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Ac-nner-stcrg, öerr Li). Juni 1905.

41. Iahrgancl.

Rundschau.

Stuttgart, 26. Juni. Die Kammer der Abgeordneten trat heute in die Be­ratung der Verfassnngsrevision ein, wobei der Abgeordnete Haußmann - Balingen (Volkepartei) die Frage aufwarf, ob nicht noch ein anderer Weg als der des Regie- rungsentwuries zur Erreichung einer neuen Verfassung beschritten werden könne; der Redner stellte sich auf den Standpunkt, daß das (Gesetz vom Jahre 1849, nachdem die Regierung das Recht hat, im Zusammen­wirken niit den 64 Vertretern der Ober- ämler ein Verfassungsgesctz zu schaffen, noch zu Recht bestehe. Darauf beantragte der Abgeordnete Gröber (Zentr.), die staats­rechtliche Kommission mit der Prüfung der Frage zu beauftragen, ob dieses Gesetz von 1849 betr. die Emberufnng einer Versamm­lung von Volksvertretern zur Beratung einer Revision der Verfassung noch in Gel­tung ist; außerdem beantragte der Redner, die Beratung über die Versaisnngsrevision bis zur Vorlegung des Kommissionsberichts auszusetzen. Sämtliche Redner bezeichueten die Anregung Haußmanns als ein Hinder­nis flirr das Zustandekommen des Gesetzes und Ministerpräsident v. Breitling erklärte, daß die Regierung die Auffassung Haus­manns nicht te-le. Haußmann zog schließ­lich seine Anregung zurück, eoenso der Ab­geordnete Gröber seinen Antrag.

Stuttgart, 27. Juni. Bei der ge­stern fortgesetzten Generaldebatte über die Verfassungsrevision hielt der Abg. Keil eine nahezu zweistündige Rede, in der er den Standpunkt der sazialdemokratischen Partei zur Frage der Verfassungsrevision darlegte und erklärte, daß er und seine politischen Freunde, obwohl der Entwurf weit hinter dem, was die Sozialdemokraten verlangen, zurückbleibe, an den Beratungen des Entwurfs sich beteiligen und denselben so viel wie möglich zu verbessern suchen werden. Im übrigen unterzog Keil die Vorlage einer scharfen Kritik. Im Ein-j klang mit der sctherigen Haltung seiner Partei trst der Redner für die völlige Ab­schaffung der ersten Kammer und für die Einführung des Proportionalwahlsystems für das ganze Land ein. Die Abgeord­neten Liesching lVp.), Hieber (D.P.). Sand- derger (als Vertreter der Prälaten), Möll- warkh (als Vertreter der Ritter), Gröber (Ztr.) und Hong (Bd. d. Landw.) brachten den Antrag ein, die beiden Gesetzentwürfe an eine von der Kammer zu bildende Kom­mission von zehn Mitgliedern zur Beratung zu überweisen. Sehr eindrucksvoll war die sodann folgende längere Rede des Abg. Frhrn. v. Ow (ir. Ver.),der das Bedürfnis der Reform der ersten Kammer anerkannte, eine

schränknng der Gesetzmachcrei forderte und

Heute stand vor den Geschworenen der 26 Jahre alte verheiratete Taglöhnec Ernst Proß vvn Schwann, OA. Neuenbürg, we­gen eines Verbrechens der Körperverletz­ung mit Todesfolge. Proß hat am Sonn­tag den 9. April d. .I., abends sein 3 Jahre altes Kind Otio tot geschlagen. Er verheiratete sich 1904; seine Ehefrau brachte ihm das getötete, mit ihm im ledigen Stand erzeugte Kind bei, gegen das er eine gewisse Abneigung hatte, weil er seine Vaterschaft anzweiselte. Von dem Ange­klagten wurde das Kind stets roh behan­delt unv vielfach geschlagen, so daß das­selbe aus Angst bei seinem Anblick immer in Weinen ausbrach. Als der Knabe an jenem Sonntag nach Hause kam und den rohen Vater erblickte, weinte er wieder. Proß verbot ihm dies und gab ihm wie­der Schläge; als der Knabe weiter weinte, gab ihm jener rasch nacheinander mit der Hand zwei solch wuchtige Streiche von vorn ins Gesicht hinein, daß der Knabe beidcmale rückwärts zu Boden stürzte, sei­nen Hinterkopf auf demselben aufschlug und infolge dieser Gehirnerschütterung 2 Stunden später starb. Nach dem Gutach­ten der Sachverständigen ist der Tod des Kindes die unnnttelbare Folge der erlitte­nen Mißhandlungen. Der Angeklagte, ein leisten, als bisher in diesem. Das nume- roher und jähzorniger Mensch, stellte sich

selbst der Behörde und wurde verhaftet. Nachdem die an ihn gestellte Schuldfrage bejaht und dem Angeklagten mildernde Um­stände zngebilligt h alten, wurde er zu der Gefängnisstrafe von 3'/? Jahren verurteilt, wovon für Untersuchungshaft 2 Monate abgehen.

Tübingen. 27. Juni. (Schwurge­richt.) Gegen den verwitw. Mechaniker Gustav Widmann in Reutlingen wurde heute wegen eines Verbrechens des ver­suchten Totschlags «erhandelt. Im war zur Last gelegt, er habe am Abend des 22. März seine 24 Jahre alte Tochter Marie, Ladnerin in Reutlingen, durch einen Revolverschuß, jedoch ohne Ueberlegung, töten wollen. Der 46 Jahre alte Angeklagte lebte mit seinen 3 Töchtern häufig im Streit. Widmann ging von Reutlingen weg, nach­dem er sich für die Ecbansprnche an seine im Februar gestorbene Frau von seinen Töchtern hatte abfinden lassen. Als er sich aber nach einiger Zeit wieder mit Heiratsgedanken befaßte, reute ihn die Ab­machung, er machte Versuche, sie wieder rückgängig zu machen und kehrte nach Reutlingen zu seinen Töchtern zurück. Da wurde er nicht gut ausgenommen, es kam sofort wieder zu Auseinandersetzungen, wo­bei der Angeklagte, der etwas angetrunken war, im Zorn die Tochter Marie mit dem scharfgeladenen Revolver auf die Lederstraße verfolgte und dann auf einige Schritte

die Ueberzeugung aussprach, daß man der­einst wohl nur noch eine Kammer brau­chen, diese dann aber mit einem konserva­tiven Schutz ausrüsten werde Bezüglich der ersten Kammer sei der Wegfall der. Geisterstimmen und die Forderung des( Wohnsitzes ein Vorzug. Im Hinblick auf die scharfen koniessioaellen Gegensätze, die Redner lebhaft bedauerte und verurteilte, sei der Zeitpunkt für die Einbringung des Gesetzes nicht glücklich gewählt. Frhr. v. O:v sagte die ehrliche Mitwirkung in der Kommission zu, gab aber namens dar 13 ritlerschaftlichen Abgeordneten mit Aus­nahme des Hrn. v. Gemmingen die Er­klärung ab, daß die Vorlage nach ihrer jetzigen Gestaltung unannehmbar sei. Abg. Liesching, der als letzter Redner sprach, trat einzelnen Ansführungen des Abg. Keil entgegen und begann mit der Ansicht, daß nach den vorhergegangenen Ausführungen es schwierig zu sein scheine, eine Verständig­ung schon in diesem Haus herbeizuführen. Er sprach seine Freude darüber aus, daß die Budgetrechtsfrage nicht wieder ausge­rollt worden sei und betonte, daß die zweite Kammer auch ohne Privilegiert ihre Ar­beit zu machen wisse, zumal diese genötigt sein würden, im anderen Haus mehr zu

rische Gleichgewicht zwischen den beiden Kammern werde seine Partei auf dem Weg der Proporzwahl in der Kommission wiederherzustcüen suchen. Er schloß mit der Hoffnung, daß bei gutem Willen sich wenigstens eine bescheidene Reform dem Volk werde schenken lassen.

Eine König!. Verordnung ermäch­tigt die Staalseisenbahnverwaltnng zum Zweck der Erweiterung des Bahnhofs Mühlacker die nach dem genehmigten all- gemeinen Plan hiefür erforderlichen Grund­stücke und Rechte an Grundstücken im Weg der Zwangsenteignunq zu erwerben.

B orna ng, 27. Juni. Der 58jährige hies. Polizeidiener wurde am Sonntag nachm, von einigen hies. Burschen derart mißhandelt, daß er gestern nachm, an sei­nen Verletzungen gestorben ist. Die Täler sind ermittelt. Einer derselbe» sitzt in Haft. Der letztere soll schon vor einigen Wochen schwere Drohungen gegen den Polizeidieuer ausgestoßen haben.

Eßl i n g e n, 27. Juni. Der Brand in dem Anwesen der Württ. Holzwaren- manutaktur A.G. vormals Bayer ». Lcib- friev stellt sich nachträglich als weniger be­deutend heraus, als ursprünglich angenom­men worden war. Es wurde nur ein Teil der Gebäude, in welchen sich die Rollladen- schreincrei befand, zerstört. Der Betrieb

kräftige, lebensfähige erste Kammer als nn-! erleidet keine Unterbrechung entbehrlich bezeichnete. eine allmähliche Ein-' Tüb i-nge», 26. Juni. (Schwurgericht.)