Amtsblatt

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Hirru: Illustriertes Sonntagslrlall und während der Saison: Amtliche Fremdenliste.

Nr. 36.

Samstag, dm 24- März 1906.

I 42. Jahrgang

Rundschau.

Stuttgart, 19. März. Es stehen Ver­änderungen im württembergischen. Staatsmini- sterium bevor. Frhr. v. Soden, der Minister der auswärtigen Angelegenheiten und der Ver­kehrsanstalten, wird aus dem längeren Urlaub, den anzutrrten ihn seine Gesundheit nötigte, nicht mehr in sein Amt zurückkehren. Das gleiche wird bei dein Kriegsminister v. Schnür« len der Fall sein. Dagegen wird der Mini­sterpräsident v. Breitling in seinem Amt ver» bleiben.

Stuttgart, 21. März. DieWürtt. Kriegerzeitung" veröffentlicht einen Aufruf des Präsidiums -es Württ. Krieger­bundes und zahlreicher hervorragender Persön­lichkeiten aus Stadt und Land zu einer Samm­lung zu Gunsten bedürftiger Veteranen und ihrer Familien. Die Gebrechen des Alters, häufig gesteigert durch die Nachwehen der Feldzngsmühsale, machen sich bei den Kriegs­teilnehmern mehr und mehr geltend, die Schaf­fenskraft und Erwerbsfähigkeit schwindet und io sehen viele dieser Männer bei dem erschwer­ten Kampf ums Dasein mit Bangen und Sor­gen ihrem Lebensabend und der Zukunft ihrer Angehörigen entgegen! Zwar sucht das Reich die Not der Bedürftigen zu lindern und auch sonstige Stiftungen, sowie der württ. Krieger­bund sind bemüht, nach Kräften helfend mit­zuwirken; aber die veifügbaren Mittel sind be­schränkt und es können die Gesuche mancher notleidenden wackeren Kameraden bis jetzt keine Berücksichtigung finden. Geplant ist nun, sämtliche württ. Teilnehmer an dem Feldzug von 1870/71, an den vor 1870 geführten Kriegen und an den Kämpfen der Schutztruppe ohne Unterschied, ob sie dem Kriegerbund zugehören oder nicht, nach Lage der Verhältnisse zu berücksichtigen, sowie an die Hinterbliebenen Beihilfen zu gewähren. Die gesamte Spende soll unter der BezeichnungKönig-Wilhelm- Trost" dem König mit dem Anheimgehen über­mittelt werden, eie weiteren Bestimmungen für deren Verwaltung, für Bewilligung und Ausbezahlung von Unterstützungen zu treffen.

Stuttgart, 23. März. An Pie bedürfti­gen Schulkinder der Volks-, .Mittel- und Bür­gerschule soll nach einem Beschlüsse des Ge- memderats vom Beginn des Schuljahres an warme Arühstücksmilch abgegeben werden. Die Kosten hiesür werden sich alljährlich auf etwa 18,000 Mk. belaufen, die in den Schuletat eingestellt werden sollen, damit die Gabe nicht als eine Armcnunterstützung angesehen werden kann.

N e u e n b ü r g, 22. März. Der in der hiesigen Kunstmühle beschäftigt gewesene Müller Sebastian Hofbauer aus Schmidhauien ist am 18. Febr. d. I. spurlos verschwunden und alle Nachforschungen über seinen Verbleib waren erfolglos. Am Dienstag wurde nun beim sog. Hammergumpen, oberhalb Pforzheims, die Leiche eines jungen Mannes gelandet, die als diejenige des Vermißten festgcstellt wurde. Es liegt wohl zweifellos ein Unglücksfall vor.

Aichelberg, 21. März. Da wir gegen­wärtig im Zeitalter des Dampfes und der Elektrizität leben, macht sich auch auf unfern

Höhen immer mehr der Drang nach elektrischem Lichte bemerkbar. Zu diesem Zweck sind Fra­gebogen herausgegeben worden, um etwa die Zahl der Teilnehmer feststellen zu können, so­wie die Anzahl der in Betracht kommenden Ker­zen und Motore.

F r c u d e n st a d t, 22. März. Das Bahn­hofhotel von Karl Bühler wurde an Eugen Frank, Koch in Stuttgart, um die Summe von 110,000 Mk. verkauft.

Ulm, 21. März. (Strafkammer.) Die Wil­helmine geb. Roll, geschiedene Herrmaun, eine Hochstaplerin, die schon in München einer Kom- merzienrätin 6000 Mk. abgeschwindelt und ver­schiedene Ladenmädchen um ihre Ersparnisse gebracht hatte, verstand es, dem Portier des hiesigen Bahnhofhotels, wo sie sich einmietete, nach und nach sein ganzes Vermögen im Betrag von 4000 Mk. abzujagen, unter dem Vorgeben sie sei nur momentan in Geldverlegenheit und habe eine reiche Erbtante und einen noch rei­cheren Bräutigam. Auch einem Militärmusiker nahm die Schwindlerin 900 Mk. ab. Die Strafkammer verurteilte sie zu 2 Jahren Zucht­haus. Euie Zulage wird noch Nachfolgen, da die Angeklagte auch in Stuttgart ähnliche Schwindeleien verübt hat.

Köln, 19.^z. Kommerzienrat Peter Jos, pH Siollwerck, der Mitbegründer und Se- niorchtf der Firma Gebr. Stollwerck in Köln, ist am Samstag gestorben. Der Verstorbene w r neben seinen Brüdern Mitinhaber der bekannten Schokoladefabrik Gebr. Stollwerck.

Berlin, 21. März. Die Budgetkommis- sion des Reichstages hat den Staatssekretär für das neu geplante Kolonialamt mit 17 ge. gen 11 Stimmen abgelehnt und erklärte sich dabei auch gegen ein selbständiges Reichskolo­nialamt. Dagegen wurde der UnterstaatSsekre- tär bewilligt und ihm statt 20000 Mk. Gehalt 25 000 Mk. zugesprochen. Gleichzeitig soll er die Befugnis haben, den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes zu vertreten.

Berlin, 20. März. Ueber das Luftschiff des Majors Parsival, dessen neuartiges Prin­zip einer Schraube mit vier Flügeln aus losem Stoff in Luftschifferkreisen großes Aufsehen her- vorrief, berichtet der Lokal-Anzeiger: Die Augs­burger Maschinenfabrik hat in den letzten Ta- gen das Gondelgerippe aus Stahlrohr und Aluminium geliefert. Die Gondel mit Motor und Schraubenflügeln ist unter der Leitung des Majors von Parsival und dessen Ingenieur ge­baut und zusammengestellt worden, jodaß nun­mehr der Motor mit den Schraubenflügeln an der fest gehängten Gondel (ohne Ballon) pro­biert werden kann. Die ganze Maschine wird Ende April nach Berlin gesandt und hier an den Ballon angebaut werden. Die erste Vor­führung desselben wird in Gegenwart des Of­fizierkorps der Militür-Luftschiffer-Abteilung er­folgen. Bekanntlich hat sich zur Förderung dieser Erfindung wie überhaupt zur Verwend­ung des lenkbaren Luftschiffes im Kriege eine Studiengescllschaft mit einem Kapital von einer Million Mark gebildet.

Berlin, 23. März. Das Berl. Tagebl. schreibt: Allem Anschein nach ist die Verstän­digung in der Marokko-Frage jetzt gesichert.

An der Berliner Börse setzte heute eine Hausse ein, die sich auf Informationen gegründet, welche hiesige Großbanken aus dem Auswärti­gen Amt erhalten zu haben erklärten. Nach diesen Jnfomationen soll die Einigung über die strittigen Punkte praktisch bereits erzielt sein u. in wenigen Tagen offiziell besiegelt werden. Ueber die Grundlagen der Verständigung war «och nichts Zuverlässiges zu erfahren.

Berlin, 23. März. Der Klempergeselle Otto Schuster, der vorgestern im Tiergarten auf den württ. Major Gröner schoß, hat sich in seiner Zelle des Untersuchungsgefängnisses erhängt.

Eine Wiener Meldung des N. Tagbl. will wissen, an dortiger maßgebender Stelle gelte der Erfolg der Marokko-Konferenz nun- mehr für gesichert. Eine Einigung in der Po­lizeifrage dürfte auf Grund des österreich-unga, rischen Vermittlungsvorschlages erfolgen. Deutschland lasse den Anspruch auf Unterstellung des Hafens von Casablanca unter das Kommando des Generalinspcktors fallen. Dieser, dessen Machtbefugnisse wahrscheinlich gleich denen des italienischen Generals Degiorges in Makedo­nien sein werden, werde seinen Sitz in Tanger haben. Bezüglich der Bankfcage bestehe noch eine Differenz zwischen Deutschland und Frank- reich wegen eines Bunkanteils, doch sei anzu­nehmen, daß auch diese Schwierigkeit überwun- den werde.

Paris, 22. März. Aus Lens wird ge­meldet, das der Gewiunausfall, den dir Berg- Werksgesellschaften der Departements Nord und Pas de Calais infolge des Ausstandes erlei­den, täglich 1025 000 Franks beträgt und daß die deutschen Kohlenbergwerke jetzt schon täglich für eine Million Franks an die fran­zösischen Industriellen verkaufen. Die Berg- wcrksgesellschaflen wollen den Arbeitern einen Tageslvha von 6,60 Franks gewähren. Die 'Ausständigen verlangen aber einen Tagelohn von 7,10 Franks. Die Bergwerksgesellschaften hoffen jedoch, daß ein Einverständnis zwischen ihnen und den Ausständigen bald zu erzielen sein werde.

Tokio, 21. März. Infolge teilweiser Wiederherstellung der Verbindung gelangen jetzt Einzelheiten über dos große Erdbeben auf der Insel Formosa hierher. Darnach wird gegen­wärtig die Zahl der Umgekommenen auf meh­rere Tausend geschätzt. Die ganze Insel wurde durch Erdstöße erschüttert, die vom frühen Morgen des 17. März bis spät in die Nacht fortdauerten. Leichte Erschütterungen wurden 'auch in Japan verspürt. So wurden in Ku- manioto während der Nacht und am folgenden Morgen 5 deutliche Erdstöße wahrgenommeu. Ein Telegramm aus Formosa meldet, daß Lüe ^ blühenden Orte Datrijo, Raisbiko und Schr/nko !daselbst vollständig zerstört worden sind. In Kag: sind 200 Eingeborene und 7 Japaner ums Leben gekommen. Die Behörden verrich­ten ihre Geschäfte entweder unter offenem Hun- mel oder in schnell zusammengezimmerren Hüt­ten. In Darrijo wurden etwa 600 Tote gezählt. Der Sachschaden ist ungeheuer.

Aus Tokio wird gemeldet, daß 1014 Personen durch das Erdbeben aus Formosa