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Vorlage zur Beschlußfassung zu, wonach das lippesche Staatsministerium beim Bundesrat beantragen soll, daß das Reichsgericht, das preußische Kommergc- richt, der bayerische oberste Gerichtshof, oder ein anderer oberster Gerichtshof den Thronfolgestreit entscheide: und Gras Leopold bis zur Entscheidung Regent bleibt.

Berlin, 28. Sept. Das erste polni­sche Hotel ist in Berlin, Unter den Lin­den, eröffnet worden. In den polnischen Blättern, die dafür große Reklame ma- chen, wird betont, daß das Hotel ganz »deutschenrein* sei, da sowohl die Inha­berin, als die gesamte Bedienung der pol- n schen Nationalität angehören. (Auge» fichrS der weltbekanntenpolakischen Wirt­schaft" wäre es viel wichtiger, daß das neue Hotel von Schmutz und Ungeziefer mög- lichst rein bleibt!

Paris, 10. Okt. Vor einigen Mona­ten gingen in einem Londoner Klub ein Engländer H. Davis nnd ein Russe, der Pelzhändler Grünwaldt, der auch in Paris ein großes Geschäft hat, eine Wette über den Widerstand von Port Arthur ein. Nach dem Engländer sollte die Fest­ung vor dem 1. Oktober fallen, nach dem Russen allen Anstrengungen der Japaner zum Trotz erst später. Grünwaldt hat die Wette gewonnen und am 2. Oktober von dem Engländer den Preis derselben in Gestalt eines Schecks von 500 Pfund Sterling 10000 Mk. erhalten.

Genf, 28. Sept. lEin elektrisch ge­ladenes Haus.) In einem hiesigen Wohn­haus wurde eine Reihe merkwürdiger schwerer Unglücksfälle durch Elektrizität verursacht. Das erste Opfer war ein Bäcker Namens Carles Girod, der mor­gens die Brötchen brachte. Er reichte sie durch die Stäbe des Küchenfensters, aber plötzlich schrie er furchtbar auf, fiel im Todeskampf zu Boden nnd starb nach wenigen Augenblicken. Die Polizei wurde gerufen und der Pförtner wollte die Sache aufklären. Er steckte seinen Arm durch das Fenster, wurde dabei aber auch von einem starken elektrischen Schlag zu Bo­den geworfen. Mehreren Personen, die ihm helfen wollten, ging es ähnlich, so daß sie sich längere Zeit nicht bewegen konnte. Nun wollte die Besitzerin des Hauses telephonisch einen Arzt herbeiru­fen; aber sie erhielt einen solchen Schlag, daß sie bewußtlos hinstürzte, während ein Mädchen, die Wasser ablaufen lassen wollte, schwere Brandwunden an den Fingern davvntrug. Nach einer Besichtigung des Hauses durch den Direktor des städtischen Elektrizitätswerkes teilte dieser den Be­wohnern mit, daß sic in der höchsten Gefahr geschwebt hätten. Er wunderte sich nur, daß nicht viel mehr Menschen­leben gefährdet wurden. Die Mauern des Hauses sind auf allen Seiten mit einem eisernen Spalier bedeckt, an dem Weinreben und Rosen gezogen werden. Dieses Spalier nun wurde an mehreren Stellen von einem ungeschützten elektr. Kabel berührt, das einen Strom von 500 Volt leitet. Der elektrische Strom ver­breitete sich in verschiedenen Richtungen durch das Spalier und war kräftig ge­nug, um jedes lebende Wesen, daS sich ihm näherte, zu töten.

Für den italienischen Kronprinzen ist, wie der Nordd. Allg. Ztg. geschrieben wird, nunmehr eine Amme gefunden worden. Ts ist die 24jährige Frau eines Försters, die sehr gesund und ein präch

tiger Typus der reinen lateinischen Rasse ist. Die muß für 2 Jahre ins Schloß übersiedeln und erhält monatlich 500 Mk. Nachher bezieht sie bis zu ihrem Lebensende eine monatliche Pension von 20 Mk. Der Prinz ist kein großes Kind, aber gut und kräftig gebaut.

Petersburg, 5. Okt. Der hiesige Spezialkorrespondent desPetit Journal" meldet seinem Blatte vom 4. ds. Mts.: Zwei Chinesen wurden in Tschifu dabei abgefaßr, als sie französische und deutsche Banknoten wechseln wollten. Dieser Vor­fall läßt darauf schließen, daß die beiden vermißten MilitärattacheeS, der'ranzösische und der deutsche, wahrscheinl ch von ihren Dschunkenführern ermordet worden sind. Die beiden Attachecs waren in der Tat bei ihrer Abreise im Besitz großer Geld­summen was die chinesischen Führer mög­licherweise zur Ermordung veranlaßt,-. Die zwei Chinesen wurden in das Ge­fängnis abgesührt, weil sie keine befrie­digenden Angaben über den Erwerb der Banknoten geben konnten.

London, 4. Okt. Ein aus Tschifu hierher telegraphierter amtlicher Bericht des Verteidigers von Port Arthur, Ge­nerals Stöffels, vom 23. September be­stätigt die Zurückscklagung der letzten japanischen Anstürme. General Stöffel erließ darnach folgende Proklamation: Ruhm und Dank sei Gott, Ruhm unse­rer heldenhaften Garnison, Ruhm Jll- mann, Sychow und Pogorski (es sind die Offiziere, welche die russischen Frei­willigen, mit Handgranaten bewaffnet, anführten), besonderer Ruhm und Dank unseren tapferen Freiwilligen, welche den Feind von den Troncheen vertrieben."

London, 4.Okt. Der.Daily Tclegr." meldet aus Nagasaki vom Sonntag über Shanghai: Furchtbare Jnfanterie-Kümpfe folgten den Schrecken der Artillerie-Kämpfe um Port Arthur. Am 22. und 23. Sept. machten die Russen einen Ausfall gegen die Stellungen, welche das 36. Kanagava- Regiment inne hatte. Der schreckliche Kampf hatte die fast völlige Vernichtung dieses Regiments zur Folge, nur ein Unteroffizier nnd 11 Mann blieben von 4000 Mann am Leben.

Wie schwer Japan schon jetzt den militärischen Nachschub ausbriugt, beweist folgendes Telegramm:Tokio, 1. Okt. Eine Notstandsverordnung, durch welche das Aushebungsgesetz abgcändert wird, ist heute veröffentlicht worden. Darnach wird die Dienstzeit für Reservisten 2. Klasse von 5 auf 10 Jahre ausgedehnt und der Unterschied zwischen der 1. und 2. Reserveklasse aufgehoben. Die Reser­visten werden ihrer militärischen Dienst­pflicht mit dem Alter von 37 Jahren enthoben. Die durch diese Abänderung herbeigeführce Vermehrung des Heeres macht eine Neuordnung der Divisions­organisation notwendig. Der Plan hie für ist noch nicht bekannt gegeben wor­den." Rußland hat von seinem in Europa stehenden Heer erst 4 von 24 Armeekorps mobil gemacht und davon stehen erst 2 in der Mandschurei vor dem Feind. Und wie werden die japanischen Truppen den herannahenden Winter er­tragen?

Von der Ankunft des aus Port Arthur ausgebrochenen russischen Panzer- schiffs »Zäsarewitsch" in Tsingtau und von dem schrecklichen Zustand, in dem das Schiff ankam, gibt ein in Tsingtau (Kiaut- schous lebender Württemberger seinen

Stuttgarter Angehörigen eine fesselnde Darstellung. Der Brief ist vom 13. Au­gust datiert, er erzählt:Tsingtau war gestern in einer schrecklichen Aufregung. Auf dem Signalberg zeigte sich plötzlich eine russische Flagge, also müssen russische Kriegsschiffe kommen. Kaum gedachr, da kam in langsamer Fahrt ein Torpedoboot angefahren mit zerschossenem Schornstein. Diesem folgte in einiger Entfernung das kolossale Panzerschiff Zäsarewitsch, furcht­bar zugerichtct; es war kaum imstande sich mehr vorwärts zu bringen. Die Offiziere alle mit verbundenen Köpfen, die Matrosen lagen todmüde an Bord und rührten sich kaum. Sie hatten eine lOstündige Schlacht hinter sich, am Schan- lung-Voigcbirge, nicht weit von hier; jedoch schießen hatten wir nicht gehört. Nach und nach kamen noch 3 Torpedo­boote, die he>l davongekommen waren. In dem Zäsarewitsch waren Löcher einge­schossen in der Größe einer Kommode. Die Schornsteine vollständig aufgerissen und von Hunderten von Kugeln getroffen. Die Japaner haben ausgezeichnet geschos­sen, das Schiff hatte 14 Volltreffer er­hallen. Der Kommandoturm, auf dem der Admiral und andere Offiziere standen, wurde zusammengeschossen. 6 Offiziere wurden getroffen, dieselbe Kugel nahm den Oberkörper des Admirals weg und warf ihn über Bord, die beiden Beine lagen in einer Ecke des Panzerturms. An Bord war alles voll Blut. Bor Tsingtau haben sie 16 Tote ins Meer versenkt und 60 Verwundete liegen auf dem Schiff. Nachm, wurde der Vizeadmiral, dem ein Stück vom Kopf weggeschossen und ein Bein wcggerissen war. an Land geschafft ins Lazaret. Ein schöner Mann mit großem schwarzen Bart. Dem 1. Offizier hat eine Kugel den Arm weggerissen. Ich kann Euch sagen, schrecklich sehen die Leute aus. Die Matrosen hatten gar keine Gesichtsfarbe mehr. Ganz gelb, blutlos lagen sie umher. Es sind im all­gemeinen große, kräftige Gestalten, aber die Anstrengungen der letzten Stunden machten sie ganz apathisch. Das Ruder ist auch weggeschossen.

Mar st berich t e.

Stuttgart, 6. Okt. (Mostobstmarkt auf dem Wilhelmsplatz.) Zufuhr 800 Ztr. Preis 3.20 bis 5. Mk. per Ztr.

Stuttgart, 5. Okt. (Mostobstmarkt auf dem Wilhelmsplatz.) Zufuhr 8000 Ztr. Preis 3.50 bis 5. Mk. per Ztr.

Eßlingen, 6. Okt. Am Güterbahnhof sind eingelaufen 17 Wagen Mostobst (12 aus Hessen und 5 aus Bayern). Preis 3.80 bis 4.20 Mk. per Ztr.

Besigheim. Bönnigheim 5. Okt. Lese in vollem Gang, Quantum schlägt zurück, Qualität dagegen sehr gut, heule einige Käufe zu 100 Mk. und 110 Mk. per 3 Hl.Stadt Besigheim, 5.Okt. Lese noch im Gang, Käufe zu 130 und 133 Mk. pro 3 Hl., Qualität recht gut, Weinmost kann gefaßt werden. H es- sigheim a. N., 5. Okt. Weitere Käufe, teilweise noch am Stock, zu 138 Mk. pro 3 Hl.

StcrrröesVrriH-KHrorrrk

vom 30. Sept. bis 6. Okt. 1904.

Eheschließungen:

6. Okt. Horkheimer. Wilhelm Christian, Mau­rergeselle hier, und Bahnet Katharine, Zimmermädchen hier Gestorbene:

3. Okt. Lutz, Anna Katharine, Tochter des Maurers Jakob Friedrich Lutz hier, 1 Jahr 2 Monate alt.