Amtsblatt
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Anzeiger
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Irertag, den l6. DegernSer 1904.
Uro. 14-S.
Rundschau.
Stuttgart, 13. Dez. Die Vergehen gegen das Weingesetz beschäftigen noch fortwährend die Gerichte. Im Laufe dieses Monats werden von der hiesigen Strafkammer noch mehrere Weinprozesse zur Verhandlung kommen. — Aus Anordnung der Staatsanwaltschaft wurden dieser Tage wieder bei einem hiesigen Wtiichändler über 30000 Liter Wein beschlagnahmt.
Neuenbürg, 13. Dez. Die vom hiesigen Gewerbeverein einberufcne Ver- sammlung der Handelskammer-Wahlberechtigte» beschloß, Hrn. C. Commerell als B ertreter der Holzindustrie undsHin. A. Schmidt (Haueisen u. Sohn) als Ver- treter der Eisen- und Stahlindustrie zur Wahl vorzuschlagen.
— Der „Grenzer" in Freudenstadt schreibt: Wie wir hören, werden gegenwärtig die Vermessungsarbeiten für die Weitersührung der Murgbahn von Klosterreichenbach bis zur LandeSgrenze ausge- führt. Damit ist der Ausbau der im November 1901 eröffneten Bahnstrecke Freudeustadt-KIosterreichenbach bis nach Schönmünzach in greifbare Nähe gerückt und es scheinen die zwischen der württem- belgischen und badischen Regierung eingeleiteten Verhandlungen zu einem guten Ende zu führen. Badischrlscits sind die Vorarbeiten zur Weiterführung der Murgbahn Rastatt-Weisenbach bis zur Landesgrenze bereits ausgeführt und soll mit dem Weiterbau der Bahn im Laufe des nächsten Jahres begounen werden.
Nagold, 11. Dez. In der Krvnen- wictschast in Rohrdorf hat bei einer Schlägerei der Bauer Dengler die Wirtschaftslampe mit einem Bierglas zertrüm- ^ wert. Das brennende Petroleum ergoß sich auf den unbeteiligten Straßeuwart Breuuing, dessen Kleider sofort lichterloh brannten. Derselbe erlitt ziemlich aus- gebreitete Brandwunden und mußte in das Bezirkskrankenhaus ausgenommen werden.
Murrhardt, 14. Dez. Hier sollte vorgestern die Bürgerausschußwahl stattfinden. Bon den 661 Wahlberechtigten fand aber nicht ein einziger den Weg zum Wahllokal. Es findet daher am 21. ds. eine Nachwahl statt.
Tübingen, 13. Dez. (Schwurge- richt.) Der 20 Jahre alt» Gipsergeselle Heinrich Thumm von Bonlanden, O.A. Stuttgart, war zweier Verbrechen des versuchten Totschlags beschuldigt, verübt in Aich und Neckartailfingen dadurch, daß er auf zwei Personen scharfe Revolverschüsse abgab, um sie, nach seiner Angabe, davon abzuhalten, daß sie ihm anläßlich de- Besuchs seiner Liebschaft in Aich wie
früher Schläge zuteil werden lassen. Die Schüsse gingen fehl. Der Angeklagte bestritt die Tötungsabsicht. Nachdem die Geschworenen den Angeklagten nur zweier Vergehen der Bedrohung schuldig gesprochen, wurde er zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt.
Tübingen, 14. Dez. (Schwurgericht.) Wegen Brandstiftung hatte sich der 29 Jahre alte Karl Gustav Kübler, lediger Säger in Calmbach, O.-A. Neuenbürg, zu verantworten. Am Sonntag, den 23. Oktober d. I., nachmittags trieb sich Küb- ler in verschiedenen Wirtschaften in Calmbach herum. Er trat erst nachts halb 1 Uhr in ziemlich angetrunkenem Zustande den Heimweg an. Ec bewohnte eine Kammer im Dachstock eines Hauses, das seinem Bruder, dem Holzhauer Kübler, sowie dem Gemeinderat Rau und dem Fabrikarbeiter Schanz gemeinsam gehörte und von deren Familien bewohnt war. Nachts fir2 Uhr brach in dieser Dach- kammer Feuer aus und das ganze Gebäude brannte ab. Auch die Nachbar- gebäude fingen Feuer, wurden aber gerettet. Der Verdacht der Brandstiftung lenkte sich alsbald auf den Kübler. Vor den Geschworenen räumte er ein, daß er das Haus mit Absicht angezündet habe. Auf dem Heimweg von der Wirtschaft sei ihm der Gedanke gekommen, den 3 Frauen, Rau, Schanz und Kübler, einen Possen zu spielen und das Hans anzuzünden, weil diese schon oft über ihn gescholten hätten. Er habe ein brennendes Zündholz an das Stroh seines Strohsacks hin- gehalten.'das dann mit der Bettdecke sofort Feuer gefangen habe. Dann sei er so rasch und leise als möglich die Treppe hinuntergegangen, habe dann seine Stiefel wieder angezogen, habe Feuer ge- rufen und sei dann ins Dorf hineingesprungen. Hierauf habe er dem Brand von der Ferne zugeschaut. Er sei angetrun- ken gewesen, sonst hätte er nicht angezündet. Der Brandschaden beträgt gegen 14 900 Mk. Kübler wurde zu einer Zuchthausstrafe von 3 Jahren verurteilt und zum Verluste der Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren, i Tübingen, 13. Dez. Der Bauer Andreas Beck von Großelfingen (Hohen- zollern), welcher am 26. Oktober Hierim «Hof von Clemens und Decker den Fuhr- knecht Grömli niederstach, wurde, nachdem ihm die Geschworenen mildernde Umstände zugestanden hatten, wegen Totschlags zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt.
— Die Kgl. Staatsanwaltschaft Tübingen warnt vor den bekannten Madrider Schwindelbriefen, mit welchem gegenwärtig der Landgerichtssprengel Tübingen überschwemmt wird.
40. Jahrgang
— Wie in Stuttgart, so hatten sich auch in Heilbronn die bürgerlichen Parteien für die Bürgerausschußwahl geeinigt. Die Folge war, daß alle ihre Kandidaten gewühlt wurden.
! Hall, 11. Dez. Leutnant Erhardt, (geb. 27. März 1877 m Simmersseld), Sohn des Oberförsters in Steinbach, früher im Grenadierregiment 125 und zuletzt Bezirksadjutant in Mergentheim, der erst diesen Sommer nach Südwestafrika abging, ist dort dem Haller Tagblatt zufolge, nach einer telegraphischen Meldung, am 7. dieses Monats in Water- berg dem Typhus erlegen.
Pforzheim, 13. Dez. Der Bürgerausschuß bewilligte heute 192 800 Mark zu einem Bauplatz für ein Volksschulgebäude auf der Grenze der Brötzingcr Gemarkung und 250000 Mk. zum Ankauf des für eine höhere Mädchenschule ausersehcnen Anwesens von A. Glöckler Erben am Luisenplatz, sowie 70312 Mk. für einzn weiteren Bauplatz noch ohne direkte Zweckbestimmung. — Der Gotd« arbeitcr Karl Hasse stach seinen Kollegen Eugen Braun mit einem Schaber derart in den Unterleib, daß Braun im städtischen Krankenhause schleunigst operiert werden mußte, um am Leben erhalten zu werden. Die beiden trieben miteinander Spässe, welche einen so unglücklichen Ausgang nahmen.
Pest, 13. Dez. Seit Jahrenhat die Opposition in Ungarn durch Obstruktion die parlamentarische Arbeit unmöglich ge- macht. Zur Schaffung einer Grundlage hat Ministerpräsident Graf Tisza eine Gesetzvorlage eingebrachl, die eine neue Geschäftsordnung schaffen sollte. Mit Hilfe der Liberalen ist diese Hausordnung, die die Obstruktion unmöglich macht, die sogenannte lsx Daniel, zur Annahme ge- langt, freilich nicht ohne Bruch der bis- her geltenden Geschäftsordnung. Während die Mehrheit des Hauses den Bruch des Herkommens durch Annahmeder Vorlage gebilligt hat, ist die Opposition in Wut geraten und die Erregung hat heute, wo das Parlament nach mehrwöchiger Vertagung wieder zusammentreten sollte, zu wüsten Vorgängen geführt. Die Präsidentenestrade wurde vollständig zertrümmert und auf die Bänke der Abgeordneten geworfen, der Tisch des HauseS umgestürzt, die Geschäftsbücher, die darauf lagen, in Stücke zerrissen, die Wache aus dem Saal getriebm, das Geländer an der Estrade niedergerissen. Auch die Ministerbänke und die Sessel wurden zer- trümmcrt und die Portieren abgerissen: das HauS bietet das Bild vandalischer Zerstörung. Die Oppositionellen besetzten die Präsidentenrstrade.