Amtsblatt

für öie Stadt Wikdbaö.

Erscheint Dienstags, Donnerstags und SamStags. Sestellpreis" vierteljährlich i Mk/ 10 Pfg. Bei allen würl» tembergischen Jostanstalten und Boten im Orts- u. Nach­barortsverkehr vierteljährl l 15 ^; außerhalb desselben 1 Mk. 20 ^ ; hiezu 15 Bestellgeld.

Anzeiger

für Wisöbaö u. Mmgevung.

Die Einrückungsgebühr

beträgt für die einspaltige Zeile oder deren Raum 8 Pfg. auswärts 10 Pfg-. Reklamezeile 20 Pfg. Anzeigen müssen den Tag zuvor aufgegeben werden. Bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.

Hiezu: Illustriertes SonnkagsblatL und während der Saison: Amtliche Fremdenliste.

Nr. M. I v/.Donnerstag, dm 8. März 1906.s 42. Jahrgang.

Rundschau.

Stuttgart, 6. März. Der Landtag wird am Freitag vertagt.

Stuttgart, 6. März. DemSchwäb. Merkur" zufolge begibt sich der Ministerpräsi­dent Frhr. v. Breitling heute Donnerstag zum Erholungsaufenthalt nach Freudenstadt.

Ludwigsburg, 7. März. Gestern abend zwischen 7 und 8 Uhr brannte das große Warenhaus Stern vollständig nieder. Es stehen nur noch die Umfassungsmauern. Der Schaden ist ungeheuer.. DaS Warenhaus ist erst vor 2 Jahren vom Privatier Weibert in Stuttgart erbaut worden.

Weissacth 5. März. Die Fortsetzung der Strohgänbahn, welche diesen Sommer eröffnet werden wird, nach Pforzheim, dürfte nunmehr so gut wie gesichert sein. Nachdem die Ge­meinden Iptingen, Mönsheim, Wurmberg Wi­ernsheim, Oeschelbronn und Pforzheim bereits früher namhafte Beiträge zugesichert hatten, haben in letzter Zeit auch die Gemeinden Wimsheim und Friolzheim Beiträge in Aus­sicht gestellt von 70,000 bis 80.000 Mk. bezw. 50,000 Mk. unter der Bedingung, daß beide Gemeinden einen Bahnhof bekommen.

Pfalzgrafenweiler, 6. März. I» nächster Zeit wird die hiesige evangelische Kirche mit einem Kostenaufwand von etwa 60,000 Mk. umgebaut werden. Die Bauleitung ist den Architekten Frey und Müller in Stuttgart übertragen worden.

Bei Ochsenmetzger Ruckgaber in Rot­te n b u r g brachte ein Metzgergcselle die Hand zu nahe gegen die Hackmesser, so daß die Ma­schine ihm drei Finger gänzlich wegschnitt.

Tübingen, 6. März. Der seit 40 Jah­ren im Dienst stehende Schultheiß Haas von Weilheim, welcher auf zwei Urkunden die Un­terschrift eines Gemeinderats ohne dessen Kennt­nis und Zustimmung setzte, wurde von der St.afkammer wegen Urkundenfälschung zu einer Woche Gefängnis verurteilt.

Tübingen. Die hier neugegründete Württbg. Fleischwarcn-Fabrik (G. m. b. H.), welche nach den neuesten Errungenschaften der Technik eingerichtet ist und über eigenes Schlachthaus, Kühlanlage, biologische Kläran­lage, Blechdosenfabrikation rc. verfügt, hat nun ihren Betrieb eröffnet. Sie ist die einzige Fabrik in Württemberg, welche neben Fleisch beschau auch regelmäßige Trichinenschau unter­hält. Um dem großen Publikum Gelegenheit zu geben, sich von der Güte ihrer Erzeugnisse zu überzeugen, beabsichtigt die Fabrik auch 5 Kilopackete an Private zu versenden.

Ulm, 5. März. (Kriegsgericht der 27. Division.) Der Unteraizt Dr. Knödler vom Jnf.-Reg. 120 veröffentlichte im Oktober v. Js. in der Ulmer Zeitung ein Eingesandt, das ge­gen den Vorstand und das Personal des hiesi­gen Ftstungsgefängiiiffes schwere Vorwürfe ent­hielt. Anlaß hiezu gab ein Grenadier, der vier Monate Gefängnis absaß und den Dr. Knödler als Revierarzt öfters zu untersuchen hatte. Das Eingesandt schilderte, daß der Mann durch die Behandlung im Gefängnis körperlich nnd geistig ruiniert wurde, daß er

zitternd vor einem dastand, wie ein an die Bilder der indischen Hungersnot erinnerndes Skelett. Dann war dem Gefängnispersonal mangelhafte Bildung, Schematisierung und Rücksichtslosigkeit vorgeworfen. Dr. Knödler, der nicht in Abrede stellte, daß er den Artikel verfaßte, wurde wegen Beleidigung des Ge- fängnisvorstandcs und seiner Untergebenen und wegen Verächtlichmachung staatlicher Einrich­tungen unter Anklage gestellt und gestern ver­handelt. Die Beweisaufnahme ergab, daß der Grenadier in nicht günstigem Gesundheits­zustand war, daß aber die Schilderung im Ein­gesandt sehr stark übertrieben, und daß der Grenadier nach der Entlassung aus dem Ge­fängnisse durch grobe Diätfehler sich selbst elend gemacht habe. Das Kriegsgericht verurteilte Dr. Knödler zu zwei Monaten Festungshaft, beantragt waren drei Monate Gefängnis und Degradation.

Berlin, 5. März. Der hier kürzlich ver­haftete Zopfabschneider, Schiffsboustudent Stoß, bei dem 31 Zöpfe vorgefunden wurden, wurde heute vom Schöffengericht gemäß dem Antrag des Staatsanwalts von der Anklage des Dieb­stahls und der körperlichen Mißhandlung, sowie der tätlichen Beleidigung freigejprochen, in der Erwartung, daß die Familie ihn sofort einer'' Anstalt zuführt. Die Sachverständigen hatten übereinstimmend das Vorhandensein der freien WiUcnsbestimmung verneint.

Baden-Baden, 6. März. Das Luft­kurhotel zumSchwanenwasen" ging um den Preis von 125 000 Mark in den Besitz des Herrn Aug. End zumSchützenhof" hier über.

Heidelberg, 5. März. Nach Sippls Ge­ständnis und der Auffindung der Skelettreste deS ermordeten Engländers Neid liegen nun­mehr die Tatsachen der schlimmen Tat klar vor Augen. Nach Sippls Angaben stellt sich der Verlauf der Mordtat folgendermaßen dar: Sippl traf am Vormittag deS 30. Juli 1905 in der Nähe des Heiligenbergs einen Englän­der, den er auf den AuSstchtsturm begleitete. Alsdann trennten sich die Beiden, und der Engländer begab sich einem Baedeker-Ver­merk folgend auf den Zollstock, nachdem er von diesem Vorhaben seinem Begleiter noch Mitteilung gemacht hatte. Diese Vertrauens- seligkeit sollte sich in verhängnisvoller Weise rächen. In Sippl, der beschäftigungslos und obdachlos war, reifte ein schreckliches Vorhaben. Er versteckte sich im Dickicht und lauerte dem vom Zollstock Zurückkehrendcn, in seine Baede­ker-Lektüre versunkenen Neid auf, ließ ihn an sich Vorbeigehen und streckte ihn mit einem Re­volverschuß von hinten nieder. Neid stürzte zusammen und war alsbald tot. Der Mörder beraubte nun sein Opfer vollständig. Nicht nur Portemonnaie, goldene Uhr, Baedeker, Ta­gebuch, Legitimationskarte nahm er ihm ab, auch sämtliche Kleider nebst Strohhut und Schnürstiefel zog er der Leiche aus und beglei­tete sich selbst damit. Die Leiche schleppte er ins Gebüsch und bedeckte sie mit Laub und Reisig. Er selbst begab sich der Gipfelpunkt der Frechheit und Unvorsichtigkeit in des Engländers Effekten in die Stadt, wo er sich

noch einige Tage in Begleitung seiner Geliebten, der Druckerei-Einlegerin Cenci Micka, aufhielt. Dann aber hielt es das Pärchen für geraten, den Heidelberger Staub von den Füßen zu schütteln und es überschritt am selben Tage, den zehnten nach der Mordtat, die deutschen Rcichsgrenzen, als in Heidelberg daS spurlos« Verschwinden dks Thomas Neid zur Anzeige gelangte. Daß man Neid in Heidelberg nicht früher vermißt hatte, ist darauf zurnckzusühren, daß er seiner Wirtin selbst erklärt harte, er wolle seine Sachen zurücklassen, da er einige Tage sich in den Schwarzwald begeben wolle. Alle Nachforschungen nach Rcid, auf dessen Auffinden von seinen Angehörigen in Paisley (Schottland) 5300 Mk. Belohnung ausgesetzt war blieben bekanntlich erfolglos, bis vor etwa 6 Wochen in Noga am Gardasee der 20 Jahre alte Schriftsetzer Arnold Sippl aus Linz ver­haftet wurde, bei dem man Effekten deS Neid gefunden hatte. Die Voruntersuchung nahm einen erfolgreichen Verlauf. Auf Grund der von Sippl in seinem Geständnis am Freitag abend gegebenen Beschreibung des Tatortes wurden am Freitag früh halb 7 Uhr die Ske- lattreste des Ermordeten, wie bereits mitgeteilt, aufgefunden. Man stieß mitten im dichtesten Kieferngebüsch auf einen Schädel, und im Um- kteis von 56 Meter wurden auch die übrigen Skeletteile gefunden. Bei einer neuerlichen sorgfältigen Durchsuchung des Geländes fand man lt.Hdlb. Tgbl." tief unter Laub und Moos den Unterkiefer des Ermordeten und ein künstliches Oberkiefergebiß, letzteres voll­kommen intakt erhalten. Damit ist die Iden­tität des aufgefundenen Skeletts mit dem ver­mißten Neid erwiesen. Am Sonntag sind nun auch von dem 17 Jahre alten Emil Blatten- seier in der Nähe des Tatortes die Kleider Sippls im Laub versteckt aufgefunden worden. Der Mörder Sippl wird in der nächsten Schwur- gecichtssession in Feldkirch sich seiner Tat zu verantworten haben. Nach den österreichischen Gesetzen ist ihm die Todesstrafe mittelst Strangs sicher. Die Micka wird demnächst vor der hie­sigen Strafkammer wegen Hehlerei erscheinen. Die Verwandten deS Ermordeten wurden so­fort von der Auffindung der Leiche benachrich- rigt und werden in den nächsten Tagen hier erwartet. Die Gebeine werden voraussichtlich nach England überfuhrt.

Frankfurt a. M., 3. März. Die hiesigen Restaurateure und Gasthofbefitzer wollen eine Erhöhung der Preise vornehmen. Zu diesem Zwecke haben sich die Vorstände des Vereins Frankfurter Gasthofbesitzer, des GastwirlschastS- vereins (Innung) und deS Wirteoereins verei­nigt. Gestern fand die erste gemeinschaftliche Sitzung statt, die zur Beseitigug der Notlage in dem gesamten Wirtschasisgewerbe eine Preis­erhöhung für dringend notwendig erklärte und demgemäß beschloß.

Krefeld, 5. März. Nach einer hier ein­gegangenen amtlichen Mitteilung wird der Kai­ser am 2. April das westpreuß. Husarenregi- ment Nr. 11 persönlich in Krefeld eiuführen. (Es handelt sich hier hauptsächlich um dieTanz- Husaren", die der Kaiser den jungen Krefelder