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Wenn eine Anzahl solcher Telegrammstreifen gestanzt sind, werden sie einer nach dem andern in den Adsendeapparat gesteckt und zwischen zwei Rollen sehr schnell abgerollr. Dabei läuft über den Telegrammstreifen und über die eingestanzten Buchstaben ein elektrischer Stromabnehmer (Kupferbürste) und schickt einen elektrischen Strom nach der Empfangstation. Bei jedem der eingestanzten, aus vielen Löchern zusammengesetzten Buchstaben fällt diese Stromverschickung entsprechend derZusammensetzung des Buchstabens anders aus. An der Empiangstation ist nun ein starkes Licht vorhanden, dessen Strahlen durch ein kleines drehbares Spiegelchen hin und her gelenkt werden können. Durch eine sinnreiche Vorrichtung dreht sich nun das Spiegelchen je nach dem elektrischen Strom, den es von der Absendestatiou aus den gestanzten Telegrammworten erhält, so, daß es mit seinem Strahl die betreffenden Buchstaben auf einen sich abrollenden Papierstreifen sich zeichnet. Natürlich sieht man den Buchstaben, den der Strahl auf das Papier zeichnet, vorerst nicht so wie einen Tintenstrich. Allein das von den Strahlen betroffene und beschriebene Rollenpapier ist lichtempfindliches photographisches Papier. Es läuft sofort in eine Entwicklungsflüssigkeit, worauf die Schrift sichtbar und haltbar wird. Der neue Schnelltelegraph ist also eine Verbindung von Elektrizität u. Photograhpie. Wenn er sich als ebenso zuverlässig erweist, wie er ingeniös ist, wird er bald an den meistbeschäftigten Telegraphenlinien zur Einführung gelangen.
Berlin, 23. Okt. Der elektrische Siemenswagei. hat seine letzte Leistung (201 Kilometer) noch übertroffen: erfuhr stellenweise mit der unglaublichen Geschwindigkeit von 207 Kilometern in der Stunde! Der Schnellmotor legte die Strecke bis Zossen zweimal zurück. Das eine mal steuerte ihn Oberingenieur Dr. Reichel, das andere Mal Ingenieur Ehn- hardt. Auf Station Dahlwitz hatte sich wieder ein zahlreiches Publikum eingefunden. Die ganze Strecke legte der Siemenswagen in nicht ganz 1^/» Minuten zurück. Das Schauspiel, das sich dem Beobachter bei Vorübersahrt des Schuellmotors bietet, ist erhebend für den Verkehrstechniker, überwältigend für den Laien. Wenn das Hornsignal des Militärpostens ertönt, dauerts nur noch Augenblicke, und der Blitzmotor ist am Horizont als Pünktchen sichtbar; dann nimmt er an Umfang und Deutlichkeit ^zusehends" zu: man bemerkt das elektrische Feuerwerk der Oberleitung, man hört ein brausendes Geräusch, und im Nu saust er auch schon vorüber, wie die Sturmbraut, im Nu ist er verschwunden. Das überwältigende für den nahestehenden Beobachter liegt in der unheimlicken Vergrößerung des Kolosses bei dessen Annäherung. Es gehört schon ern geübteres Auge dazu, um Personen an den Wagenfenstern sehen zu können; an ein Erkennen ist natürlich gar nicht zu denken.
Bad Nauheim, 23. Okt. Der flüchtige Kassenbote Franz Lippe, der der Paderborner Bank 60 000 Mk. in Wertpapieren und 2000 Mk. bar aus einem erbrochenen Depot stahl, wurde soeben, als er einen Chiffrebrief aus der hiesigen Post abholen wollte, verhaftet.
Belgrad, 20. Okt. (Bezahlte Königs- mörder?) Das „Neue Wiener Journal"
veröffentlicht die Namensliste derjenigen serbischen Offiziere, die sich für den Königsmord angeblich bezahlen ließen. Nach dieser Liste erhielt Oberstleutnant Nau- mowitsch 45000 Francs, Oberst Maschin, (der spätere Minister der öffentlichen Arbeiten) 30 000, der frühere Kriegsminister Zolarew 24000, Hauptmann Rostitsch 24000, Hauptmann Ziviwitsch 12000 Fr. Andere Offiziere wurden mit 2000 bis 5006 Fr. abgefertigt. Außerdem erhielt Avakumowitsch, der dann Ministerpräsident wurde, 50000 Fr. Die Gesamtsumme der verteilten Gelder beträgt 300 000 Fr. — Im serbischen Amtsblatt wird offiziell bekannt gegeben, daß als Erbin des Nachlasses des Königs Alexander die Königin-Mutter Natalie erklärt wurde. Die gesamte Schuldenlast soll 2100000 Frks. betragen.
London, 17. Okt. In dem Versteigerungslokal von Knight Frank und Rutley war gestern eine Anzahl Kostbarkeiten, Perlen und Diamanten, Halsbänder, Armbänder und andere Geschmeide, das heute zum Verkauf kommen sollte, nach dem Herkommen zur Ansicht ausgestellt. Wahrscheinlich hatten einige Diebe an den wertvollen Dingen Geschmack gefunden, auch die Gelegenheit erkundet und erfahren oder erraten, daß die Juwelen über Nacht in einem Kassenschrank der Verstcigerungsräume unbewacht Zurückbleiben'würden. Das letztere klingt sehr merkwürdig, war aber wirklich der Fall. Die Diebe brachen im Lauf der Nacht durch das Dach ein, ließen sich an einem Seil in den Versteigerungsraum hinab, erbrachen den Kaffenschrank, ließ n die Schachteln, worin sich die Kostbarkeiten befanden, hier zurück, und entrannen ungestört auf demselben Weg, wie sie gekommen. Die Beute wird an Wert auf ungefähr 10000 Pfd. St. geschätzt. Die Mitglieder der Firma erklärten heute im Lause des Tages auf Anfragen, es sei zwar eine noch offene Frage, ob in solchem Fall der Versteigerer für die seinem Gewahrsam übergebenen Dinge, falls solche in richtiger Weise unter Verschluß gehalten würden, im Fall des Diebstahls haftbar sei; jedenfalls aber werde die Firma, ob haftbar oder nicht, für den Verlust aufkommen. —
Philadelphia, 20. Okt. Der Gefahr, durch Silberdollars erdrückt zu werden, entkamen mit knapper Not mehrere Beamte der Münze in Philadelphia. Sie hatten den Auftrag, eine große Summe Geldes nachzuzählen, die seit Jahren in einem Gewölbe des Münzamts aufgespeichert lag. Bei der Oeffnung des Gewölbes zeigte es sich, daß die Säcke, in denen die Silberstücke verwahrt wurden, vermodert waren nnd, sobald man den Versuch machte, sie aufzuheben, auseinander fielen. Als einer der Beamten sich auf den Berg Geldes hinaufzuarbeiten versuchte, um die losen Stücke zu sammeln, platzte nach der „Voss. Ztg." eine ganze Reihe von Säcken, uud die ganze Masse Geldes setzte sich auf einmal in Bewegung, so daß die in dem Gewölbe befindlichen Beamten sich nur mit Mühe retten konnten. Der Sturz der Geldmassen, 2 Millionen Dollars, erschütterte das ganze Gebäude.
Die in Aokohama erscheinende „Deutsche Japaupost" gibt einen Leitartikel des japanischen „Jmmin" wieder, in welchem dieses Blatr auffordert, sich in allem Deutschland zum Muster zu
nehmen. In Japan führt man vom Regierungsbeamten bis zum Schuljungen Deutschland beständig im Munde. Damit sei es aber nicht getan. Man müsse auch Deutschlands Parole: „Allen voran" zu der semigen machen und danach handeln. Wie bezüglich der Verfassung, der Landesgesetze und der Staatsverwaltung, wie in der Wissenschaft, so könne man in allem anderen Deutschland als Muster aufstellen. Selbst unter ungünstigen Verhältnissen erreiche Deutschland in allem eine prominente Stellung. DaS beweisen z. B. seine maritimen Unternehmungen. Die deutsche Kriegsflotte habe sich dank dem großen Interesse des Kaisers, der durch eigenes Studium in der Heimat und im Auslande sich informiere, der selber Schiffe zeichne und über Schiffsbau schreibe, aus kleinsten Anfängen zu einer der erstklassigen Marine der Erde entwickelt. Die Handelsmarine nehme nächst England den ersten Platz ein, was Tonnengehalt ihrer Schiffe anginge; sie habe (England eingeschlossen) die größten u. schnellsten Schiffe der jErde. Und bei alledem sei Deutschland ein Land, das durch seine geographische Lage gar nicht von vornherein auf die See angewiesen sei. Nur ein Drittel seiner Grenzen berühre das Meer. JAber es habe erkannt und arbeite immer mehr auf die allgemeine Erkenntnis des Satzes: „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser" hin. Die Flottenvereine wirken mit. In einem Lande, wie Japan dagegen, das aufs Meer angewiesen sei, finde man nichts, was sich in dieser deutschen Energie im Anpacken von Unternehmungen vergleichen könne, und wenn mit schweren Steuern die Mittel zu etwas aufgebracht seien, so wanderten sie zum Teil wieder in private Taschen. Was Japan nötig habe, sei das Eindringen nicht nur deutschen Wissens und deutscher Einrichtungen, sondern vor allem des deutschen Wesens.
UnterHaLtenöes.
Im Banne der Rache.
Von O. Elster.
14) (Nachdruck verboten.)
„Nein, mein Johannes," sprach sie fest. „Nichts von alledem werde ich tun, sondern hier die Männer der Behörde erwarten und ihnen ruhig folgen,- wohin sie mich führen ..."
„Ich ertrage es nicht . . ."
„Ein furchtbares Geheimniß liegt dieser schrecklichen Tat zu Grunde. Noch habe ich die Lösung dieses Geheimnisses nicht gefunden, aber ich werde sie finden und ich werde schuldlos aus dieser Prüfung des Himmels hervvrgehen."
„Und willst die Untersuchung, die Haft, das Gerich über dich ergehen lassen? Du erträgst es nicht — Du unterliegst diesem Schicksalsschlage — dieser Schmach — und — und wenn Sie Dich schuldig sprechen? — Ach, es ist alles möglich bei den dem Irrtum, der Täuschung unterworfenen Menschen!"
„Wenn man mich schuldig sprüht, wenn man mich schuldig findet, dann werde ich die Sühne meiner Tat, die ich nur im Wahnsinn begangen haben kann, mit heiterem Mut auf mich nehmen. Habe ich diese Tat des Wahnsinns begangen, dann mag ich nicht mehr leben, dann kann ich nicht mehr leben und ich werde