Sie ließ alle Artigkeiten unv Komplimente des Assessors still über sich er­gehen, lächelte hie und da gezwungen, zeigte aber weder in ihren Mienen noch in ihrem Wesen jene Befriedigung und Genugtuung, die sonst jungen Damen die Zuvorkommenheiten auch solcher Herren bereiten, die nicht gerade ihre Sympathie besitzen. Und unsympathisch war ihr der Assessor, denn sie wußte, welchen Anteil Herr Worbeser au der Aufhebung ihrer Verlobung hatte. Ohne sein Dazwischentreten wäre sie glücklich geworden. Und wenn sie sich auch sagte, daß er nicht die Absicht gehabt hatte, ihr zu schaden und ihr Schmerz zuzufü­gen, sie konnte doch in seiner Gegenwart eine leise Empfindung des Widerwillens und des Abscheus nicht unterdrücken.

Frau Professor Wollmar, die von ganz an­deren Gefühlen beseelt war und in dem Asses­sor einen höchst angenehmen, willkommenen Er- satz für Viktor Lehnhard erblickte, beschloß heimlich mit besten Kräften nachzuhelfen und das Ihrige zu tun, um ihre Tochter für die Galanterien des Leutnants empfänglicher zu machen.

Meinst du nicht, Else," begann sie eines Tages, als sie mit ihrer Tochter allein war, meinst du nicht, daß Assessor Worbeser ein sehr netter Mensch ist?"

Die Gefragte zuckle gleichmütig mit den Achseln.

Ich habe eigentlich gar keine Ansicht über ihn, Mama."

Die Frau Professor zog ihre Augenbrauen streng in die Höhe.

Das ist es, wus ich an dir tadeln möchte, Else," erwiderte sie.

Aber warum denn, Mama?" fragte das junge Mädchen erstaunt.

Weil du dem Assessor in einer Weise be­gegnest, die an Unhöflichkeit streift."

Else Wollmar war ehrlich erschrocken.

Unhöflich, Mama? Aber das ist ganz ge- miß nicht meine Absicht. Ich bin mir nicht be­wußt, gegen Herrn Worbeser unhöflich gewesen zu sein."

«Ich glaube dir, Kind," gab sie zu,daß es nicht eine Absicht von dir ist, aber du legst dem Herrn Assessor gegenüber eine Gleichgül­tigkeit, eine Teilnahmslosigkeit an den Tag, die nahezu beleidigend ist, umsomehr, als der junge Mann gegen uns und gegen dich von einer höchst anerkennenswerten Zuvorkommenheit ist. Auch Papa ist dein unverbindliches Benehmen schon aufgefallen. Du solltest doch in ihm wenigstens den Regimentskameraden und Freund deines Bruders und den Gast deiner Eltern respektieren."

Aber gern, Mamo," fiel das junge Mäd­chen ganz zerknirscht ein.Es liegt mir selbst­verständlich fern, den Herrn Assessor zu ver­letzen, und wenn ich es an der üblichen Höflichkeit habe f. hlen lassen, so geschah es ohne Wissen und Willen."

Die Wirkung dieses Zwiegespräches war, daß Else Wollmar in den nächsten Wochen mehr auf sich achtete und sich dem Assessor gegenüber zu einem verbindlichen, freundlichen Wesen